Kunst der Nation
3
in allen Farben und Linien: sie kehrt aus der stati-
schen, künstlichen Ruhe und Ordnung der bürgerlichen Ge-
sellschaft wieder zu den freien Rhythmen der Elementarkräfte
zurück. Es ist kein Zweifel, daß sich vieles von jener Kraft,
die erst nach anderthalb Menschenaltern in Deutschland poli-
tisch zur Wirkung kommen sollte, zuerst in den Bildern des
Flamen van Gogh bemerkbar machte: Hier äußerte sich gegen-
über dem bourgeoisen Raffinement zum erstenmal wieder
jenes im positiven Sinne großartig Barbarische, auf dem die
notwendige Erneuerung aller nordischen Völker beruht. So
bedeutet van Gogh wie Nietzsche den äußersten Gegensatz und
das leidenschaftlichste Gegenspiel zu den Ideen und Mächten
des 111. Jahrhunderts wie zu den Idealen der die Welt da-
mals beherrschenden französischen Bourgeoisie — er ist denn
auch mit Recht zuerst in Deutschland verstanden worden und
hier zu Ehren gekommen, wenn auch durch Mittler, die nicht
seine Sache vertraten, sondern die ihre, nämlich den Vorteil
des internationalen Kunsthandels und seiner Spekulation.
Die Tragödie von Arles, wo Weihnachten 1888 der Wahn-
sinn van Goghs zum offenen Ausbruch kommt, muß eben-
falls als eine Tragödie des Volkstums und des Blutes ver-
standen werden. Ihre Begleitumstände sind fürchterlich balla-
im lllenspiegel de Eosters, sind also ein Inbegriff leidenden
Flamentums. Mit jener halb komisch-peinlichen, halb gräß-
lichen Sensation, wie sie der Impressionist Meier-Gräfe dar-
zustellen versuchte — er wußte es nicht besser, da er keinem
Volkstum verbunden war —, haben sie jedenfalls nichts zu
tun. Man versteht sie nicht, wenn man sie trotz des in-
dividuell-pathologischen Einschlags, der ihnen sicher zu eigen
ist, nicht als die blutigen Kämpfe zwischen Art und Art,
Volk und Volk, Rasse und Rasse wertet. Es ist nicht der
Einzelmensch, sondern ausgesprochen der Niederdeutsche, der
auf der einen Seite das ganze Unverständnis des „primi-
tiven" Asphaltparisers Gauguin, auf der andern die Feind-
schaft des französischen Kleinbürgertums erlebt, dessen Ruhe
und Sicherheit er bedroht. Damals, an Weihnachten 1888,
ist nicht van Gogh mit Paul Gauguin aneinandergeraten,
sondern der typische deutsche Träumer und reine Tor, der
Gläubige, Dörperhafte und Ungeschickte, der so gar nichts
vom Weltmann und Künstler im üblichen Sinne an sich
hatte — er mußte zwangsläufig in Streit geraten mit dem
artistischen Konstrukteur und raffinierten Pariser, nachdem er
sich einmal von ihm Gott weiß welche Kameradschaft und
geistige Hilfe erwartet hatte. Es ist auch begreiflich, daß
dieser schwerblütige Flame in der französischen Provinz nicht
die Frauen findet, die seine Art verstehen und lieben können,
daß er sich wohl unter Bauern und Arbeitern Freunde und
Kameraden gewinnt, aber daß er zugleich den ganzen Haß
der Bourgeoisie von Arles auf sich lädt. So ist die Tragödie
Vincents zum guten Teil auch eine völkische Tragödie. Da-
von weiß natürlich die landläufige Lebensbeschreibung nichts.
Es gehört zu der Passion dieses Flamen und Nieder-
deutschen, daß ihm das Reich, das doch seine eigentliche
Heimat und seinen Rückhalt hätte bedeuten können, fremd
und verschlossen blieb und verschlossen bleiben mußte. Denn
Deutschland war ja in seinem damaligen Zustand nicht mehr
die Vormacht der nordisch-christlichen Völker, es lag vielmehr
ganz im Banne des Materialismus und war bereits vom
aufkommenden Marxismus überfremdet und bedroht. Dem
Flamen blieb es so fern wie dem Ostdeutschen Nietzsche. Es
hätte damals dem Maler auch wenig geben können, weil
dieser Maler eben das Elementare suchte, die licht- und
sonnenglühende Landschaft des Südens wie die Germanen der
Völkerwanderung. So wurde der Niederdeutsche van Gogh
ein Verbannter, heimatlos umgetrieben und mit sich selber
zerfallen, vergeblich nach einer Gemeinschaft suchend, die ihm
in fremdem Volke und Lande nicht werden konnte. Die
Sonne, in der er malte, einsam und selbstzerstörerisch in der
Hitze der provenzalischen Felder, das Elend, mit dem er un-
unterbrochen zu kämpfen hatte, das Unverständnis und Miß-
verständnis der französischen Vouraeoifie bis zu der fürchter-
lichen Enttäuschung mit Paul Gauguin — das hat ihn schließ-
lich in Südfrankreich um den Verstand gebracht.
Aber van Gogh brach nicht einfach zusammen. Er fiel
nicht von einem Streich, sondern kämpfte, zäh, aufrecht,
heroisch weiter. Er überwand sogar das fürchterliche Er-
eignis der Selbstverstümmelung — im ersten Wahnsinns-
anfall hatte er sich ein Ohr abgeschnitten — und malte noch
viele herrliche Bilder. Er ist in seiner Art ein großartiger
Streiter gewesen und auch dem Irrenhaus nicht erlegen, in
das er sich selber begeben hatte; erst anderthalb Jahre später,
als seine physischen Kräfte erschlafften, schoß er sich die Kugel
in die Brust. Das alles ist unbeschreiblich deutsch. Und
deutsch ist van Gogh auch in allen seinen Liebesbeziehungen,
immer sich ganz entäußernd, wie ein Minnesänger des Mittel-
alters, dessen nordische Art und divinatorische Kraft schließ-
lich in jeder Frau das reine mütterliche Prinzip erkennen
konnte.
Es ist besonders tragisch, daß dieser Flame, endlich nach
seinem Tode zur Anerkennung, ja fast zu einem hitzigen Welt-
ruhm gelangt, noch einmal der Spekulation und Sensations-
gier zum Opfer fiel. Er wurde unter falschen Gesichtspunkten
ausgeboten und gemacht. Die Pathographie hat sich seines
Lebens und seiner Werke bemächtigt und phantastische Un-
geheuerlichkeiten daraus gemacht, während man die Zusam-
menhänge mit Rasse und Volkstum gänzlich verleugnete oder
verkannte. Man sah gar nicht den wirklichen van Gogh, man
sah nur in diesem seltsamen Kauz und seiner Kunst ein Ob-
jekt, das einzigartig war und das man deshalb auszubeuten
vermochte: So wurden an diesen Bildern, die alle dem mate-
riellen Elend abgerungen waren, vom Kunsthandel der letzten
Generation immer phantastischere Summen verdient. Zuletzt
bemächtigten sich auch noch geschickte Fälscher seines nachträg-
lichen Ruhmes und diskreditierten das ganze Werk. Auf diese
Weise wurde das Bild dieses großen nordischen Kämpfers
und Vorläufers getrübt.
Es ist eine Ehrenverpflichtung des neuen Deutschlands,
Vincent van Gogh Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Er
hat es verdient, daß man seiner Kämpfe gedenkt und sein
Werk als den Anfang einer neuen Entwicklung und eines
nordischen Geistes im Kunstwerk verstehen lernt. Denn e r
schuf in einem, dem Stofflich-Sinnlichen mehr oder minder
verfallenen Zeitalter zum erstenmal wieder aus Blut und
ererbter Erinnerung. Er brachte gegenüber dem ästhetischen
Formalismus die Kraft des geschöpflichen Elementes wieder
zur Geltung. Freilich blieb er in manchem an sein persön-
liches Leiden gebunden und darf nicht unterschiedslos als
Vorbild genommen werden — in seinem heldischen Kampf
auf verlorenem Posten jedoch ist er einer der großen Nieder-
deutschen gewesen; an seinem Werk des mythischen Licht-
gesangs wird sich ein neues Geschlecht zu neuer Kunst er-
heben und bestärken.
„Zwei Generationen"
Von
Werner Beumelbnrg
„Es gilt, auf kulturellem Gebiet die gleichen
Folgerungen zu ziehen, die man in der Politik
gezogen hat nnd die auf sozialem Gebiet eings-
leite't sind. Wir haben keinen Sinn fiir die Herr-
schaft der Minderwertigen in irgendeiner ver-
steckten Form. Wir bekennen uns zu jenem
Heroismus, der sich auf den Schlachtfeldern des
Materialkrieges lind im Elend einer sinnlosen
Berufs- und Arbeitsnot bildete, und der die Be-
geisterung und den Massenrausch höchstens als
erste rasch zu überwindende Stufe anerkennt. Was
1914 durch die brutale Gewalt der Ereignisse ge-
schah, die Ablösung der Begeisterung durch jenen
großen Gedanken der Pflichterfüllung ohne
Hoffnung auf Lohn, das ist das gleiche, was wir
heilte unter dem Ziel der kulturellen Neuformung
der deutschen Nation verstehen.
Man wird erkennen und bekennen müssen, daß
die schaffende deutsche Kultur in den vergangenen
Jahren bedauerlich weit hinter dem Leben und
seinen Ereignissen zurückblieb, indem sie sich in
Spekulationen und Theorien flüchtete, und man
wird andererseits Sorge tragen müssen, daß nun
nicht das Versäumte in falscher und überstürzter
Weise nachgeholt wird. Es gibt zwei deutsche
Generationen, die heute entscheidend sind. Die
eine davon sind wir, die der Krieg nach vier
Jahren wieder entlassen hat, eine kleine Schar
nur, wenn wir heute in stillen Stunden bedenken,
wen alles wir draußen lassen mußten. Die
andere sind diejenigen, die heute
zwanzig bis dreißig Lenze zählen.
Auf eine klare nnd kurze Formel
gebracht bedeutet deutscheKultur-
arbeit die Notwendigkeit, diese
beiden Generationen zusammen-
zuschweißen zu einen: unerschütter-
lichen Block. Die deutsche Jugend
von heute ist aufgelockert, so guten
Willens, so fähig der Tat und so
Pieter Vrrieghcl d. Ä., Bäuerin. München
Pieter Brueghel d. Ä„ Der Imker. Zeichnung
voll Klaubengüereitschaft, baß es
ein Verbrechen der K r i e g s g e n e r a -
tion wäre, wenn sie an diese
Jugend nicht alles mit vollen
Händen abgäbe, was sie selbst in
Dreck und Eestachr Lcks eine neue
Lebenshaltung sich hat erwerben
dürfe n."
Aus „Das jugendliche Reich", Reden und Aufsätze zur
Zeitwende, Verlag Gerhard Stalling, Oldenburg i. O.
Neue Malerei
Von
Maler Willi Kelter
Reichskammer der bildenden Künste und des Kampfbundes für deutsche Kultur Nordwest
Landesleiter der
Fortsetzung und Schluß aus Nr. 4.
Bei dem Vergleich zwischen dem Zeitalter des
Barock (die Beispiele können beliebig in der Ver-
gangenheit erweitert werden) mit der Gegenwart
ergibt sich für jeden Sehenden die unleugbare Tat-
sache, daß die Krisis der Malerei nicht eine interne
Angelegenheit dieses Kunstzweiges ist, daß viel-
mehr die Gründe für den Niedergang ganz außer-
halb des Künstlerischen liegen.
Das Barock und seine Zeit, das uns in so
überreichem Maße nicht nur nut einzelnen Wer-
ken der Kunst beschenkt hat, bietet vor allen Din-
gen den Anblick einer in sich geschlossenen stil-
einheitlichen Epoche der Kunst überhaupt. Das
war nur möglich auf der Grundlage einer ge-
schlossenen Gesellschaftsform. War es in der Gotik
der Stadt-Staat mit seiner patriarchalischen Ge-
sellschaftsordnung, so war es im Zeitalter des
Barock der Absolutismus und sein Gesellschafts-
aufbau, der allem künstlerischen Leben einen ge-
sicherten Untergrund gab. Aus diesen Gesell-
schaftsgebilden, die, von unserer Warte aus ge-
sehen, nicht mehr möglich oder auch nicht
wünschenswert sind, für die damalige Zeit aber
einfach Gegebenheiten waren, floß der einheitliche
Wille zur großzügigen Formung des Kulturlebens.
Nicht ohne Vorbedacht zog ich zum Vergleich das
Barock heran, denn nach dem Zeitalter des Ba-
rocks oder streng genommen nach dem Zeitalter
des Rokoko, also um die Wende vom 18. zum
19. Jahrhundert, wird dieser feste Untergrund des
gesellschaftlichen Lebens erschüttert, ja zerstört
durch die französische Revolution. Diese Revo-
lution hat ihre Vorläufer lange vor der Jahr-
hundertwende gehabt, doch ihre tatsächlichen Fol-
gen sind im Laufe des Umsturzes erst zutage ge-
treten. Nachhaltige Angriffe der Aufklärer auf die
bis dahin unerschütterlich scheinenden Institutio-
nen der Kirche und des absoluten Königtums,
Mißwirtschaft aller Art von feiten der Gewalt-
haber dieser Institutionen führten zu dem un-
vermeidlichen allgemeinen Aufstand von welt-
historischer Bedeutung. Denken und Forschen be-
freite sich aus allen Fesseln, und Freiheitsgedanken
erfaßten Menschen aller Klassen und Stände. Die
Aufklärung und das neue Denken bereiteten den
Wissenschaften seit dieser Zeit einen ungeahnten
Aufstieg, dem dann auch bewunderungswürdige
Ergebnisse in allen Teilgebieten der Wissenschaften
zuzuschreiben sind. Aber die Einheitlichkeit des
Denkens, das, aller Fesseln ledig, richtungslos nach
allen Seiten vorstieß, ging verloren. Damit ver-
fiel auch die Geschlossenheit des Weltbildes über-
haupt. Seit jener Zeit ist das politische Leben
und die politische Ordnung der Völker in unaus-
gesetzter Wallung und Bewegung geblieben. Der
Liberalismus, ein Kind der französischen Revo-
lution, wenn man will, eine Weltanschauung mit
den bekannten Politischen Folgeerscheinungen, er-
oberte sich die gesamte europäische Menschheit.
Heute ist durch den Nationalsozialismus diese Be-
wegung in ihren tiefsten Beweggründen erkannt
und darum auch überwunden worden. Wir wissen,
daß der Liberalismus unter dem Mantel humaner
Phrasen den anarchischen und selbstischen Trieben
hemmungslos freien Lauf gewährte. Eine nur
oberflächlich durch angebliche Staatsautorität ge-
tarnte Anarchie griff um sich. Einordnung und
Unterordnung auf allen Gebieten des menschlichen
Lebens wurde in der Praxis abgelehnt. In der
Wirtschaft herrschte die Willkür des Selfmade-
mans, in der Politik ungehemmter als je die
Intrige zur Erreichung politischer Macht, hinter
der rein kommerzielle Endabsichten standen. Die
Kunst wurde zu einer Privatangelegenheit Ein-
zelner und verfiel seit jener Zeit. Das moderne
Stadtbild zeigt die Verwilderung am anschaulich-
sten. Wenn einstmals jeder Bauende sich dem
Gesamtbild einfügen mußte, so baute jetzt jeder,
wie er wollte, ohne Rücksicht auf seine Umgebung.
Ein bemerkenswertes Beispiel bietet die jüngste
Vergangenheit in der planlosen Errichtung von
Warenhäusern. Der geldschwere Warenhausbesitzer
setzte seine protzigen Bauten in das Stadtgefüge,
wie es ihm beliebte, ohne daß ihm Einhalt von
feiten irgendeiner Behörde geboten wurde. Wie
in der Architektur ein wahlloses Durch- und
Nebeneinander herrschte, so auch innerhalb der
anderen Künste, die unabhängig voneinander
darauf los wirkten, ohne einen harmonischen Ge-
samtklang aller Künste gewollt zu haben. Dieser
Zustand der reinen Anarchie, von deren Exzessen
die letzten 20 Jahre ausgefüllt sind, hat durch den
Nationalsozialismus, d. h. den neuen Gemein-
schaftsgedanken, seine Überwindung erfahren. In
unseren Tagen beginnt des Volkes Neuformung zu
einer unlöslichen Gemeinschaft, deren Politische
und wirtschaftliche Keime sich schnell entwickeln.
Es ergibt sich für die absehbare Zukunft die Aus-
sicht, wieder mit einem festen Grund weltanschau-
Fortsetzung Seite 4.
3
in allen Farben und Linien: sie kehrt aus der stati-
schen, künstlichen Ruhe und Ordnung der bürgerlichen Ge-
sellschaft wieder zu den freien Rhythmen der Elementarkräfte
zurück. Es ist kein Zweifel, daß sich vieles von jener Kraft,
die erst nach anderthalb Menschenaltern in Deutschland poli-
tisch zur Wirkung kommen sollte, zuerst in den Bildern des
Flamen van Gogh bemerkbar machte: Hier äußerte sich gegen-
über dem bourgeoisen Raffinement zum erstenmal wieder
jenes im positiven Sinne großartig Barbarische, auf dem die
notwendige Erneuerung aller nordischen Völker beruht. So
bedeutet van Gogh wie Nietzsche den äußersten Gegensatz und
das leidenschaftlichste Gegenspiel zu den Ideen und Mächten
des 111. Jahrhunderts wie zu den Idealen der die Welt da-
mals beherrschenden französischen Bourgeoisie — er ist denn
auch mit Recht zuerst in Deutschland verstanden worden und
hier zu Ehren gekommen, wenn auch durch Mittler, die nicht
seine Sache vertraten, sondern die ihre, nämlich den Vorteil
des internationalen Kunsthandels und seiner Spekulation.
Die Tragödie von Arles, wo Weihnachten 1888 der Wahn-
sinn van Goghs zum offenen Ausbruch kommt, muß eben-
falls als eine Tragödie des Volkstums und des Blutes ver-
standen werden. Ihre Begleitumstände sind fürchterlich balla-
im lllenspiegel de Eosters, sind also ein Inbegriff leidenden
Flamentums. Mit jener halb komisch-peinlichen, halb gräß-
lichen Sensation, wie sie der Impressionist Meier-Gräfe dar-
zustellen versuchte — er wußte es nicht besser, da er keinem
Volkstum verbunden war —, haben sie jedenfalls nichts zu
tun. Man versteht sie nicht, wenn man sie trotz des in-
dividuell-pathologischen Einschlags, der ihnen sicher zu eigen
ist, nicht als die blutigen Kämpfe zwischen Art und Art,
Volk und Volk, Rasse und Rasse wertet. Es ist nicht der
Einzelmensch, sondern ausgesprochen der Niederdeutsche, der
auf der einen Seite das ganze Unverständnis des „primi-
tiven" Asphaltparisers Gauguin, auf der andern die Feind-
schaft des französischen Kleinbürgertums erlebt, dessen Ruhe
und Sicherheit er bedroht. Damals, an Weihnachten 1888,
ist nicht van Gogh mit Paul Gauguin aneinandergeraten,
sondern der typische deutsche Träumer und reine Tor, der
Gläubige, Dörperhafte und Ungeschickte, der so gar nichts
vom Weltmann und Künstler im üblichen Sinne an sich
hatte — er mußte zwangsläufig in Streit geraten mit dem
artistischen Konstrukteur und raffinierten Pariser, nachdem er
sich einmal von ihm Gott weiß welche Kameradschaft und
geistige Hilfe erwartet hatte. Es ist auch begreiflich, daß
dieser schwerblütige Flame in der französischen Provinz nicht
die Frauen findet, die seine Art verstehen und lieben können,
daß er sich wohl unter Bauern und Arbeitern Freunde und
Kameraden gewinnt, aber daß er zugleich den ganzen Haß
der Bourgeoisie von Arles auf sich lädt. So ist die Tragödie
Vincents zum guten Teil auch eine völkische Tragödie. Da-
von weiß natürlich die landläufige Lebensbeschreibung nichts.
Es gehört zu der Passion dieses Flamen und Nieder-
deutschen, daß ihm das Reich, das doch seine eigentliche
Heimat und seinen Rückhalt hätte bedeuten können, fremd
und verschlossen blieb und verschlossen bleiben mußte. Denn
Deutschland war ja in seinem damaligen Zustand nicht mehr
die Vormacht der nordisch-christlichen Völker, es lag vielmehr
ganz im Banne des Materialismus und war bereits vom
aufkommenden Marxismus überfremdet und bedroht. Dem
Flamen blieb es so fern wie dem Ostdeutschen Nietzsche. Es
hätte damals dem Maler auch wenig geben können, weil
dieser Maler eben das Elementare suchte, die licht- und
sonnenglühende Landschaft des Südens wie die Germanen der
Völkerwanderung. So wurde der Niederdeutsche van Gogh
ein Verbannter, heimatlos umgetrieben und mit sich selber
zerfallen, vergeblich nach einer Gemeinschaft suchend, die ihm
in fremdem Volke und Lande nicht werden konnte. Die
Sonne, in der er malte, einsam und selbstzerstörerisch in der
Hitze der provenzalischen Felder, das Elend, mit dem er un-
unterbrochen zu kämpfen hatte, das Unverständnis und Miß-
verständnis der französischen Vouraeoifie bis zu der fürchter-
lichen Enttäuschung mit Paul Gauguin — das hat ihn schließ-
lich in Südfrankreich um den Verstand gebracht.
Aber van Gogh brach nicht einfach zusammen. Er fiel
nicht von einem Streich, sondern kämpfte, zäh, aufrecht,
heroisch weiter. Er überwand sogar das fürchterliche Er-
eignis der Selbstverstümmelung — im ersten Wahnsinns-
anfall hatte er sich ein Ohr abgeschnitten — und malte noch
viele herrliche Bilder. Er ist in seiner Art ein großartiger
Streiter gewesen und auch dem Irrenhaus nicht erlegen, in
das er sich selber begeben hatte; erst anderthalb Jahre später,
als seine physischen Kräfte erschlafften, schoß er sich die Kugel
in die Brust. Das alles ist unbeschreiblich deutsch. Und
deutsch ist van Gogh auch in allen seinen Liebesbeziehungen,
immer sich ganz entäußernd, wie ein Minnesänger des Mittel-
alters, dessen nordische Art und divinatorische Kraft schließ-
lich in jeder Frau das reine mütterliche Prinzip erkennen
konnte.
Es ist besonders tragisch, daß dieser Flame, endlich nach
seinem Tode zur Anerkennung, ja fast zu einem hitzigen Welt-
ruhm gelangt, noch einmal der Spekulation und Sensations-
gier zum Opfer fiel. Er wurde unter falschen Gesichtspunkten
ausgeboten und gemacht. Die Pathographie hat sich seines
Lebens und seiner Werke bemächtigt und phantastische Un-
geheuerlichkeiten daraus gemacht, während man die Zusam-
menhänge mit Rasse und Volkstum gänzlich verleugnete oder
verkannte. Man sah gar nicht den wirklichen van Gogh, man
sah nur in diesem seltsamen Kauz und seiner Kunst ein Ob-
jekt, das einzigartig war und das man deshalb auszubeuten
vermochte: So wurden an diesen Bildern, die alle dem mate-
riellen Elend abgerungen waren, vom Kunsthandel der letzten
Generation immer phantastischere Summen verdient. Zuletzt
bemächtigten sich auch noch geschickte Fälscher seines nachträg-
lichen Ruhmes und diskreditierten das ganze Werk. Auf diese
Weise wurde das Bild dieses großen nordischen Kämpfers
und Vorläufers getrübt.
Es ist eine Ehrenverpflichtung des neuen Deutschlands,
Vincent van Gogh Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Er
hat es verdient, daß man seiner Kämpfe gedenkt und sein
Werk als den Anfang einer neuen Entwicklung und eines
nordischen Geistes im Kunstwerk verstehen lernt. Denn e r
schuf in einem, dem Stofflich-Sinnlichen mehr oder minder
verfallenen Zeitalter zum erstenmal wieder aus Blut und
ererbter Erinnerung. Er brachte gegenüber dem ästhetischen
Formalismus die Kraft des geschöpflichen Elementes wieder
zur Geltung. Freilich blieb er in manchem an sein persön-
liches Leiden gebunden und darf nicht unterschiedslos als
Vorbild genommen werden — in seinem heldischen Kampf
auf verlorenem Posten jedoch ist er einer der großen Nieder-
deutschen gewesen; an seinem Werk des mythischen Licht-
gesangs wird sich ein neues Geschlecht zu neuer Kunst er-
heben und bestärken.
„Zwei Generationen"
Von
Werner Beumelbnrg
„Es gilt, auf kulturellem Gebiet die gleichen
Folgerungen zu ziehen, die man in der Politik
gezogen hat nnd die auf sozialem Gebiet eings-
leite't sind. Wir haben keinen Sinn fiir die Herr-
schaft der Minderwertigen in irgendeiner ver-
steckten Form. Wir bekennen uns zu jenem
Heroismus, der sich auf den Schlachtfeldern des
Materialkrieges lind im Elend einer sinnlosen
Berufs- und Arbeitsnot bildete, und der die Be-
geisterung und den Massenrausch höchstens als
erste rasch zu überwindende Stufe anerkennt. Was
1914 durch die brutale Gewalt der Ereignisse ge-
schah, die Ablösung der Begeisterung durch jenen
großen Gedanken der Pflichterfüllung ohne
Hoffnung auf Lohn, das ist das gleiche, was wir
heilte unter dem Ziel der kulturellen Neuformung
der deutschen Nation verstehen.
Man wird erkennen und bekennen müssen, daß
die schaffende deutsche Kultur in den vergangenen
Jahren bedauerlich weit hinter dem Leben und
seinen Ereignissen zurückblieb, indem sie sich in
Spekulationen und Theorien flüchtete, und man
wird andererseits Sorge tragen müssen, daß nun
nicht das Versäumte in falscher und überstürzter
Weise nachgeholt wird. Es gibt zwei deutsche
Generationen, die heute entscheidend sind. Die
eine davon sind wir, die der Krieg nach vier
Jahren wieder entlassen hat, eine kleine Schar
nur, wenn wir heute in stillen Stunden bedenken,
wen alles wir draußen lassen mußten. Die
andere sind diejenigen, die heute
zwanzig bis dreißig Lenze zählen.
Auf eine klare nnd kurze Formel
gebracht bedeutet deutscheKultur-
arbeit die Notwendigkeit, diese
beiden Generationen zusammen-
zuschweißen zu einen: unerschütter-
lichen Block. Die deutsche Jugend
von heute ist aufgelockert, so guten
Willens, so fähig der Tat und so
Pieter Vrrieghcl d. Ä., Bäuerin. München
Pieter Brueghel d. Ä„ Der Imker. Zeichnung
voll Klaubengüereitschaft, baß es
ein Verbrechen der K r i e g s g e n e r a -
tion wäre, wenn sie an diese
Jugend nicht alles mit vollen
Händen abgäbe, was sie selbst in
Dreck und Eestachr Lcks eine neue
Lebenshaltung sich hat erwerben
dürfe n."
Aus „Das jugendliche Reich", Reden und Aufsätze zur
Zeitwende, Verlag Gerhard Stalling, Oldenburg i. O.
Neue Malerei
Von
Maler Willi Kelter
Reichskammer der bildenden Künste und des Kampfbundes für deutsche Kultur Nordwest
Landesleiter der
Fortsetzung und Schluß aus Nr. 4.
Bei dem Vergleich zwischen dem Zeitalter des
Barock (die Beispiele können beliebig in der Ver-
gangenheit erweitert werden) mit der Gegenwart
ergibt sich für jeden Sehenden die unleugbare Tat-
sache, daß die Krisis der Malerei nicht eine interne
Angelegenheit dieses Kunstzweiges ist, daß viel-
mehr die Gründe für den Niedergang ganz außer-
halb des Künstlerischen liegen.
Das Barock und seine Zeit, das uns in so
überreichem Maße nicht nur nut einzelnen Wer-
ken der Kunst beschenkt hat, bietet vor allen Din-
gen den Anblick einer in sich geschlossenen stil-
einheitlichen Epoche der Kunst überhaupt. Das
war nur möglich auf der Grundlage einer ge-
schlossenen Gesellschaftsform. War es in der Gotik
der Stadt-Staat mit seiner patriarchalischen Ge-
sellschaftsordnung, so war es im Zeitalter des
Barock der Absolutismus und sein Gesellschafts-
aufbau, der allem künstlerischen Leben einen ge-
sicherten Untergrund gab. Aus diesen Gesell-
schaftsgebilden, die, von unserer Warte aus ge-
sehen, nicht mehr möglich oder auch nicht
wünschenswert sind, für die damalige Zeit aber
einfach Gegebenheiten waren, floß der einheitliche
Wille zur großzügigen Formung des Kulturlebens.
Nicht ohne Vorbedacht zog ich zum Vergleich das
Barock heran, denn nach dem Zeitalter des Ba-
rocks oder streng genommen nach dem Zeitalter
des Rokoko, also um die Wende vom 18. zum
19. Jahrhundert, wird dieser feste Untergrund des
gesellschaftlichen Lebens erschüttert, ja zerstört
durch die französische Revolution. Diese Revo-
lution hat ihre Vorläufer lange vor der Jahr-
hundertwende gehabt, doch ihre tatsächlichen Fol-
gen sind im Laufe des Umsturzes erst zutage ge-
treten. Nachhaltige Angriffe der Aufklärer auf die
bis dahin unerschütterlich scheinenden Institutio-
nen der Kirche und des absoluten Königtums,
Mißwirtschaft aller Art von feiten der Gewalt-
haber dieser Institutionen führten zu dem un-
vermeidlichen allgemeinen Aufstand von welt-
historischer Bedeutung. Denken und Forschen be-
freite sich aus allen Fesseln, und Freiheitsgedanken
erfaßten Menschen aller Klassen und Stände. Die
Aufklärung und das neue Denken bereiteten den
Wissenschaften seit dieser Zeit einen ungeahnten
Aufstieg, dem dann auch bewunderungswürdige
Ergebnisse in allen Teilgebieten der Wissenschaften
zuzuschreiben sind. Aber die Einheitlichkeit des
Denkens, das, aller Fesseln ledig, richtungslos nach
allen Seiten vorstieß, ging verloren. Damit ver-
fiel auch die Geschlossenheit des Weltbildes über-
haupt. Seit jener Zeit ist das politische Leben
und die politische Ordnung der Völker in unaus-
gesetzter Wallung und Bewegung geblieben. Der
Liberalismus, ein Kind der französischen Revo-
lution, wenn man will, eine Weltanschauung mit
den bekannten Politischen Folgeerscheinungen, er-
oberte sich die gesamte europäische Menschheit.
Heute ist durch den Nationalsozialismus diese Be-
wegung in ihren tiefsten Beweggründen erkannt
und darum auch überwunden worden. Wir wissen,
daß der Liberalismus unter dem Mantel humaner
Phrasen den anarchischen und selbstischen Trieben
hemmungslos freien Lauf gewährte. Eine nur
oberflächlich durch angebliche Staatsautorität ge-
tarnte Anarchie griff um sich. Einordnung und
Unterordnung auf allen Gebieten des menschlichen
Lebens wurde in der Praxis abgelehnt. In der
Wirtschaft herrschte die Willkür des Selfmade-
mans, in der Politik ungehemmter als je die
Intrige zur Erreichung politischer Macht, hinter
der rein kommerzielle Endabsichten standen. Die
Kunst wurde zu einer Privatangelegenheit Ein-
zelner und verfiel seit jener Zeit. Das moderne
Stadtbild zeigt die Verwilderung am anschaulich-
sten. Wenn einstmals jeder Bauende sich dem
Gesamtbild einfügen mußte, so baute jetzt jeder,
wie er wollte, ohne Rücksicht auf seine Umgebung.
Ein bemerkenswertes Beispiel bietet die jüngste
Vergangenheit in der planlosen Errichtung von
Warenhäusern. Der geldschwere Warenhausbesitzer
setzte seine protzigen Bauten in das Stadtgefüge,
wie es ihm beliebte, ohne daß ihm Einhalt von
feiten irgendeiner Behörde geboten wurde. Wie
in der Architektur ein wahlloses Durch- und
Nebeneinander herrschte, so auch innerhalb der
anderen Künste, die unabhängig voneinander
darauf los wirkten, ohne einen harmonischen Ge-
samtklang aller Künste gewollt zu haben. Dieser
Zustand der reinen Anarchie, von deren Exzessen
die letzten 20 Jahre ausgefüllt sind, hat durch den
Nationalsozialismus, d. h. den neuen Gemein-
schaftsgedanken, seine Überwindung erfahren. In
unseren Tagen beginnt des Volkes Neuformung zu
einer unlöslichen Gemeinschaft, deren Politische
und wirtschaftliche Keime sich schnell entwickeln.
Es ergibt sich für die absehbare Zukunft die Aus-
sicht, wieder mit einem festen Grund weltanschau-
Fortsetzung Seite 4.