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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 101 - No. 110 (30. April - 11. Mai)
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der

an

19.-.

Personalnachrichten.
Au» dem Bereiche de« Schulwesens. Lehrerbildungs-
anstalten und Volksschulen. Versetzungen und Ernen-
nungen : BaaS, Karl, Hilfslehrer, in Weil, wird Schul-
verwalter daselbst. Brehm, Anna Maria, Schulkandi-
datin, als Hilfslehrerin nach Heidelberg. Ehret,
Adolf, Unterlehrer in Linr, als Schulverwalter nach Ofters-
heim. Fettig, Karl Friedrich, Unterlchrer, von Appen-
weier nach Reichenbach. Amt Offenburg. Fried le,
Ferdinand, Unterlehrer in Schönau, Amt Heidelberg, als
Schulverwalter nach Altneudorf. Gund, Heinrich,
Unterlehrer in Gauangelloch, wird Hauptlehrer in Rams-
bach. Herrmann, Eduard, Unterlchrer, von Mauer
nach Weiler-Fischerbach. Hetz, Wilhelm, Schulkandidat,
als Unterlehrer nach Wolfach. Kühne, Elise, Unter-
lebrerin, von Eggcnstein, nach Eppingen. Sonntag,
Flora, Unterlchrcrin, in Neckarau nach Pforzheim.
Wilhelm, Jakob, Unterlehrer von Altneudorf nach
Schönau, Amt Heidelberg. Zenk, Anna, Hilfslehrerin
in Oftersheim, als Unterlerhcrin nach Neckarau.

Handelsnachrichten.
Frankfurt, 4. Mai- (Effecten-Sociekät.) Umsätze bis
6H4 Uhr Abends. Oesterr. Kredit 282^-'/« bez. Disconto-
Commandit 195-40-50-25-35 bez. Berliner Handelsgesellschaft
143.30 bez. Darmstädter Bank 139.70 bez. Dresdener Bank
146.30-20 bez. Lombarden bez. Gelsenkirchen 137.50
bez- Harpencr 125.30 bez. Gotthard-Acticn 161.40 bez. Schweizer
Central 118.10 bez. Schweizer Nordost 112.10 bez. Union
76.30 bez. Jura-Simplon St.-Act. 57.40 bez. 5"/» Italiener
92.50 P. 40 G- ult-
6V? Uhr: Disconto 185.25. Bochumer 121.25. Laura10l.60.
Mannheimer Börse, Effekten. Die heutige Börse
verlief ruhig. Umgesctzt wurden: Stamm-Acticn des Vereins
chemischer Fabriken L 84, Badische Brauerei-Actien u 67 und
Mannheimer Versicherungs-Actien ä 587Vs- Sonst notiren:
Vorzugs-Actien des Vereins chemischer Fabriken 142 G- Bad-
Anilin- nnd Sodafabrik-Actien 350 G-
Mannheim, 4. Mai. (Productenbörse.) Per 100 Kilo.
Weizen, Pfälzer 17.75 bis —Norddeutscher 17.25 bis
17.50, Kalifornier 18.— bis 18.25, Azima 18.50 bis 19 50,
Girka 18.25 bis —.—, Taganrog 18.50 bis —, Amerik.
Winter 17.75 bis —.—, Rumänischer 16.50 bis 17.75, Kansas II
17.75 bis —.—, Kernen 17.75 bis —-—. Roggen, Pfälzer
15.25 bis —, Norddeutscher 15.— bis 15.25. Gerste hiesiger
Gegend 17.75 bis 18.—, Pfälzer 18.25 bis 18.50, Ungarische
—bis . . Hafer, Badischer 15.75 bis 16.—, Nord-
deutsch : — bis —, Russischer —.— bis —- Mais,
An . mixed. 12.25 bis 12.50, Donau 12.— bis 12.25.
Kohlreps, Deutsche", neuer 27— bis —. Leinöl mit Faß
50.60 bis —.—. Rüböl mit Faß 62.— bis —.—. Petroleum
mit 20»/g Tara 18.25 bis —-—-
Weizenmehl: Nr. 00. Nr. 0. Nr- 1. per. 2. Nr. 3. Nr. 4.
30.50. - - " - '
Roggenmehl: Nr. 0.
23.50.

27.50. 25.50. 24.50. 23.—.
Nr. 1-
20.50.

Neueste Nachrichten.
Berlin, 5. Mai. Jetzt wo der Reichstag vor seinem
Schluffe steht, haben — (cS klingt fast wie ein Witz
D. Red.) die B i m et a ll i stcn, d. h. die Conservativen
unterstützt von einigen Freiconservativen, im Reichstage
einen umgearbeitetcn Entwurf eines Reichsmünzge-
setz c s Angebracht, der 16 Paragraphen umfaßt, von denen
der erste lautet: „An Stelle der Goldwährung tritt die
Gold- und Silberwährung."
Berlin, 5. Mai. Zu dem beim Reichskanzler
stattgehabten Abendessen ist der Kaiser nicht
erschienen. Es waren nur Minister und die jetzt
zahlreich hier versammelten Mitglieder des Bundesrathes,
sowie höhere Militärs anwesend. (Ein gestern Abend
von einem HeivelbergerBlatt, Stückfür Stück 10 Pfg. col
portirtes völlignichtssagendes „Telegramm " bestätigt sich
also gerade im wichtigsten Punct, daß der Kaiser er-
scheinen werde, nicht! Im übrigen darf sich Heidelberg
bei jenem Blatt bedanken für seine hochwichtige Information,
daß gestern „die Aussichten noch ungewiß waren" denn das —
ja das hat gestern Niemand gewußt. D- Red.)
Libau, 5. Mai. Wie zuverlässig verlautet, steht
eine Verfügung des kurländischen Gouverneurs bevor,
wonach etwa zwei Drittel der Juden Libau im
Laufe dieses Jahres verlassen müssen. Infolgedessen
herrscht große Bestürzung in kommerziellen Kreisen, da
viele Juden dem Großkaufmannsstand angehören.
London, 4. Mai. Die Dockarbeiter in Bristol
haben wegen Beschäftigung freier Arbeiter an einem von
Hüll gekommenen Schiffe den allgemeinen Strike
erklärt. Die Hafenarbcit ist eingestellt.
Newyork, 4. Mai. Privat-Dep eschen aus Havana
zufolge ist die Insurrektion auf Cuba noch nicht
unterdrückt. Die Regierung ist bestrebt, den wahren
Zustand zu vertuschen und macht gleichzeitig große An-
strengungen, den Aufstand zu unterdrücken. Unter den
kubanischen Geschäftsleuten herrscht große Sorge. Die
Revolutionäre haben viele stille Anhänger.
Letzte Telegramme.
Berlin, 5. Mai. Der Abg. v. Huene soll erklärt
haben, daß es nach der Auflösung des Reichstags kein
Mandat mehr annimmt.
Berlin, 5. Mai. Die Debatte über die
Militärvorlage wird morgen, Sonnabend, abge-
schlossen werden. Wie verlautet, haben die Parteien den
Wunsch, da die Auflösung nunmehr als unumgänglich er-
scheint, sich noch im alten Reichstag vor den anderen
Parteien zu recht fertig en. Es sollen daher noch 17
R c d n e r vorgemerkt sein. Einige hiesige Blätter glauben,
daß die Abstimmung erst am Montag vorge-
nommen werde.

Gerrchlszeüung.
* Heidelberg, 4. Mai. (Schöffengerichtssttzung.)
der heutigen Sitzung kamen folgende Fälle zur Er-
'Azung:
. 1) Leonhard Preißig gen. Deckert von Ettlingen erhielt
^gen Unterschlagung 5 Wochen Gefängniß. 2) Franz
^ver Ries von Tiefenbach erhielt wegen Vergehens gegen
Nahrungsmittelgesetz eine Geldstrafe von 60 Mark.
X Adolf Heim von hier erhielt wegen Unterschlagung 4
Gefängniß. 4) Leonhard Wolf von hier crbielt
Z^en Diebstahls 14 Tage Gefängniß. 5) Jakob Hutter
Eppingen erhielt wegen Unterschlagung 14 Tage Ge-
xAniß. 6) Franz Valentin Hammel von Osterburken
. d Christian Deiß von Weinstein, angeklagt wegen Körper-
Atzung. Ersterer erhielt 6 Wochen Gefängniß, letzterer
freigesprochen.

bestellbar zurückgekommen, auf der Rückseite den Vermerk j
der Postagentur in Finschhafen tragend: „Ein Herr :
Storch ist im Schutzgebiet der Neu-Guinea-Compagnie
unbekannt. Gerbich." Vielleicht hat sich aber inzwischen
ein anderer Storch des BricfschreibcrS erbarmt und den-
selben mit dem muthmaßlich gewünschten Brüderchen
oder Schwesterchen getröstet.
* Berlin, 4. Mai. Die Schülerinnen der zweiten
Classe einer diesigen Gemeindeschule hatten es schmerzlich
empfunden, daß ihr Lehrer noch gar nichts von einer
„Landparthie" verlauten ließ, während sic in anderen
Elasten bereits in Aussicht genommen war. Dieser Tage
Prangten nun, wie hiesige Blätter berichten, an
Elassentafel folgende Verse:
6x6 ist 36.
Immer müssen wir sein fleißig.
Müssen immerfort studiren,
Während andere geh'n spazieren.
Geh'n wir denn nicht? Aber bald.
Sonst wird's kalt!
Die Nachforschung nach der „Dichterin" scheiterte
dem ausgebildeten Solidaritätsgefühle der Schülerinnen,
indessen hatte die Mahnung den Erfolg, daß das Ver-
sprechen abgegeben wurde, noch vor Pfingsten einen Aus-
flug zu veranstalten.
* Hamburg, 4. Mai. Der Direktor der Hansa-
Brauerei, Christel Föge, ist nach Unterschlagung einer
größeren Summe, angeblich 20 000 Mk., flüchtig geworden.
* Kiel, 4. Mai. Der „Kieler Zeitung" zufolge
wurde das Ruderboot des Schiffsjungenschulschiffes „Moltke"
von dem Dampfer „Helene" angerannt. Wie verlautet,
sind mehrere Schiffsjungen hierbei ertrunken.
* Aus der Schweiz, 4. Mai. Die berüchtigte Frei-
bürger 6 Millionen-Lotterie ist zusammengebrochen. Um
die eingegangenen Gelder, welche höchstens 200 000 Franken
betragen sollen, und die Ehre des Cantons zu retten, soll
die Regierung damit umgehen, das Unternehmen mit
Hilfe einer neuen, solideren Gesellschaft auf einer ge-
sunderen Unterlage neu aufzurichten.
* Belfort, 4. Mai. Ein Großfeuer zerstörte eine
große Niederlage von Baumwoll-Abfällen; der Schaden
Wird auf eine halbe Million geschätzt.
* Paris, 4. Mai. Zwei Gründer des „Comptoir
Parisien" sind flüchtig geworden. Die Deponenten
verlieren große Summen, man spricht von 1—400000
Ars. Die Passiva sind noch nicht ermittelt.
* St. Petersburg, 4. Mai. Ein auf dem oberen
^auf der Wolga treibender Eisblock beschädigte bei
Njschni-Nowgorod drei Dampfen. Die Zahl der ver-
unglückten Menschen ist noch nicht festgestcllt.
* Newyork, 4. Mai. Am Ohio dauern die Ueber-
schwemmungen an. Das Wasserreservoir bei Lewistone
fit gestern früh geborsten und die Wassermassen haben
'n der Umgegend große Verwüstungen angcrichtet.
Zwanzig Menschen haben dabei ihr Leben verloren. Auch
ber südliche Tkeil von Ohio, wo ein ausgedehnter Ge-
treidebau getrieben wird, ist durch Überschwemmung
schwer heimgesucht worden.
. * Chicago, 3. Mai. Im Jacksonpark soll der Ver-
such gemacht worden sein, „die Urne mit der Asche von
^hristoph Columbus zu stehlen." Die Ueberrestc der
Gebeine des Columbus sind seinerzeit in der Kathedrale
in San Domingo gefunden worden; es waren dies ein
Oberschenkelknochen, eine Tibia, ein Armknochen, ein
^eckentheil und einige Rippen. Wenn man diese Knochen
iu Asche verbrannt und die Asche in eine Urne gethan
Hut, dann ist jene Nachricht möglich, sonst kaum._
Loccrl'e WiLLVeil'ungen.
Heidelberg, 5. Mai.
X (Stiftung.) Für Studirende der altkatholischcn
schevlogic und altkatholische Geistliche wurde dahier eine Stif-
'Ung im Betrage von 80 000 Mk- errichtet- Das Verleihungs-
ficht der 2400 Mk- betragenden Jahreszinsen hat der Stadt-
Aarrer der altkatholischen Gemeinde Heidelberg.
< 4- (Zum gestrigen Fund einer Leiche.) Betreffs
ir gestern Früh im Neckar Vorgefundenen Fraucnleiche wird
mitgethcilt, daß die betreffende Frau ihre That begangen
^t in Folge hochgradiger Nervosität.
. O (Schwrndler.) Im vergangenen Spätjahr hatte ein
Msrcister Schwindler mit einem hier in Stellung befindlichen
Mdchen ein Liebesverhältniß angeknüpft, dem er auch die
deirath versprach. Er ließ sich von der betreffenden Person
Anschaffung von Hochzeitskleidern 50 Mk. sowie eine
sfifdkne Uhr geben- Derselbe verduftete jedoch vor einiger Zeit,
^Uchdcm er noch sämmtlicheS Weißzeug, Möbel rc-, das sich
Mädchen als Aussteuer angcschafft hatte, veräußert hatte,
verträglich stellte cs sich heraus, daß derselbe verheirathet ist
<jd bereits Familie besitzt.

SprechsacrL'.
Ueber den Inhalt des Sprechsaals der letzten Nummer
der „Bürgerzeitung" hat sicherlich mancher Leser sehr be-
denklich den Kopf geschüttelt. Gewiß ist cs die Aufgabe
einer Zeitung, öffentliche Mißstände vor das Tribunal der
Oeffentlichkeit zu bringen; bei internen Angelegen-
heiten einer Genossenschaft oder Anstalt sollte dies jedoch
wohl erst geschehen, wenn die gesetzlichen Instanzen er-
folglos um Abhilfe angerufen worden sind. Der Ein-
sender in Nr. 102 hat offenbar nicht, wie cs doch billig
und zu erwarten gewesen wäre, zuerst Rücksprache mit dem
betr. Lehrer genommen, sondern er gab seinem Unmuth
auf die Mittheilungcn einiger Schüler hin, die bekannter-
maßen in solchen Fällen eine geradezu staunenswerthe
Phantasie entwickeln, öffentlichen Ausdruck. Warum hat
der Herr nicht wenigstens vorher dem Schulrector Mit-
thcilung gemacht? Die Erwiederung in Nr. 104 ist frei-
lich ebenso tadellos, und wir können der in Nr. 105 nur
beistimmen, wenn dieselbe bestreitet, daß das Turnen in
der Volksschule den Zweck verfolgt, „stramme und brauch-
bare Vaterlandsvertheidiger heranzuziehen"; auch dje sonst
in dem Artikel gepredigte „Strammigkeit" n tsiuxo ist
weder vom Gesetz noch von der Pädagogik vorgesehen, sonst
wären in der That Unterofficierc in der Schule besser am
Platze als pädagogisch und allgemein wissenschaftlich ge-
bildete Lehrer; dagegen müssen letzteren die Mittel zu-
gestanden werden, böswilligem Widerstande, hartnäckiger
Faulheit und störender Unart wirksam entgcgcnzutreten.
Warum hat denn der Herr Einsender in Nr. 102 gar
kein tadelndes Wort für die „Revolte der Volks-
schüler?" Er bedauert sogar fast, daß diese Revolte
vereitelt worden ist. AuS Amerika weit drinnen und an-
der Türkei „dahinten" hat man schon Aehnlichcs gelesen
— aber aus „Alt-Heidelberg, der Feinen! — cs ist doch
z u arg. Wenn dieSchüler schon revolutioniren, strikcn
und boykottiren dürfen, wie wollen wir dies dann
den Erwachsenen, den Socialisten verargen?
Der Hr. Einsender möge doch an Sonn- und auch
anderen Tagen in gewissen Wirtbschaften nachsehen; er
wird da Bürschchen finden, Bürschchen, die tbeils noch
die Schule besuchen, theils aus derselben erst vor zwei
Wochen entlassen wurden, bei denen eine Zurechtweisung
s. tsmxo doch sehr wohl am Platze wäre. Wir haben
gesehen, daß sich Herren aus Wirthslokalen entfernten,
weil ihnen der Aufenthalt durch das freche Gebühren der
noch nicht halb hinter den Ohren trockenen Bürschchen
unerträglich gemacht wurde. Gerade in Neuenkeim, auf
der Handschuhskeimcr Landstraße rc., paffen Abends 14-
und 15jährige Bürschchen den Spaziergängern den Cigarren-
dampf absichtlich ins Gesicht, johlen und brüllen, daß es
ein Scandal ist. Man ist oft geradezu genöthigt, durch
die jugendlichen Flegel Spießruthen zu laufen. Ist es
ferner ;. B. ein Wunder, daß der Lehrer in Aerger
geräth, wenn 14- und 15jäkrige Fortbildungsschüler vor
ihn hinstehen, die Cigarre anzünden und damit bis vor
die Schulthüre gehen, sie dort auslöschen und in die
Tasche stecken, um sie sofort nach Schluß des Unterrichts
auf der Schultreppe wieder in Brand setzen? Es wird
uns bald nicht mehr wundern, wenn die Schüler
selbst die Spalten der politischen Blätter benutzen, um
über ihre Lehrer zu Gericht zu sitzen. Es w.äre dies
eine schöne Errungenschaft am Schluffe des 19. Jahr-
hunderts und wir könnten uns daraus freuen. ll.
Nachwort der Revaction. Ocffentliche Blätter sind
naturgemäß berufen, auch Mißstände, gleichviel welchem Gebiet
diese angehören, zur Sprache zu bringen, bezw. bringen zu
lassen, darum findet auch dieser vorstehende Artikel als eine
Antwort auf den gestrigen Sprechsaal hier Platz- Nur bemerken
wir dazu, da es sich hier um Dinge handelt, die Jeden
intcressiren müssen, daß der Herr Einsender obiger Aus-
lassungen nicht bei dem Punkt bleibt, um den es sich handelt,
sondern auch mancherlei in Rede bringt, was schon halb und
halb über den Bereich directer Schuldisciplin hinausgebt. Der
Punkt, den der betreffende erste Einsender (in Nr- 102) rügt
und mit Recht öffentlich rügt, ist das Uebcrschreiten
der Strafgrenz: innerhalb der Schule, und wir fügen da
nur hinzu, daß der betreffende Vater in seinem vollsten Recht
war. Züchtigung, wo sie hingchört und angebracht,
ist nothwendig für Kinder wie das tägliche Brot,
aber einem 10jährigen Knaben beim Turnen, das im Ent-
ferntesten nichts mit militärischem Drill zu schaffen hat,
sondern lediglich halb ein heilsames LPiel ist und sein soll,
Striemen beizubringen: wo bleibt da die pädagogische Grenz-
linie? Und da will man sich in seiner Würde gekränkt fühlen,
wenn ein Vater sich beschwert? Aber auch mit der „Revolte"
war es wohl offenbar bei weitem nicht so schlimm, wie der
gegenwärtige Herr Einsender hier ausmalt. Solche Dinge
sind nicht neu, sie tauchten vereinzelt auf, so lange es Schulen
giebt und — seitdem es Lehrer gab, die — etwas anderes als
Kinder hätten erziehen sollen. Greife jeder Erzieher und Lehrer,
der sich bei solchen Beschwerden beleidigt fühlt, in sein eigenes
Herz, denke er zurück an seine Kinderjahre und seine BerufS-
bildungszcit, so wird er sich erinnern, daß in seinen jungen
Tagen so wenig Engel zu Füßen der Lehrer saßen wie heute
„am Schluß des Neunzehnten". Und Prügel, gerade erst
recht Prügel, weil die Kindheit jetzt so „verdorben" ist? - - -
Es liegt etwas ungemein Betrübendes und Lächerliches zugleich
in solchem Erziehungsbcgriff. Das denkbar Verschrobenste
bleibt natürlich die Meinung, daß man innerhalb einer Schule
„stramme Vaterlandsvertheidiger" heranzichen müsse- Ein
derartiges Glaubensbekenntniß — sagt leider alles- Der
vorstehende Artikel, dem wir selbstverständlich in mancher
Beziehung nur beistimmen, enthält aber, soweit dies die that-
sächliche Verdorbenheit seitens der Schule halb oder kaum ent-
wachsener Buben betrifft, logisch gefaßt in Wahrheit keine
Rechtfertigung, denn diese traurigen Erscheinungen, deren Ur-
sprung in Verhältnissen übler Art liegt, werfen ihren Reflex
auch zurück gerade auf die Schule und treffen da auch und viel-
leicht gerade diejenigen Lehrer, die patriotisch gedrillt
und Prügeldisciplin für die Krone pädagogischer Kunst
gehalten haben! „An den Früchten sollt ihr sie erkennen -.."
 
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