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Kunst der Nation
Ursprung und Bedeutung -er Rolandsbilder
im Grünewald wurde festgehalten. Es ist einmal
von außerordentlicher landschaftlicher Schönheit
und hat den Havelfluß in unmittelbarer Nähe.
Es ist rings von Wald umgeben, liegt auf dem
höchsten Punkt der Peripherie Berlins und hat da-
her auch gesundheitlich die besten Voraussetzungen.
Von wesentlicher Wichtigkeit ist die bereits be-
stehende ausgebaute Verkehrssituation und die Ver-
bindung mit der großen Fest- und Ausfallstraße
Berlins, der Döberitzer Heerstraße, die als un-
mittelbare Fortsetzung der Feststraße Unter den
Linden den gesamten Fahrzeugverkehr geradlinig
durch den Tiergarten an die Feststätte heranführt.
Die Gesamtanlage ist aus zwei durchlaufenden
Achsen von Osten nach Westen und von Norden
nach Süden entwickelt. Die ostwestliche Haupt-
achse findet ihren alles beherrschenden Blickpunkt
im Führerturm am westlichen Ende des Auf-
marschgeländes. Das Stadion selbst als Kernstück
der ganzen Anlage liegt im Schnittpunkt der bei-
den Hauptachsen und wird dem von der Döberitzer
Heerstraße über die Rennbahnstraße Herannahen-
den mit der Mittelachse sichtbar.
Bei der Aufschließung mußte darauf Rücksicht
genommen werden, daß der besondere Reiz der
Aufgabe darin lag, daß Kampfstätten und Übungs-
stätten in ständiger Wechselbeziehung und gemein-
samer Benutzung stehen sollen, während die Fest-
stätten des Aufmarschfeldes und der Freilichtbühne
nur an vereinzelten Tagen des Jahres benutzt wer-
den. Hieraus ergab sich die Verlegung dieser bei-
den Feststätten in den westlichen, dem Verkehr
etwas entlegeneren Teil, zumal diese bei Massen-
andrang in der Regel doch in der letzten Strecke
zu Fuß erreicht werden müssen. Die ständig be-
nutzten Anlagen stehen in unmittelbarer Verbin-
dung mit den großen Bahnhöfen der Schnellbahn
und Untergrundbahn, sowie mit der elektrischen
Straßenbahn und dem Omnibusverkehr.
Die Lösuug mußte bei diesen Anlagen von der
Regelung des Verkehrs ihren Ausgang nehmen,
für den die Hauptforderung erhoben wird, daß
Fukgänak>r und Fahrzeuge bei Großveranstaltun-
gen möglichst an keiner Stelle kreuzen, und daß
andererseits die aufmarschierenden Kolonnen völlig
unabhängig von den Zuschauern eingeführt
werden.
Die städtebauliche Lösung sucht vor allem die
Naturanlage mit ihrem schönen Wald- und Park-
bestand zu schonen und strebt an, die strenge archi-
tektonische Form des axialen Aufbaues und der
Kampfstätten und Spielfelder an sich durch Ein-
fügung möglichst lebendiger und frei komponierter
Gartenanlagen zu bereichern und zu beleben.
Mit dem Ausbau eines besonderen Straßen-
und Wegenetzes und der freien Sicht über alle Fest-
stätten hin, ist auch nachts noch einmal beleuch-
tungstechnisch durch richtige Verteilung der
Straßen- und Platzbeleuchtung, sowie durch An-
strahlen und Ausleuchten der verschiedenen Kampf-
stätten und Hochbauten eine wirksame Zusammen-
fassung der gesamten Anlage wie vielleicht an
keinem anderen Platz möglich. Alle Großanlagen
des Stadions, des Aufmarschfeldes und der Frei-
lichtbühne erhalten Tiefstrahleranlagen für volle
Ausleuchtung bei Nacht.
Mit der Einbeziehung eines geschlossenen
Amphitheaters in das Haus des deutschen Sports
und mit der Anlage der offenen Freilichtbühne
hat der Reichssportführer von Tschammer und
Osten sein großes Organisationsprogramm für
Unterricht und Pflege der Leibesübungen mit aus-
gesprochenem künstlerischem Ziel dahin erweitert,
daß die tänzerischen, rhythmischen, musikalischen
und chorischen Aufführungen in den Rahmen
der reinen Leibesübungen gehören und ge-
wissermaßen deren festliche Krönung bringen.
Die Freilichtbühne liegt in einer malerischen
Talschlucht an der Nordwestecke des Festgeländes.
Die Bühne selbst lehnt sich mit guter akustischer
Wirkung an einen steilen Talhang. 86 Zuschauer-
reihen sind in den gegenüberliegenden Talhang
eingebettet. Die Orchestra ist mit einem Durch-
messer von 48 Metern podienartig gegen den Hang
entwickelt und ermöglicht die Aufstellung von
Chören in einer Stärke von 2000 Teilnehmern.
Mit der Freilichtbühne werden erstmalig die Ge-
danken des Volkstheaters und der Freilichtsestspiele
für Berlin technisch verwirklicht. Die neuen un-
gewöhnlichen Ausmaße werden zu ganz neuen
monumentalen Formen der plastischen und farb-
lichen Darstellung mit vorwiegend chorischem
Charakter führen i.ll'rssen. Diesem Tharrcktor rat
spricht ein streng architektonischer Aufbau von
Bühne und Zuschauerraum, die auch für die Regie
in engster Wechselbeziehung stehen müssen.
Die Bestimmung des gesamten Geländes zum
Festplatz legt auch eine Schmückung mit Werken
der Plastik und Malerei ohne weiteres nahe.
Lin Rückblick
Kein Problem hat solch zahlreiche Theorien,
solch kühne Kombinationen und bunte Phantasie-
gebilde ausgelöst wie das Rolandsproblem.
Und doch handelt es sich um eine rein
deutsche Erscheinung, die frei ist von
allenc fremdländischen Einfluß. Und doch er-
strecken sich die Rolande ausschließlich über deut-
sches Land, über das sächsisch-thüringische Stam-
mesgebiet links und das Kolonisationsgebiet
rechts der Saale und Elbe, das Gebiet westlich
von Magdeburg und östlich im Lande der An-
haltiner. Aber es liegt keine Nachricht über die
erste Errichtung eines Rolandsbildes auf deut-
schem Mutterboden vor. Hinzu kommt, daß man
ihnen gerade in solchen Gegenden begegnet, in
denen das Heidentum länger gewaltet hatte. Kein
Wunder, wenn sich die V o l k s p h a n t a s i e
dieser eigenartigen Bildwerke bemächtigte, wenn
man alles mögliche in sie hineingeheimnißte, ja,
wenn man in ihnen allzu gerne irgendeinen ger-
manischen oder gar einen slawischen Gott gesehen
hätte. Und da man letzten Endes alles Große und
Hehre aus Karl den Großen zurückführte, der
schließlich zu einer vom Mythos verklärten deut-
schen Idealfigur wurde, so knüpfte man an den
Namen seines berühmten Paladins, des Helden
von Ronceval, des Sachsen- und Sorbenbezwin-
gers Roland, an, der sich seit dem Ende des
12. Jahrhunderts namentlich im Sachsenlande
allgemeiner Verehrung zu erfreuen hatte. Und
weiter sah man in diesen stummen Steinriesen
Wahrzeichen bestimmter Vorrechte, Symbole ge-
wisser Freiheiten, vor allem der Kaiserlichen
Freiheit, ja schließlich der Reichsunmittelbarkeit
oder Repräsentanten des Gemeinwesens schlecht-
hin. Monumentale Riesengestalten an exponierter
Stelle, von jugendlichem Typus, barhäuptig, in
und Ausblick
voller Eisenrüstung starrend, die Augen wie
suchend und zugleich gebietend in die Ferne ge-
richtet, in der Rechten das blanke, mit der Spitze
aufwärts gerichtete Schwert, vor der linken
Brustfelle den Schild mit dem Reichsadler, zu un-
nahbarer Hoheit und Würde versteinert, durch-
drungen von der unerschütterlichen Ruhe von
Felsen, welche vom Sturm gepeitschte und gejagte
Wellen umbranden .... so hat Wohl jeder
Deutsche die am öffentlichen Markt stehenden
Rolandsäulen und vor allem den 9 Meter hohen
Riesen Roland am Bremer Rathaus im Gedächt-
nis. Man möchte geradezu von einer Verpersön-
lichung der Materie oder von Gebilden sprechen,
die aus dem Nebel einer fernen Epoche wie etwas
Unfaßbares, Unnahbares in unsere sonnig-klare
heutige Zeit hereinragen. Um so mehr wird man
erstaunt sein zu hören, daß die uransängliche Be-
deutung der Rolande eine ganz andere ist, daß es
Objekte überaus realer Betätigungen waren.
Allerdings müssen wir das gegenwärtige, an
der Südostecke des Roten Turmes aus dem
Markt in Halle stehende, 4 Meter hohe steinerne
Standbild aus dem Rahmen einer Rolandbe-
trachtung ausschalten. Von sämtlichen
Rolanden als einziger ungerüstet,
repräsentiert der sog. Roland von Halle
überhaupt keinen Rolandstypus, sondern ist eine
durchaus für sich stehende singuläre Erscheinung,
der das Rolandsprädikat von Hause aus gar
nicht zusteht. Obwohl so ziemlich der neueste aller
Rolande, da er ein Werk des halleschen Bild-
hauers Bürger aus dem Jahre 1718 oder 1719
ist, geht er der Tracht uach aus ein hölzernes Ur-
bild der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts zurück.
Es ist Prof. Karl Heldmann gelungen, in tief-
Werner March, Entwurf für das Eruncwald-Stadion
Der Porträtist der
Gründerzeit
„Man hatte soeben die Bogenlampen angezün-
det, und die ganze Menschenmasse, welche die
Staffelei umringte, schien in dampfender, brau-
sender Helligkeit zu schweben. Er selbst aber stand,
wie ein Vulkan an seiner Esse, mitten unter dem
Menschentroß und schien nicht zu malen, sondern
mit dröhnenden Hammerschlägen glühendes Eisen
zu schmieden." Noch einmal blickte der Besucher
auf die mit Kostbarkeiten der Renaissance und des
Barock überreich geschmückte Werkstatt des Ge-
waltigen zurück, auf diese Saalreihe mit ihren
kassettierten Decken, prachtvollen Kaminen, hell-
dunklen Gemächern, Emporen, Balustraden und
Umgängen. Während ihn der Gedanke an all die
Gestalten erschauern machte, die schon in diesen
Prunkräumen zu Gast waren, an die Bismarck,
Moltke, Böcklin, Begas, Schwind, Semper,
Mommsen, Döllinger, Gladstone, Emerson, Heyse,
Lingg, Piloty, Eleonore Düse, Richard Wagner
und' Liszt, malte drinnen Münchens Malerfürst,
der von Porträtaufträgen bedrängte Franzvon
Lenbach, abends bei elektrischem Licht ein Bild-
nis, das vielleicht sein dreitausendstes oder vier-
tausendstes war. „ o
Vornehme Leute sitzen nicht lange. Und Len-
bach, der im Leben wie in seiner Malweise die
Nebensächlichkeiten verachtete und noch mehr als
Makart in Wien der Maler der sogenannten guten
Gesellschaft, der oberen Zehntausend in München
war, wußte sein Publikum zu nehmeu und sich, wo
die Modelle ihn nicht interessierten, für den Zwang
eines gleichgiltigen Auftrags zu entschädigen. Der
Bankier Bleichröder mußte ihm 30 000 Mark für
ein Porträt geben. Schöne und geistreiche Frauen,
Wissenschaftler und Künstler, denen es schmeicheln
mochte, der Nachwelt in der Manier eines Rem-
brandt, Velasquez oder Tizian überliefert zu wer-
den oder die auch nur au der raschen, geistreichen
und entschlossenen Art des gewaltig arbeitenden
Künstlers Gefallen gefunden hatten, zahlten weit
weniger. Zuweilen erhielten sie das Bildnis ge-
schenkt, das mit einer Anzahl von photographischen
Aufnahmen eingeleitet worden war, wodurch viele
ermüdende Sitzungen erspart wurden.
Pastelle, die Lenbach für Frauen- und Kinder-
bildnisse bevorzugte, wurden in einer Sitzung her-
untergehauen, für größere Olporträts brauchte er
kaum mehr als zwei oder drei Tage. Manchmal,
wie in dem von seinen Zeitgenossen nur mäßig
geschätzten Bildnis des greisen Kaiser Wilhelm,
das den Herrscher in einer menschlich ergreifenden
müden, zusammengesunkenen Haltung zeigt, findet
er noch Lösungen, in denen jedes Pathos und jede
Überbetonung vermieden und die Charakterisie-
rung mit den diskretesten malerischen Mitteln er-
reicht worden ist. Sie erinnern an die Kunst seiner
Frühzeit, aber sie bleiben Ausnahmen. Lenbach
ist einmal aufrichtig der Meinung gewesen — und
damals malten schon Leibl und Trübner —, daß
es in München nur drei große Künstler gäbe, den
Architekten Gabriel von Seidl, den Zeichner Ober-
länder und den Vergolder Rudorfer.
Dieser Rudorfer ahmte in Lenbachs Prunk-
gemächern die Renaissancepracht nach, von der sich
der Künstler, der lange Jahre hindurch für den
Grafen Schack Bilder alter Meister kopiert hat,
innerlich nie frei machte. Auch Lenbachs Bilder
schreien nach dem Vergolder.
Größere Persönlichkeiten als Lenbach, den
Helferich einmal den „Ahasver der Kunst", den
Jahrhunderte alten, Person gewordenen Geist des
Lenbach. Nach einer zeitgenössischen Photographie
Gehirns genannt hat, mußten dieser Zeit ihren
Tribut zollen. Vieles, was sie übermäßig schätzte,
ist wieder vergessen worden. Unsere Kunstmuseen
wollen heute nicht mehr viel von Lenbach oder doch
von vielen Lenbachs nichts mehr wissen. Aber wie
es Namen gegeben hat, deren Träger durch die,
welche sie bildlich darstellten, im Gedenken blieben,
ein Feldhauptmann del Borro durch Bernini, ein
Patrizier Holzschnher durch Dürer und ein Kauf-
mann Giesze durch Holbein, kommen auch Maler
durch die Persönlichkeiten, die sie porträtierten, auf
die Nachwelt.
Lenbachs malerischer Ruf müßte eigentlich von
den Werken ausgehen, die er schuf, bevor ihm Schack
die Aufträge zu den Kopien nach Tizian, Giorgione
und Velasquez gab, von der beherzten Freilicht-
malerei seines „Hirtenknaben" in der Schackgalerie,
dem „roten Schirm" und von jenen frühesten
weichtonigen Bildnissen, die von fern an Leibl
denken lassen. Von seinem nachmaligen, fürstlich
ausgeftatteten Malerheim waren seine Zeit-
genossen, die seine Bilder nicht neben Menzel oder
Böcklin, sondern neben Rembrandt und Rubens
stellten, höchlichst begeistert. Auf den Ausstellungen
des Glaspalastes hatte er seinen eigenen Raum.
Dort hingen die Porträts zwischen Gobelins und
prunkendem Gerätwerk aus kostbaren Seiden-
tapeten. Eine anziehende Frauenerscheinnng reizte
ihn, sie im Gewände der Lncrezia Borgia zu
malen. Da er sich mühte, auf die Farbenrezepte
der italienischen Meister zu kommen, ersann er
immer neue technische Kniffe. Sie wurden ihm,
der seltsamerweise die „Gesellschaft für rationelles
Malverfahren" gründete, auch weidlich nachgeahmt.
Ein Weimarer Professor, befragt, ob er noch nach
Lenbachs Grundsätzen arbeite, antwortete: „Ach,
ich bin ihm nun Wohl schon durch einige zwanzig
Malweisen gefolgt, aber nun kann ich nicht mehr!"
blain, war irnrnar das Zlaiella rnaellk, ist ein
Leü^vaineünnd. Lein Mensell, solange er sieü
Lünskler nennt, kann eine Manier llaben. Man
bleibt üeinen 3?ax derselbe. "Was einem 2>van-
^i^fäbriß-en xekällt und ibm riebti^ sebeint,
kann einen Mann nicbt mebr anrexen. ^Vas
man erreiebt bat, ist abgetan, ckedes Lild bat
in diesem 8inn etvv^as anderes 2U sagen, und
-veenn es eine IViederbolung^ -cväre.
8 ö e lc l i n
Dennoch hatte sein Bestreben, den Eindruck der
Natur mit den alten Meistern in Verbindung zu
bringen, auch Grenzen. Einer Dame, die Proträ-
tiert werden wollte, erklärte er: „Das Schönste an
Ihnen ist Ihre Hand, und Hände kann ich nicht
malen. Da müssen Sie schon zu einem anderen
gehen". Es war nicht seine Art, sich wie Leibl viel
zu Plagen. „Man muß die Menschen nur in dem
Moment malen, in dem sie einem besonders inter-
essant sind; das ist meist nur ein Augenblick". Er
studierte seine Modelle nicht eigentlich, sondern
war vor ihnen wie ein Jäger auf dem Anstand,
die entscheidende Sekunde zu erhaschen. Malerisch
legte er seine Erkenntnis fast ausschließlich in den
Blick der Augen, die hiervon entfernteren Gesichts-
teile bereits flüchtiger betonend, um schließlich
Hände und vor allem Figürliches in den Über-
gängen eines künstlichen Galerietones verklingen
zu lassen. Aber er lebte in einer Zeit der Phy-
siognomien und die von ihm Dargestellten waren
die politischen, geistigen und wirtschaftlichen
Führer des neugegründeten Deutschen Reiches.
Ihre Bildnisse ließen vielleicht manchmal an Ähn-
lichkeit zu wünschen übrig, hatten aber irgendwie
eine besondere Prägung wie die von einer Anek-
dote. So hafteten sie leicht im Gedächtnis und
waren auch nicht ohne eigenwillige Psychologie.
„Den habe ich jetzt tödlich getroffen!" sagte Len-
bach einst nach Vollendung eines Porträts.
Am günstigsten sprach die Begabung von Len-
bach, der nach Victor Müllers Tod unbestrittener
Führer der Münchener Künstler und von seiner
Generation als der größte Maler des 19. Jahr-
hunderts gefeiert wurde, sich in Bildnissen aus
dem Familienkreis aus. Seine erste Frau, die
rotbloude Gräfin Moltke, konnte den Farbengeruch
nicht ansstehen, betrat die Atelierräume nur selten
und heiratete später Schweninger, den Leibarzt von
Bismarck. Lenbachs zweite Gattin wurde eine
Baronin Hornstein. Auch von Lenbachs Bismarck-
porträts in Zivil und Uniform und in allen nur
möglichen Stellungen, die den Namen des Malers
am weitesten tragen werden, findet sich manches
Gelungene, aber auch viele schwächeren Werke.
Man darf an diese sehr oft in freien Wieder-
holungen geschaffenen Stücke nicht im entfern-
testen an bedeutende alte Kunst, etwa gar an die
Lutherdarstellungen von Cranach und seiner Werk-
statt denken, was für die heutige Geltung der einst-
mals so ganz überschwänglich gepriesenen künst-
lerischen Handschrift Lenbachs doch bezeichnend ist.
Ganz ferne ist uns diese Atelierkunst gerückt, aus
der nur bisweilen irgend eine Art der Auffassung
erraten läßt, daß die Persönlichkeit dieses Malers,
der die Nachlebenden immer wieder dazu verleiten
wird, die bedeutenden Menschen jener Tage mit
seinen Augen zu sehen, weit mehr gewesen ist, als
die Summe seiner Werke. Populär geworden,
konnte Lenbach trotz dem Prinzregenten manchmal
als der heimliche Herrscher Münchens gelten.
Bürger und Künstler jubelten seiner Kunst und
seiner Kunstpolitik zu. Einige gingen auch fort
oder standen abseits. Es war kein Zufall, daß sie
Leibl, Thoma, Alt und Trübner hießen.
Illor^vald
Kunst der Nation
Ursprung und Bedeutung -er Rolandsbilder
im Grünewald wurde festgehalten. Es ist einmal
von außerordentlicher landschaftlicher Schönheit
und hat den Havelfluß in unmittelbarer Nähe.
Es ist rings von Wald umgeben, liegt auf dem
höchsten Punkt der Peripherie Berlins und hat da-
her auch gesundheitlich die besten Voraussetzungen.
Von wesentlicher Wichtigkeit ist die bereits be-
stehende ausgebaute Verkehrssituation und die Ver-
bindung mit der großen Fest- und Ausfallstraße
Berlins, der Döberitzer Heerstraße, die als un-
mittelbare Fortsetzung der Feststraße Unter den
Linden den gesamten Fahrzeugverkehr geradlinig
durch den Tiergarten an die Feststätte heranführt.
Die Gesamtanlage ist aus zwei durchlaufenden
Achsen von Osten nach Westen und von Norden
nach Süden entwickelt. Die ostwestliche Haupt-
achse findet ihren alles beherrschenden Blickpunkt
im Führerturm am westlichen Ende des Auf-
marschgeländes. Das Stadion selbst als Kernstück
der ganzen Anlage liegt im Schnittpunkt der bei-
den Hauptachsen und wird dem von der Döberitzer
Heerstraße über die Rennbahnstraße Herannahen-
den mit der Mittelachse sichtbar.
Bei der Aufschließung mußte darauf Rücksicht
genommen werden, daß der besondere Reiz der
Aufgabe darin lag, daß Kampfstätten und Übungs-
stätten in ständiger Wechselbeziehung und gemein-
samer Benutzung stehen sollen, während die Fest-
stätten des Aufmarschfeldes und der Freilichtbühne
nur an vereinzelten Tagen des Jahres benutzt wer-
den. Hieraus ergab sich die Verlegung dieser bei-
den Feststätten in den westlichen, dem Verkehr
etwas entlegeneren Teil, zumal diese bei Massen-
andrang in der Regel doch in der letzten Strecke
zu Fuß erreicht werden müssen. Die ständig be-
nutzten Anlagen stehen in unmittelbarer Verbin-
dung mit den großen Bahnhöfen der Schnellbahn
und Untergrundbahn, sowie mit der elektrischen
Straßenbahn und dem Omnibusverkehr.
Die Lösuug mußte bei diesen Anlagen von der
Regelung des Verkehrs ihren Ausgang nehmen,
für den die Hauptforderung erhoben wird, daß
Fukgänak>r und Fahrzeuge bei Großveranstaltun-
gen möglichst an keiner Stelle kreuzen, und daß
andererseits die aufmarschierenden Kolonnen völlig
unabhängig von den Zuschauern eingeführt
werden.
Die städtebauliche Lösung sucht vor allem die
Naturanlage mit ihrem schönen Wald- und Park-
bestand zu schonen und strebt an, die strenge archi-
tektonische Form des axialen Aufbaues und der
Kampfstätten und Spielfelder an sich durch Ein-
fügung möglichst lebendiger und frei komponierter
Gartenanlagen zu bereichern und zu beleben.
Mit dem Ausbau eines besonderen Straßen-
und Wegenetzes und der freien Sicht über alle Fest-
stätten hin, ist auch nachts noch einmal beleuch-
tungstechnisch durch richtige Verteilung der
Straßen- und Platzbeleuchtung, sowie durch An-
strahlen und Ausleuchten der verschiedenen Kampf-
stätten und Hochbauten eine wirksame Zusammen-
fassung der gesamten Anlage wie vielleicht an
keinem anderen Platz möglich. Alle Großanlagen
des Stadions, des Aufmarschfeldes und der Frei-
lichtbühne erhalten Tiefstrahleranlagen für volle
Ausleuchtung bei Nacht.
Mit der Einbeziehung eines geschlossenen
Amphitheaters in das Haus des deutschen Sports
und mit der Anlage der offenen Freilichtbühne
hat der Reichssportführer von Tschammer und
Osten sein großes Organisationsprogramm für
Unterricht und Pflege der Leibesübungen mit aus-
gesprochenem künstlerischem Ziel dahin erweitert,
daß die tänzerischen, rhythmischen, musikalischen
und chorischen Aufführungen in den Rahmen
der reinen Leibesübungen gehören und ge-
wissermaßen deren festliche Krönung bringen.
Die Freilichtbühne liegt in einer malerischen
Talschlucht an der Nordwestecke des Festgeländes.
Die Bühne selbst lehnt sich mit guter akustischer
Wirkung an einen steilen Talhang. 86 Zuschauer-
reihen sind in den gegenüberliegenden Talhang
eingebettet. Die Orchestra ist mit einem Durch-
messer von 48 Metern podienartig gegen den Hang
entwickelt und ermöglicht die Aufstellung von
Chören in einer Stärke von 2000 Teilnehmern.
Mit der Freilichtbühne werden erstmalig die Ge-
danken des Volkstheaters und der Freilichtsestspiele
für Berlin technisch verwirklicht. Die neuen un-
gewöhnlichen Ausmaße werden zu ganz neuen
monumentalen Formen der plastischen und farb-
lichen Darstellung mit vorwiegend chorischem
Charakter führen i.ll'rssen. Diesem Tharrcktor rat
spricht ein streng architektonischer Aufbau von
Bühne und Zuschauerraum, die auch für die Regie
in engster Wechselbeziehung stehen müssen.
Die Bestimmung des gesamten Geländes zum
Festplatz legt auch eine Schmückung mit Werken
der Plastik und Malerei ohne weiteres nahe.
Lin Rückblick
Kein Problem hat solch zahlreiche Theorien,
solch kühne Kombinationen und bunte Phantasie-
gebilde ausgelöst wie das Rolandsproblem.
Und doch handelt es sich um eine rein
deutsche Erscheinung, die frei ist von
allenc fremdländischen Einfluß. Und doch er-
strecken sich die Rolande ausschließlich über deut-
sches Land, über das sächsisch-thüringische Stam-
mesgebiet links und das Kolonisationsgebiet
rechts der Saale und Elbe, das Gebiet westlich
von Magdeburg und östlich im Lande der An-
haltiner. Aber es liegt keine Nachricht über die
erste Errichtung eines Rolandsbildes auf deut-
schem Mutterboden vor. Hinzu kommt, daß man
ihnen gerade in solchen Gegenden begegnet, in
denen das Heidentum länger gewaltet hatte. Kein
Wunder, wenn sich die V o l k s p h a n t a s i e
dieser eigenartigen Bildwerke bemächtigte, wenn
man alles mögliche in sie hineingeheimnißte, ja,
wenn man in ihnen allzu gerne irgendeinen ger-
manischen oder gar einen slawischen Gott gesehen
hätte. Und da man letzten Endes alles Große und
Hehre aus Karl den Großen zurückführte, der
schließlich zu einer vom Mythos verklärten deut-
schen Idealfigur wurde, so knüpfte man an den
Namen seines berühmten Paladins, des Helden
von Ronceval, des Sachsen- und Sorbenbezwin-
gers Roland, an, der sich seit dem Ende des
12. Jahrhunderts namentlich im Sachsenlande
allgemeiner Verehrung zu erfreuen hatte. Und
weiter sah man in diesen stummen Steinriesen
Wahrzeichen bestimmter Vorrechte, Symbole ge-
wisser Freiheiten, vor allem der Kaiserlichen
Freiheit, ja schließlich der Reichsunmittelbarkeit
oder Repräsentanten des Gemeinwesens schlecht-
hin. Monumentale Riesengestalten an exponierter
Stelle, von jugendlichem Typus, barhäuptig, in
und Ausblick
voller Eisenrüstung starrend, die Augen wie
suchend und zugleich gebietend in die Ferne ge-
richtet, in der Rechten das blanke, mit der Spitze
aufwärts gerichtete Schwert, vor der linken
Brustfelle den Schild mit dem Reichsadler, zu un-
nahbarer Hoheit und Würde versteinert, durch-
drungen von der unerschütterlichen Ruhe von
Felsen, welche vom Sturm gepeitschte und gejagte
Wellen umbranden .... so hat Wohl jeder
Deutsche die am öffentlichen Markt stehenden
Rolandsäulen und vor allem den 9 Meter hohen
Riesen Roland am Bremer Rathaus im Gedächt-
nis. Man möchte geradezu von einer Verpersön-
lichung der Materie oder von Gebilden sprechen,
die aus dem Nebel einer fernen Epoche wie etwas
Unfaßbares, Unnahbares in unsere sonnig-klare
heutige Zeit hereinragen. Um so mehr wird man
erstaunt sein zu hören, daß die uransängliche Be-
deutung der Rolande eine ganz andere ist, daß es
Objekte überaus realer Betätigungen waren.
Allerdings müssen wir das gegenwärtige, an
der Südostecke des Roten Turmes aus dem
Markt in Halle stehende, 4 Meter hohe steinerne
Standbild aus dem Rahmen einer Rolandbe-
trachtung ausschalten. Von sämtlichen
Rolanden als einziger ungerüstet,
repräsentiert der sog. Roland von Halle
überhaupt keinen Rolandstypus, sondern ist eine
durchaus für sich stehende singuläre Erscheinung,
der das Rolandsprädikat von Hause aus gar
nicht zusteht. Obwohl so ziemlich der neueste aller
Rolande, da er ein Werk des halleschen Bild-
hauers Bürger aus dem Jahre 1718 oder 1719
ist, geht er der Tracht uach aus ein hölzernes Ur-
bild der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts zurück.
Es ist Prof. Karl Heldmann gelungen, in tief-
Werner March, Entwurf für das Eruncwald-Stadion
Der Porträtist der
Gründerzeit
„Man hatte soeben die Bogenlampen angezün-
det, und die ganze Menschenmasse, welche die
Staffelei umringte, schien in dampfender, brau-
sender Helligkeit zu schweben. Er selbst aber stand,
wie ein Vulkan an seiner Esse, mitten unter dem
Menschentroß und schien nicht zu malen, sondern
mit dröhnenden Hammerschlägen glühendes Eisen
zu schmieden." Noch einmal blickte der Besucher
auf die mit Kostbarkeiten der Renaissance und des
Barock überreich geschmückte Werkstatt des Ge-
waltigen zurück, auf diese Saalreihe mit ihren
kassettierten Decken, prachtvollen Kaminen, hell-
dunklen Gemächern, Emporen, Balustraden und
Umgängen. Während ihn der Gedanke an all die
Gestalten erschauern machte, die schon in diesen
Prunkräumen zu Gast waren, an die Bismarck,
Moltke, Böcklin, Begas, Schwind, Semper,
Mommsen, Döllinger, Gladstone, Emerson, Heyse,
Lingg, Piloty, Eleonore Düse, Richard Wagner
und' Liszt, malte drinnen Münchens Malerfürst,
der von Porträtaufträgen bedrängte Franzvon
Lenbach, abends bei elektrischem Licht ein Bild-
nis, das vielleicht sein dreitausendstes oder vier-
tausendstes war. „ o
Vornehme Leute sitzen nicht lange. Und Len-
bach, der im Leben wie in seiner Malweise die
Nebensächlichkeiten verachtete und noch mehr als
Makart in Wien der Maler der sogenannten guten
Gesellschaft, der oberen Zehntausend in München
war, wußte sein Publikum zu nehmeu und sich, wo
die Modelle ihn nicht interessierten, für den Zwang
eines gleichgiltigen Auftrags zu entschädigen. Der
Bankier Bleichröder mußte ihm 30 000 Mark für
ein Porträt geben. Schöne und geistreiche Frauen,
Wissenschaftler und Künstler, denen es schmeicheln
mochte, der Nachwelt in der Manier eines Rem-
brandt, Velasquez oder Tizian überliefert zu wer-
den oder die auch nur au der raschen, geistreichen
und entschlossenen Art des gewaltig arbeitenden
Künstlers Gefallen gefunden hatten, zahlten weit
weniger. Zuweilen erhielten sie das Bildnis ge-
schenkt, das mit einer Anzahl von photographischen
Aufnahmen eingeleitet worden war, wodurch viele
ermüdende Sitzungen erspart wurden.
Pastelle, die Lenbach für Frauen- und Kinder-
bildnisse bevorzugte, wurden in einer Sitzung her-
untergehauen, für größere Olporträts brauchte er
kaum mehr als zwei oder drei Tage. Manchmal,
wie in dem von seinen Zeitgenossen nur mäßig
geschätzten Bildnis des greisen Kaiser Wilhelm,
das den Herrscher in einer menschlich ergreifenden
müden, zusammengesunkenen Haltung zeigt, findet
er noch Lösungen, in denen jedes Pathos und jede
Überbetonung vermieden und die Charakterisie-
rung mit den diskretesten malerischen Mitteln er-
reicht worden ist. Sie erinnern an die Kunst seiner
Frühzeit, aber sie bleiben Ausnahmen. Lenbach
ist einmal aufrichtig der Meinung gewesen — und
damals malten schon Leibl und Trübner —, daß
es in München nur drei große Künstler gäbe, den
Architekten Gabriel von Seidl, den Zeichner Ober-
länder und den Vergolder Rudorfer.
Dieser Rudorfer ahmte in Lenbachs Prunk-
gemächern die Renaissancepracht nach, von der sich
der Künstler, der lange Jahre hindurch für den
Grafen Schack Bilder alter Meister kopiert hat,
innerlich nie frei machte. Auch Lenbachs Bilder
schreien nach dem Vergolder.
Größere Persönlichkeiten als Lenbach, den
Helferich einmal den „Ahasver der Kunst", den
Jahrhunderte alten, Person gewordenen Geist des
Lenbach. Nach einer zeitgenössischen Photographie
Gehirns genannt hat, mußten dieser Zeit ihren
Tribut zollen. Vieles, was sie übermäßig schätzte,
ist wieder vergessen worden. Unsere Kunstmuseen
wollen heute nicht mehr viel von Lenbach oder doch
von vielen Lenbachs nichts mehr wissen. Aber wie
es Namen gegeben hat, deren Träger durch die,
welche sie bildlich darstellten, im Gedenken blieben,
ein Feldhauptmann del Borro durch Bernini, ein
Patrizier Holzschnher durch Dürer und ein Kauf-
mann Giesze durch Holbein, kommen auch Maler
durch die Persönlichkeiten, die sie porträtierten, auf
die Nachwelt.
Lenbachs malerischer Ruf müßte eigentlich von
den Werken ausgehen, die er schuf, bevor ihm Schack
die Aufträge zu den Kopien nach Tizian, Giorgione
und Velasquez gab, von der beherzten Freilicht-
malerei seines „Hirtenknaben" in der Schackgalerie,
dem „roten Schirm" und von jenen frühesten
weichtonigen Bildnissen, die von fern an Leibl
denken lassen. Von seinem nachmaligen, fürstlich
ausgeftatteten Malerheim waren seine Zeit-
genossen, die seine Bilder nicht neben Menzel oder
Böcklin, sondern neben Rembrandt und Rubens
stellten, höchlichst begeistert. Auf den Ausstellungen
des Glaspalastes hatte er seinen eigenen Raum.
Dort hingen die Porträts zwischen Gobelins und
prunkendem Gerätwerk aus kostbaren Seiden-
tapeten. Eine anziehende Frauenerscheinnng reizte
ihn, sie im Gewände der Lncrezia Borgia zu
malen. Da er sich mühte, auf die Farbenrezepte
der italienischen Meister zu kommen, ersann er
immer neue technische Kniffe. Sie wurden ihm,
der seltsamerweise die „Gesellschaft für rationelles
Malverfahren" gründete, auch weidlich nachgeahmt.
Ein Weimarer Professor, befragt, ob er noch nach
Lenbachs Grundsätzen arbeite, antwortete: „Ach,
ich bin ihm nun Wohl schon durch einige zwanzig
Malweisen gefolgt, aber nun kann ich nicht mehr!"
blain, war irnrnar das Zlaiella rnaellk, ist ein
Leü^vaineünnd. Lein Mensell, solange er sieü
Lünskler nennt, kann eine Manier llaben. Man
bleibt üeinen 3?ax derselbe. "Was einem 2>van-
^i^fäbriß-en xekällt und ibm riebti^ sebeint,
kann einen Mann nicbt mebr anrexen. ^Vas
man erreiebt bat, ist abgetan, ckedes Lild bat
in diesem 8inn etvv^as anderes 2U sagen, und
-veenn es eine IViederbolung^ -cväre.
8 ö e lc l i n
Dennoch hatte sein Bestreben, den Eindruck der
Natur mit den alten Meistern in Verbindung zu
bringen, auch Grenzen. Einer Dame, die Proträ-
tiert werden wollte, erklärte er: „Das Schönste an
Ihnen ist Ihre Hand, und Hände kann ich nicht
malen. Da müssen Sie schon zu einem anderen
gehen". Es war nicht seine Art, sich wie Leibl viel
zu Plagen. „Man muß die Menschen nur in dem
Moment malen, in dem sie einem besonders inter-
essant sind; das ist meist nur ein Augenblick". Er
studierte seine Modelle nicht eigentlich, sondern
war vor ihnen wie ein Jäger auf dem Anstand,
die entscheidende Sekunde zu erhaschen. Malerisch
legte er seine Erkenntnis fast ausschließlich in den
Blick der Augen, die hiervon entfernteren Gesichts-
teile bereits flüchtiger betonend, um schließlich
Hände und vor allem Figürliches in den Über-
gängen eines künstlichen Galerietones verklingen
zu lassen. Aber er lebte in einer Zeit der Phy-
siognomien und die von ihm Dargestellten waren
die politischen, geistigen und wirtschaftlichen
Führer des neugegründeten Deutschen Reiches.
Ihre Bildnisse ließen vielleicht manchmal an Ähn-
lichkeit zu wünschen übrig, hatten aber irgendwie
eine besondere Prägung wie die von einer Anek-
dote. So hafteten sie leicht im Gedächtnis und
waren auch nicht ohne eigenwillige Psychologie.
„Den habe ich jetzt tödlich getroffen!" sagte Len-
bach einst nach Vollendung eines Porträts.
Am günstigsten sprach die Begabung von Len-
bach, der nach Victor Müllers Tod unbestrittener
Führer der Münchener Künstler und von seiner
Generation als der größte Maler des 19. Jahr-
hunderts gefeiert wurde, sich in Bildnissen aus
dem Familienkreis aus. Seine erste Frau, die
rotbloude Gräfin Moltke, konnte den Farbengeruch
nicht ansstehen, betrat die Atelierräume nur selten
und heiratete später Schweninger, den Leibarzt von
Bismarck. Lenbachs zweite Gattin wurde eine
Baronin Hornstein. Auch von Lenbachs Bismarck-
porträts in Zivil und Uniform und in allen nur
möglichen Stellungen, die den Namen des Malers
am weitesten tragen werden, findet sich manches
Gelungene, aber auch viele schwächeren Werke.
Man darf an diese sehr oft in freien Wieder-
holungen geschaffenen Stücke nicht im entfern-
testen an bedeutende alte Kunst, etwa gar an die
Lutherdarstellungen von Cranach und seiner Werk-
statt denken, was für die heutige Geltung der einst-
mals so ganz überschwänglich gepriesenen künst-
lerischen Handschrift Lenbachs doch bezeichnend ist.
Ganz ferne ist uns diese Atelierkunst gerückt, aus
der nur bisweilen irgend eine Art der Auffassung
erraten läßt, daß die Persönlichkeit dieses Malers,
der die Nachlebenden immer wieder dazu verleiten
wird, die bedeutenden Menschen jener Tage mit
seinen Augen zu sehen, weit mehr gewesen ist, als
die Summe seiner Werke. Populär geworden,
konnte Lenbach trotz dem Prinzregenten manchmal
als der heimliche Herrscher Münchens gelten.
Bürger und Künstler jubelten seiner Kunst und
seiner Kunstpolitik zu. Einige gingen auch fort
oder standen abseits. Es war kein Zufall, daß sie
Leibl, Thoma, Alt und Trübner hießen.
Illor^vald