Äunst der Nation
3
Sprachrohr der Mehrzahl, die nur abgeleitete und
überkommene Werte kennt. Sein Erlebnis ist
vor ihn: erlebt worden, sein Stil besteht in ge-
schickter Anwendung der von andern festgesetzteil
Konventionen und Moden seiner Epoche. Es hat
ihn stets gegeben — Jrrtnm wäre es, den Ge-
schmackskünstler der Unfruchtbarkeit der Gegen-
wart vorzubehalten — und es wird ihn immer
geben, weil die Menschheit ihn verlangt als
Sprachrohr ihrer Banalität. — Die strenge
Analyse von Begriffen ist in Dingen der Kunst
nicht beliebt. Vielleicht ist aber die vorgeschlagene
Gliederung nach der inneren Qualifikation nicht
so unfruchtbar wie ästhetische Kategorien, die
nicht viel mehr bedeuten als ein Spiel der Ver-
nunft. Fragt man sich vor einem neuanftauchen-
den, oder auch einen: wohlbekannten Künstler,
welcher Klasse es wohl angehören mag, so wird
man ans diesem Standpunkt, der die psychologisch-
soziologische Herkunft in der Seele des Künstlers
prüft, vielfach den rechten Gesichtspunkt zur Be-
urteilung finden. Es wird wenige Kunstwerke,
sei es welcher Art, geben, die sich der Einordnung
in eine der drei Ordnungen entziehen; und dann
ist es vielleicht nicht der Mühe wert, danach zu
fragen. Das „tektonische" Mittelglied auch aus
Gemälde usw. anzuwenden, sollte man sich nicht
scheuen, auch abgesehen vom Fresko. Wieviele be-
deutende Bilder aller Zeiten gehören mehr dem
Stilkomplex an als dem echten Erlebnis, weil sie
unter dem unbewußten Druck zeitlicher Bedingun-
gen und Stilforderungen entstanden sind und das
Erlebte der Konvention dienstbar gemacht haben.
Ich glaube, daß in dieser Richtung die unleugbar
klaren Unterschiede z. B. zwischen Raffael und
Michelangelo, oder zwischen Holbein und Grüne-
wald, Rubens und Rembrandt zu suchen sind, und
die Ursache für das Unbehagen, das uns bei der
Forderung überschleicht, so Unvergleichbares auf
die gleiche Stufe zu stellen. Ein richtiger geistiger
Standpunkt gibt meist die bestell und darum über-
raschendsten Aufschlüsse.
Heinrich Waldmüller, Zwei Häuser im Schnee
FH einen cieuiLe/ien i^a/e^
Heinrich Waldmütter
Von
Hermann Wilhelm
Eine stille Kunst — wie sie das Werk des seit
einigen Jahren in Nürnberg tätigen Heinrich
Waldmüller darstellt — hat es immer schwer, sich
gegenüber den billigen Platten Erscheinungen des
iil sehr engen provinziellen Grenzen bewegenden
Kunstlebens dieser Stadt einerseits und gegenüber
dem lauteren Gehaben im Sinne einer Richtung
durchzusetzen. Es hat natürlich seiner Arbeit nicht
der Erfolg gemangelt, er geriet wiederholt in den
Vordergrund des Interesses der Kenner, Künstler
und Kunstschreiber, aber ein widriges Geschick
kehrte sich gegen ihn. So sehr sich — voll seinem
echten und blühenden Werk Überzeugte — für ihn
einsetzten, ihn der Verkennung, der Vergessenheit
zu entreißen; den deutschen Landschafter, dessen
ganzes Müssen aus innersten Bezirken des erd-
verbundenen deutschen Menschen kommt, in öffent-
liche Erinnerung brachten — es schien immer
blinder Alarm, der kaum ein Echo für Augen-
blicke fand.
Es handelt sich hier um das Werk eines reisen
Menschen, dessen künstlerische Haltung der Aus-
druck einer eigenen tiefgründigen Natnranschauung
ist, der die Tradition der deutschen Landschafts-
malern iil einem lebendigen Sinne fortsetzt und
nicht in irgendwelchen Archaismen, Eklektizismen
begreift; dessen Schaffen weder nur formal noch
bloß inhaltlich spricht, sondern der das natürliche
Sein von sich aus — als lebendiges Teil der
Natur — empfindet und gestaltet. Nicht der Wille
zur Gestaltuug ist das Bezeichnende seines Tuns,
sondern das nach Ausdruck drängende Müssen, das
lange die Bilder der Erlebnisse heimlich in dunklen
Gründen bewahrt, nm sie dann mählich in einem
bittersüßen Kampf zur Wirklichkeit zu bringen.
Die starke innerliche Beteiligung ist geradezu das
Signum seiner Bilder, es ist nichts bloß gemacht
mit einer fixen Hand und mit einem weiten Ge-
wissen, es sind alle Werte erfühlt, erforscht und in
nimmermüder innerer Schau voll allem Unwesent-
lichen bereinigt. So gelingen ihm, dessen Empfind-
samkeit für das innere Gesicht der Landschaft keine
anerzogene, sondern eine wesentliche Eigenschaft
ist, reine Realisierungen von einer traumhaften
Beseelung.
Heinrich Waldmüller ist nicht mehr so jung,
daß er die drückende Belastung des Hinaus-
geschobenseins so leicht erträgt, wie es eine
strebende junge Kraft vermag. Jedes ernste
künstlerische Schaffen — so sehr es äußerliche Er-
folge und nur materiellen Gewinn auch ablehnt,
hofft doch ans ein vernünftig Maß an gültiger
Anton Hartmann, Wandgemälde in der Fidelis-Kirche zu Darmstadt
Einreihung — ist es nach vielen Jahren harten
Kampfes und bitterer Enttäuschungen über das
vierte Jahrzehnt hinaus gelangt. Wenn es sich,
wie bei Waldmüller, dazu um einen Menschen
handelt, der neben seinem künstlerischen Können
über ein wirkliches Wissen verfügt, dessen geistige
Bildung — vom Herzen kommend — zu außer-
ordentlichen Anregungen befähigt, dessen lauterer
Charakter auch in der Verkennung und trotz der
Resignation jüngeren Kollegen immer er-
mutigende Anteilnahme beweist, ihnen ein wirk-
licher geistiger Führer ist, so ist es betrüblich, wenn
dem Erdenwallen dieses Menschen der Lebensraum
so unerträglich beengt wird. Ihn immer wieder
in die Erinnerung des Gewissens unserer Gegen-
wart zu bringen, der Vergessenheit zu entreißen
ist eine sittliche Verpflichtung.
Heinr. Waldmüller, geb. 1887 in München, ver-
lebte seine Jugend in der Ostschweiz. Nach Be-
such der Gewerbeschule iu St. Gallen kam er
nach München an die Kunstgewerbeschule und an
die Akademie. Mit Radierungen fand er erstmals
Aufmerksamkeit 1913. Das Kupferstichkabinett er-
warb damals seine Arbeiten, dem sich in der Folge
einige Provinzmuseen — Leipzig — anschlossen.
Der Krieg — den er von Beginn an miterlebte —
entriß ihn einer hoffnungsvollen Zukunft. 1918
begann er erneut mit seinen Bildern, die zumeist
der oberbayerischen Landschaft entstammen, sich
eine achtbare Stellung zu erobern. Die Inflation
vernichtete aber die darauf gesetzten Hoffnungen.
Durch die Galerie Barchfeld in Leipzig, die in der
Folge seine Werke der Öffentlichkeit Mitteldeutsch-
lands unterbreitete, wurde man erneut auf ihn
aufmerksam. Es blieb aber in jener Politisch so
bewegten Zeit jeder Erfolg aus. Ein halbjähriger
Aufenthalt in Paris blieb auf sein Schaffen ohne
Einfluß, er hatte längst erkannt, daß seine Kunst
— handwerklich und in geistiger Beziehung — in
der Fremde nichts mehr empfangen konnte als die
Bestätigung, daß wirkliche Größe in der eigenen
Auseinandersetzung mit der Natur gründet. Er
übersiedelte vor einigen Jahren nach Nürnberg,
dessen malerisch noch unentdecktes Umland von
großen koloristischen Reizen ist — dem er sich
schon früher widmete —, dessen künstlerische Ge-
staltung ihm eine schöne Aufgabe bedeutet.
Wandmalereien
von Anton Hartmann
Auf dem Wege zur Kunstform des neuen, in
größeren Schwingungen pulsierenden Deutschtums
stellen sich der Wandmalerei, der Monu-
mentalmalerei neue Ausgaben. Noch so sehr
vergrößerte Lichtbilder werden an Dynamik der
Wandmalerei immer unterlegen sein. Es fehlt
Anton Hartmann, Speerwerfer. Kaltnadelradierung
sichtiger, saft zeichnender Malerei. Die mäch-
tigen Gestalten der zwölf Apostel, paarweise als
Pilaster zwischen den Fenstern der Seitenwände,
vom Boden bis zur Decke reichend. Eine selt-
same Wandlung des nüchternen Kellerranmes hat
sich da vollzogen durch das Dasein, die lebendige
Gegenwart dieser mächtigen Hüter des lebendigen
Wortes. Ihre Konturen sind tief in die Mauer
eingeschnitten. Das gibt etwas plastische Wir-
kung, verstärkt ihre architektonische Eingliederung.
Zwischen diesen wuchtig ruhenden Pilastern,
unter den Fenstern des Hauptranms, im Halb-
schatten, als Gegensatz, in heftig zerwühlten Kon-
turen; erschütternde Darstellungen des Leidens.
Auf der Gegenwand Christus mit den weinenden
Frauen, der unterm Kreuzbalken Zusammen-
gebrochene und die Grablegung. Diese Bilder
des Leidens alle in schweren tiefbraunen, braun-
roten, rötlichen, gelben Farbtönen, die einander
schmerzlich überstrahlen, alle von einer heftigen
Dynamik der Flächengliederung, vollbeladen von
einem Schmerz, der die Bildebene unruhvoll aus-
wühlt und fast zerbricht.
Als Abschluß, auf der dreiteiligen Rückwand
des Raumes: Der Richtende Christus, —
zwischen den aus den Gräbern Auferstehenden.
Nicht streng kirchlich, aber aus echt germani-
schem Geist heraus, dem „Gott ein kämpfender
Gott ist, für den wir Farbe zu bekennen und ein-
zutreten haben".
ihnen vor allem auch das
Geheimnis der Dauer-
wirkung. Es erhebt sich
nun die Frage: sind
schon Ansätze zu einer
solchen, mit wirkenden
Kräften geladenen Wand-
malerei vorhanden? Lie-
gen Leistungen vor, dann
ist es Verpflichtung,
auf sie hinzuweisen uno
schöpferischen Kräften
Förderung zukommen zu
lassen.
Vor zehn Jahren
schon eroberte sich der da-
mals zwanzigjährige A n-
ton Hartmann die
Aufmerksamkeit und das
Vertrauen einer Reihe
von Kunstsachverstän-
digen und Fachkritikern
durch eine Serie von
kraftgeladenen und eigen-
artigen Zeichnungen, das
Opus I dieses jungen
Künstler - Lebens und
Leidens. Mit einem
energischen Ruck war er
des Schlosserlehrlings-
Daseins in einer Eisen-
bahnwerkstatt ledig. Ein
mehrjähriges Stipendium
vom Hessischen Staat
ermöglichte ihm eine Stu-
dienzeit an der Kunst-
schule Offenbach, an der
Akademie in München,
einen Studienaufenthalt
in Florenz, Rom und
Paris.
Dem Einundzwanzig-
jährigen bietet sich dann
die erste große Aufgabe.
Da ist eine schlichte,
nüchterne „Unterkirche"
— St. Fidelis — in
Darmstadt erbaut. Über
ihr soll später die Ober-
kirche errichtet werden,
wenn die Mittel vor-
Anton Hartmann, Veronika und Heilige.
Rechte Wand der Fidelis-Kirche zu Darmstadt
Händen sind. Da sind große, leere, leblose, grau-
weiße Wandflächen! Hier wird dem jungen
Künstler — gewiß ein seltener Fall — völlig
freie Hand bei seiner Arbeit gelassen. Da ent-
stehen in zweieinhalbjährigem Schaffen, in
Kasein-Malerei, monumentale Wandgemälde von
einer seltsamen Eindringlichkeit der Wirkung.
„Ein Vorstoß im künstlerischen Leben unserer
Zeit von ungewöhnlichem Maß."
Stark, schlicht, geschlossen in Aufbau und
Farbengebung. Alles kleinliche Detail wird zu-
letzt der großen, einfachen Wirkung und Form
geopfert. Als Überleitung zum kleinen, konven-
tionellen Altar zwei Figuren: Jeremias und
Johannes. Als Überleitung in den Raum der
Gemeinde die hohen Gestalten der Hl. Klara —
fast unirdisch schwebend — und des St. Fran-
ziskus, betende Männer und schlichte junge Mäd-
chen; locker in die Wand gesetzt, in leichter, durch-
Diese Wandmalereien Anton Hartmanns
waren Anlaß, daß er vier Jahre lang als Assistent
am Lehrstuhl „Zeichnen und Malen" an der Tech-
nischen Hochschule in Darmstadt von seinem Kön-
nen und Wissen, von seiner künstlerischen Diszi-
plin und straffen Arbeitsweise vielen jungen
Menschen etwas mitgeben konnte. Zur Zeit
schafft er als „freier" Künstler, Auseinander-
setzungen mit der Farbe und markige Radierun-
gen. Große Wände zur Weiterarbeit fehlen ihm.
„Alle schaffenden Geister der Geschichte haben nur
dadurch gewirkt und das Menschenmögliche er-
reicht, daß sie die höchsten Anforderungen an sich
selbst stellten". Aber für den Künstler von
Format war es immer auch lebensnotwendig,
daß von außen her an ihn eine höchste Anforde-
rung gestellt wird, daß ihm eine hohe Aufgabe
zuteil wird. Das wäre hier zu wünschen.
Huxo I^anx
3
Sprachrohr der Mehrzahl, die nur abgeleitete und
überkommene Werte kennt. Sein Erlebnis ist
vor ihn: erlebt worden, sein Stil besteht in ge-
schickter Anwendung der von andern festgesetzteil
Konventionen und Moden seiner Epoche. Es hat
ihn stets gegeben — Jrrtnm wäre es, den Ge-
schmackskünstler der Unfruchtbarkeit der Gegen-
wart vorzubehalten — und es wird ihn immer
geben, weil die Menschheit ihn verlangt als
Sprachrohr ihrer Banalität. — Die strenge
Analyse von Begriffen ist in Dingen der Kunst
nicht beliebt. Vielleicht ist aber die vorgeschlagene
Gliederung nach der inneren Qualifikation nicht
so unfruchtbar wie ästhetische Kategorien, die
nicht viel mehr bedeuten als ein Spiel der Ver-
nunft. Fragt man sich vor einem neuanftauchen-
den, oder auch einen: wohlbekannten Künstler,
welcher Klasse es wohl angehören mag, so wird
man ans diesem Standpunkt, der die psychologisch-
soziologische Herkunft in der Seele des Künstlers
prüft, vielfach den rechten Gesichtspunkt zur Be-
urteilung finden. Es wird wenige Kunstwerke,
sei es welcher Art, geben, die sich der Einordnung
in eine der drei Ordnungen entziehen; und dann
ist es vielleicht nicht der Mühe wert, danach zu
fragen. Das „tektonische" Mittelglied auch aus
Gemälde usw. anzuwenden, sollte man sich nicht
scheuen, auch abgesehen vom Fresko. Wieviele be-
deutende Bilder aller Zeiten gehören mehr dem
Stilkomplex an als dem echten Erlebnis, weil sie
unter dem unbewußten Druck zeitlicher Bedingun-
gen und Stilforderungen entstanden sind und das
Erlebte der Konvention dienstbar gemacht haben.
Ich glaube, daß in dieser Richtung die unleugbar
klaren Unterschiede z. B. zwischen Raffael und
Michelangelo, oder zwischen Holbein und Grüne-
wald, Rubens und Rembrandt zu suchen sind, und
die Ursache für das Unbehagen, das uns bei der
Forderung überschleicht, so Unvergleichbares auf
die gleiche Stufe zu stellen. Ein richtiger geistiger
Standpunkt gibt meist die bestell und darum über-
raschendsten Aufschlüsse.
Heinrich Waldmüller, Zwei Häuser im Schnee
FH einen cieuiLe/ien i^a/e^
Heinrich Waldmütter
Von
Hermann Wilhelm
Eine stille Kunst — wie sie das Werk des seit
einigen Jahren in Nürnberg tätigen Heinrich
Waldmüller darstellt — hat es immer schwer, sich
gegenüber den billigen Platten Erscheinungen des
iil sehr engen provinziellen Grenzen bewegenden
Kunstlebens dieser Stadt einerseits und gegenüber
dem lauteren Gehaben im Sinne einer Richtung
durchzusetzen. Es hat natürlich seiner Arbeit nicht
der Erfolg gemangelt, er geriet wiederholt in den
Vordergrund des Interesses der Kenner, Künstler
und Kunstschreiber, aber ein widriges Geschick
kehrte sich gegen ihn. So sehr sich — voll seinem
echten und blühenden Werk Überzeugte — für ihn
einsetzten, ihn der Verkennung, der Vergessenheit
zu entreißen; den deutschen Landschafter, dessen
ganzes Müssen aus innersten Bezirken des erd-
verbundenen deutschen Menschen kommt, in öffent-
liche Erinnerung brachten — es schien immer
blinder Alarm, der kaum ein Echo für Augen-
blicke fand.
Es handelt sich hier um das Werk eines reisen
Menschen, dessen künstlerische Haltung der Aus-
druck einer eigenen tiefgründigen Natnranschauung
ist, der die Tradition der deutschen Landschafts-
malern iil einem lebendigen Sinne fortsetzt und
nicht in irgendwelchen Archaismen, Eklektizismen
begreift; dessen Schaffen weder nur formal noch
bloß inhaltlich spricht, sondern der das natürliche
Sein von sich aus — als lebendiges Teil der
Natur — empfindet und gestaltet. Nicht der Wille
zur Gestaltuug ist das Bezeichnende seines Tuns,
sondern das nach Ausdruck drängende Müssen, das
lange die Bilder der Erlebnisse heimlich in dunklen
Gründen bewahrt, nm sie dann mählich in einem
bittersüßen Kampf zur Wirklichkeit zu bringen.
Die starke innerliche Beteiligung ist geradezu das
Signum seiner Bilder, es ist nichts bloß gemacht
mit einer fixen Hand und mit einem weiten Ge-
wissen, es sind alle Werte erfühlt, erforscht und in
nimmermüder innerer Schau voll allem Unwesent-
lichen bereinigt. So gelingen ihm, dessen Empfind-
samkeit für das innere Gesicht der Landschaft keine
anerzogene, sondern eine wesentliche Eigenschaft
ist, reine Realisierungen von einer traumhaften
Beseelung.
Heinrich Waldmüller ist nicht mehr so jung,
daß er die drückende Belastung des Hinaus-
geschobenseins so leicht erträgt, wie es eine
strebende junge Kraft vermag. Jedes ernste
künstlerische Schaffen — so sehr es äußerliche Er-
folge und nur materiellen Gewinn auch ablehnt,
hofft doch ans ein vernünftig Maß an gültiger
Anton Hartmann, Wandgemälde in der Fidelis-Kirche zu Darmstadt
Einreihung — ist es nach vielen Jahren harten
Kampfes und bitterer Enttäuschungen über das
vierte Jahrzehnt hinaus gelangt. Wenn es sich,
wie bei Waldmüller, dazu um einen Menschen
handelt, der neben seinem künstlerischen Können
über ein wirkliches Wissen verfügt, dessen geistige
Bildung — vom Herzen kommend — zu außer-
ordentlichen Anregungen befähigt, dessen lauterer
Charakter auch in der Verkennung und trotz der
Resignation jüngeren Kollegen immer er-
mutigende Anteilnahme beweist, ihnen ein wirk-
licher geistiger Führer ist, so ist es betrüblich, wenn
dem Erdenwallen dieses Menschen der Lebensraum
so unerträglich beengt wird. Ihn immer wieder
in die Erinnerung des Gewissens unserer Gegen-
wart zu bringen, der Vergessenheit zu entreißen
ist eine sittliche Verpflichtung.
Heinr. Waldmüller, geb. 1887 in München, ver-
lebte seine Jugend in der Ostschweiz. Nach Be-
such der Gewerbeschule iu St. Gallen kam er
nach München an die Kunstgewerbeschule und an
die Akademie. Mit Radierungen fand er erstmals
Aufmerksamkeit 1913. Das Kupferstichkabinett er-
warb damals seine Arbeiten, dem sich in der Folge
einige Provinzmuseen — Leipzig — anschlossen.
Der Krieg — den er von Beginn an miterlebte —
entriß ihn einer hoffnungsvollen Zukunft. 1918
begann er erneut mit seinen Bildern, die zumeist
der oberbayerischen Landschaft entstammen, sich
eine achtbare Stellung zu erobern. Die Inflation
vernichtete aber die darauf gesetzten Hoffnungen.
Durch die Galerie Barchfeld in Leipzig, die in der
Folge seine Werke der Öffentlichkeit Mitteldeutsch-
lands unterbreitete, wurde man erneut auf ihn
aufmerksam. Es blieb aber in jener Politisch so
bewegten Zeit jeder Erfolg aus. Ein halbjähriger
Aufenthalt in Paris blieb auf sein Schaffen ohne
Einfluß, er hatte längst erkannt, daß seine Kunst
— handwerklich und in geistiger Beziehung — in
der Fremde nichts mehr empfangen konnte als die
Bestätigung, daß wirkliche Größe in der eigenen
Auseinandersetzung mit der Natur gründet. Er
übersiedelte vor einigen Jahren nach Nürnberg,
dessen malerisch noch unentdecktes Umland von
großen koloristischen Reizen ist — dem er sich
schon früher widmete —, dessen künstlerische Ge-
staltung ihm eine schöne Aufgabe bedeutet.
Wandmalereien
von Anton Hartmann
Auf dem Wege zur Kunstform des neuen, in
größeren Schwingungen pulsierenden Deutschtums
stellen sich der Wandmalerei, der Monu-
mentalmalerei neue Ausgaben. Noch so sehr
vergrößerte Lichtbilder werden an Dynamik der
Wandmalerei immer unterlegen sein. Es fehlt
Anton Hartmann, Speerwerfer. Kaltnadelradierung
sichtiger, saft zeichnender Malerei. Die mäch-
tigen Gestalten der zwölf Apostel, paarweise als
Pilaster zwischen den Fenstern der Seitenwände,
vom Boden bis zur Decke reichend. Eine selt-
same Wandlung des nüchternen Kellerranmes hat
sich da vollzogen durch das Dasein, die lebendige
Gegenwart dieser mächtigen Hüter des lebendigen
Wortes. Ihre Konturen sind tief in die Mauer
eingeschnitten. Das gibt etwas plastische Wir-
kung, verstärkt ihre architektonische Eingliederung.
Zwischen diesen wuchtig ruhenden Pilastern,
unter den Fenstern des Hauptranms, im Halb-
schatten, als Gegensatz, in heftig zerwühlten Kon-
turen; erschütternde Darstellungen des Leidens.
Auf der Gegenwand Christus mit den weinenden
Frauen, der unterm Kreuzbalken Zusammen-
gebrochene und die Grablegung. Diese Bilder
des Leidens alle in schweren tiefbraunen, braun-
roten, rötlichen, gelben Farbtönen, die einander
schmerzlich überstrahlen, alle von einer heftigen
Dynamik der Flächengliederung, vollbeladen von
einem Schmerz, der die Bildebene unruhvoll aus-
wühlt und fast zerbricht.
Als Abschluß, auf der dreiteiligen Rückwand
des Raumes: Der Richtende Christus, —
zwischen den aus den Gräbern Auferstehenden.
Nicht streng kirchlich, aber aus echt germani-
schem Geist heraus, dem „Gott ein kämpfender
Gott ist, für den wir Farbe zu bekennen und ein-
zutreten haben".
ihnen vor allem auch das
Geheimnis der Dauer-
wirkung. Es erhebt sich
nun die Frage: sind
schon Ansätze zu einer
solchen, mit wirkenden
Kräften geladenen Wand-
malerei vorhanden? Lie-
gen Leistungen vor, dann
ist es Verpflichtung,
auf sie hinzuweisen uno
schöpferischen Kräften
Förderung zukommen zu
lassen.
Vor zehn Jahren
schon eroberte sich der da-
mals zwanzigjährige A n-
ton Hartmann die
Aufmerksamkeit und das
Vertrauen einer Reihe
von Kunstsachverstän-
digen und Fachkritikern
durch eine Serie von
kraftgeladenen und eigen-
artigen Zeichnungen, das
Opus I dieses jungen
Künstler - Lebens und
Leidens. Mit einem
energischen Ruck war er
des Schlosserlehrlings-
Daseins in einer Eisen-
bahnwerkstatt ledig. Ein
mehrjähriges Stipendium
vom Hessischen Staat
ermöglichte ihm eine Stu-
dienzeit an der Kunst-
schule Offenbach, an der
Akademie in München,
einen Studienaufenthalt
in Florenz, Rom und
Paris.
Dem Einundzwanzig-
jährigen bietet sich dann
die erste große Aufgabe.
Da ist eine schlichte,
nüchterne „Unterkirche"
— St. Fidelis — in
Darmstadt erbaut. Über
ihr soll später die Ober-
kirche errichtet werden,
wenn die Mittel vor-
Anton Hartmann, Veronika und Heilige.
Rechte Wand der Fidelis-Kirche zu Darmstadt
Händen sind. Da sind große, leere, leblose, grau-
weiße Wandflächen! Hier wird dem jungen
Künstler — gewiß ein seltener Fall — völlig
freie Hand bei seiner Arbeit gelassen. Da ent-
stehen in zweieinhalbjährigem Schaffen, in
Kasein-Malerei, monumentale Wandgemälde von
einer seltsamen Eindringlichkeit der Wirkung.
„Ein Vorstoß im künstlerischen Leben unserer
Zeit von ungewöhnlichem Maß."
Stark, schlicht, geschlossen in Aufbau und
Farbengebung. Alles kleinliche Detail wird zu-
letzt der großen, einfachen Wirkung und Form
geopfert. Als Überleitung zum kleinen, konven-
tionellen Altar zwei Figuren: Jeremias und
Johannes. Als Überleitung in den Raum der
Gemeinde die hohen Gestalten der Hl. Klara —
fast unirdisch schwebend — und des St. Fran-
ziskus, betende Männer und schlichte junge Mäd-
chen; locker in die Wand gesetzt, in leichter, durch-
Diese Wandmalereien Anton Hartmanns
waren Anlaß, daß er vier Jahre lang als Assistent
am Lehrstuhl „Zeichnen und Malen" an der Tech-
nischen Hochschule in Darmstadt von seinem Kön-
nen und Wissen, von seiner künstlerischen Diszi-
plin und straffen Arbeitsweise vielen jungen
Menschen etwas mitgeben konnte. Zur Zeit
schafft er als „freier" Künstler, Auseinander-
setzungen mit der Farbe und markige Radierun-
gen. Große Wände zur Weiterarbeit fehlen ihm.
„Alle schaffenden Geister der Geschichte haben nur
dadurch gewirkt und das Menschenmögliche er-
reicht, daß sie die höchsten Anforderungen an sich
selbst stellten". Aber für den Künstler von
Format war es immer auch lebensnotwendig,
daß von außen her an ihn eine höchste Anforde-
rung gestellt wird, daß ihm eine hohe Aufgabe
zuteil wird. Das wäre hier zu wünschen.
Huxo I^anx