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Kunst der Nation — 2.1934

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Statische Zustände und dynamische Entwicklung: aus "Der Mythus des 20. Jahrhunderts" v. Alfred Rosenberg (Seite 304, Zeile 3 bis Seite 306, Zeile 26)
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Franck, Hans: Leben und Werk Eberhard Viegeners
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Spanische Graphik
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Kammerer, Ernst: Von den Münchner Museen
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Kunst der Nation

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G. Hagemann, Nordisches Fischerdorf. Ausstellung Ealerie Möller, Berlin

Statische Zustände
und dynamische Entwicklung
Aus „Der Mythus des 20. Jahrhunderts" v. Alfred Rosenberg
(Seite 304, Zeile 3 bis Seite 306, Zeile 26)
Im Bemühen, den ästhetischen Gegenstand von allen
außerästhetischen Elementen zu trennen, ist u. a. stets auch
der Gehalt von der Form geschieden worden. Durchaus mit
Recht, um der ewigen Vermengung etwa von Moralpredigten
und Ästhetik vorzubeugen. Diese methodisch notwendige
Scheidung hat aber das Wichtigste dabei zu betonen ver-
gessen: daß der Gehalt im Falle der nor-
disch-abendländischen Kun st außer seinem
Inhalt zugleich auch ein Formproblem
d a r st e I l t. Die Wahl oder die Ausscheidung gewisser
Elemente des Gehaltes ist für uns bereits ein formender,
durchaus künstlerischer Vorgang. Da dies aber an-
gesichts der einseitigen Verherrlichung der — dazu noch falsch
ausgelegten — griechischen Kunst vergessen wurde, hat man
einen wesentlichen Bestandteil abendländischen Kunstschaf-
fens einfach abseits liegen gelassen und darf sich nicht wun-
dern, wenn dann der Durchschnittsbürger sich aus diesem
Liegengelassen eine „moralische Kunst" zurechtmacht.
Dieses Ergebnis trat ein, weil die unverwandt auf
hellenische Plastik starrenden deutschen Ästhetiker erklärten,
eine Ästhetik habe es nur mit Schönheit zu tun, d. h. mit
dem Zustand der leichten Freiheit von sittlichen Nötigungen,
mechanischem Druck und geistiger Anspannung. Diese Schön-
heit Griechenlands war aber nun ein, vielleicht das statische
Element hellenischen Lebens. Man mag darüber streiten,
ob die Baukunst, die Skulptur, das Epos oder die Tragödie


Eberhard Vicgcner. Photo

das Größte ist, was uns Hellas hinterließ, zweifellos ist
jedenfalls, daß innere und äußere Plastik Anfang und Ende
jeder griechischen Kunstbetätigung gewesen ist. Selbst in der
Sophokleischen Tragödie bleibt diese plastische Statik erhal-
ten, selbst in der Schrecklichkeit der Werke des Euripides
tritt das Schicksal weniger als innere Bedingung und Ent-
wicklung denn als Verflechtung unbegreiflicher Zustände und
äußerer vernichtender Ereignisse auf. Griechische Schönheit
ist also stets ein statisches, nicht dynamisches Wesen. Diese
gleiche Schönheit aber in der Kunst des Abendlandes zu
suchen und sie allein in den Kreis der ästhetischen Betrach-
tungen zuzulassen, war eine Versündigung am Geist Euro-

Hubert Schradc, Das deutsche Nationaldcnkmal. 116 Seiten,
26 Abb. Verlag Albert Langcn-Georg Müller, München,
1934. Kart. 3,80 M., Lwd. 4,80 R.
Alle großen, grundlegenden Denkmalsfragcn sind hier
meisterhaft im Sinne der heutigen Kunstanschauung er-
örtert. Es ist überaus fesselnd und allgemeinverständlich
geschrieben, so daß es niemand unbefriedigt aus der Hand
legen wird, der nach Klarheit in der heutigen Kunstanschau-
ung sucht; denn es werden durchaus nicht nur Ideen das
Denkmal betreffend entwickelt. Keine Frage bleibt von dem
Verfasser unbeantwortet, seine Deutungen sind aus dem Füh-
len und Denken eines umfassenden Geistes entstanden, dem
man sich unbedingt anschließen wird. Die Ausstattung des
Buches durch den Verlag ist vorbildlich.

pas: denn unsere Kunst war von allem Anfang an, trotz
des ähnlichen Schönheitsideals, nicht auf plastisch ruhende
Schönheit eingestellt, sondern auf seelische Bewegung; das
heißt, nicht der äußere Zustand wurde Form, sondern der
seelische Wert in seinem Kampf mit anderen Werten oder
Gegenkräften. Durch die Wahl eines Kunstwerk treibenden,
cs in seiner Form notwendig bedingenden Gehalts ist nor-
dische Kunst bedeutend mehr auf die Persönlichkeit, ihre
Verklärung Stärkung, Durchsetzung eingestellt als die helle-
nische. Das höchste Kunstwerk des Abendlandes ist deshalb
nicht ein „Schönes", sondern das Werk, welches das Äußere

mit seelischer Stoßkraft durch-
setzt, es von innen heraus über
sich selbst erhebt. Die Mäch-
tigkeit des inneren Hochbetrie-
bes ist jenes Moment, welches
in eine griechische Ästhetik
nicht hineingehört, in eine
über das nordische Abendland
aber unbedingt als ein Form-
problem, dabei gleichfalls ohne
rein verstandesmäßig oder sitt-
lichen Beigeschmack, einzuglie-
dcrn ist.
Wie in vielen Fällen, so
hat auch hier Schiller aus
seinem Instinkt heraus und
gegen seine anerzogenen helle-
nischen Vorurteile richtig ge-
sehen, jedoch nicht die Folge-
rungen zu ziehen vermocht. Er
schrieb: Wieviel mehr wir in
ästhetischen Urteilen auf die
Kraft als auf die Richtung
der Kraft, wieviel mehr auf
Freiheit als auf Gesetzmäßig-
keit sehen, wird schon daraus
hinlänglich offenbar, daß wir
Kraft und Freiheit lieber auf
Kosten der Gesetzmäßigkeit ge-
äußert, als die Gesetzmäßigkeit
auf Kosten der Kraft und
Freiheit beobachtet sehen. Das ästhetische Urteil enthält
hierin mehr Wahres, als man gewöhnlich glaubt. Offenbar
kündigen Laster, welche von Willensstärke zeugen, eine
größere Anlage zur wahrhaften moralischen Freiheit an, als
Tugenden, die eine Stühe von der Neigung entlehnen, weil
es dem konsequenten Bösewicht nur einen einzigen Sieg
über sich selbst kostet, um die ganze Konsequenz und Willens-
festigkeit, die er an das Böse verschwendet, dem Guten zu-
zuwenden."
Diese Worte künden bereits unverholen eine Seite
der Erklärungen, warum etwa Gestalten wie Richard III.
und Jago auf uns ästhetisch wirken können. Sie wirken so
wie sie sind, kraft eines ihnen innewohnenden inneren Ge-
setzes, ohne daß wir hierbei versucht werden, moralisierende
Urteile abzugebcn. Es ist zum Teil ihre Lebenskraft, welche
uns mit allem aussöhnt. Das war aber nicht erst seit Shake-
speare so, sondern steht gleich am Anfang der deutschen
Kunst. Das Lied der Nibelungen ist der vielleicht mächtigste
Niederschlag des Willenhaften abendländischen Kunstschaf-
fens, und zwar ist es gleich hier der Höchstwert der nordi-
schen Rasse selbst, welcher Problem wird, die Seelen treibt
und sogar im Verräter größten Stils seine künstlerisch
vollendete Verwirklichung erlebt.
Leben und Werk
Eberhard Wegeners
Von
Hans Franck
In dem Leben nnd Werk Eberhard Viegeners
rinnt die Heimat nicht gleich einer verborgenen
Quelle im Unsichtbaren, sondern sie ist der große
breite Strom, der es treibt, trägt und nährt bei
Tag und Nacht, Jahr um Jahr. So sind bei Eber-
hard Viegener die beiden Wesenseigentümlichkeiten
des Westfalen stark und rein vorhanden: Boden-
nähe und Hang zum Übersinnlichen, Kernigkeit
und Empfindsamkeit.
Der Erde gehört Eberhard Viegener mit
seinem ganzen leidenschaftlichen Tun und Sein,
dem fruchttragenden Stück Westfalens rund um
Soest herum, das noch heute etwas Urtümliches
hat. Die sowohl heimatbegrenzte wie heimat-
gesegnete Erdverfallenheit des Künstlers prägt sich
einmal in seinem Leben aus. Reisen bedeuten
in ihm etwas Vorübergehendes, Zufälliges. Ein
früher Aufenthalt in der Schweiz, eine mittwegige
Fahrt ins Riesengebirge, die späte Erfüllung der
Meersehnsucht dringen nicht so tief ins Blut, daß
sie bedeutsame Bildspuren hinterlassen. Im
Grunde genommen wird schon der Rhein als
fremd empfunden. Zu schaffen vermag Eberhard
Viegener auf die Dauer nur, wenn die Türme
seiner Kindheit am Horizont zu schauen oder doch
wenigstens zu ahnen sind.
So steht seit Jahrzehnten schon im Mittelpunkt
des Werkes Eberhard Viegeners der westfälische
bäurische Mensch und seine Umwelt. Bauern beim
Ackerbereiten nnd Bauern beim Ernten, Bauern
beim Heuen und Bauern beim Kartoffelbuddeln,
Bauern beim Futtern und Bauern beim Aus-
ruhen s der Schäfer inmitten seiner Herde, vor
seiner Hütte, dem störrischen kranken Schaf den
Heiltrank aufzwingend; Bettler und Krüppel,
Lahme und Blinde, Pferd und Rind, Weiden im
Sturm und Pappeln im Herbstbrand; wenn
Abendfriede da ist, der Mond, kaum je die Sonne,
deren alles überstrahlende Vielfältigkeit sich nicht
fassen läßt. Eberhard Viegener wird es nicht
müde, dieses große, unerschöpfliche Thema von dem
erdverhafteten, bäurisch gebliebenen Menschen
seiner Heimat immer aufs neue abzuwandeln.
Dieses Naturnahe Prägt sich in den Bildern,
Aquarellen und Holzschnitten rein und stark aus.
Schwer, mächtig ist ihre Form. Breitflächig, kraft-
voll, je länger desto
mehr mit beherrschter
Ruhe sind die Bilder
hingestrichen; heftig und
hartnäckig wird bei den
Holzschnitten das Ge-
stalthafte mit den
Messern aus der Platte
berausgegraben. Der
Grund der Farben ist
zunächst dunkel, bräun-
lich, fast schwarz wie die
Erde. Später erst tritt
mit der inneren Klärung
und Selbstberuhigung ein
unendlich zartes Silber-
grau beherrschend auf,
das an den Himmel ge-
mahnt, hinter dessen
Wolken die Sonne nicht
zu schauen, Wohl aber zu
ahnen ist.
Je länger desto we-
niger ist bei Eberhard
Viegener das Erdhafte

Stoff, Gegenstand. Auch der leiseste unkünst-
lerische Beigeschmack des Schildernden, Erzählen-
den, Anekdotischen ist nicht nachzuweisen. Die Ge-
staltung wird somit Vorgetrieben, daß die künst-
lerische Verwesentlichung des Grunderlebnisses —
bäurischen Menschentums — gelungen ist.
Und dieser erdhingegebene Malersmann ist zu-
gleich von einem Hang zum Übersinnlichen be-
herrscht. Seine Mutter ist die westfälische Erde,
sein Vater der allwaltende Gottgeist. So tritt

Eberhard Viegener, Bildnis Theodor Däubler
neben die bäurische Welt in dem Werke Eberhard
Viegeners die biblische Welt: Jesus inmitten der
Jünger das Brot brechend, Jesus in Gethsemane,
Jesus unter den Hieben der Geißel, Jesus als
Schmerzensmann, als ganze Gestalt, als hängen-
der Rumpf, als blutüberronnenes Gesicht. Land-
schaften werden hingeträumt, wie die Natur sie
nirgend bildete. Der Mond gleißt und glänzt, die
Dinge verklärend wie die einfältig unendlichen
Worte des Mathias Claudius. Menschen wandeln
sich zu Trollen. Mütter erscheinen als Urwesen.
Aber dieses andere hat durchaus kein gegen-
bäurisches, kein erdfernes Gepräge. Nicht im
Morgenland, sondern in Westfalen gehen die
biblischen Ereignisse vor sich. Wie einst der
Helianddichter es tat, so sind die heiligen Gescheh-
nisse in diesen Bildern und Holzschnitten ein-
gedeutscht, noch mehr: verwestfälischt. Das Haupt
Jesu sieht vielen bärtigen Westfalenköpfen gleich.
Die Jünger tragen nach guter westfälischer Art

Holzschuhe an den Füßen. Das Biblische steht
dem Bäurischen der Heimatlandschast des Malers
so nahe, daß die Eindeutschung des Golgatha-
Geschehens niemals Weitergetrieben ist als in der
Passionsmappe Eberhard Viegeners.

Spanische Graphik
Münchens Städtische Ealerie zeigt zur Zeit eine
Ausstellung „Spanische Graphik". Man war jenseits
der Pyrenäen bei der Auswahl nicht nur auf den
Ruhm der besten Qualität, sondern auch auf die aufrichtige
Vielseitigkeit bedacht, die mit den tatsächlichen Verhältnissen
übereinstimmt. Der Inhalt ist Spanien mit alten Häusern
und Kirchen, mit Markt, Jahrmarkt, Zirkus, Hafen und
neu aufkommender Industrie. Blätter, die sich mit kleineren
Themen von speziell graphischem Inhalt beschäftigen, sind
seltener; aber sie sind die besten. Formal ist die Vielsträh-
nigkeit des zeitgenössischen Kunstschaffens nur um ein We-
niges weniger verworren als in Deutschland. Hohe Qualität
und viel Spreu werden wie in Deutschland angetrosfen. Sehr
verbreitet ist in Spanien ein unpersönlicher Realismus, der
sich mit der Herrschaft über die Technik zufrieden gibt. Um
diesen Realismus mit Effekten anzureichern, wird die Szene
gern in abwechslungsreiche Lichtstimmungen getaucht; mit
Raffinement sind Helligkeit und Schatten verteilt. Solche
Effekte gehen bis zum bleichsüchtig Sentimentalen und zur
leeren Lichtspielerei. Häufig ist auch ein Manierismus, der
sowohl elegant wie tragisch und spielerisch auftritt, aber
nicht stichhält, weil er seinen Formenschatz nicht aus der Be-
gegnung von schöpferischer Phantasie und Gegenstand ent-
wickelt, ihn vielmehr vorgefaßt mitbringt. Plastische Model-
lierung und herbe Größe hat Earcia Munoz Julio. Eil
Moreno Pedro ist ein impressionistischer Virtuose. Exakte,
handwerkliche und erzählerische Sachlichkeit bei Pallicer Ra-
fael. Alberto Ziegler hat die Poesie des sachlichen Still-
lebens erfaßt. Alejandro Canada beherrscht die reine, flächen-
umgrenzende und Fülle in der Fläche erzeugende Linie, deren
europäischer Meister Picasso ist. Die Münchner Graphische

Sammlung hat aus Eigenem Francisco Goyas Stierkampf-
blätter beigesteuert, in denen Temperament, Dämonie und
waghalsiger Geist als durchdauernde Werte spanischer Kunst
bei einem Genie gezeigt werden. L. L.
Von den Münchner Museen
Wer anläßlich der Opernfestspiele nach München kommt
und die Kunstsammlungen des 19. und 20. Jahrhunderts
sehen will, wird in der Neuen Pinakothek die Jahres-
ausstellung der Münchner Künstler finden. Will er Stielers
Goetheporträt, die Feuerbachsammlung, die Kleinmeister des
19. Jahrhunderts und die Münchner Schule sehen, so muß er
die Neue Staatsgalerie aufsuchen. Sie ist das Münchner
Kronprinzenpalais. Außer dem bereits Genannten enthält
sie jetzt vorübergehend Caspar David Friedrich, die großen
und die kleinen Deutschrömer, Marees, und schließlich Haider,
Thoma, Trübner, Leibl. Es zeigt sich, daß ihre klassi-
zistischen Räume gut und gern den intimen oder den präch-
tigen Charakter annehmen, den man für die vollen Töne der
Malerei brauchte, die sie jetzt beherbergt. Die Zeit seit dem


Ehr. Drexel, Boote. Ausstellung Galerie Möller, Berlin


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