Kun st der Nation
5
Zoses Pieper
Man muß Josef Pieper zu den am klarsten aus-
geformten Begabungen nnter den jnngeu Malern:
des westlichen Deutschland zählen. Eine
leichte, gewandte Hand — und wie oft wird sie
gerade in Deutschland mißverstanden! — holt ans
der massigen Gefügtheit des Wirklichen die
schwebende, zarte Linie der Gestalt. Alles Klobige,
Laute und Anfängliche ist ihm verhaßt. Er
nimmt die Dinge und spielt nut ihnen aus der
Freude an der Verzauberung des Irdischen. Zu-
weilen lockt dieses Spiel ihn bis zu den: Grade,
wo er sein eigenes Ich zu vergessen scheint nnd
Joses Pieper, Hessische Bäuerin. Zeichnung
ganz untertauchen möchte in das Fremde. Das
darf man nicht leugnen, sonst würde man ihn ein-
fach mißverstehen; aber dies Wagnis einzugehcn,
die Eindeutigkeit der Objekte mit der Vieldeutig-
keit feinster Formen zu umspinnen, erfordert einen
Der
Von >ViUieIm Krug
<^.us „Uns sincl 8ne!iö»", vkulseNInniZssnützr run 6. II. 34.)
O«r 8l.incIt.-I ci»8 8>8lsin8 »tislZ clio^vii Nnroll,
Usr so 8Sn4etU8lo8 war, nn kottsrs Osstscio.
I7n<j dort dsnnlun or .-üek wie sine liLsvinnNs:
starken Rückhalt, den dieser Maler in seiner künst-
lerischen Verantwortung hat. Das Handwerkliche
ist bei ihn: eine Selbstverständlichkeit, die ihn aber
nicht des Ehrenwortes enthebt, das jeder einmal
gesprochen hat, bevor er hinging, ein Künstler zu
sein, der das formt, was uns erlösen kann: Liebe
nnd Kraft.
Allerdings besteht für einen Künstler von der
schmiegsam offenherzigen Art Josef Piepers die
Gefahr, sich allzu sehr nach schon geformten In-
halten zn orientieren, also Kunst aus zweiter
Hand zn schaffen. Es wäre lächerlich zu behaup-
ten, Paris täte den deutschen Künstlern, solange
sie ihre Eigenart zn bewahren stark und fähig
genug sind, nicht Wohl; aber ein so leicht be-
eindrnckbarer Gestalter wie Pieper ist oft schnell
geneigt, dort ein bemerkenswertes Können anss
Spiel zn fetzen, wo dieses Abenteuer mit der
eigenen künstlerischen Existenz zn teuer bezahlt
wird. Dieses sei nur so eindringlicher gesagt, als
eine im besten Sinne verstandene kultivierte
Malerei, wie Pieper sie Pflegt, uns von größten:
Nutzen sein kann. " 6. H. 1b.
Anekdoten
Ein Bildhauer, der antike Skulpturen kopierte, rühmte
sich Michelangelo gegenüber, er habe die Antike verbessert.
„Da seid Ihr falscher Meinung", antwortete ruhig der
Meister. „Wer hinter anderen hergcht, überholt sie nie."
Renoir sah Maillol einst zu einer Büste. Dabei sprachen
sie viel über Kunst. Maillol sagte abschließend: „Mein
höchstes Ziel ist, eine junge Frau zwischen sechzehn und zwan-
zig Jahren so modellieren zu können, wie ich es mir vor-
stelle." Der siebenzigjährige Renoir sagte: „Mein Ziel ist
es immer gewesen und ist es noch, eine weihe Serviette
malen zu können."
Von einem Berliner Akadcmieprofessor, dessen Namen die
Überlieferung uns vorenthält, sagte Schadow:
„Nu ja, der hat sich det Malen ooch so anjewehnt."
Picasso malte in Paris eine Spanierin, die dann mit
dem Bild nach Hause reiste. An der Zollgrenze gab es Schwie-
rigkeiten. Die Beamten glaubten nicht, daß es sich um ein
Bildnis handele. Ein als Sachverständiger herbeigerufener
Maler meinte, cs handle sich nicht um das Bildnis eines
Menschen, sondern um die Darstellung einer Maschine. Dar-
auf wurde ein Ingenieur geholt. Der sah sich das Bild lange
an und sagte: „Ob das ein Bildnis ist, weih ich nicht. Eine
Maschine kann cs scin. Totsichcr aber ist dann, dah sie nicht
geht."
Ankaufspolitik der Rationalgalerie
In einer Besprechung in der Knnstabteilung
des Preußischen Kultusministeriums wurde mit
den: Direktor der Nationalgalerie und des Kron-
prinzenpalais in der seit langem strittigen Frage
des Ankaufs von Kunstwerken aus Staatsmitteln
folgende Regelung vereinbart: Werke lebender
Künstler werden :n Zukunft regelmäßig zunächst
nur noch als Leihgaben in der Galerie Aufnahme
finden; erft nach Ablauf eines Jahres erfolgt ein
fester Ankauf.
Auf diese Weise wird es einmal der Galerie
möglich sein, in bedeutend breiterem Umfange als
bisher die lebendigen künstlerischen Kräfte Deutsch-
lands aufzuzeigen; auf der anderen Seite erhält
sowohl die Galerieleitung als auch die Öffentlich-
keit Gelegenheit, sich mit den als Leihgaben aus-
gestellten Kunstwerken auseinanderzusetzen und den
als notwendig erkannten Abstand zu ihnen zu ge-
winnen. Auch die Ankaufskommission wird hier-
durch in die Lage versetzt, sich häufiger und inten-
siver mit den gegebenenfalls für einen Ankauf in
^rage kommenoen Kunstwerken zu beschäftigen.
Zugleich wird mit dieser Regelung der sinnlosen
Anhäufung von „überlebten" Kunstwerken in den
Magazinen eine Grenze gesetzt.
Diese Regelung tritt mit sofortiger Wirkung
in Kraft.
Tuve war in Dorpat gewesen. Und hier sagt
man, daß die Russen Dorpat nnd Narva erobert
hätten. — Diese Kunde sickert hundert Meilen
weit.
Der Capitain ist weggeritten. Er hat Carl
Lechts enttäuscht, er hat den: Knaben nicht weiter
geholfen, den Vater zu suchen, und oft war er
schwer berauscht.
In die Tage des Lernens, wo Carl erfüllt ist
von seinen Aufgaben, schleichen sich andere ein, wo
er sagt: „Fremdes Brot schmeckt nicht". Er schämt
sich, hier gehütet zu wohnen. Will umherschweifen,
wie es ihm Paßt, und nicht immer lächeln, wenn
die anderen lächeln. Zuwider sind ihm die Gast-
mäler und Zeremonien in Barje. Er bleibt e:n
Fremder hier, fremd auch Gordiawla, die ihn
pflegte als er krank lag. Er flucht: „Als Ge-
fangener werd ich hier gehalten — das paßt nur
nicht". Er trotzt und bäumt auf, und seinem
Munde entfahren verletzende Worte. Dann folgen
wieder bessere Zeiten. In letzter Zeit nehmen
aber die schlimmen überhand. „Sie wollen mich
hier katholisch machen!" schreit er.
Jetzt will er zn Fuß, oder ganz gleich wie, Weg-
laufen nach Hause. Er bleibt auch mehrere Tage
weg von Barje in: Walde verborgen. Aber man
spürt ihn auf mit Reitern. Da bleibt ihn: gar
nichts übrig, als zu sagen: „Ich versteh nicht Eure
Sprache, ich konnte nicht fragen, so hab ich mich
immer tiefer in: Walde verirrt".
Nachher wurmt es ihn doch, daß er nicht sagte:
Ich wollte weg von Euch. Hier ist es nur zu eng
und zu gut!
XV.
Eines Tages, im Saal, siud sie allein zu-
sammen, der alte Magnat Woiworitsch und Carl
Lechts. Und der alte Herr, der ans und nieder
ging, bleibt stehen, Carls Gedanken erahnend.
Der Magnat, der immer so fern weilte, tritt vor
Carl hin und spricht zu ihm und sagt:
„Er wüßte es Wohl, wie schwer es sei, hier, in:
fremden Lande und getrennt von der Heimat.
Was Carl quälend in Barje empfand, scheint
ein wenig Heller und leichter zu werden.
Der Magnat schüttelt die seidenweißen Haare
und es folgen sonderliche Worte. Was noch nie-
mand zu Carl gesagt hat, sagt der Alte. — Der
Winter verschluckt die Tage. Es ist schrecklich für
Carl iu Barje, und doch ist es besser zu bleiben. —
Vielleicht im Frühling könne er reiten. —
Und der Alte spricht weiter — daß das Herz
oft anders will — als die Einsicht. Aber das Herz
ist gefährlich, es will brausen, es will davonjagen,
allein — ohne den Leib. Und Plötzlich merkt es —
daß cs den Leib vergessen hat! Und dann, hoch
in der Luft, schaut es um sich, in die Allein-
gelassenheit. Und aus Schreck zuckt es zusammen,
inmitten von Schneeflocken, und fällt dann zu
Boden. — So haben manche stürmische Herzen
tiefe schwarze Risse. Und doch — auch so ein
Herz ist heilig.
Wandert der Verstand, allein, so kommt es
doch einmal, daß die Dunkelheit ihn überrennt,
— nnd kein Herz wärmt ihn."
Schluß.
Siebzehnhunderteinundzwanzig.
Nach Friedensschluß von Nydtadt, durch den
Livland und Estland endgültig zum Zarenreich
Rußland kamen, kämpft sich die Corvette Stella
durch Helle und dunkle Ostseewogen. Vereinzelte
Eisschollen werden von den Wellen hochgeworfen.
Die Stella steuert nach Reval.
Carl Lechts ist an Bord. Er kehrt in seine
nordische Heimat zurück, um sein väterliches Erbe
anzutreten, das ihm Zar Peter von Rußland,
Sieger in diesen: harten Krieg, nach Friedens-
schluß wieder zuerkannte.
Die Wirrfäden der Zeit, des nordischen Krieges,
haben Carl Hechts hin nnd her gezogen. Er war
Fähnrich in schwedischen Diensten gewesen.
Die Corvette hat Gegenwind. Carl Lechts sieht
der Arbeit der Mannschaft zu. Schiffsknechte aus
Schweden, Pommern und Finnland holen die
Segel ein, Hand über Hand.
Carl Lechts ging einen Kreis, siebzehn Jahre
lang. Jetzt schließt er seinen Rundgang und tritt
wieder ein in seine eigene Gemarkung.
176-l starb Carl Lechts, Glied einer Kette. Er
hinterließ seinen beiden Söhnen Carl Johann
und Jan Heinrich die blühenden Güter Wanna-
mois, Woall und Dalhnsen.
„Erbstrom"
Das Volksschauspiel „Erbstrom" von Konrad
T ürre muß als eines der markantesten Beispiele
einer deutschen Arbeitsgemeinschaft im Geiste des
Nationalsozialismus auch auf kulturellen: Gebiete
angesehen werden. Die Idee des „Erbstrom" ist
nämlich als eine ganz bestimmte Ausgabe an
seinen Verfasser herangetragen worden. Er wurde
also nicht, wie das sonst üblich ist, vom Schreib-
tisch aus ins Blaue hineingeschrieben, sondern war
schon von vornherein für einen Kreis, für einen
bestimmten Ausschnitt der Volksgemeinschaft be-
stimmt. den: es die Notwendigkeit
der Rassen Hygiene und die Gesetz-
lichkeit der Erbauslese anschaulich
und in einen: bei-
daran, das Stück mit seiner eminenten Wichtig-
keit für die bevölkerungspolitische Aufklärungs-
aktion für die Bühne auszuarbeitcn. Ter Reichs-
ausschuß für Volksgesundheitsdienft lieh feine tat-
kräftigste Unterstützung und seine Organisation.
So kam die Aufführung zustande. Das Stück
wurde von der Überzahl seiner Personen aus der
ursprünglichen Hörspielfassung befreit nnd
szenisch wie sprachlich entsprechend abgerundet.
Das war vor allem die Leistung von Anthes
Kiendl, der sich die endgültige Bühnenfassung sehr
angelegen sein ließ. Er arbeitete dabei natürlich
auch nicht vom Schreibtisch aus, sondern mitten
ans dem Leben und der praktischen Erfahrung als
Regisseur gemäß den Erfordernissen, wie sie sich
aus der Bühncnprobe und dem lebendigen Zu-
sammenwirken mit den Schauspielern ergeben
hatten. Es war ein rechter praktischer Idealismus,
der da dem deutschen Volk schließlich ein wichtiges
Volksschauspiel und bühnenwirksames Theaterstück
schenken konnte.
spielhaften Ge-
schehen vor Augen
führen sollte. Mit
dieser Aufgabe wurde
eiuer der besten Kenner
der Rassenhygiene be-
traut, der zugleich die
notwendigen schriftstelle-
rischen Voraussetzungen
und Persönlichen Quali-
täten besaß: Dr. Kon-
rad Dürre — und in
entsprechender Zeit lag
die erste Fassung des
„Erbstrom" vor.
Es zeigte sich indessen
sehr bald der Wunsch,
dieses wichtige Spiel auch
einem größeren Kreise zu-
gänglich zu machen, und
so interessierte sich vor
allem der deutsche Rund-
funk dafür. Der „Erb-
strom" machte das zweite
Stadium seines Werde-
ganges durch. Er wurde
ein Hörspiel unter den:
Titel „Erbkrank—Erbge-
sund", dessen sich die Funk-
dramaturgie und die
übrigen verantwortlichen
Stellen des Radios Pfleg-
lich annehmen. Nun
wurde selbstverständlich
vor allem Rücksicht darauf
genommen, daß das Stück
nicht nur ans Olw,
sondern auch in das Ge-
wissen des Volkes drang
und dort tiefere Wirkun-
gen als etwa nur ein
Vortrag üben konnte.
Ioscs Pieper, Mädchcnbildnis
„DerErbstrom"War damit
gleichsam den Kinderschuhen entwachsen und zu
einer Angelegenheit der nationalen Gemeinschaft
herangezogen worden. Er war das legitime Kind
seines Autors, aber die Gemeinschaft, in die es
kam, erzog es gründlich, gab ihn: nock die ent-
sprechende Form und schulte es für seine eigent-
lichen Lebensaufgaben.
Erst im dritten Stadium ist der „Erbstrom"
das Theaterstück geworden, das jetzt im Wall--
nertheater so freudig und zum Schluffe mit
so Heller Begeisterung ausgenommen wird. Das
ging folgendermaßen zu: Die Junge Kampsbühne,
die sich schon immer für eine neue Dramatik ein-
gesetzt hatte, schloß sich mit dem Direktor Las-
kowski zusammen, der das Wallnertheater mietete.
Auf der Suche nach einem zeitgemäßen Stück war
man auf Dürres „Erbkrank—Erbgesund" auf-
merksam geworden und erkannte rasch die Wichtig-
keit seiner Idee und die Bedeutung seines Vor-
wurfs. Aber man sah auch ein, daß das ursprüng-
liche Hörspiel nicht ohne weiteres für die Bühne
zu verwenden war. Im alten System hätte man
daraufhin Wohl die Arbeit wieder zurückgereicht,
aber in dieser nationalsozialistischen Arbeitsgemein-
schaft, deren Geist Anthes Kiendl bestimmte,
galten schon andere Prinzipien und so ging man
So ist der „Erbstrom" durch eine lebendige Ar-
beits- und Volksgemeinschaft hindurchgegangen
und schließlich zu einem so großen Erfolge ge-
worden, daß er jetzt bereits in Berlin seiner
lOO. Aufführung entgegensetzen kann. Tas wäre
ohne die Liebe, den Einsatz und den Idealismus
aller Beteiligten gar nicht möglich gewesen, die
dem Werk und der von Konrad Dürre zuerst ver-
leiblichten Idee all ihre Kräfte geliehen haben
und Schwierigkeiten materieller nnd persönlicher
Art nicht scheuten. Damit ist ein drastisches Bei-
spiel eines lebendigen Sozialismus auch in
kulturellen Dingen gegeben worden. Das Buch
des „Erbstrom" trägt nur den Namen feines Ver-
fassers Dürre und seines Bühnenbearbeiters
Kiendl, aber um sie sind in Wirklichkeit, wie bei
allem, was im neuen Deutschland geschieht, tüch-
tige Mitarbeiter, Kameraden, Freunde und Ge-
folgsleute geschart, die das Ganze mit verwirk-
lichen und, ein jeder an seinem Ort und mit
seinen größeren oder geringeren Kräften, in das
Erlebnis der Volksgemeinschaft einbauen halfen.
Alle Beteiligten haben auf das Ganze Rücksicht
genommen: Der Autor auf den höheren Zweck,
der Theaterdirektor auf die Idee, der Bühnen-
bearbeiter ans die lebendige und wirksame Ge-
MerhO Isl PWk jM WWn
5
Zoses Pieper
Man muß Josef Pieper zu den am klarsten aus-
geformten Begabungen nnter den jnngeu Malern:
des westlichen Deutschland zählen. Eine
leichte, gewandte Hand — und wie oft wird sie
gerade in Deutschland mißverstanden! — holt ans
der massigen Gefügtheit des Wirklichen die
schwebende, zarte Linie der Gestalt. Alles Klobige,
Laute und Anfängliche ist ihm verhaßt. Er
nimmt die Dinge und spielt nut ihnen aus der
Freude an der Verzauberung des Irdischen. Zu-
weilen lockt dieses Spiel ihn bis zu den: Grade,
wo er sein eigenes Ich zu vergessen scheint nnd
Joses Pieper, Hessische Bäuerin. Zeichnung
ganz untertauchen möchte in das Fremde. Das
darf man nicht leugnen, sonst würde man ihn ein-
fach mißverstehen; aber dies Wagnis einzugehcn,
die Eindeutigkeit der Objekte mit der Vieldeutig-
keit feinster Formen zu umspinnen, erfordert einen
Der
Von >ViUieIm Krug
<^.us „Uns sincl 8ne!iö»", vkulseNInniZssnützr run 6. II. 34.)
O«r 8l.incIt.-I ci»8 8>8lsin8 »tislZ clio^vii Nnroll,
Usr so 8Sn4etU8lo8 war, nn kottsrs Osstscio.
I7n<j dort dsnnlun or .-üek wie sine liLsvinnNs:
starken Rückhalt, den dieser Maler in seiner künst-
lerischen Verantwortung hat. Das Handwerkliche
ist bei ihn: eine Selbstverständlichkeit, die ihn aber
nicht des Ehrenwortes enthebt, das jeder einmal
gesprochen hat, bevor er hinging, ein Künstler zu
sein, der das formt, was uns erlösen kann: Liebe
nnd Kraft.
Allerdings besteht für einen Künstler von der
schmiegsam offenherzigen Art Josef Piepers die
Gefahr, sich allzu sehr nach schon geformten In-
halten zn orientieren, also Kunst aus zweiter
Hand zn schaffen. Es wäre lächerlich zu behaup-
ten, Paris täte den deutschen Künstlern, solange
sie ihre Eigenart zn bewahren stark und fähig
genug sind, nicht Wohl; aber ein so leicht be-
eindrnckbarer Gestalter wie Pieper ist oft schnell
geneigt, dort ein bemerkenswertes Können anss
Spiel zn fetzen, wo dieses Abenteuer mit der
eigenen künstlerischen Existenz zn teuer bezahlt
wird. Dieses sei nur so eindringlicher gesagt, als
eine im besten Sinne verstandene kultivierte
Malerei, wie Pieper sie Pflegt, uns von größten:
Nutzen sein kann. " 6. H. 1b.
Anekdoten
Ein Bildhauer, der antike Skulpturen kopierte, rühmte
sich Michelangelo gegenüber, er habe die Antike verbessert.
„Da seid Ihr falscher Meinung", antwortete ruhig der
Meister. „Wer hinter anderen hergcht, überholt sie nie."
Renoir sah Maillol einst zu einer Büste. Dabei sprachen
sie viel über Kunst. Maillol sagte abschließend: „Mein
höchstes Ziel ist, eine junge Frau zwischen sechzehn und zwan-
zig Jahren so modellieren zu können, wie ich es mir vor-
stelle." Der siebenzigjährige Renoir sagte: „Mein Ziel ist
es immer gewesen und ist es noch, eine weihe Serviette
malen zu können."
Von einem Berliner Akadcmieprofessor, dessen Namen die
Überlieferung uns vorenthält, sagte Schadow:
„Nu ja, der hat sich det Malen ooch so anjewehnt."
Picasso malte in Paris eine Spanierin, die dann mit
dem Bild nach Hause reiste. An der Zollgrenze gab es Schwie-
rigkeiten. Die Beamten glaubten nicht, daß es sich um ein
Bildnis handele. Ein als Sachverständiger herbeigerufener
Maler meinte, cs handle sich nicht um das Bildnis eines
Menschen, sondern um die Darstellung einer Maschine. Dar-
auf wurde ein Ingenieur geholt. Der sah sich das Bild lange
an und sagte: „Ob das ein Bildnis ist, weih ich nicht. Eine
Maschine kann cs scin. Totsichcr aber ist dann, dah sie nicht
geht."
Ankaufspolitik der Rationalgalerie
In einer Besprechung in der Knnstabteilung
des Preußischen Kultusministeriums wurde mit
den: Direktor der Nationalgalerie und des Kron-
prinzenpalais in der seit langem strittigen Frage
des Ankaufs von Kunstwerken aus Staatsmitteln
folgende Regelung vereinbart: Werke lebender
Künstler werden :n Zukunft regelmäßig zunächst
nur noch als Leihgaben in der Galerie Aufnahme
finden; erft nach Ablauf eines Jahres erfolgt ein
fester Ankauf.
Auf diese Weise wird es einmal der Galerie
möglich sein, in bedeutend breiterem Umfange als
bisher die lebendigen künstlerischen Kräfte Deutsch-
lands aufzuzeigen; auf der anderen Seite erhält
sowohl die Galerieleitung als auch die Öffentlich-
keit Gelegenheit, sich mit den als Leihgaben aus-
gestellten Kunstwerken auseinanderzusetzen und den
als notwendig erkannten Abstand zu ihnen zu ge-
winnen. Auch die Ankaufskommission wird hier-
durch in die Lage versetzt, sich häufiger und inten-
siver mit den gegebenenfalls für einen Ankauf in
^rage kommenoen Kunstwerken zu beschäftigen.
Zugleich wird mit dieser Regelung der sinnlosen
Anhäufung von „überlebten" Kunstwerken in den
Magazinen eine Grenze gesetzt.
Diese Regelung tritt mit sofortiger Wirkung
in Kraft.
Tuve war in Dorpat gewesen. Und hier sagt
man, daß die Russen Dorpat nnd Narva erobert
hätten. — Diese Kunde sickert hundert Meilen
weit.
Der Capitain ist weggeritten. Er hat Carl
Lechts enttäuscht, er hat den: Knaben nicht weiter
geholfen, den Vater zu suchen, und oft war er
schwer berauscht.
In die Tage des Lernens, wo Carl erfüllt ist
von seinen Aufgaben, schleichen sich andere ein, wo
er sagt: „Fremdes Brot schmeckt nicht". Er schämt
sich, hier gehütet zu wohnen. Will umherschweifen,
wie es ihm Paßt, und nicht immer lächeln, wenn
die anderen lächeln. Zuwider sind ihm die Gast-
mäler und Zeremonien in Barje. Er bleibt e:n
Fremder hier, fremd auch Gordiawla, die ihn
pflegte als er krank lag. Er flucht: „Als Ge-
fangener werd ich hier gehalten — das paßt nur
nicht". Er trotzt und bäumt auf, und seinem
Munde entfahren verletzende Worte. Dann folgen
wieder bessere Zeiten. In letzter Zeit nehmen
aber die schlimmen überhand. „Sie wollen mich
hier katholisch machen!" schreit er.
Jetzt will er zn Fuß, oder ganz gleich wie, Weg-
laufen nach Hause. Er bleibt auch mehrere Tage
weg von Barje in: Walde verborgen. Aber man
spürt ihn auf mit Reitern. Da bleibt ihn: gar
nichts übrig, als zu sagen: „Ich versteh nicht Eure
Sprache, ich konnte nicht fragen, so hab ich mich
immer tiefer in: Walde verirrt".
Nachher wurmt es ihn doch, daß er nicht sagte:
Ich wollte weg von Euch. Hier ist es nur zu eng
und zu gut!
XV.
Eines Tages, im Saal, siud sie allein zu-
sammen, der alte Magnat Woiworitsch und Carl
Lechts. Und der alte Herr, der ans und nieder
ging, bleibt stehen, Carls Gedanken erahnend.
Der Magnat, der immer so fern weilte, tritt vor
Carl hin und spricht zu ihm und sagt:
„Er wüßte es Wohl, wie schwer es sei, hier, in:
fremden Lande und getrennt von der Heimat.
Was Carl quälend in Barje empfand, scheint
ein wenig Heller und leichter zu werden.
Der Magnat schüttelt die seidenweißen Haare
und es folgen sonderliche Worte. Was noch nie-
mand zu Carl gesagt hat, sagt der Alte. — Der
Winter verschluckt die Tage. Es ist schrecklich für
Carl iu Barje, und doch ist es besser zu bleiben. —
Vielleicht im Frühling könne er reiten. —
Und der Alte spricht weiter — daß das Herz
oft anders will — als die Einsicht. Aber das Herz
ist gefährlich, es will brausen, es will davonjagen,
allein — ohne den Leib. Und Plötzlich merkt es —
daß cs den Leib vergessen hat! Und dann, hoch
in der Luft, schaut es um sich, in die Allein-
gelassenheit. Und aus Schreck zuckt es zusammen,
inmitten von Schneeflocken, und fällt dann zu
Boden. — So haben manche stürmische Herzen
tiefe schwarze Risse. Und doch — auch so ein
Herz ist heilig.
Wandert der Verstand, allein, so kommt es
doch einmal, daß die Dunkelheit ihn überrennt,
— nnd kein Herz wärmt ihn."
Schluß.
Siebzehnhunderteinundzwanzig.
Nach Friedensschluß von Nydtadt, durch den
Livland und Estland endgültig zum Zarenreich
Rußland kamen, kämpft sich die Corvette Stella
durch Helle und dunkle Ostseewogen. Vereinzelte
Eisschollen werden von den Wellen hochgeworfen.
Die Stella steuert nach Reval.
Carl Lechts ist an Bord. Er kehrt in seine
nordische Heimat zurück, um sein väterliches Erbe
anzutreten, das ihm Zar Peter von Rußland,
Sieger in diesen: harten Krieg, nach Friedens-
schluß wieder zuerkannte.
Die Wirrfäden der Zeit, des nordischen Krieges,
haben Carl Hechts hin nnd her gezogen. Er war
Fähnrich in schwedischen Diensten gewesen.
Die Corvette hat Gegenwind. Carl Lechts sieht
der Arbeit der Mannschaft zu. Schiffsknechte aus
Schweden, Pommern und Finnland holen die
Segel ein, Hand über Hand.
Carl Lechts ging einen Kreis, siebzehn Jahre
lang. Jetzt schließt er seinen Rundgang und tritt
wieder ein in seine eigene Gemarkung.
176-l starb Carl Lechts, Glied einer Kette. Er
hinterließ seinen beiden Söhnen Carl Johann
und Jan Heinrich die blühenden Güter Wanna-
mois, Woall und Dalhnsen.
„Erbstrom"
Das Volksschauspiel „Erbstrom" von Konrad
T ürre muß als eines der markantesten Beispiele
einer deutschen Arbeitsgemeinschaft im Geiste des
Nationalsozialismus auch auf kulturellen: Gebiete
angesehen werden. Die Idee des „Erbstrom" ist
nämlich als eine ganz bestimmte Ausgabe an
seinen Verfasser herangetragen worden. Er wurde
also nicht, wie das sonst üblich ist, vom Schreib-
tisch aus ins Blaue hineingeschrieben, sondern war
schon von vornherein für einen Kreis, für einen
bestimmten Ausschnitt der Volksgemeinschaft be-
stimmt. den: es die Notwendigkeit
der Rassen Hygiene und die Gesetz-
lichkeit der Erbauslese anschaulich
und in einen: bei-
daran, das Stück mit seiner eminenten Wichtig-
keit für die bevölkerungspolitische Aufklärungs-
aktion für die Bühne auszuarbeitcn. Ter Reichs-
ausschuß für Volksgesundheitsdienft lieh feine tat-
kräftigste Unterstützung und seine Organisation.
So kam die Aufführung zustande. Das Stück
wurde von der Überzahl seiner Personen aus der
ursprünglichen Hörspielfassung befreit nnd
szenisch wie sprachlich entsprechend abgerundet.
Das war vor allem die Leistung von Anthes
Kiendl, der sich die endgültige Bühnenfassung sehr
angelegen sein ließ. Er arbeitete dabei natürlich
auch nicht vom Schreibtisch aus, sondern mitten
ans dem Leben und der praktischen Erfahrung als
Regisseur gemäß den Erfordernissen, wie sie sich
aus der Bühncnprobe und dem lebendigen Zu-
sammenwirken mit den Schauspielern ergeben
hatten. Es war ein rechter praktischer Idealismus,
der da dem deutschen Volk schließlich ein wichtiges
Volksschauspiel und bühnenwirksames Theaterstück
schenken konnte.
spielhaften Ge-
schehen vor Augen
führen sollte. Mit
dieser Aufgabe wurde
eiuer der besten Kenner
der Rassenhygiene be-
traut, der zugleich die
notwendigen schriftstelle-
rischen Voraussetzungen
und Persönlichen Quali-
täten besaß: Dr. Kon-
rad Dürre — und in
entsprechender Zeit lag
die erste Fassung des
„Erbstrom" vor.
Es zeigte sich indessen
sehr bald der Wunsch,
dieses wichtige Spiel auch
einem größeren Kreise zu-
gänglich zu machen, und
so interessierte sich vor
allem der deutsche Rund-
funk dafür. Der „Erb-
strom" machte das zweite
Stadium seines Werde-
ganges durch. Er wurde
ein Hörspiel unter den:
Titel „Erbkrank—Erbge-
sund", dessen sich die Funk-
dramaturgie und die
übrigen verantwortlichen
Stellen des Radios Pfleg-
lich annehmen. Nun
wurde selbstverständlich
vor allem Rücksicht darauf
genommen, daß das Stück
nicht nur ans Olw,
sondern auch in das Ge-
wissen des Volkes drang
und dort tiefere Wirkun-
gen als etwa nur ein
Vortrag üben konnte.
Ioscs Pieper, Mädchcnbildnis
„DerErbstrom"War damit
gleichsam den Kinderschuhen entwachsen und zu
einer Angelegenheit der nationalen Gemeinschaft
herangezogen worden. Er war das legitime Kind
seines Autors, aber die Gemeinschaft, in die es
kam, erzog es gründlich, gab ihn: nock die ent-
sprechende Form und schulte es für seine eigent-
lichen Lebensaufgaben.
Erst im dritten Stadium ist der „Erbstrom"
das Theaterstück geworden, das jetzt im Wall--
nertheater so freudig und zum Schluffe mit
so Heller Begeisterung ausgenommen wird. Das
ging folgendermaßen zu: Die Junge Kampsbühne,
die sich schon immer für eine neue Dramatik ein-
gesetzt hatte, schloß sich mit dem Direktor Las-
kowski zusammen, der das Wallnertheater mietete.
Auf der Suche nach einem zeitgemäßen Stück war
man auf Dürres „Erbkrank—Erbgesund" auf-
merksam geworden und erkannte rasch die Wichtig-
keit seiner Idee und die Bedeutung seines Vor-
wurfs. Aber man sah auch ein, daß das ursprüng-
liche Hörspiel nicht ohne weiteres für die Bühne
zu verwenden war. Im alten System hätte man
daraufhin Wohl die Arbeit wieder zurückgereicht,
aber in dieser nationalsozialistischen Arbeitsgemein-
schaft, deren Geist Anthes Kiendl bestimmte,
galten schon andere Prinzipien und so ging man
So ist der „Erbstrom" durch eine lebendige Ar-
beits- und Volksgemeinschaft hindurchgegangen
und schließlich zu einem so großen Erfolge ge-
worden, daß er jetzt bereits in Berlin seiner
lOO. Aufführung entgegensetzen kann. Tas wäre
ohne die Liebe, den Einsatz und den Idealismus
aller Beteiligten gar nicht möglich gewesen, die
dem Werk und der von Konrad Dürre zuerst ver-
leiblichten Idee all ihre Kräfte geliehen haben
und Schwierigkeiten materieller nnd persönlicher
Art nicht scheuten. Damit ist ein drastisches Bei-
spiel eines lebendigen Sozialismus auch in
kulturellen Dingen gegeben worden. Das Buch
des „Erbstrom" trägt nur den Namen feines Ver-
fassers Dürre und seines Bühnenbearbeiters
Kiendl, aber um sie sind in Wirklichkeit, wie bei
allem, was im neuen Deutschland geschieht, tüch-
tige Mitarbeiter, Kameraden, Freunde und Ge-
folgsleute geschart, die das Ganze mit verwirk-
lichen und, ein jeder an seinem Ort und mit
seinen größeren oder geringeren Kräften, in das
Erlebnis der Volksgemeinschaft einbauen halfen.
Alle Beteiligten haben auf das Ganze Rücksicht
genommen: Der Autor auf den höheren Zweck,
der Theaterdirektor auf die Idee, der Bühnen-
bearbeiter ans die lebendige und wirksame Ge-
MerhO Isl PWk jM WWn