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Kunst der Nation — 2.1934

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Meeres-Ungeheuer, [3]
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6

Kunst der Nation


Lovis Corinth, Weiblicher Akt. Königsberg Pr.

bruch. Der revolutionäre, nationalsozialistische
Geist muß erst das ganze Volk durchdringen, ehe
aus ihm eiir Genie erstehen kann, das diesem
Geist durch künstlerische Ansdrucksmittel hohe,
unvergängliche Symbolgestalt verleiht.
Langemarck! Dies „nionumenturn aere
xerennius", das sich die opfernde deutsche Jugend
selbst im Weltkriege gesetzt hat, hat die jungen
Dichter unserer Zeit zur Nachgestaltung ange-
regt. Freilich fehlten noch die Kräfte, nm das
heroische Erlebnis des Krieges in die ihm gemäße
Form zu gießen. Unter den vorhandenen Dra-
men, die den Stoff behandelten, erwiesen sich nur
zwei Werke zur Ausführung im „Theater der
Jugend" als brauchbar. Und selbst diese Ar-
beiten waren, als Einzelwerk genommen, so
wenig tragfähig fiir eilte Großstadtbühne, daß
man sich entschloß, die besten Gedanken und stärk-
sten Szenen ans beiden Stücken zu einem neuen
Schauspiel zusammenznschweißen.
Der Dramaturg des Theaters der Jugend,
Fritz Peter Buch, hat das Verdienst, in kame-
radschaftlicher Zusammenarbeit mit den beiden
Autoren Max Monato und Edgar Kahn
dies eigellartige Experiment durchgeführt zu
haben. Das Ergebnis der Gemeinschafts-
arbeit erhebt sich' zwar nicht in musische
Höhen, aber bringt doch das Geschehen von
Langemarck in unkomplizierter, sinnlich an-
schaulicher Weise eindringlich zur Darstellung.
Gewiß hätte ein großer Dichter die Dlnge
ganz anders geformt. Aber was tun, wenn
„der" Dichter nicht da ist. Soll man resignieren
und nur ans den alten Klassikern hernmreiten?
In dieser Lage ist es vielleicht besser, mit dem,
was da ist, mutig anzufangen. Besser, es ge-
chieht etwas, als es geschieht gar nichts.
Und dieser ehrliche Wille der Bearbeiter und
die Begeisterung der jungen, meist wenig be-
kannten Schauspieler für die Sache leuchten so
stark durch die Aufführung hindurch, daß man Un-
zulänglichkeiten vergißt und sich forttragen läßt
von der Handlung, die irr sechs Bildern lebendig
abrollt.
Nach dem etwas papierenen, phrasenhaft-patriotischen
ersten Akt, in dem die Jugend ans dem Hörsnal aufbricht
zum Kampf für die Nation, versetzt der zweite Aufzug in
das englische Hauptquartier. Man hört hier von dem Durch-
bruchsplan der Deutschen und von den Vcrtcidigungsmatz-
nahmen des Generals Frcnch, der die englischen Stellungen
zum Empfang der Deutschen mit Maschinengewehren spicken
läßt. Die Qualität der englischen Truppe, die sich aus
zähen, kampferprobten Kolonialsoldaten formiert, lernt man
als Gegner der jungen, gerade dem Knabenalter entwachse-
nen unerfahrenen deutschen Kriegsfreiwilligen kennen. Diese
aber haben ihrerseits als höchste moralische Kraft ihre fana-
tische Vaterlandsliebe fiir sich, die sich im selben Akt bei
der Vorführung eines deutschen Gefangenen im englischen
Hauptquartier vorbildlich bewährt.
Im dritten Bild erlebt man die jungen deutschen Kriegs-
freiwilligen, fast ausnahmslos Studenten, bei einem vorüber-
gehenden Aufenthalt in einem kleinen belgischen Wirtshaus.

Französische Ehrung
eines deutschen Künstlers
Der französische Staat hat für die moderne
Abteilung des Louvre aus der soeben stattgehabten
Ausstellung von Chriftian Rohlfs eilt Blu-
menftück angekanft. Es ist außerordentlich zu be-
grüße«, daß damit in diese Galerie eilt Werk
echtesten und bewußtesten deutschen Künstlertums
einzieht, das besser als manche deutschen Er-
werbungen der letzten Jahre dem deutschen Form-
willen Ausdruck verleiht.

Jugendlicher Optimismus und der Geist einer alle Standes-
schrankcn überbrückenden Kameradschaft spricht aus dieser in
ihrer Frische und Lebendigkeit bühnenwirksamsten Szene. Die
folgenden Bilder schildern die Vorbereitungen zum Kampf
auf beiden Seiten, und endlich die Schlacht, den Opfcrgang
der deutschen Jugend selbst. Man wird das Chaotische dieses
Ringens auf der Bühne niemals mit realistischen Kulissen
gestalten können. Im letzten Bild vermisste man am stärksten
den Dichter, der dieses Kämpfen und Sterben unserer Besten
der sinnlichen Sichtbarkeit enthebt und in der Phantasie der
Zuschauer erleben lätzt.
Die Regie Herbert Maischs ist frisch und lebendig. Die
schauspielerischen Leistungen sind größtenteils hervorragend.
Auf deutscher Seite am einprägsamsten Josef Siebers, der in
Ton und Haltung prachtvoll den lebensvollen niederdeutschen
Typ des Schlossergesellcn Buchalski trifft, der im Sterben
noch das neue Reich erschaut, in dem cs keine Standes-
schranken mehr gibt. Die studentische Jugend ist frisch und
jugendlich vertreten durch Heinz Klingenberg, Max Eckart,
Kurt Bottfeld und Curt Max Richter. Den Unteroffizier
gibt väterlich und menschlich sympathisch Jacob Sinn, den
Universitätsprofessor und Hauptmann kraftvoll und gütig
zugleich Eduard von Winterstein. Auf englischer Seite wirkt
Erwin Klictsch als Oberbefehlshaber der Truppen etwas zu
gebrechlich und energielos. Ein englischer Kolonialsoldat
von Kopf bis Fuß in seiner humvorvollen Kaltblütigkeit und
fast sportlichen Auffassung vom Kriege ist der baumlange

Siegfried Schürenberg. Paula Denk spielt sehr zart das
junge bewegliche französische Wirtstöchterchen, deren rasch
gefaßte Neigung zu einem der Studenten als leiser lyrischer
Ton wehmütig in dem soldatisch-rauhen Schauspiel aufklingt.
Sehr starker Beifall belohnte am Schluß die von bestem
Willen und ehrlicher Begeisterung getragene Aufführung,
die ein Weg, aber noch nicht letzte Erfüllung ist.
Hans Urant


OkUR.
Neufassung der „Donna Diana"
in der Berliuer Staatsoper
Als Reznicek 1894 mit „Douua Diaua"
seine« erstell großen Opernerfolg hatte, glaubte
urall ill ihm den berufenen Erben der deutschen
komischen Oper — etwa die Linie Lortzing,
Hermann Goetz, Cornelius fortsetzend — zn er-
blicken. Leider hat uns Reznicek die ersehnte
kölnische Oper in seinem weiteren Werk vor-
enthalten. Eine spätere Oper „Till Enlenspiegel"
blieb ohne jeden Erfolg.
Wenn nnn die Berliner Staatsoper
zn Silvester eine Neufassung der „Donna Diana"
znr Diskussion stellt, so verabreicht sie damit einen
wahrhaft köstlich moussierenden Ton-Sekt nnd be-
weist darüber hinaus ihre« Spürst«« fiir etwas,
was unserer Zeit sehr uottut: eine sinnvolle Auf-
frischung unseres recht steril gewordenen Opern-
spielplans von der heiteren Seite her. Und da
llllserer Zeit noch kein wesentliches Werk auf dem
Gebiet der komischen Oper zur Verfügung steht,
greift die Staatsoper auf bewährtes Altes zurück
und läßt es voil ihrem Dramaturgen Dr. Julius
Kapp textlich und vom Komponisten musikalisch
verjüngen. Das heißt: eine musikalische Ver-
jüngung hat diese Musik einfach nicht nötig! Es
konnte sich da nur um mehr oder welliger durch
deu neueu Text bediugte Retuschen handeln. Gleich
die Ouvertiire, die in wenigen Minuten vorüber-
huscht, hat trotz lyrer 40 Jahre nichts vou ihrem
Reiz eiugebüßt: sie ist formal wie iuhaltlich eiu
zauberhaftes kleines Meisterwerk. Und dann zieht
sich diese kunstvolle, einfallreiche Filigranarbeit
ohne Erlahmen durch das ganze Werkchen. Die
textliche Bearbeitung ist mit sicherem Instinkt für
die Erfordernisse der Bühne gemacht worden. Un-
nötig, wenn nicht gar stilwidrig, scheint uns die
Verlegung der Handlung ans der Zeit der
commedia del arte in das Spanien der siebziger
Jahre. Es würde dann auch weniger fühlbar,
was uns jetzt der einzige Mangel der köstlichen
Musik düukt: das fast gänzliche Fehlen von lyri-
schen Ruhepunkten, die handelnde Charaktere
nach der menschlichen Seite vertiefen und dell
Sängern mehr Gelegenheit zum Singen (statt des
vorherrschenden Parlando-Gesanges) geben würde.
Daß unter Kleibers beschwingter Leitung eine
herrliche Ensemble-Leistnng unserer Staatsoper
zustande kam, erübrigt sich fast zn sagen. Bleibt
abzuwarten, ob der große Anfangserfolg sich aus-
wirken kann nnd wird.
Die heitere Volksoper, die unser Volk wie-
der in Scharen ill die Opernhäuser zu briugen
vermöchte, ist „Douua Diaua" uie gewesen lind
wird es nicht sein. Wie die etwa ausznsehen hätte,
davoll gibt lins die Prinz-Rcnßische Wanderbühne,
die zur Zeit im Preußischen Theater der Jugend
Lortzings „Zar und Zimmermann" spielt, einen
deutlichen Begriff: hier ist vorbildlicher Ensemble-
geist, frei von allem Startum, ein Werk ver-
mittelnd, das die ideale Form der deutschen Spiel-
oper darstellt. Hier wird deutlich: Unsere Zeit
wartet aus ihre« Lortziug.

Ein deutsches Bauernhaus
Breit und schwer lagert das massige, in seiner blockhaften Geschlossenheit monumental
wirkende Fachwerk-Haus mit seinem Vorlaubenban in der flachen Ebene des Kleinen
Ncarienburger Werder, das schönste Denkmal einer hochentwickelten Volkskunst im
dentschen Osten (17.51). Das freundliche Licht- nnd Schattenspiel des Fachwerks mildert
mir wenig den Ernst nnd die wuchtige Einfachheit dieses Baus, der wie das Symbol
eines freien Bauerngefchlecbts auf schicksalhafter Erde, aus dem gleichen Geiste kämp-
fender Entschlossenheit, glänbiger Heimatliebe und stolzen Herrentums geschaffen erscheint
wie die frühen Burgen des Deutschen Ordens.


Stalle, Vorlaubcnhaus. 1751

Meeres-Ungeheuer
Aus dem Widmungs-Vorwort eines kürzlich
(Ende 1933!) erschienenen Buches über die deut-
schen Herrenhäuser:
Seiner Durchlaucht
dem Fürsten Burggrafen nnd Grafen
Alexander zu Dohna-Schlobitten
F i d e i k o m m i ß b e s i tz e r auf Schlo-
bitten, u s w., usw., zugeeignet
Wenn ich, mein Fürst, diese Schrift Ener
Durchlaucht widme, geschieht es nicht nur aus dem
Wunsch, nach altem Brauch für das Buch einen
Schirmherrn zu wählen. An Ihren Namen
möchte ich den aufrichtigen Dank, der allen Herren-
häusern gilt, öffentlich entrichten . . . Durch das
Vorbild eines unermüdlichen Interesses für die
Kultur Ihrer Erbgüter und dadurch, daß Ihnen
diese Güter nicht nur Landgüter sind und daß
Ihnen Kultur etwas mehr als Bodeukultivierung
bedeutet, wurden Sie mir zum Repräsentanten
und Prototyp der Welt deutscher Herrenhäuser.
Gerade durch Schlobitten und gerade durch Eure
Durchlaucht bin ich seit Jahren hingewiesen auf
die unlöslichen Zusammenhänge dieser Welt mit
der deutschen Gesamtkultur. Schlobitten ist mir
etwas geworden wie ein Sinnbild des deutschen
Herrcnschlosses. Es ist der sichtbar gewordene In-
begriff der Persönlichkeit des dentschen land-
sässigen Edelmanns als des einzigen Volksteiles,
der kontinuierlich seit Jahrhunderten im Großen
und zugleich erdgebuuden leben und wirken
konnte, — erste Voraussetzung einer jeden höheren
Kultur. Wie glücklich ist diese Lage in Zucht und
Schaffen genützt worden! . . . Ein einzigartiger
deutscher Gebäudetyp ist fast unerforscht und noch
unerkannt in seiner Struktur als unmittelbarer
Ausdruck eines ebenso einzigartigen Menschen-
typus, der nicht im Gegensatz, sondern am Stamm
der Nation erwuchs . . .

A. Voccklin, Maske. Basel


In der Berliner „Katakombe" haust
mit seinen Getreuen Werner Finck, ein
Mann ohne Schatten, aber nut vielen guten
Eigenschaften. Wenn er auch keine Schlan-
gen beschwört, so doch den Humor aus der
Tiefe mancher Herzen. Die Regie seines
Ensembles ist abgestimmt auf den warmen Ton
einer echten Menschlichkeit; sie lockert den tierischen
Ernst, der die armen Seelen wie ätzende Lauge
zerfrißt und verführt den Sinn des Unsinnigen
zu Kapriolen sanfter Ironie. Aus der Traurig-
keit des aschgrauen Alltags kriechen die bunten
Schmetterlinge eines befreienden Lächelns. Diese
Kabarettistik ist keine Enttäuschung, alles, was
gesprochen, gesungen, gemimt und getan wird, ist
Nuance. Werner Finck hat sie höchstpersönlich für
Deutschland entdeckt; sie allein hält alles in
lustiger Schwebe, sie allein kann lächeln nnd glück-
lich machen. Werner Finck entlockt sie den gries-
grämigsten Situationen mit einem Humor voll
Feingefühl und Takt. Seit vielen Jahren ist
solches Kabarett das erste, das wert ist, als Bei-
spiel deutscher Kleinkunst genannt zu werden.
Nichts ist hier Platt und gekünstelt, keine Zote ist
nötig, um Kraft zu markieren, nichts ist albern
nnd gemein. Der Ton macht die Musik, uud
dieser Ton ist sauber, witzig und gesund.
Henry Lorenzens „Mann in der Kneipe" ist
eine Pantomimik, in der wir uns alle, unter uns
Alkoholikern versteht sich, selbst begegnen. Ein
stummer Film auf zwei wackligen Beinen. In
Gerda Kocppler, die als „Schlafwandlerin" die
ganze Verwandtschaft in Verlegenheit bringt,
steckt ein Stück Till Eulenspiegel. Inge Bartsch
zerpflückt die verblühten Rosen einer Liebe, die
einem „Dienstmädchen" widerfuhr und auch sie
selbst „einen Winter lang" in sympathischer Span-
nung hielt. Bruno Fritz' „Vatersorgen" machen
noch das Herz des größten Menschenverächters
empfänglich für diese trottelig-gutmütigen Klagen,
an denen noch das Spinngewebe der nie ge-
lüfteten Kleinbürgerkammer hängt. Rudolf Platte
verfängt sich in den Schlinggewächsen der dent-
schen Sprache, Fremdwörter werden ihm zu bos-
haften Fußangeln. Irene Scheinpflug und Herbert
Witt geben „Anstandsunterricht um 1895".
Und immer wieder: Werner Finck, ein Paradies-
vogel unter den Conferenciers.
6. Ur.

Schriftleitung: Otto-Andreas Schreiber; verantwortlich: Otto-Andreas Schreiber, Berlin. — Erscheint im Verlag Kunst der Nation E. m. b. H., Berlin W 62, Kurfürstenstr. 118. — Zuschriften sind an die Redaktion der Kunst der
Nation zu richten. Anzeigenannahme beim Verlag. Jnseratentarif auf Verlangen. Abdruck von Artikeln nur mit Einverständnis des Verlags, auszugsweiser Nachdruck nur mit Quellenangabe gestattet. Haftung für unverlangt eingesandte
Manuskripte wird nicht übernommen und jegliche Verantwortung, auch hinsichtlich des Veröffentlichungstermins und der Rücksendung, abgelehnt. Druck H. S. Hermann E. m. b. H., Berlin SW 19.
Nr. 2, Jhrg. II: rechtsverbindliche Auflage 5VÜV Stück.
 
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