Kunst der Nation
5
Bernhard Kretzschmar, Entwurf zu einer Monumentalmalerei.
1934
Seit mehr als einem Jahrzehnt steht Bernhard
Kretzschmar als Kämpfer für ein neues Künstler-
ideal in der vordersten Linie. Mit Verbissenheit
hat er sich gegen die hier herrschende akademische
Auffassung gewendet, daß das praktische Wissen
um die Verfertigung von Bildern den Künstler
mache. In kaum einer Stadt hat diese materiali-
stische Anschauung so verheerend gewirkt als in
Dresden, wo die Akademie alljährlich fast ein
halbes huildert Künstler entließ, um sie durch
Dünkel für ihr ferneres Leben verdorben, einem
proletarischen Schicksal, der Fürsorge von Staat
und Stadt, zu überlassen. In keiner Stadt
herrschte so ein solches
Intrigantentum, ein sol-
ches Raufen um die stets
ungenügend bleibenden
Ankaufsmittel, die auch
bei bestem Willen ihre
natürliche Grenze finden
müssen. Daß bei solchen
Zuständen der Künstler
gegen den Auchmalenden
den kürzeren zog, war
Wohl selbstverständlich.
Immer wieder hat sich
Bernhard Kretzschmar für
den schöpferischen Gehalt
als einzigen Maßstab, der
an ein Kunstwerk zu legen
ist, eingesetzt. So ist er
eine der markantesten
Persönlichkeiten der jun-
gen Dresdner Generation
geworden, dem auch die
schärfsten Feinde sein
Können, das sich mit rast-
losem Fleiß verbindet, zu-
gestehen müssen.
Schon hat der erst 45jährige ein selten ge-
schlossenes und umfangreiches Werk geschaffen.
Bernhard Kretzschmar ist geborener Sachse. Er
stammt aus Döbeln. Uber die Dekorationsmalerei
führte sein Weg auf die Dresdener Kunstgewerbe-
akademie, die ohne Bereicherung für ihn blieb.
1911 kommt er zur Akademie, 1914 findet er end-
lich einen Lehrer, der seine Eigenart versteht und
ihn fördert: ärarl Bantzer. Noch einmal unter-
bricht der Krieg die klare Entwicklungslinie, dann
beginnt im nahen Gostritz bei Dresden sein eigent-
liches Schaffen, das alle Gebiete der Mawrei und
Graphik umfaßt.
Thematisch nimmt ihn immer von neuem die
Landschaft und das Stadtbild Dresdens gefangen.
Wer der Geschichte der Malerei des Dresdener
Stadtbildes nachgeht, stößt immer wieder auf zwei
Namen, die ein Gestaltungsprinzip zeigen, das von
den meisten Stadtbildmalern Dresdens nur abge-
wandelt worden ist: B. Canaletto und G. Kuehl.
B. Kretzschmar ist hier als dritter Gestalter zu
neunen. Er geht dabei nicht auf die Jagd nach
berühmten Veduten, sondern aus den hoffnungs-
losesten Straßenzügen der Gründerjahre reißt er
ein neues Gesicht der Großstadt Dresden, daß man
meint, ein einheitlicher architektonischer Wille hätte
dem Bauganzen zugrunde gelegen.
Kretzschmar ist ein typisch sächsisches Tempera-
ment, wie es sich in Ludwig Richter nach der Seite
des Idyllischen am klarsten offenbarte. Das klein-
bürgerlich sächsische darzustellen, ohne billige Bos-
heit, aber auch ohne falsche Sentimentalität, ge-
lingt ihm ebenso wie die Landschaft, aus der diese
Menschen ja gewachsen sind, und mit der sie zu
einer Einheit verschmelzen. Ein Beispiel dafür
gibt unsere Abbildung „Billiardspieler im Restau-
rant Höhenluft". Beim Betrachten einer Reihe
dieser Bilder erschließt sich dem Beschauer ein
wesentlicher Teil sächsischer Eigenart. In Kretzsch-
mar ist das sächsische in der gegenwärtigen Malerei
am reinsten verkörpert.
Seine Graphik, vor allem Kaltnadelarbeiten
und Federzeichnungen, zeigen ihn von einer anderen
Seite. Es ist vor allem das Porträt, das ihn in
dieser Technik reizt. Er gibt es in strengen klaren
Umrissen, unter Vermeidung aller unnötigen
Einzelheiten, die Federzeichnung wird oft noch
farbig angetönt. Auch Entwürfe für Monu-
mentalmalerei hat Kretzschmar geschaffen, die ihrer
Ausführung noch harren. Sperling
Bernhard Kretzschmar, „Zm Restaurant zur Höhenluft"
„Den Pfeifern und den Boten des Papstes
nichts schenken oder leihen, sondern ihnen dies güt-
lich abschlaqen. Sagen, daß es nicht die Gewohn-
heit des Rates sei."
(Bürgermeisterbuch der Stadt Frankfurt 1450)
Die „Kindlikapelle" am Vierwaldstättersee bei
Gersau wurde der Sage nach als Sühne an der
Stelle errichtet, wo ein fahrender Spielmann einst
sein Kind, das ihn vergebens um Brot bat,
erschlug.
„Weil die Trompeter und Heerpauker allein
vor Kaisern, Königen, Kurfürsten, Grafen, Herren
rittermäßigen Standes und dergleichen Qualitäts-
allezeit in Uniform und nicht nur Er, Joseph
Haydn, selber sauber erscheine, sondern daß Er
auch seine Untergebenen dazu anhalte . . . Dann
solle er jede anbefohlene Komposition sofort aus-
führen, jedoch Niemanden mitteilen, noch weniger
sie abschreiben lassen, und ohne eingeholte Er-
laubnis für andere nichts komponieren."
Mozart an seinen Vater 1781:
„Ich bin nicht mehr so unglücklich, in salz-
burgischen Diensten zu sein. Schon zweimal hat
mir der — ich weiß gar nicht, wie ich ihn nennen
soll — die größten Sottisen und Impertinenzen
ins Gesicht gesagt ... Er nennte mich einen
George, Rainer Maria Rilke, Hugo v. Hoffmanns-
thal (um nur eiu paar Namen zu nennen) vom sog.
Naturalismus los und geht daran, ihr zerstörtes
Reich aufs neue auszubauen.
Der Kampf der neuen Kunst gegen den Im-
pressionismus vollzieht sich in mehreren Etappen.
Sucht man für die erste Etappe nach einem
Namen, so bietet sich, freilich nicht nach seinen
tiefsten Erzeugnissen gewählt, die Bezeichnung
„Jugendstil" an. Nach konsequentester Entwertung
alles Linearen meldet sich hier die Linie wieder,
aber nicht als plastische Begrenzung, oder als
streng gesetzmäßiges Flächenornament, sondern
gleichsau: innerhalb des impressionistischen un-
festen Bildraumes mit der ganzen Zufälligkeit des
Impressionismus, nicht wie in früherer Kunst
substantiellen, sondern funktionellen Charakters.
Im Jugendstil bleibt die Subjektivität und Will-
kür des Impressionismus erhalten, sie wendet sich
nur ins Geistige und erzeugt eine Atmosphäre des
Diffizilen, Reizbaren, Krankhaften, des verfeinert
Geistigen, wie der Impressionismus eine Atmo-
sphäre des verfeinert Sinnlichen geschaffen hatte.
Die zweite Etappe bekämpft mit dem eigentlichen
Impressionismus zugleich diesen seelischen Im-
pressionismus des Jugendstils. Es ist die, die
man im engeren Sinn als Expressionismus zu be-
zeichnen gewohnt ist. Dieser Expressionismus will
nicht die flüchtige Erscheinung, sondern das Wesen,
nicht den Wechsel, sondern die Dauer, nicht den
Zufall, sondern das Gesetz. Abstraktion von der
Naturwirklichkeit bedeutet ihm Hinwendung zur
Naturwahrheit. Von neuer Bedeutung ist für ihn
neben der Linie die Farbe, die (im genauen Gegen-
satz zu ihrer Funktion im Impressionismus) der
Wesensgestaltung dienstbar gemacht und damit in
ihr altes Recht als Ausdrucksträger wieder ein-
gesetzt wird. Charakteristisch für diese Phase des
Expressionismus ist aber, daß er seine neuen Ziele
verfolgt, ohne sich prinzipiell von der alten Bild-
form zu trennen. Hatte das perspektivische Bild-
gerüst so verschiedenartigem Ausdruckswillen ge-
nügen können wie dem der Renaissance, des
Barock, des Klassizismus, der Romantik und des
Impressionismus, so glaubte auch der Ex-
pressionismus es nicht beseitigen zu müssen. So
wenig sein ursprünglicher Sinn mehr gefühlt und
erfüllt wird, prinzipiell bleibt der Expressionismus
ihm doch verpflichtet. Hier nun setzt eine dritte
Etappe ein. Sie löst sich von dem perspektivischen
Gerüst und strebt einer neuen Bildform zu, die
dem expressionistischen Ausdruckswillen ange-
messener ist als jenes. Sie macht die Ordnung
der Körper im Bilde nicht mehr abhängig von der
zufälligen Ordnung, die die Körper in einer von
festem Standpunkt aus konstruierten Räumlichkeit
haben, sondern versucht sie Wesenhaft aus sich selbst
zu ordnen. Körper und Raum sind keine Gegen-
sätze mehr, die sich ausschließen, sondern sie be-
ginnen sich, wie erlöst von bisherigem Zwange,
schwerelos zu durchdringen. Von hier aus ist nur
noch ein Schritt zu Gestaltungen, die auf natür-
liche Gegenständlichkeit überhaupt verzichten und
dem Bilde einer äußeren Welt, die von der
Schwerkraft beherrscht wird, ähnlich wie die Musik
das Bild einer inneren Welt reiner Kräfte, von
der jene nur ein trüber Abglanz ist, entgegen-
stellen. —
Beobachten wir seit dem Ende des 18. Jahr-
hunderts aus Gründen, die wir mehrfach ange-
führt und immer wieder betont haben, eine ge-
fährliche Isolierung der Kunst, eine unüberbrück-
lichc Kluft zwischen dem Schaffendem, seinem
Werk in reinem Dienst Hingegebenen und der
ausnehmenden Masse, die nicht mehr fähig ist,
diesen Ideen zu folgen, weil sie keinen Anteil an
ihnen hat, weil sie der Ruf des Geistes gleichsam
nicht mehr erreicht, so verschärft sich dieser Zu-
stand gegenüber der Kunst des Expressionismus
zu offener Feindschaft. Es ist tief beklagenswert,
daß das Fehlen einer Gemeinschaft diese Kräfte
in die Not einer Einsamkeit trieb, in deren eis-
kalter Atmosphäre eine fruchtbare Entfaltung un-
möglich war. Die negativen Folgen dieser
tragischen Zeitsituation spüren wir denn auch wie
kaum bisher in den Werken dieser Kunst. Was
Erschütterungen und Freuden des Menschlichen
schlechthin bedeuten sollte, was allen Menschen zu-
gedacht war, blieb unverstandener und unversteh-
barer individueller Ausdruck. Was objektiv ge-
meint war, wurde Ausdruck eines durchaus nicht
gewollten, Wohl aber schmerzlich empfundenen
Subjektivismus. Was allein hätte groß werden
können, wenn es in gemeinsamer Sprache hätte
gesprochen werden können, blieb mit ganz wenigen
Ausnahmen unzulänglicher und organischer
Weiterentwicklung unfähiger Versuch. Nur ver-
einzelt trifft man Werke, die das Beglückende alter
Kunst haben. An dem Fehlen eines Mythos, eines
gemeinsamen Inhaltes, den der Künstler nicht
schassen kann, sondern den er vorfinden muß, ist
der Expressionismus als Bewegung zugrunde ge-
gangen. Innerhalb der kontinuierlichen Entwick-
lung seit dem Beginn der christlichen abend-
ländischen Aera ist er das letzte Aufbäumen und
das letzte Scheitern der ihre alten Rechte leiden-
schaftlich verteidigenden Kunst.
Bernhard Kretzschmar
Der alte Typ des Künstlers, der weltfern unter
den Dächern der Großstadt ein einsames Dasein
führte und nur von Zeit zu Zeit in die
Niederungen der übrigen Menschheit herunterstieg,
ohne die er doch nun einmal nicht leben kann, ist
ebenso im Aussterben begriffen wie der smarte
Löwe, der händeküssend und teetrinkend in den
Salons der Snobs seine Bilder und Plastiken ver-
marktet. An seine Stelle hat eine neue Zeit einen
ganz anders gearteten Menschen gestellt: den
Künstler, der zäh und verbissen um eine neue Ge-
staltung der Welt ringt, sich mit den Problemen
der Zeit kämpferisch auseinandersetzt. Nw war es
wichtig, mit mehr oder minder Talent Bilder zu
verfertigen. Was aber in den Tagen einer ruhig
fortschreitenden Entwicklung, in Weiterführung
eines klar vorgezeichneten Weges, möglich war, ist
in Epochen der Wende, bei völliger Änderung einer
zumindest jahrzehntelang andauernden Struktur,
unsinnig und falsch. Nicht nur für den Schöpfer,
sondern auch für den das Werk Empfangenden.
Solche Zeiten erfordern vollste geistige Klar-
heit und tiefste Erkenntnis der Kampfziele. In
prophetischer Voraussicht hat der Künstler die Not-
wendigkeiten der Zukunft zu wissen. Die Welt
muß gestaltet werden, wie sie sich von diesem
höheren zukünftigen Gesichtspunkt zeigen wird.
Soweit der Künstler sich von einer niederen,
äußerlichen Realität, von einer mechanischen Nach-
ahmung fernznhalten hatte, ebenso sehr muß er
sich vor vagen Phantastereien, vor literarischen
Hirngespinsten, die in Dresden besonders hoch im
Kurse stehen, hüten, denen die innere Wahrhaftig-
keit und Wirklichkeit mangelt. Der richtige Blick
für die Erfordernisse der Zukunft unterscheidet den
Künstler voni Dilettanten und Malhandwerker.
Bernhard Kretzschmar, Landschaft. Aquarell
Vom deutschen
Msikerelend
„Spielleute und Gaukler sind keine Menschen
wie andere, denn sie ähneln ihnen nur und sind
eher den Toten zu vergleichen."
„Wird einem Spielmann das Recht für eine
erlittene Ungebühr zuerkannt, so darf er zur Ge-
nugtuung den Schatten seines Gegners schlagen."
(Sachsen- und Schwabenspiegel,
XIII. Jahrhundert)
Personen exerzieren und deshalb nicht jedermann
gemein sind, so soll kein ehrlicher Trompeter und
Heerpauker mit Gauklern, Türmern, Stadt-
pfeifern, Spielleuten oder dergleichen, wie sie sonst
Namen haben mögen, in der Kunst einigermaßen
Gemeinschaft halten, mit denselben sich hören lassen
und dadurch die Kunst höchlich verschimpfieren."
(Kursächsisches Patent 1658)
I. S. B a ch an seinen Freund Erdmann in
Danzig 1730:
„In Köthen hatte ich einen gnädigen und
Musik sowohl liebenden als kennenden Fürsten,
bei welchem auch vermeinte, meine Lebenszeit zu
beschließen. Es mußte sich aber fügen, daß er-
wähnter Serenissimus sich mit einer Beren-
burgischen Prinzessin vermählte, da es dann das
Ansinnen gewinnen wollte, als ob die musikalische
Inklination bei gesagtem Fürsten in etwas laulich
werden wollte, zumal die neue Fürstin schien eine
Amusa zu sein: so fügte es Gott, daß zu hiesigem
Der Maler Bernhard Kretzschmar
Directore und Cantore an der Thomasschule
vociret wurde, ob es mir nun zwar an-
fänglich gar nicht anständig sein wollte, aus
einem Kapellmeister ein Kantor zu werden...
Da ich nun aber finde, daß dieser Dienst bei
weitem nicht so erklecklich, wie man ihn mir be-
schrieben, viele Accidentia dieser Station ent-
gangen, ein sehr teurer Ort und eine wunderliche
und der Musik wenig ergebene Obrigkeit ist, mit-
hin fast in stetem Verdruß, Neid und Verfolgung
leben muß, als werde genötigt werden, mit des
Höchsten Beistand meine Fortune anderweitig zu
suchen. Meine jetzige Station belaufet sich aus
etwa 700 Thaler, und wenn es etwas mehrere als
ordinairement Leichen gibt, so steigen nach
Proportion die Accidentia; ist aber eine ge-
sunde Luft, so fallen hingegen auch solche,
wie denn voriges Jahr an ordinairen Leichen —
Accidentia über 100 Thaler Einbuße gehabt.
In Thüringen kann ich mit 400 Thalern
weiter kommen als hiesiges Ortes Leipzig mit
noch einmal so vielen Hunderten, wegen der
excessiven kostbaren Lebensart . . . Aus erster Ehe
habe ich 3 Söhne und 1 Tochter, aus zweiter sind
am Leben 1 Sohn und 2 Töchter . . ."
Fürstlich Esterhazysche Dienstordnung für den
Kapellmeister Haydn:
„Von dem nunmehr als Hausoffizier ange-
sehenen und gehaltenen Vizekapellmeister wird er-
wartet, daß er sich nüchtern und mit den ihm
untergebenen Musikern nicht brutal, sondern be-
scheiden, ruhig, ehrlich aufzuführen wissen wird.
Daß ferner bei Produktionen vor der hohem Herr-
schaft, Er, Vizekapellmeister, samt den Musikern
5
Bernhard Kretzschmar, Entwurf zu einer Monumentalmalerei.
1934
Seit mehr als einem Jahrzehnt steht Bernhard
Kretzschmar als Kämpfer für ein neues Künstler-
ideal in der vordersten Linie. Mit Verbissenheit
hat er sich gegen die hier herrschende akademische
Auffassung gewendet, daß das praktische Wissen
um die Verfertigung von Bildern den Künstler
mache. In kaum einer Stadt hat diese materiali-
stische Anschauung so verheerend gewirkt als in
Dresden, wo die Akademie alljährlich fast ein
halbes huildert Künstler entließ, um sie durch
Dünkel für ihr ferneres Leben verdorben, einem
proletarischen Schicksal, der Fürsorge von Staat
und Stadt, zu überlassen. In keiner Stadt
herrschte so ein solches
Intrigantentum, ein sol-
ches Raufen um die stets
ungenügend bleibenden
Ankaufsmittel, die auch
bei bestem Willen ihre
natürliche Grenze finden
müssen. Daß bei solchen
Zuständen der Künstler
gegen den Auchmalenden
den kürzeren zog, war
Wohl selbstverständlich.
Immer wieder hat sich
Bernhard Kretzschmar für
den schöpferischen Gehalt
als einzigen Maßstab, der
an ein Kunstwerk zu legen
ist, eingesetzt. So ist er
eine der markantesten
Persönlichkeiten der jun-
gen Dresdner Generation
geworden, dem auch die
schärfsten Feinde sein
Können, das sich mit rast-
losem Fleiß verbindet, zu-
gestehen müssen.
Schon hat der erst 45jährige ein selten ge-
schlossenes und umfangreiches Werk geschaffen.
Bernhard Kretzschmar ist geborener Sachse. Er
stammt aus Döbeln. Uber die Dekorationsmalerei
führte sein Weg auf die Dresdener Kunstgewerbe-
akademie, die ohne Bereicherung für ihn blieb.
1911 kommt er zur Akademie, 1914 findet er end-
lich einen Lehrer, der seine Eigenart versteht und
ihn fördert: ärarl Bantzer. Noch einmal unter-
bricht der Krieg die klare Entwicklungslinie, dann
beginnt im nahen Gostritz bei Dresden sein eigent-
liches Schaffen, das alle Gebiete der Mawrei und
Graphik umfaßt.
Thematisch nimmt ihn immer von neuem die
Landschaft und das Stadtbild Dresdens gefangen.
Wer der Geschichte der Malerei des Dresdener
Stadtbildes nachgeht, stößt immer wieder auf zwei
Namen, die ein Gestaltungsprinzip zeigen, das von
den meisten Stadtbildmalern Dresdens nur abge-
wandelt worden ist: B. Canaletto und G. Kuehl.
B. Kretzschmar ist hier als dritter Gestalter zu
neunen. Er geht dabei nicht auf die Jagd nach
berühmten Veduten, sondern aus den hoffnungs-
losesten Straßenzügen der Gründerjahre reißt er
ein neues Gesicht der Großstadt Dresden, daß man
meint, ein einheitlicher architektonischer Wille hätte
dem Bauganzen zugrunde gelegen.
Kretzschmar ist ein typisch sächsisches Tempera-
ment, wie es sich in Ludwig Richter nach der Seite
des Idyllischen am klarsten offenbarte. Das klein-
bürgerlich sächsische darzustellen, ohne billige Bos-
heit, aber auch ohne falsche Sentimentalität, ge-
lingt ihm ebenso wie die Landschaft, aus der diese
Menschen ja gewachsen sind, und mit der sie zu
einer Einheit verschmelzen. Ein Beispiel dafür
gibt unsere Abbildung „Billiardspieler im Restau-
rant Höhenluft". Beim Betrachten einer Reihe
dieser Bilder erschließt sich dem Beschauer ein
wesentlicher Teil sächsischer Eigenart. In Kretzsch-
mar ist das sächsische in der gegenwärtigen Malerei
am reinsten verkörpert.
Seine Graphik, vor allem Kaltnadelarbeiten
und Federzeichnungen, zeigen ihn von einer anderen
Seite. Es ist vor allem das Porträt, das ihn in
dieser Technik reizt. Er gibt es in strengen klaren
Umrissen, unter Vermeidung aller unnötigen
Einzelheiten, die Federzeichnung wird oft noch
farbig angetönt. Auch Entwürfe für Monu-
mentalmalerei hat Kretzschmar geschaffen, die ihrer
Ausführung noch harren. Sperling
Bernhard Kretzschmar, „Zm Restaurant zur Höhenluft"
„Den Pfeifern und den Boten des Papstes
nichts schenken oder leihen, sondern ihnen dies güt-
lich abschlaqen. Sagen, daß es nicht die Gewohn-
heit des Rates sei."
(Bürgermeisterbuch der Stadt Frankfurt 1450)
Die „Kindlikapelle" am Vierwaldstättersee bei
Gersau wurde der Sage nach als Sühne an der
Stelle errichtet, wo ein fahrender Spielmann einst
sein Kind, das ihn vergebens um Brot bat,
erschlug.
„Weil die Trompeter und Heerpauker allein
vor Kaisern, Königen, Kurfürsten, Grafen, Herren
rittermäßigen Standes und dergleichen Qualitäts-
allezeit in Uniform und nicht nur Er, Joseph
Haydn, selber sauber erscheine, sondern daß Er
auch seine Untergebenen dazu anhalte . . . Dann
solle er jede anbefohlene Komposition sofort aus-
führen, jedoch Niemanden mitteilen, noch weniger
sie abschreiben lassen, und ohne eingeholte Er-
laubnis für andere nichts komponieren."
Mozart an seinen Vater 1781:
„Ich bin nicht mehr so unglücklich, in salz-
burgischen Diensten zu sein. Schon zweimal hat
mir der — ich weiß gar nicht, wie ich ihn nennen
soll — die größten Sottisen und Impertinenzen
ins Gesicht gesagt ... Er nennte mich einen
George, Rainer Maria Rilke, Hugo v. Hoffmanns-
thal (um nur eiu paar Namen zu nennen) vom sog.
Naturalismus los und geht daran, ihr zerstörtes
Reich aufs neue auszubauen.
Der Kampf der neuen Kunst gegen den Im-
pressionismus vollzieht sich in mehreren Etappen.
Sucht man für die erste Etappe nach einem
Namen, so bietet sich, freilich nicht nach seinen
tiefsten Erzeugnissen gewählt, die Bezeichnung
„Jugendstil" an. Nach konsequentester Entwertung
alles Linearen meldet sich hier die Linie wieder,
aber nicht als plastische Begrenzung, oder als
streng gesetzmäßiges Flächenornament, sondern
gleichsau: innerhalb des impressionistischen un-
festen Bildraumes mit der ganzen Zufälligkeit des
Impressionismus, nicht wie in früherer Kunst
substantiellen, sondern funktionellen Charakters.
Im Jugendstil bleibt die Subjektivität und Will-
kür des Impressionismus erhalten, sie wendet sich
nur ins Geistige und erzeugt eine Atmosphäre des
Diffizilen, Reizbaren, Krankhaften, des verfeinert
Geistigen, wie der Impressionismus eine Atmo-
sphäre des verfeinert Sinnlichen geschaffen hatte.
Die zweite Etappe bekämpft mit dem eigentlichen
Impressionismus zugleich diesen seelischen Im-
pressionismus des Jugendstils. Es ist die, die
man im engeren Sinn als Expressionismus zu be-
zeichnen gewohnt ist. Dieser Expressionismus will
nicht die flüchtige Erscheinung, sondern das Wesen,
nicht den Wechsel, sondern die Dauer, nicht den
Zufall, sondern das Gesetz. Abstraktion von der
Naturwirklichkeit bedeutet ihm Hinwendung zur
Naturwahrheit. Von neuer Bedeutung ist für ihn
neben der Linie die Farbe, die (im genauen Gegen-
satz zu ihrer Funktion im Impressionismus) der
Wesensgestaltung dienstbar gemacht und damit in
ihr altes Recht als Ausdrucksträger wieder ein-
gesetzt wird. Charakteristisch für diese Phase des
Expressionismus ist aber, daß er seine neuen Ziele
verfolgt, ohne sich prinzipiell von der alten Bild-
form zu trennen. Hatte das perspektivische Bild-
gerüst so verschiedenartigem Ausdruckswillen ge-
nügen können wie dem der Renaissance, des
Barock, des Klassizismus, der Romantik und des
Impressionismus, so glaubte auch der Ex-
pressionismus es nicht beseitigen zu müssen. So
wenig sein ursprünglicher Sinn mehr gefühlt und
erfüllt wird, prinzipiell bleibt der Expressionismus
ihm doch verpflichtet. Hier nun setzt eine dritte
Etappe ein. Sie löst sich von dem perspektivischen
Gerüst und strebt einer neuen Bildform zu, die
dem expressionistischen Ausdruckswillen ange-
messener ist als jenes. Sie macht die Ordnung
der Körper im Bilde nicht mehr abhängig von der
zufälligen Ordnung, die die Körper in einer von
festem Standpunkt aus konstruierten Räumlichkeit
haben, sondern versucht sie Wesenhaft aus sich selbst
zu ordnen. Körper und Raum sind keine Gegen-
sätze mehr, die sich ausschließen, sondern sie be-
ginnen sich, wie erlöst von bisherigem Zwange,
schwerelos zu durchdringen. Von hier aus ist nur
noch ein Schritt zu Gestaltungen, die auf natür-
liche Gegenständlichkeit überhaupt verzichten und
dem Bilde einer äußeren Welt, die von der
Schwerkraft beherrscht wird, ähnlich wie die Musik
das Bild einer inneren Welt reiner Kräfte, von
der jene nur ein trüber Abglanz ist, entgegen-
stellen. —
Beobachten wir seit dem Ende des 18. Jahr-
hunderts aus Gründen, die wir mehrfach ange-
führt und immer wieder betont haben, eine ge-
fährliche Isolierung der Kunst, eine unüberbrück-
lichc Kluft zwischen dem Schaffendem, seinem
Werk in reinem Dienst Hingegebenen und der
ausnehmenden Masse, die nicht mehr fähig ist,
diesen Ideen zu folgen, weil sie keinen Anteil an
ihnen hat, weil sie der Ruf des Geistes gleichsam
nicht mehr erreicht, so verschärft sich dieser Zu-
stand gegenüber der Kunst des Expressionismus
zu offener Feindschaft. Es ist tief beklagenswert,
daß das Fehlen einer Gemeinschaft diese Kräfte
in die Not einer Einsamkeit trieb, in deren eis-
kalter Atmosphäre eine fruchtbare Entfaltung un-
möglich war. Die negativen Folgen dieser
tragischen Zeitsituation spüren wir denn auch wie
kaum bisher in den Werken dieser Kunst. Was
Erschütterungen und Freuden des Menschlichen
schlechthin bedeuten sollte, was allen Menschen zu-
gedacht war, blieb unverstandener und unversteh-
barer individueller Ausdruck. Was objektiv ge-
meint war, wurde Ausdruck eines durchaus nicht
gewollten, Wohl aber schmerzlich empfundenen
Subjektivismus. Was allein hätte groß werden
können, wenn es in gemeinsamer Sprache hätte
gesprochen werden können, blieb mit ganz wenigen
Ausnahmen unzulänglicher und organischer
Weiterentwicklung unfähiger Versuch. Nur ver-
einzelt trifft man Werke, die das Beglückende alter
Kunst haben. An dem Fehlen eines Mythos, eines
gemeinsamen Inhaltes, den der Künstler nicht
schassen kann, sondern den er vorfinden muß, ist
der Expressionismus als Bewegung zugrunde ge-
gangen. Innerhalb der kontinuierlichen Entwick-
lung seit dem Beginn der christlichen abend-
ländischen Aera ist er das letzte Aufbäumen und
das letzte Scheitern der ihre alten Rechte leiden-
schaftlich verteidigenden Kunst.
Bernhard Kretzschmar
Der alte Typ des Künstlers, der weltfern unter
den Dächern der Großstadt ein einsames Dasein
führte und nur von Zeit zu Zeit in die
Niederungen der übrigen Menschheit herunterstieg,
ohne die er doch nun einmal nicht leben kann, ist
ebenso im Aussterben begriffen wie der smarte
Löwe, der händeküssend und teetrinkend in den
Salons der Snobs seine Bilder und Plastiken ver-
marktet. An seine Stelle hat eine neue Zeit einen
ganz anders gearteten Menschen gestellt: den
Künstler, der zäh und verbissen um eine neue Ge-
staltung der Welt ringt, sich mit den Problemen
der Zeit kämpferisch auseinandersetzt. Nw war es
wichtig, mit mehr oder minder Talent Bilder zu
verfertigen. Was aber in den Tagen einer ruhig
fortschreitenden Entwicklung, in Weiterführung
eines klar vorgezeichneten Weges, möglich war, ist
in Epochen der Wende, bei völliger Änderung einer
zumindest jahrzehntelang andauernden Struktur,
unsinnig und falsch. Nicht nur für den Schöpfer,
sondern auch für den das Werk Empfangenden.
Solche Zeiten erfordern vollste geistige Klar-
heit und tiefste Erkenntnis der Kampfziele. In
prophetischer Voraussicht hat der Künstler die Not-
wendigkeiten der Zukunft zu wissen. Die Welt
muß gestaltet werden, wie sie sich von diesem
höheren zukünftigen Gesichtspunkt zeigen wird.
Soweit der Künstler sich von einer niederen,
äußerlichen Realität, von einer mechanischen Nach-
ahmung fernznhalten hatte, ebenso sehr muß er
sich vor vagen Phantastereien, vor literarischen
Hirngespinsten, die in Dresden besonders hoch im
Kurse stehen, hüten, denen die innere Wahrhaftig-
keit und Wirklichkeit mangelt. Der richtige Blick
für die Erfordernisse der Zukunft unterscheidet den
Künstler voni Dilettanten und Malhandwerker.
Bernhard Kretzschmar, Landschaft. Aquarell
Vom deutschen
Msikerelend
„Spielleute und Gaukler sind keine Menschen
wie andere, denn sie ähneln ihnen nur und sind
eher den Toten zu vergleichen."
„Wird einem Spielmann das Recht für eine
erlittene Ungebühr zuerkannt, so darf er zur Ge-
nugtuung den Schatten seines Gegners schlagen."
(Sachsen- und Schwabenspiegel,
XIII. Jahrhundert)
Personen exerzieren und deshalb nicht jedermann
gemein sind, so soll kein ehrlicher Trompeter und
Heerpauker mit Gauklern, Türmern, Stadt-
pfeifern, Spielleuten oder dergleichen, wie sie sonst
Namen haben mögen, in der Kunst einigermaßen
Gemeinschaft halten, mit denselben sich hören lassen
und dadurch die Kunst höchlich verschimpfieren."
(Kursächsisches Patent 1658)
I. S. B a ch an seinen Freund Erdmann in
Danzig 1730:
„In Köthen hatte ich einen gnädigen und
Musik sowohl liebenden als kennenden Fürsten,
bei welchem auch vermeinte, meine Lebenszeit zu
beschließen. Es mußte sich aber fügen, daß er-
wähnter Serenissimus sich mit einer Beren-
burgischen Prinzessin vermählte, da es dann das
Ansinnen gewinnen wollte, als ob die musikalische
Inklination bei gesagtem Fürsten in etwas laulich
werden wollte, zumal die neue Fürstin schien eine
Amusa zu sein: so fügte es Gott, daß zu hiesigem
Der Maler Bernhard Kretzschmar
Directore und Cantore an der Thomasschule
vociret wurde, ob es mir nun zwar an-
fänglich gar nicht anständig sein wollte, aus
einem Kapellmeister ein Kantor zu werden...
Da ich nun aber finde, daß dieser Dienst bei
weitem nicht so erklecklich, wie man ihn mir be-
schrieben, viele Accidentia dieser Station ent-
gangen, ein sehr teurer Ort und eine wunderliche
und der Musik wenig ergebene Obrigkeit ist, mit-
hin fast in stetem Verdruß, Neid und Verfolgung
leben muß, als werde genötigt werden, mit des
Höchsten Beistand meine Fortune anderweitig zu
suchen. Meine jetzige Station belaufet sich aus
etwa 700 Thaler, und wenn es etwas mehrere als
ordinairement Leichen gibt, so steigen nach
Proportion die Accidentia; ist aber eine ge-
sunde Luft, so fallen hingegen auch solche,
wie denn voriges Jahr an ordinairen Leichen —
Accidentia über 100 Thaler Einbuße gehabt.
In Thüringen kann ich mit 400 Thalern
weiter kommen als hiesiges Ortes Leipzig mit
noch einmal so vielen Hunderten, wegen der
excessiven kostbaren Lebensart . . . Aus erster Ehe
habe ich 3 Söhne und 1 Tochter, aus zweiter sind
am Leben 1 Sohn und 2 Töchter . . ."
Fürstlich Esterhazysche Dienstordnung für den
Kapellmeister Haydn:
„Von dem nunmehr als Hausoffizier ange-
sehenen und gehaltenen Vizekapellmeister wird er-
wartet, daß er sich nüchtern und mit den ihm
untergebenen Musikern nicht brutal, sondern be-
scheiden, ruhig, ehrlich aufzuführen wissen wird.
Daß ferner bei Produktionen vor der hohem Herr-
schaft, Er, Vizekapellmeister, samt den Musikern