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Kunst der Nation
Phyr in die Reihe der Bildhaucrmaterialien
wieder einrückt. Nach der Wiederherstellung der
Wölfin ist man in Florenz an eine erste selbstän-
dige Arbeit gegangen. Der Kopf des Duce, und
zwar der Kops von dem Bologneser Reiterdenkmal
des Pros. Graziosi, ist in Porphyr ausgeführt
worden. Die Arbeit stammt von dem Arbeiter
Da die Zahl derer, die sich für die Kunst
einsetzen, sehr gering, und die Zahl der Künstler
noch geringer ist, wird es immer schwer sein,
die große Öffentlichkeit zu einer Anteilnahme
an künstlerischen Bestrebungen zu bewegen. Ob-
wohl kein Staat die Kunstpropaganda so groß-
zügig betreibt wie der unsrige, offenbart sich uns
doch ans allen Gebieten, die eine künstlerische
Gestaltung erfordern, eine scheinbar unverbesser-
liche Instinktlosigkeit unserer Volksgenossen. An-
geborene Fähigkeiten der Augen sind verhältnis-
mäßig selten, eine, zweckmäßige Schulung, die
diesen Mangel ansgleichen könnte, ist uns aus
unserer eigenen Schulzeit als mager bekannt.
Um daher den möglichen Erfolg zu vergrößern,
müssen alle, die für den Bestand, die Geltung
und Pflege der Kunst kämpfen, zielbewußt, soweit
es die Sache zuläßt, ihre Anstrengungen
konzentrieren. Die erste Forderung, die
hier zu erheben ist, zielt ans ein stärkeres Soli-
daritätsgesühl unter den Künstlern selber ab.
Während nämlich alle Stände heute eine Zu-
sammenfassung ihrer Kräfte erreichen, während
alle Berufsverbände dem nationalsozialistischem
Gedankengut die Verpflichtung zu gemeinschaft-
lichem Wirken entnehmen, mich die erstaunliche
Wahrnehmung gemacht werden, daß unter den
Künstlern jeder letzte Zusammenhalt immer mehr
verschwindet. In dem Leben der älteren, an
ihre Isoliertheit gewöhnten Künstler ist ebenso-
wenig eine Änderung zu erwarten, wie in dem
für die Kunst völlig unfruchtbaren Leben großer
Kollektivverbände, die für künstlerische Zwecke
keine Stoßkraft besitzen. Vielmehr müssen
sich überall Gruppen und Kamerad-
schaften junger Künstler bilden, die
durch Gleichheit der Qualität und durch Ähnlich-
keit ihrer künstlerischen Bestrebungen zusammen-
finden, denn den Künstler interessiert ein Kollege
nicht aus menschlichen, sondern aus Leistungs-
gründen. Wenn sich diese Künstlergemeinschaften
in der Öffentlichkeit durchsetzen, wird die
Öffentlichkeit ihnen auch Gelegenheit und Mög-
lichkeit zu Leistungen geben.
Dieser Kameradschaftsgedanke wird und muß
unter den jungen Künstlern eine neue Gesinnung
erzeugen, die sich in der Praxis vielfältig be-
währen kann. Man darf nur nicht die
Auswirkung an sich kleiner Unter-
nebmunaen unterschätzen. Der Begriff
der Konkurrenzausschaltung ist unter Künstlern
immer verwerflich, außer wenn durch größere
Leistung eine Konkurrenz ausgeschaltet wird. Es
müßte auch selbstverständlich sein, daß der Künst-
ler einen qualitätvollen Berufskollegen gegen
jeden Angriff eines Laien verteidigt, denn der
Laie deutet viele Umstände im Leben eines
Künstlers falsch, weil er sich schlecht in dessen
Empfindnngskraft eindenken kann. Vor allem
aber müssen diese Kameradschaften dem einzelnen
das Gefühl äußersten Rückhaltes, das Bewußt-
sein größter Sicherheit geben, da er innerhalb
einer, wenn auch kleinen Gemeinschaft um die
Verwirklichung von Werten und um deren Gel-
tung kämpft.
Diesen Rückhalt an Gleichgesinnten voraus-
gesetzt, wird der Künstler, wenn er nur gesund
und natürlich ist, jeden Wunsch, seine Arbeit zu
irritieren, und jedes Fehlurteil getrost über sich
ergehen lassen. Denn er muß ja Recht behalten.
Er malt sich und sein Leben, sein Leben ist
wiederum ein Teil des Lebens aller. Seine
Fragen, Gedanken, Wünsche ruhen
auch latent oder sind aktiv in der
Volksseele. Je reiner und aus-
der Anstalt Mecocci unter ständiger Überwachung
durch Prof. Orlandini. Man beabsichtigt in
Florenz, namentlich da man durch die sehr schwie-
rige stückweise Zusammensetzung der Wölfin er-
hebliche Erfahrungen in Porphyrbcarbeitnng ge-
macht hat, wichigste Werke in diesem Material
herauszubringen. 6. R.
schließlicher er daher sich selbst
malt, um so sicherer wird seine
Arbeit letzten EndeZ Recht be-
halten.
Wer jedoch nicht den Rhythmus des eigenen
Blutes malt, sondern seine Zielrichtung im Be-
streben, zeitgemäß zu bleiben, der Zeitung, dem
Radio und den Tagesnachrichten anpaßt und
dieses mit mehr äußerlichen als innerlichen Be-
gründungen, der verliert sich und die Kunst und
erzielt die ersehnte künstlerische Wirkung nicht,
auch wenn er noch so gute Muskulaturen malen
kann. Künstler können nicht jene dienstbe-
flissenen Lauscher auf dem clernier eri sein, son-
dern müssen Männer sein. Deutscher Maler ist
man nicht nur, wenn man träumerisch iu die
Landschaft blickende Menschen malt, Gegenwarts-
maler ist man nicht nur durch Bilder mit Auf-
märschen und Fahnen, nordischer Maler ist man
nicht nur durch Bilder mit Siegfriedsgestalten
und Nunenschwertern. Das Nordische,
das Deutsche, das Gegenwärtige
ist tiefer verankert und nicht nur
am Gegenständlichen erkennbar. Selbstverständ-
lich ist dieses Gegenständliche nur bei denen, die
das Gleiche schon immer malten. Diejenigen,
die sich mit Eifer darauf werfen, sind keine
Künstler, weil Konjunkturritter keine Männer
sein können. Charakter ist zu allem die erste
Voraussetzung. Konjunkturritter der Palette er-
innern unangenehm an die Hofschranzen der
wilhelminischen Parade- und Schlachtenmalerei.
Wenn gesagt wurde, daß der Künstler als
Mann auch Tragik und Mißverstehen aus sich
nehmen muß, dann heißt dieses aber nicht, daß
er mit Tragik und Mißverstehen ko-
kettieren darf. Es gibt Maler, die mit ihrer
Dachkammer, mit ihrem Samtjakett und mit
ihrer Unbeliebtheit in Bürgerkreisen kokettieren.
Sie schauspielern mit genialer Untätigkeit. Sie
wiederholen das aus Biographien und Anekdoten
angelesene Leben der Ganguin, Pascin und
Cezanne, leben es nochmals nach. Sie schaden
damit der Kunst und der Künstlerschaft. Der
Künstler muß gegenwärtig und
gegenwartsfroh, allen Lebens-
fragen- und Gefahren gewachsen
sein. Künstlertum ist kein Tr ach-
te nvere in. Absichtliche Halt- und Taktlosig-
keit offenbart einen erheblichen Minderwertig-
keitskomplex.
Allerdings haßt jeder Künstler übertriebene
Konvention. Es gibt aber zwei Methoden, über-
triebene Konvention abzulehnen: Die erste will
nur die Ablehnung als Wert an sich, die andere
will eine Einsicht verkörpern und andern ver-
mitteln. Der Künstler, der ernst genommen wer-
den will, wünscht, daß eine zivile Welt hinter
seiner zivilen Erscheinung nicht erwartet, woraus
sein Streben gerichtet ist: Ein ganzer Künstler
zu fein.
Der Kampf um die Freiheit, an der dem
Künstler soviel gelegen ist, muß so beim Künstler
selbst begonnen werden.
„Wonach mißt sich die Freiheit bei einzelnen,
wie bei Völkern? Nach dem Widerstand, der
überwunden werden muß, nach der Mühe, die
es kostet, oben zu bleiben. Den höchsten Typus
freier Menschen hätte man danach dort zu suchen,
wo beständig der höchste Widerstand überwunden
wird." (Nietzsche)
Dieser Freiheit dient der Künstler. Diese
Freiheit der Kunst und der Künstler ist immer
innerlicher Natur.
Von L. v.
Max Reger, der heute sechzig Jahre alt wäre,
war eiu von so tiefem Kunsternst erfüllter Mu-
siker, daß er sich gelegentlich durch seinen Humor
entspannen mußte. Bekannt ist, daß er Leuten,
die er liebte, Stücke mit den: Thema n. ck. ck. o.
widmete . . . und sich über das Mißverstanden-
und Unterschätztwerden in Deutschland mit dem
vo,l seiner Gattin Elsa überlieferten Gedanken
tröstete: „Das Schwein und der Künstler haben
das gemeinsam, daß man sie erst nach dem Tode
schätzt . . ."
*
Im zweiten Jahr des
Weltkriegs bot Reger dem
Musikverein einer deut-
schen Stadt seine „Vater-
ländische Ouvertüre" an,
worin der Choral „Nun
danket alle Gott" thema-
tisch verarbeitet wird.
Der Vorstand des Ver-
eins hatte Bedenken und
meinte, es sei noch zu
früh, diesen Choral an-
znstimmen. „Nun", er-
widerte Reger, „so singen
Sie dafür den Choral:
Ermuntere dich, du
schwacher Geist!"
*
Eine Dame, die der
erstell Aufführung seiner
„Böcklin - Suite" bei-
wohnte, war besonders
gefesselt von den dunkeln,
merkwürdig klingenden
Lonfiguren der Fagotte
im Bacchanal. „Bringen
die Musiker das mit dem
Munde hervor?" Reger
sah die fragende Frau
einen Augenblick starr an,
dann sagte er toternst:
„Das will ich stark
hoffen!"
*
Der englische Kompo-
nist Cyrill Scott fragte
Reger einmal, wie ihm
seine, Scotts, letzte Kom-
positionen beim Musikfest
gefallen hätten. „GelnS',
Herr Scott", erwiderte
Reger, „wann Ihnen
wieder amal was einfallt,
gel, dann schreiben Sie's
net auf!" — Ein Kritiker,
Herr H-, hatte Reger im
Hotel besucht, aber nicht
viel Beachtung gefunden,
und erzählte ihm deshalb,
um sich interessant zu
machen, er sei bei Wag-
ners Leichenbegängnis
mitgegangen. „Nun ja,
der Wagner ist halt schon
tot gewesen und hat sich nicht wehren können",
entgegnet Reger, und Herr H. läuft verärgert zur
Tür hinaus. Aber es läßt ihm keine Ruhe, und
nach einer Weile schickt er das Zimmermädchen zu
Reger: Einen schönen Gruß von Herrn H. und
wenn Herr Doktor Reger einmal stürbe, ginge
Herr H. gewiß nicht mit der Leiche. Aber Reger
bleibt ganz ungerührt: „Sagen S' dem Herrn H.
einen schönen Gruß — ich zum Beispiel ginge sehr
gern mit seiner Leichen mit . . ."
gangencn Jahrhunderts. Die Tatsache, daß er besonders
in der Symphonie an die Grundform Beethovens anknüpft,
darf nicht dazu verführen, ihn einen „Klassizisten" zu nennen.
Sicher ist, dah er in der Periode musikalischer Hochromantik
der einzige war, der die alte Form mit den größten seeli-
schen Spannungen und reinster Musikalität zu erfüllen ver-
mochte. Moderne Harmonik und Komplizierung der Satz-
weise verbinden ihn mit seiner Zeit. Dadurch, dah er im
Gegensatz z. B. zu Berlioz und Wagner das Ethos den
Affekten überordnet, ist seine Musik eine typisch deutsche.
Dieser Erundzug Brahmsschen und deutschen Wesens
liegt zutiefst in seiner II. Symphonie, die als op. 73 im
Jahre 1877 entstand. Sie ist in D-Dur geschrieben und weist
folgende Grundform auf: Allegro — Adagio — Allegretto —
Allegro. Bemerkenswert ist die Verwendung des Scherzo
als gemächlichen Satz; „Allegretto grazioso (quasi Andan-
tino)" schreibt Brahms darüber und greift damit auf eine
Stileigentümlichkeit aus Beethovens mittlerer Schaffens-
periode zurück, in der das Scherzo dem Geist des Menuetts
entstammt. Dieser sehr cantabile Satz schließt eine Fülle
tiefer und inniger Empfindungen ein. Das ganze Werk atmet
eine sichere heitere Art, einen Humor, der Weltanschauung
und einer besonderen Gattung deutschen Kunstschaffens eigen-
tümlich ist und den Nietzsche bei Brahms, sagen wir, ein-
fach übersehen hat, wenn er den Begriff der „Melancholie
des Unvermögens" auf diese Musik anwcndct, statt auf die
geistige Struktur seiner Epoche.
Mit mehr Recht wahrscheinlich, als man Pfitzner den
„letzten Romantiker" nennt, könnte man in Brahms den
letzten Klassiker sehen. Denn die Frage der künstlerischen
Wiedergabe seiner Musik deckt sich mit jener der Klassik.
Aus den Taktqualitäten ergibt sich ein Rhythmus, der ganz
im Geistigen wurzelt, als nicht unterbrochene Bewegung das
musikalische Kunstwerk trägt. Die Interpretation Prof. Max
Fiedlers drückt im ersten Satz starkes Stilempfinden
aus, neigt jedoch bei etwas komplizierterer Stimmführung
zu übermähiger Akzentuierung. Das Adagio non troppo
des zweiten Satzes wird viel troppo, und zwar so, dah die
Gestalt der Melodie nur schwer erkennbar ist. Sehr schön
gerät der dritte Satz, während die Bewegung des vierten
unter ungünstigen technischen Konstellationen zu leiden hat.
Die raumakustischen Verhältnisse sind drückend, die Klang-
masse einengend, der Klirrfaktor ist zu hoch.
Aus diesen Erscheinungen kann man wohl die Vermutung
ableiten, dah es sich hier nicht uM eine Neuaufnahme dieses
Werkes, sondern nur um eine neue Pressung handelt. Mit
der technischen Vollendung der jüngsten Aufnahmen, z. B.
des „Heiteren Spiels für Orchester" von Blümer, hält jene
der II. Brahms-Symphonie jedenfalls einen Vergleich nicht
aus. Gerechterweise muh allerdings hinzugefügt werden, dah
die satztechnische Struktur dieses Werkes der Aufnahmetechnik
außerordentliche Schwierigkeiten entgegenstellt, die zum Teil
doch überwunden wurden. I--
Die versandten Bedingungen für die Beteiligung am
Folkwang-Wettbewerb „Junge deutsche
Kun st" 1934 (vgl. „Kunst der Nation", Nr. 10) sind auf
Grund der neuen Wettbewerbsbestimmungen der Reichskam-
mer der bildenden Künste sachgemäß dahin ergänzt wor-
den, daß
1. die Teilnahme auf Mitglieder der Reichskammer der
bildenden Künste beschränkt ist
2. den Verfassern das Urheberrecht gewahrt bleibt;
3. das Preisgericht aus zwei Mitgliedern des Kurato-
riums und drei Fachpreisrichtern besteht;
4. beabsichtigt ist, einem der Preisträger die weitere
Bearbeitung der Aufgabe zu übertragen.
Damit entspricht der Wettbewerb den Bedingungen der
Durchführungsanordnung des Präsidenten der Reichskammer
Brahms, II. Symphonie („G rammophon, Die
Stimme seines Herrn" 27 254 — 58 EM). — Die
Bedeutung von Brahms für unsere Zeit liegt in seiner
Stellung zu den Klassikern und Altklassikern, liegt auch in
seiner Ablehnung der „neudeutschen" Richtung des ver-
Meres-llngeheuer
Gemeinsamkeit, Charakter, Freiheit
Von
Otto Andreas Schreiber
Torso einer Chlamysstatuc.
Porphyr. Berlin, Kaiser Friedrich-Museum
Die HounkaAsbZärrer einer Kronen ^a^Z von DroninL-^eiknnZsen rooZZen FkinrnrnnA nrae^en /uz' eine aöse^enZicZie ^ersc^ancZeZunA <Zer iVaknr.
Derr DrocZcen soZZ eine KrokesZce ^nsanrnrenskeZZnnA non ankiZcen ^rcZrikeZcknreZenrenken inr AröMen ^nsnra^e vernn^ieren. Din scZraAens-
/rencZiAer aZker Derr, cZer Zion ko an </er DerZiner ZieAesnZZee nieZtk roeikeröauen Zeann, rnaAk es, rZieses iDacZrnierZz aZs einen Dnkrenr/ /nr ein
DenZcnraZ eZer «ZenkseZren DrZreönnK anrnöieken. Den ^reeeZc roircZ Zrier nie cZie MikkeZ ^eiZiZsen.
der bildenden Künste betr. Wettbewerbe.
Den Mitgliedern der Reichskammer der bildenden Künste
wird hiermit die Beteiligung an dem Wettbewerb sowohl
als Bewerber wie als Preisrichter genehmigt.
LIussuin Nolkvvang, Lssen
Herausgeber: A. William König; Schriftleitung: Otto-Andreas Schreiber; verantwortlich: Otto-Andreas Schreiber, Berlin. — Erscheint im Verlag Kunst der Nation G. m. b. H., Berlin W 62, Kurfürftenstrahe 118. —
Zuschriften sind an die Redaktion der Kunst der Nation zu richten. Anzeigenannahme beim Verlag. Jnseratentarif auf Verlangen. Abdruck von Artikeln nur mit Einverständnis des Verlags, auszugsweiser Nachdruck nur mit Quellen-
angabe gestattet. Haftung für unverlangt eingesandte Manuskripte wird nicht übernommen und jegliche Verantwortung, auch hinsichtlich des Veröffentlichungstermins und der Rücksendung, abgelehnt. Druck H. S. Hermann E. m. b. H. Berlin SW IS.
D.-A. II. V. 4667.
Kunst der Nation
Phyr in die Reihe der Bildhaucrmaterialien
wieder einrückt. Nach der Wiederherstellung der
Wölfin ist man in Florenz an eine erste selbstän-
dige Arbeit gegangen. Der Kopf des Duce, und
zwar der Kops von dem Bologneser Reiterdenkmal
des Pros. Graziosi, ist in Porphyr ausgeführt
worden. Die Arbeit stammt von dem Arbeiter
Da die Zahl derer, die sich für die Kunst
einsetzen, sehr gering, und die Zahl der Künstler
noch geringer ist, wird es immer schwer sein,
die große Öffentlichkeit zu einer Anteilnahme
an künstlerischen Bestrebungen zu bewegen. Ob-
wohl kein Staat die Kunstpropaganda so groß-
zügig betreibt wie der unsrige, offenbart sich uns
doch ans allen Gebieten, die eine künstlerische
Gestaltung erfordern, eine scheinbar unverbesser-
liche Instinktlosigkeit unserer Volksgenossen. An-
geborene Fähigkeiten der Augen sind verhältnis-
mäßig selten, eine, zweckmäßige Schulung, die
diesen Mangel ansgleichen könnte, ist uns aus
unserer eigenen Schulzeit als mager bekannt.
Um daher den möglichen Erfolg zu vergrößern,
müssen alle, die für den Bestand, die Geltung
und Pflege der Kunst kämpfen, zielbewußt, soweit
es die Sache zuläßt, ihre Anstrengungen
konzentrieren. Die erste Forderung, die
hier zu erheben ist, zielt ans ein stärkeres Soli-
daritätsgesühl unter den Künstlern selber ab.
Während nämlich alle Stände heute eine Zu-
sammenfassung ihrer Kräfte erreichen, während
alle Berufsverbände dem nationalsozialistischem
Gedankengut die Verpflichtung zu gemeinschaft-
lichem Wirken entnehmen, mich die erstaunliche
Wahrnehmung gemacht werden, daß unter den
Künstlern jeder letzte Zusammenhalt immer mehr
verschwindet. In dem Leben der älteren, an
ihre Isoliertheit gewöhnten Künstler ist ebenso-
wenig eine Änderung zu erwarten, wie in dem
für die Kunst völlig unfruchtbaren Leben großer
Kollektivverbände, die für künstlerische Zwecke
keine Stoßkraft besitzen. Vielmehr müssen
sich überall Gruppen und Kamerad-
schaften junger Künstler bilden, die
durch Gleichheit der Qualität und durch Ähnlich-
keit ihrer künstlerischen Bestrebungen zusammen-
finden, denn den Künstler interessiert ein Kollege
nicht aus menschlichen, sondern aus Leistungs-
gründen. Wenn sich diese Künstlergemeinschaften
in der Öffentlichkeit durchsetzen, wird die
Öffentlichkeit ihnen auch Gelegenheit und Mög-
lichkeit zu Leistungen geben.
Dieser Kameradschaftsgedanke wird und muß
unter den jungen Künstlern eine neue Gesinnung
erzeugen, die sich in der Praxis vielfältig be-
währen kann. Man darf nur nicht die
Auswirkung an sich kleiner Unter-
nebmunaen unterschätzen. Der Begriff
der Konkurrenzausschaltung ist unter Künstlern
immer verwerflich, außer wenn durch größere
Leistung eine Konkurrenz ausgeschaltet wird. Es
müßte auch selbstverständlich sein, daß der Künst-
ler einen qualitätvollen Berufskollegen gegen
jeden Angriff eines Laien verteidigt, denn der
Laie deutet viele Umstände im Leben eines
Künstlers falsch, weil er sich schlecht in dessen
Empfindnngskraft eindenken kann. Vor allem
aber müssen diese Kameradschaften dem einzelnen
das Gefühl äußersten Rückhaltes, das Bewußt-
sein größter Sicherheit geben, da er innerhalb
einer, wenn auch kleinen Gemeinschaft um die
Verwirklichung von Werten und um deren Gel-
tung kämpft.
Diesen Rückhalt an Gleichgesinnten voraus-
gesetzt, wird der Künstler, wenn er nur gesund
und natürlich ist, jeden Wunsch, seine Arbeit zu
irritieren, und jedes Fehlurteil getrost über sich
ergehen lassen. Denn er muß ja Recht behalten.
Er malt sich und sein Leben, sein Leben ist
wiederum ein Teil des Lebens aller. Seine
Fragen, Gedanken, Wünsche ruhen
auch latent oder sind aktiv in der
Volksseele. Je reiner und aus-
der Anstalt Mecocci unter ständiger Überwachung
durch Prof. Orlandini. Man beabsichtigt in
Florenz, namentlich da man durch die sehr schwie-
rige stückweise Zusammensetzung der Wölfin er-
hebliche Erfahrungen in Porphyrbcarbeitnng ge-
macht hat, wichigste Werke in diesem Material
herauszubringen. 6. R.
schließlicher er daher sich selbst
malt, um so sicherer wird seine
Arbeit letzten EndeZ Recht be-
halten.
Wer jedoch nicht den Rhythmus des eigenen
Blutes malt, sondern seine Zielrichtung im Be-
streben, zeitgemäß zu bleiben, der Zeitung, dem
Radio und den Tagesnachrichten anpaßt und
dieses mit mehr äußerlichen als innerlichen Be-
gründungen, der verliert sich und die Kunst und
erzielt die ersehnte künstlerische Wirkung nicht,
auch wenn er noch so gute Muskulaturen malen
kann. Künstler können nicht jene dienstbe-
flissenen Lauscher auf dem clernier eri sein, son-
dern müssen Männer sein. Deutscher Maler ist
man nicht nur, wenn man träumerisch iu die
Landschaft blickende Menschen malt, Gegenwarts-
maler ist man nicht nur durch Bilder mit Auf-
märschen und Fahnen, nordischer Maler ist man
nicht nur durch Bilder mit Siegfriedsgestalten
und Nunenschwertern. Das Nordische,
das Deutsche, das Gegenwärtige
ist tiefer verankert und nicht nur
am Gegenständlichen erkennbar. Selbstverständ-
lich ist dieses Gegenständliche nur bei denen, die
das Gleiche schon immer malten. Diejenigen,
die sich mit Eifer darauf werfen, sind keine
Künstler, weil Konjunkturritter keine Männer
sein können. Charakter ist zu allem die erste
Voraussetzung. Konjunkturritter der Palette er-
innern unangenehm an die Hofschranzen der
wilhelminischen Parade- und Schlachtenmalerei.
Wenn gesagt wurde, daß der Künstler als
Mann auch Tragik und Mißverstehen aus sich
nehmen muß, dann heißt dieses aber nicht, daß
er mit Tragik und Mißverstehen ko-
kettieren darf. Es gibt Maler, die mit ihrer
Dachkammer, mit ihrem Samtjakett und mit
ihrer Unbeliebtheit in Bürgerkreisen kokettieren.
Sie schauspielern mit genialer Untätigkeit. Sie
wiederholen das aus Biographien und Anekdoten
angelesene Leben der Ganguin, Pascin und
Cezanne, leben es nochmals nach. Sie schaden
damit der Kunst und der Künstlerschaft. Der
Künstler muß gegenwärtig und
gegenwartsfroh, allen Lebens-
fragen- und Gefahren gewachsen
sein. Künstlertum ist kein Tr ach-
te nvere in. Absichtliche Halt- und Taktlosig-
keit offenbart einen erheblichen Minderwertig-
keitskomplex.
Allerdings haßt jeder Künstler übertriebene
Konvention. Es gibt aber zwei Methoden, über-
triebene Konvention abzulehnen: Die erste will
nur die Ablehnung als Wert an sich, die andere
will eine Einsicht verkörpern und andern ver-
mitteln. Der Künstler, der ernst genommen wer-
den will, wünscht, daß eine zivile Welt hinter
seiner zivilen Erscheinung nicht erwartet, woraus
sein Streben gerichtet ist: Ein ganzer Künstler
zu fein.
Der Kampf um die Freiheit, an der dem
Künstler soviel gelegen ist, muß so beim Künstler
selbst begonnen werden.
„Wonach mißt sich die Freiheit bei einzelnen,
wie bei Völkern? Nach dem Widerstand, der
überwunden werden muß, nach der Mühe, die
es kostet, oben zu bleiben. Den höchsten Typus
freier Menschen hätte man danach dort zu suchen,
wo beständig der höchste Widerstand überwunden
wird." (Nietzsche)
Dieser Freiheit dient der Künstler. Diese
Freiheit der Kunst und der Künstler ist immer
innerlicher Natur.
Von L. v.
Max Reger, der heute sechzig Jahre alt wäre,
war eiu von so tiefem Kunsternst erfüllter Mu-
siker, daß er sich gelegentlich durch seinen Humor
entspannen mußte. Bekannt ist, daß er Leuten,
die er liebte, Stücke mit den: Thema n. ck. ck. o.
widmete . . . und sich über das Mißverstanden-
und Unterschätztwerden in Deutschland mit dem
vo,l seiner Gattin Elsa überlieferten Gedanken
tröstete: „Das Schwein und der Künstler haben
das gemeinsam, daß man sie erst nach dem Tode
schätzt . . ."
*
Im zweiten Jahr des
Weltkriegs bot Reger dem
Musikverein einer deut-
schen Stadt seine „Vater-
ländische Ouvertüre" an,
worin der Choral „Nun
danket alle Gott" thema-
tisch verarbeitet wird.
Der Vorstand des Ver-
eins hatte Bedenken und
meinte, es sei noch zu
früh, diesen Choral an-
znstimmen. „Nun", er-
widerte Reger, „so singen
Sie dafür den Choral:
Ermuntere dich, du
schwacher Geist!"
*
Eine Dame, die der
erstell Aufführung seiner
„Böcklin - Suite" bei-
wohnte, war besonders
gefesselt von den dunkeln,
merkwürdig klingenden
Lonfiguren der Fagotte
im Bacchanal. „Bringen
die Musiker das mit dem
Munde hervor?" Reger
sah die fragende Frau
einen Augenblick starr an,
dann sagte er toternst:
„Das will ich stark
hoffen!"
*
Der englische Kompo-
nist Cyrill Scott fragte
Reger einmal, wie ihm
seine, Scotts, letzte Kom-
positionen beim Musikfest
gefallen hätten. „GelnS',
Herr Scott", erwiderte
Reger, „wann Ihnen
wieder amal was einfallt,
gel, dann schreiben Sie's
net auf!" — Ein Kritiker,
Herr H-, hatte Reger im
Hotel besucht, aber nicht
viel Beachtung gefunden,
und erzählte ihm deshalb,
um sich interessant zu
machen, er sei bei Wag-
ners Leichenbegängnis
mitgegangen. „Nun ja,
der Wagner ist halt schon
tot gewesen und hat sich nicht wehren können",
entgegnet Reger, und Herr H. läuft verärgert zur
Tür hinaus. Aber es läßt ihm keine Ruhe, und
nach einer Weile schickt er das Zimmermädchen zu
Reger: Einen schönen Gruß von Herrn H. und
wenn Herr Doktor Reger einmal stürbe, ginge
Herr H. gewiß nicht mit der Leiche. Aber Reger
bleibt ganz ungerührt: „Sagen S' dem Herrn H.
einen schönen Gruß — ich zum Beispiel ginge sehr
gern mit seiner Leichen mit . . ."
gangencn Jahrhunderts. Die Tatsache, daß er besonders
in der Symphonie an die Grundform Beethovens anknüpft,
darf nicht dazu verführen, ihn einen „Klassizisten" zu nennen.
Sicher ist, dah er in der Periode musikalischer Hochromantik
der einzige war, der die alte Form mit den größten seeli-
schen Spannungen und reinster Musikalität zu erfüllen ver-
mochte. Moderne Harmonik und Komplizierung der Satz-
weise verbinden ihn mit seiner Zeit. Dadurch, dah er im
Gegensatz z. B. zu Berlioz und Wagner das Ethos den
Affekten überordnet, ist seine Musik eine typisch deutsche.
Dieser Erundzug Brahmsschen und deutschen Wesens
liegt zutiefst in seiner II. Symphonie, die als op. 73 im
Jahre 1877 entstand. Sie ist in D-Dur geschrieben und weist
folgende Grundform auf: Allegro — Adagio — Allegretto —
Allegro. Bemerkenswert ist die Verwendung des Scherzo
als gemächlichen Satz; „Allegretto grazioso (quasi Andan-
tino)" schreibt Brahms darüber und greift damit auf eine
Stileigentümlichkeit aus Beethovens mittlerer Schaffens-
periode zurück, in der das Scherzo dem Geist des Menuetts
entstammt. Dieser sehr cantabile Satz schließt eine Fülle
tiefer und inniger Empfindungen ein. Das ganze Werk atmet
eine sichere heitere Art, einen Humor, der Weltanschauung
und einer besonderen Gattung deutschen Kunstschaffens eigen-
tümlich ist und den Nietzsche bei Brahms, sagen wir, ein-
fach übersehen hat, wenn er den Begriff der „Melancholie
des Unvermögens" auf diese Musik anwcndct, statt auf die
geistige Struktur seiner Epoche.
Mit mehr Recht wahrscheinlich, als man Pfitzner den
„letzten Romantiker" nennt, könnte man in Brahms den
letzten Klassiker sehen. Denn die Frage der künstlerischen
Wiedergabe seiner Musik deckt sich mit jener der Klassik.
Aus den Taktqualitäten ergibt sich ein Rhythmus, der ganz
im Geistigen wurzelt, als nicht unterbrochene Bewegung das
musikalische Kunstwerk trägt. Die Interpretation Prof. Max
Fiedlers drückt im ersten Satz starkes Stilempfinden
aus, neigt jedoch bei etwas komplizierterer Stimmführung
zu übermähiger Akzentuierung. Das Adagio non troppo
des zweiten Satzes wird viel troppo, und zwar so, dah die
Gestalt der Melodie nur schwer erkennbar ist. Sehr schön
gerät der dritte Satz, während die Bewegung des vierten
unter ungünstigen technischen Konstellationen zu leiden hat.
Die raumakustischen Verhältnisse sind drückend, die Klang-
masse einengend, der Klirrfaktor ist zu hoch.
Aus diesen Erscheinungen kann man wohl die Vermutung
ableiten, dah es sich hier nicht uM eine Neuaufnahme dieses
Werkes, sondern nur um eine neue Pressung handelt. Mit
der technischen Vollendung der jüngsten Aufnahmen, z. B.
des „Heiteren Spiels für Orchester" von Blümer, hält jene
der II. Brahms-Symphonie jedenfalls einen Vergleich nicht
aus. Gerechterweise muh allerdings hinzugefügt werden, dah
die satztechnische Struktur dieses Werkes der Aufnahmetechnik
außerordentliche Schwierigkeiten entgegenstellt, die zum Teil
doch überwunden wurden. I--
Die versandten Bedingungen für die Beteiligung am
Folkwang-Wettbewerb „Junge deutsche
Kun st" 1934 (vgl. „Kunst der Nation", Nr. 10) sind auf
Grund der neuen Wettbewerbsbestimmungen der Reichskam-
mer der bildenden Künste sachgemäß dahin ergänzt wor-
den, daß
1. die Teilnahme auf Mitglieder der Reichskammer der
bildenden Künste beschränkt ist
2. den Verfassern das Urheberrecht gewahrt bleibt;
3. das Preisgericht aus zwei Mitgliedern des Kurato-
riums und drei Fachpreisrichtern besteht;
4. beabsichtigt ist, einem der Preisträger die weitere
Bearbeitung der Aufgabe zu übertragen.
Damit entspricht der Wettbewerb den Bedingungen der
Durchführungsanordnung des Präsidenten der Reichskammer
Brahms, II. Symphonie („G rammophon, Die
Stimme seines Herrn" 27 254 — 58 EM). — Die
Bedeutung von Brahms für unsere Zeit liegt in seiner
Stellung zu den Klassikern und Altklassikern, liegt auch in
seiner Ablehnung der „neudeutschen" Richtung des ver-
Meres-llngeheuer
Gemeinsamkeit, Charakter, Freiheit
Von
Otto Andreas Schreiber
Torso einer Chlamysstatuc.
Porphyr. Berlin, Kaiser Friedrich-Museum
Die HounkaAsbZärrer einer Kronen ^a^Z von DroninL-^eiknnZsen rooZZen FkinrnrnnA nrae^en /uz' eine aöse^enZicZie ^ersc^ancZeZunA <Zer iVaknr.
Derr DrocZcen soZZ eine KrokesZce ^nsanrnrenskeZZnnA non ankiZcen ^rcZrikeZcknreZenrenken inr AröMen ^nsnra^e vernn^ieren. Din scZraAens-
/rencZiAer aZker Derr, cZer Zion ko an </er DerZiner ZieAesnZZee nieZtk roeikeröauen Zeann, rnaAk es, rZieses iDacZrnierZz aZs einen Dnkrenr/ /nr ein
DenZcnraZ eZer «ZenkseZren DrZreönnK anrnöieken. Den ^reeeZc roircZ Zrier nie cZie MikkeZ ^eiZiZsen.
der bildenden Künste betr. Wettbewerbe.
Den Mitgliedern der Reichskammer der bildenden Künste
wird hiermit die Beteiligung an dem Wettbewerb sowohl
als Bewerber wie als Preisrichter genehmigt.
LIussuin Nolkvvang, Lssen
Herausgeber: A. William König; Schriftleitung: Otto-Andreas Schreiber; verantwortlich: Otto-Andreas Schreiber, Berlin. — Erscheint im Verlag Kunst der Nation G. m. b. H., Berlin W 62, Kurfürftenstrahe 118. —
Zuschriften sind an die Redaktion der Kunst der Nation zu richten. Anzeigenannahme beim Verlag. Jnseratentarif auf Verlangen. Abdruck von Artikeln nur mit Einverständnis des Verlags, auszugsweiser Nachdruck nur mit Quellen-
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D.-A. II. V. 4667.