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Kunst der Nation — 2.1934

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Steiner-Sendling
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Hildebrandt, Hans: Friedrich Faiß
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Hans F. Secker
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4

K u n ft der Nalio u


Josef Steiner-Sendling, Die Blinde. 1834
Photo: Werner Köhler, Berlin
auf die Besonderheit seiner Begabung hin.
Denn in seinen eigentümlichsten, aus den
Tiefen der Phantasie geholten Bildern bringt er
Linie und Farbe zu einem besonderen Einklang.
Das sehr betonte Liniengerüst gliedert das Bild
tektonisch und bestimmt das Gegenständliche mit
Aktivität; und im Widerspruch dazu wird die
Fläche in einer nntektonischen fast skizzenhaften
Auflockerung mit Farbe gefüllt, manchmal in
Flächen, meist in einer anziehend malerischen
Struktur. So entsteht ein Eindruck von Unwirk-

lichkeit und Phantastik; auch scheinbar nach der
Natur gebildete Dinge werden ins Uberwirkliche
transponiert, und vollends das der Phantasie Ent-
sprungene wird in seiner Endwirkung visionär
durch die Spannung der Form zwischen sinn-
bestimmender Linie und gcsühlsbeladener Farbe.
Dergestalt wirken schon seine reifen Land-
schaften, wie die aus dem Wilden Kaiser und die
mit Erlebnis gesättigten Akte, Liebesszenen, die
Pferde am Meer. Die Steigerung natürlicher
Erscheinungen ins Dämonische zeigt sich offenbar
in der Wandlung dieses Pferdemotivs, das ihn be-
sonders stark beschäftigt hat. Zuerst war es ein
Pferd, das fast mit dem Felsen am Meer ver-
schmolz; dann wurden es zwei, die sich vor dem
flachen Meereshorizont erhoben; die einstweilen
letzte Fassung begnügt sich wieder mit einem
Exemplar, das sich abermals von einem drohenden
Uferfelsen her auf uns zu bewegt. Die Vitalität
des Naturvorgangs wurde jedesmal gesteigert; es
ist nun das eine Pferd zu einem Symbol des Vor-
drängens geworden, das sich aus der Tiefe, aus
dem Schoß der Natur selber drohend auf uns zu
bewegt mit schwerer und unabwendbarer Schicksal-
haftigkeit; ganz groß gesehen, im Umriß wie in
der seltsamen Farbigkeit bis aufs letzte vereinfacht.
Die lyrische Grundempfindung, die am häufig-
sten in Steiners Visionen erklingt, hat sich in den
letzten Jahren eine besonders entsprechende Form
geschaffen. Die Entwicklung unserer künstlerischen
Vorstellungsweise kündet sich darin (bei ihm, wie
auch bei andern) mit einer Zwangsläufigkeit an,
die nicht übersehen werden kann, obwohl sie allen
populären Vorstellungen und Wunschtränmen
widerspricht. Die immer bereite Lust zur Ver-
gegenftändlichung, unausrottbares Erbteil deut-
scher Kunst, verkleidet sich hier in einer geheimnis-
vollen Rätselsprache der Malerei, die man am
schönsten mit einem Rnngeschen Wort „hiero-
glyphisch" benennt. Die Farbenflächen sind in
diesen Schöpfungen die Träger der lyrischen Stim-
mung, und die Linie hat sich ganz von ihnen
emanzipiert, sie führt ein romantisches Eigenleben
und bildet eine von der Erstreckung der Farben
unabhängige Oberstimme. Unverkennbar ist die
Zwangsläufigkeit einer künstlerischen Entwicklung,
die Steiner zu dieser Ausdrucksform geführt hat.
t.

Himmels rotbraune Felsgipsel, fußend auf be-
schatteter Bergwand, die in unwahrscheinlich tiefes
Blanviolett sich hüllt, im Vordergrund strahlendes
Braunrot, jungfrisches Grün, letzte Fetzen grell-
weißen Schnees.
Sind hier alle Formen fest umrissen, so lösen
sie sich bei den Aquarellen mit ihren tausend Mög-
lichkeiten feinster Übergänge, zartester Stufungen
oft fast völlig auf. Wie vorab bei so manchem

Hans F. Lecker
Gebaute Bilder. Grundlagen für eine kommende
Wandmalerei. Mit 93 Abb. Berlin, Atlantis-
Verlag 1934. Geb. 12 RM.
Ein Birch, das uns die Bedingungen der mo-
numentalen Wandmalerei aufstellt und in Be-


Iosef Steincr-Scndlin», Pferde. 1934

Photo: Werner Köhler, Berlin

Friedrich Fach

Der Stuttgarter Maler und Graphiker, von
dem diese Zeilen reden, gehört zu jenen echten
Künstlernaturen, denen wir in Deutschland voll
altersher öfter als in anderen Ländern begegnen.
Zu den in der Zurückgezogenheit Wirkenden, zu
den Verinnerlichten, die in ihrem Schaffen auf-
gehen und eine unüberwindliche Scheu haben,
irgendwie für sich selbst zu werben. Friedrich
Faiß ist darum vorläufig auch nur Wenigen be-
kannt. Diese wenigen aber schätzen und lieben
seine feine, unaufdringlich persönliche Kunst nicht
minder als den Menschen, der aus ihr spricht, und
die Paar Ausstellungen, die von seinen Arbeiten,
zuletzt in Köln, veranstaltet wurden, haben ihm
neue Freunde zu den alten zugeführt.
Das Besoudere seiner Kunst ruht in der Ver-
einigung tiefen Naturerlebens mit ausgeprägtem
Sinn für die Eigenwerte der Form an sich. Sie
ward möglich durch eine ebenso strenge Selbst-
schulung in der Naturbeobachtnng wie in konstruk-
tivem, tektonischem Gestalten.
Von Faiß bevorzugte Techniken der Malerei
sind Aquarell und Tempera, ohne daß jedoch die
Ölmalerei ausgeschaltet bleibt. Die Graphiken
werden meist als Federzeichnungen oder Holz-
schnitte, seltener in improvisierender Pinseltechnik
ausgeführt. Die überwiegende Mehrzahl aller
Arbeiten gehört der Landschaft. Figürliches kommt
fast ausschließlich bei Holzschnitten vor und wird
dann mit Gefühlswärme erfaßt: Ein einzelner
Mensch in seinem insichgeschlossenen Sein, ein
Doppelbildnis, eine Gruppe, gleich jener, einer
schlichten Mutter aus dem Volke mit ihren Kin-
dern. Der Anteil des Seelischen ist dabei stets ge-
wichtig.
Doch nicht allein bei Darstellungen des
Menschen. Er gibt auch den Gestaltungen von
Landschaften ihr eigentümliches Gepräge. In
Faiß ist auch ein Dichter lebendig. Aber er be-
dient sich zu seinen Schöpfungen ausschließlich
malerischer und zeichnerischer Mittel, und es gibt
nicht ein einziges Werk seiner Hand, das ins
Literarische abschweifte, Werte einer fremden

Kunst entlehnte. Dazu hat dieser Maler ein viel
zu sein entwickeltes Empfinden für die Forde-
rungen der reinen Form. Es läßt ihn auch die
für jedes einzelne Sichterlebnis gemäße technische
Ausdrucksweise mit Sicherheit finden, läßt ihn hier
eine starkfarbige Tempera, dort einen zarten
Wasserfarbenanftrag, hier eine Federzeichnung mit
spitzester Feder, dort einen kraftvollen, in unge-

brochenen Schwarz-Weiß-Gegensätzen sich bewegen-
den Holzschnitt wählen.
In jeder der vielen Landschaftsmalereien und
Zeichnungen birgt sich ein einmaliges, mit den
Sinnen erfaßtes, aber in die Tiefe der Seele hin-
abgedrungenes und aus ihr wieder gestaltend her-

vorgeholtes Erlebnis. Dies behütet Faiß davor,
sich zu wiederholen. Ist doch jedes solcher
malerischen Erlebnisse neu uud verlangt eine neue,
nur ihm eigene Formenbildung, eine neue, nur
ihm eigene farbige Harmonie. Weil die Natur
auch an der gleichen Stelle sich für den, der sich in
sie versenkt, stetig wandelt, bedarf Faiß, um wieder
und wieder Unverhofftes zu erleben, keines
häufigen Ortswechsels.
Stuttgart und seine Um-
gebung, der Rhein nut
seinem Schiffsverkehr,
das Oberbayerifche Berg-
land, der Ammersee, an
dessen vielleicht schönstem
Punkte, Dießen, der
Maler sich vor kurzem
niederließ, liefern ihm
Stoff in überreicher Fülle.
Jndustrieplätze und
Schiffe bieten meist den
Vorwurf für jene Arbei-
ten, in denen der Anteil
des Geometrisch-Konstruk-
tiven bedeutend ist, und
die mitunter fast zu Ge-
staltungen absoluter For-
mensprache werden. In
diesem Bereiche sind auch
eine Reihe von Ölgemäl-
den entstanden. Manche
sind hinter Glas gemalt,
in jener Technik mit-
hin, die der Farbe email-
artigen Schmelz, un-
wirklich leuchtenden Glanz verleiht. Die Bilder
in Tempera, die kraftvolle Farbengegensätze und
scharfe Präzisierung der Form erlaubt, sind meist
Gebirgslandschaften. Eines der schönsten, ein
Blick ans die Alpenspitze im Zugspitzgebiet, ist
Zeuge eines Farberlebnisses zur Zeit der Schnee-
schmelze, das überwältigend auf das Malerange
wirkte: unter dem reinen Blau des Frühlings-

Bilde von dem dunstumhüllten Bodensee mit seiner
unerschöpflichen Mannigfaltigkeit der Stim-
mungen und der Beleuchtungen. Mitunter wird
alsdann, das Unbestimmte des in-die-Ferne-sich-
Dehnens noch unterstrichen durch Beifügen
weniger, in bestimmten Formen und in starken
Farben wiedergegebener Einzeldinge, durch ein
Boot mit bunt bemaltem Rumpf, durch eiu paar
Badehütten in Blair und Orange, durch einen
fruchtbeladenen Apfel-
baum, durch Zweige
herbstlichen Weinlaubs in
der Nähe usw. Vielleicht
die stärkste Ausgestaltung
solcher: Gegensatzes bietet
das Aquarell „Gebirge
im Nebel": dicht am obe-
ren Rande der braune,
scharfgezackte Umriß einer
Bergkette; darunter, fast
die ganze Bildfläche fül-
lend, ruhender Nebel
aus farbigem, lichtestem
Weißgrau, aus den: nur
ganz in der Tiefe ein
schattenhafter Hügel-
vordergrund mit Tannen,
die im Dunste sich
schemengleich verlieren,
taucht. Wie hier erzielt
Faiß seirre Wirkuugen
meist mit einer erstaun-
lichen Sparsamkeit der
anfgewendeten Mittel.
Oft wählt er die Pa-
pierfarbe, auf die er
seine Wasserfarben fetzt,
zum Träger der Grundharmonie, fo daß wenige
Töne, wenige Striche genügen, das Bild zu voll-
enden. Oft wandelt er, etwa bei Winterland-
schaften, die er besonders liebt, das Weiß des
Grundes zur strahlenden Farbe. Das Aquarell
„Verschneite Hütten" gehört hierher, gemalt ans
ein nur leicht ins Gelbwarme spielendes Weiß:
dunkleres Blau für Tannen am Hang, lichtes für
Schatten im Schnee, starkes Rot für die Holz-
bohlen der Hütten, die unter den Schneekappen
sichtbar werden.
Die nämliche Sparsamkeit der Mittel übt Faiß
bei den Federzeichnungen, die, mit spitzester Feder
ausgeführt, ebenso subtilen Sinn für die Linie
verraten wie die Aquarelle für die Farbe. Sie
sind Muster einer graphischen Zeichensprache, wie
sie — doch in anderer Weise — gerade die deutschen
Meister im Zeitalter Dürers und wiederum zu
Beginn des 19. Jahrhunderts so gern redeten,
herausgeholt aus den Elementen des Strichs, aber
zugleich intimer Naturbeobachtung und Natur-
liebe gedankt.
Eine der letzten Arbeiten des Malers in Stutt-
gart ist, einer: Wintergarten abschließend, eir:
Glasfenster irr einem Kaffee. Mit allen Techniker:
der Glasbearbeitung sind hier ein Paar Fische,
Wassertiere und Wasserpflanzen, wechselnd in
Schliff und in Mattierung, eingestreut in lichte
Scheiber: zarter Farbentönung. Dies an sich
schlichte Werk bezeugt, daß Faiß auch größeren
Aufgaben gerecht werden könnte. Wünschen wir,
daß sie ihm auch gestellt Werder:!
Hnrr8 blilcksbranckt

erbt Abonnenten
für Eure Zeitschrift
„Kunst der Nation!"


Friedrich Faih, Aquarell


Friedrich Faih, Gebirge im Nebel, Aquarell

ziehung setzt zu der Aufgabe, die der neue Staat
den Künstlern stellen könnte und stellen wird,
Wern: einmal die Voraussetzungen einer umfassen-
den aktiver: Kunstpflege vor: seiner Seite gegeben
sein Werder:; eir: solches Buch muß uns willkom-
men sein. Hans F. Secker, der es geschrieben und
mit gr:t auSgewählten, klug einander gegenüber-
gestellten Abbildungen ausgerüstet hat, verweist
ausdrücklich auf der: praktischer:, Hiutergrund seiner
Arbeit; denn er glaubt mit Recht, daß wir einem
Zeitalter der Monurnentalmalerei in: Dienste des
neuen deutschen Reiches entgegengehen, und seine
Absicht ist nicht nur, die historische Entwicklung
des monumentalen Gedankens vor: Giotto und
Konrad Witz bis auf unsere Zeit darzulegen, son-
dern auch die Eignung unserer Zeit zu Ausgaben
des „gebauter: Bildes", wie er die Werke monu-
mentaler Gesinnung nennt, ausführlich aufzu-
zeigen. Das Ausland wird, wie Vorauszusehen,
hierbei nur gestreift, der großen Gestalt Skov-
gaards eine ernste Verehrung bewiesen; wenn
dann bei uns Hölzel und seine Schule in der: Vor-
dergrund gerückt werden, so liegt das in der Natur
der Sache und ir: der Theorie, die Secker befolgt.
Uber die Wahl des Künstlers, in dem er die ab-
solute „Erfüllung des Großen" sieht, nämlich des
Tessiners Pellegrini, könnte man mit vielen
Gründer: für und wider streiten; erstaunlich ist es,
daß Künstler, wie Schlemmer, der doch auch Höl-
zelschüler, uud zwar eir: konsequenter bauender als
Pellegrini ist, Schmidt-Rottluff und andere
Meister, auf die wir unsere Hoffnungen setzen
dürfen, nicht erwähnt Werder:.
Das Buch ist sehr angenehm, leicht und doch
konsequent geschrieben und vom Atlantis-Verlage
schön und mit Würde ausgestattet worden, b.

Friedrich Faih, Dorf, Holzschnitt
 
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