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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 111 - No. 120 (13. Mai - 21. Mai)
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Aus WuH unö Jer n.
§ Plankstadt, 18. Mai. Gegen Mitternacht er-
scholl in der Eisenbahnstraße der Ruf: Feuer! Sofort
war Alles auf den Beinen und fragte nach dem Ort,
wo es brenne. Niemand konnte jedoch Bescheid geben.
Schließlich stellte sich heraus, daß der Ruf von einem
hiesigen jungen Menschen ausgegangen war, der wie
wütbend tobte und schrie, er sei gestochen worden, er habe
6 Stiche erhalten, und auch den Namen des angeblichen
LKaters nannte. Da der Betreffende, bekannt als rauf-
lustiger, händelsüchtiger Bursche, durch seine Feuerrufe die
Leute ungeziemlicher Weise in Schrecken setzte, dürfte er
indeß die gebührliche Strafe zu erwarten haben. Auch
wird, wieweit Wahres an dem Neberfall ist, erst durch die
Untersuchung festzustellen sein.
* Worms, 17. Mai. Wegen Mordversuchs wurde
gestern eine 16jährige Dienstmagd aus Ober-Flörskeim
verhaftet. Dieselbe, bei einem hiesigen Metzgermeister in
Diensten, brachte gestern Vormittag ein Quantum Kupfer-
vitriol dem für die Dienstherrschaft bestimmten Kaffee
und der Suppe bei, in der Absicht, ihre Herrschaft zu
vergiften. Durch Zufall entdeckte die Dienstherrin durch
den eigenthümlichen Geruch den Zusatz des Vitriols.
* Mainz, 17. Mai. Auf dem hiesigen Standesamt
wurde heute ein nach kurzer Ehe geschiedenes junges Paar
zum zweiten Male getraut. Nach dem volle m'vii war
die Wiederverheirathung geschiedener Gatten unzulässig;
durch das Reichsgesetz über die Eheschließung wurde dieses
Ehehinderniß beseitigt. Hoffentlich verstehen sich die jungen
Leute jetzt besser.
* Chemnitz, 17. Mai. Am Sonntag Nachmittag
hat sich ein Soldat des hiesigen 104. Infanterie-Regi-
ments in der Mannschaftsstube mit seinem Dienstgewehr
erschossen. Er stand in dem Verdachte, seinen Kameraden
bestohlen zu haben.
* Newyork, 16. Mai. Die sch n e llst e F a h r z ei t
aller Bahnen der Welt bat wohl der Schnellzug von
New-Jork nach Chicago. Die „New-Jork Central Railway"
bat eigens für die große „Fair" eine Maschine bauen
lassen, welche den Zug mit einer Schnelligkeit von 32
Seeundenmeilen fortbewegt. In der Stunde legt der
Zug demnach 112'/2 englische Meilen zurück.
Locclw MittheiMngen.
Heidelberg, 18. Mai-
< (Bezirksraths,4tzm»g.) In der am 13. d. SA. im
Bezirksrathssaale dahier abgehaltencn öffentlichen Bezirks-
rathssitzung kamen folgende Gegenstände zur Erledigung:
I) Auf Klage der Gr. Staatskasse, vertreten durch Gr. Ver-
waltungshof, gegen die Ortskrankenkasse Heidelberg, Ersatz von
Verpflegungskosten für Katchen Saar von Lorsch betr-, wurde
die Ortskrankenkasse Heidelberg zur Tragung der Kosten ver-
urteilt- 2) Bezüglich der Herstellung eines Verbindungswegs
von Waldhilsbach nach Brmmentbal wurde erkannt, daß die
beiden genannten Gemeinden den Weg herzustellen haben- 3)
Die Bachschau an der Leimbach auf Gemarkung Nußloch betr.
wurde die Entscheidung vertagt- 4) Das Gesuch des Maurers
Jobann Mattheis von Neustadt a- H- um Erlaubniß zum Be-
trieb einer Schankwirthschaft ohne Branntweinschank in seinem
Hause Nr- 4V Kaiserstraße dahier wurde abgewiesen, ebenso
5) das Gesuch des Wirths Franz Fißler dahier um Erlaubniß
zum Betrieb einer Gastwirtschaft in seinem Hause Nr- 9 der
Grabengasse dahier. L) Das Gesuch des Johann Ries von
Hettingen um Erlaubniß zum Betrieb einer Wirtschaft in dem
Hause Nr- 5 am Güterbahnhof dahier wurde nur zum Betrieb
einer Schankwirthschaft genehmigt- 7) Das Gesuch des Wil-
helm Eckert dahier um Erlaubniß zum Betrieb einer Gast-
wirtschaft in Handschuhsheim wurde genehmigt. 8) Das
Gesuch des Adam Busch in St. Ilgen um Erlaubniß zum
Betrieb einer Schankwirthschaft mit Branntweinschank daselbst
wende zurückgewiesen. 9) Das Gesuch des Georg Seeger in
Leimen, Erlaubniß zum Betrieb einer Gastwirtschaft betr-,
wurde von der Tagesordnung abgesetzt. 10) Das Gesuch des
stunstgärtners Ferdinand Krause von Rohrbach um Erlaubniß
tum Betrieb einer Schankwirthschaft daselbst wurde abgewiesen.
II) Dem Gesuch des Jakob Salm von Neckargemünd um Er-
teilung eines Schifscrpatents wurde nur für den Rhein ent-
sprochen- 12) DaS Gesuch des Johann Michael Himmelmann
von Gauangelloch um Entschädigung für eine an Milzbrand
umgestandene Kuh wurde genehmigt.
o Das erste Gewitter, seit die Temperatur eine an-
haltend warme und trockene ist, stellte sich gestern Abend nach
9 Uhr ein- An dem tiefdunkcln Westhimmel blitzte es stark
und der Donner rollte. Obwohl hierauf auch ein starker
Regenguß niederging, war derselbe doch bei weitem zu wenig
anhaltend, um die durstige Natur zu durchfrischen. Jedenfalls
hat eine entferntere Gegend von dem Gewitter mehr Vortbeil
gehabt-
— (Siationalliberale Versammlung.) Morgen,
Freitag, Abends 8 Uhr, hält die hiesige nationalliberale Partei
jur großen Saale der „Harmonie" eine Versammlung ab.
Auf der Tagesordnung steht eine Besprechung der RcichStags-
ioahlen und wird dabei auch der aufgestellte Eandidat Herr
Konsul Weber anwesend sein-
/X (Garten-Coneert.) Ein gestern Abend in Neuen-
heim im Garten-Restaurant der „Krone" abgehaltenrs Con-
sert war gut besucht- Das alte Heidelberger Orchester, das
stch bezüglich seiner Leistungen eines guten Rufes erfreut,
erntete auch diesmal mit einem ansprechenden Programm
wieder reichlichen Beifall- Namentlich erweckten die gegen den
Bchlnß hin gespielten Potpourri's allgemein animirte Stim-
Utung- Daö Concert war verbunden mit italienischer Nacht-
-ii- (Auf dem Trottoir.) Ein junger Herr erlaubte
Nh gestern Nachmittag das seltene Vergnügen, auf einem jeden-
falls gemietheten Pferd vom „Ritter" aus auf dem Trottoir
entlang zu reiten bis an die Marstallstraße, wo er einbog.
Wie er diesen, die Passanten gefährdenden Ritt ungehindert
vornehmen konnte, entzieht sich unserem Verständniß-
Handelsnachrichten.
Frankfurt, 17. Mai- (Effecten-Societät.) Umsätze bis
Uhr Abends. Oesterr. Credit bez. DiS-
svnto-Commandit 181.05, bis 180-90-181-180.60-180.95 bez.
berliner Handelsgesellschaft 138.10-137.90 bez- Darmstädter

Bank 135.60 bez. Deutsche Bank 156-155-50 bez. G-Dresdener
Bank 141.30, 140.90 Lez. Lombarden 81 bis 81»/«,-80-/2-^
bez- Mittelmeer 100.50 bez. Lübcck-Büchener 138 bez- Bad-
Anilin 336.20 Gotthard-Actien 157.20-10-20 bez. Schweizer
Central 116.30 bez. Schweizer Nordost 109.30-20 bis Union
74.30 bez. Jura-Simplon St.-Act- 55.50 bez. 5"/g Italiener 91 b-
6'/? Uhr: Crcditactien 272^. Disconto 181-05. Marien-
burger 67.50. Bochumer 117.10 Dresdner 141. Gotthard
157.30. Central 116.50. Nordost 109.40. Union 74.50 Laura 99.
Mannheimer Börse, Effekten. An der heutigen Börse
wurden Hofmann u. Schoetensack-Actien » 79 bis 79''^ um-
gesetzt- Schwarz Branerei-Actien waren ä 92 gesucht- Zellstoff
Waldhof-Actien notiren 209 Z- —
Atl' e r- l' e i.
— Ein furchtbarer Mord ist am Montag
Nachmittag in Ckarlottenburg an einem sechsjährigen
Knaben verübt worden. Der Mörder ist verkästet worden.
Es handelt sich anscheinend um einen Geisteskranken.
Hinter den Sandbergen, so berichtet die „Freis. Ztg.",
unmittelbar hinter dem Schiitzenhause auf dem sogenannten
Gardes du Corps-Reitplatze fand am Montag Nachmittag
bald nach 12 Uhr der Feuerwehrmann Sydow, der einen
verdächtigen Menschen dort beobachtet hatte, einen Knaben
als Leiche vor: er war erwürgt und durch Faustschläge
in das Gesicht arg zugerichtet worden. Außerdem war
ihm ein Körpertheil abgeschnitten worden und ein anderer
Theil war herausgelöst und zur Seite geworfen. Das
unglückliche Opfer ist der am 1. Sept. 1887 geborene
Knabe Ehrich Klinger. Er hatte erst kurze Zeit vorher
die mütterliche Wohnung in der Sophien-Charlottenstraße
verlassen, um Blumen zu suchen für das Grab seines
Vaters, der vor drei Jahren in einer Fabrik tödtlich ver-
unglückt ist. Die Mutter ist eine Waschfrau. Der Moder
ist in der Person des 26jährigen Barbiergehilfen Ernst
Kappler aus Delitzsch, wo sein Vater noch als Schuhmacher
lebt, bald nach der Tkat verkästet worden. Bis vorigen
Mittwoch war er bei einen, Barbier in Neu-Weißensee
beschäftigt und scheint seitdem obdachlos gewesen zu sein.
In seinem Besitze wurde eine Düte mit Bobons vorge-
funden, mit deren Hilfe er sein Opfer Mittags von der
mütterlichen Wohnung fortgelockt hatte. Er trug das
blutige Messer noch bei sich, womit er dem Kinde die
entsetzlichen Verletzungen beigebracht hatte. Kappler gesteht
die That unumwunden zu und behauptet sie mit
Vorsatz und Neberlegung vollführt zu habe». Indeß steht
es fest, daß der Mörder von December 1892 bis Mitte
Januar 1893 als geisteskrank in der mumon ll<z suntll
zu Schöneberg untergebracht war. Bezüglich der Ver-
stümmelung erklärte er, einmal gelesen zu haben, daß der
ein langes Leben vor sich habe, der einen solchen Körper-
theil von einer Leiche lostrenne unc verzehre. Dieser Ge
danke sei ihm erst nach dem Tode des Knaben gekommen.
Ueber den Verlauf der That gibt Kappler die folgende
Darstellung: Er sei am Montag früh in Rirdorf ge-
wesen, um sich Stellung zu suchen, sei dann auf den
Gedanken gekommen, einen Ausflug nach Halensee zu
unternehmen, und habe Charlottenburg zu Fuß durch-
streift. Unterwegs seien unlautere Absichten in ihm aufge-
stiegen, zu deren Durchführung er sich Süßigkeiten beschafft
habe. Es sei ihm gewesen, als ob er ein Kind umbringen müsse-
Nachdem ihm sein Plan in Bezug auf kleine Mädchen
verschiedentlich mißlungen sei, habe er sein Vorhaben an
einem Knaben ausführen wollen und dabei den Umstand
im Auge gehabt, daß ihm das Verzehren eines Körper-
tbeils ein langes Leben verschaffen werde. Da sei ihm
Erich Klinger entgegengetreten, habe nach der Zeit gefragt
und mit ihm den Weg nach einer Vertiefung in den
Sandbergeu unternommen. Hier sei der Würgeaet ohne
Weiteres erfolgt, und Faustschläge hätten den vollständigen
Tod herbeigeführt. Dann habe er mit dem Taschenmesser
einen Körpertheil von der Leiche losgelöst, um ihn zu
essen, wisse aber nicht, ob er dies ausgeführt habe; denn
ein Feuerwehrmann habe ihn beobachtet und überrascht.
Auf der Flucht sei er an einen Draktzaun gelangt, wo
ihn Maurer, die an einem Ererzierschuppen arbeiteten,
festhielten und an die Polizei auslieferten.
— (Gatten m ord). In der Nacht vom Dienstag
auf Mittwoch gegen 3 Uhr meldete sich auf der Polizei
zu D t. Krone der Arbeiter Albert Klawitter von Berlin
mit der Nachricht er habe seine Frau erstochen. Die so-
fofortige Besichtigung ergab, daß die Frau eine große An-
zahl von Stichwunden darunter zwei lebensgefährliche,
erhalten hate. Klawitter gab an, daß er mit seiner Frau
schon längerer Zeit in Unfrieden gelebt und deßhalb be-
schlossen habe sie zu ermorden und sich dann selbst das
Leben zu nehmen. Sein Vorhaben gelang ihm nur halb;
denn nach dem begangenen Mordversuch sei er erst längere
Zeit auf dem Breitensteiner Wege umhergeirrt und dann
in den Schloßsee gesprungen um sich zu ertränken, was
ihm jedoch nicht gelang, da er schwimmen konnte. Dann
habe er sich nach der in der Nähe befindlichen Sandgrube
begeben, um durch Verschütten seinem Leben ein Ende zu
machen. Hier sei er aber gestört worden. Schließlich
sei er durch eine 40 Centimeter weite Röhre eines Durch-
laßgrabens gekrochen, um durch Ersticken seinem Dasein
ein Ziel zu setzen. Nach einiger Zeit habe ihn jedoch
die Neue über seine That ergriffen und er habe sich deß-
halb der Polizei gestellt.
— (Verunglückung zweier Kinder.) Aus
Wien wird berichtet: Ein schrecklicher Unglücksfall er-
eignete sich gestern (Montag) Nachmittags in der Kriegler-
gasse auf der Landstraße: zwei kleine Kinder fanden näm-
lich plötzlich den Tod durch Sturz aus einem Straßen-

fenster des dritten Stockwerkes. Die unglücklichen Kinder,
beide Mädchen, gehörten dem Kutscher Ferdinand Manz,
der in der Krieglergasse Nr. 5 im dritten Stockwerke eine
Gassenwohnung bat. Das eine zählte 4, das andere 2
Jahre. Es waren reizende Geschöpfe; blond, rothwangig,
kugelrund und von frischester Munterkeit. Die Eltern
hingen an ihnen mit außerordentlicher Zärtlichkeit und
waren ganz stolz auf die ebenso hübschen als klngen Ge-
schöpfe. Das Unglück geschah kurz nach 2 Uhr. Manz
war eben fortgegangen, seine Frau mit den beiden Mädchen,
Hermine und Mitzi, allein. Sie mußte nur für einige
Augenblicke das Zimmer verlassen, um das Geschirr in
der Küche zu waschen und zu diesem Zwecke Wasser aus
der Leitung auf dem Korridor zu holen. So befanden
sich die Kinder in dem Zimmer ohne Aufsicht. Da thaten
sie denn, was sie schon oft, wenn sie unbewacht waren,
jeder anderen Art von Zerstreuung vorgezogen hatten:
Hermine, die Aeltere, rückte ein „Stockerl" an das Fenster,
stellte vorerst ihr Schwesterchen auf dasselbe und folgte
hierauf nach. Die Fenster waren geschlossen und da, wie
gesagt, der Vater erst vor wenigen Augenblicken das Haus
verlassen hatte, machte sich die Größere daran, dasFenster
zu öffnen, und dem Vater nachzublicken. Und es gelang
leicht; die Fensterflügel waren nur durch einen gewöhn-
lichen Haken verbunden und man brauchte also bloß den
Haken fortzuschieben und der Flügel stand offen. Ja,
Hermine, die Altere, stieß noch extra den Fensterflügel zurück
und sie und ihr Schwesterchen sahen, die Köpfchen eng anein-
andergepreßt und über die Brüstung geneigt, auf die
Straße hinunter. Wie sie sich dabei hin- und herdrängten
und, uni besser zu sehen, sich immer weiter über die
Brüstung schoben, verloren Beide das Gleichgewicht und
fielen gleichzeitig hinab und die Mutter, die unendlich
Bedauernswcrthe, trat gerade in diesem Momente zur
Thür herein und sah mit eigenen Augen das Unglück
der Kinder. Sie fuhr zurück und wollte über die Stiege
hinunter — brach aber nach wenigen Schritten ohnmächtig
zusammen. Unterdeß waren auf der Straße bereits zahl-
reiche Personen damit beschäftigt, die beiden Kinder vom
Platze fortzubringen. Dieselben lagen wenige Schritte von
einander entfernt auf dem Fahrweg. Knapp an der Stelle
wo sie niederfielen, ging im kritischen Augenblick eine
80jährige Frau vorüber, die vor Schreck förmlich gelähmt
stehen blieb. Die Kinder athmeten noch; der im Hause
wohnhafte Trafikant Pohanka nahm das ältere, eine
andere Frau das zweite der sterbenden Kinder auf den
Arm und trugen sie ins Haus. Das eine Kind war auf das
Hinterhaupt, das zweite auf die Stirne gefallen. Beiden
war die Schädeldecke zertrümmert . . . Das ältere starb
noch während des" Transportes, das jüngere später im
Spital. Nnn bleibt aber noch eine neue Schrecklichkeit zu
verzeichnen. Als Manz nach Hause kam, fand er sein
Frau im Bette, unter strenger Aufsicht, da man befürchten
mußte, daß sie sich ein Leid anthue; ihr Zustand wechselte
zwischen Exaltation und völliger Apathie und man fürchtet,
daß sie wahnsinnig werden könnte. Manz geberdete sich
ebenfalls wie ein Verzweifelter, er schrie und tobte . . .
Dann aber wurde er scheinbar ruhig, aber eben nur schein-
bar. Er nahm seinen neunjährigen Sohn und erklärte,
nie mekr diese Wohnung betreten und nie zu der Frau
zurückkehren zu wollen, die schuld daran sei, daß er das
Tkeuerste verloren. Wer will mit dem Schmerze des
unglücklichen Vaters ins Gericht gehen? Aber wenn er
zur Besinnung kommt, wird er wohl cinsehen, daß er
seiner unendlich bedauernswerthen Frau schweres Unrecht
zufügt. Die Frau hat ja nicht aus Leichtsinn die Kinder
allein' gelassen. Es ist ja die traurige Wahrheit, daß die
Frau des Arbeiters ihren Kindern nicht so gehören kann,
wie die Frauen aus anderen Ständen. Sie hat keine
Mithilfe, sie muß Alles im Hause allein thun. Sie muß
die Kinder trotz aller Drohungen des Gesetzes schier
stündlich dem Zufall überlassen und kein Dienstbote ist
da, der ihr ihre Kinder überwachen kann. Wie sollte
der eigene Mann da der so schwergeprüften Mutter gegen-
über hart und verständnißlos sein? — Wie man spät
Abends berichtet, ist die unglückliche Frau auf das Be-
obachtungszimmer des Allgemeinen Krankenhauses gebracht
worden._
Neueste Nachrichten.
Berlin, 18. Mai. Der Führer der deutsch-
frei s i nn i g en Partei wird demnächst in Heidelberg
öffentlich sprechen. Näheres noch unbestimmt.
Karlsruhe, 17. Mai. Der Großkerzog kütet
wegen Unpäßlichkeit seit gestern das Zimmer.
Berlin, 17. Mai. Die für den Monat Juni an-
gesetzten Hebungen der Reserve und Landwehr wurden
bis Anfangs Juli verschoben.
Prag, 17. Mai. Der Statthalter erhielt die tele-
graphische Mittheilung aus Wien, daß der Landtag
auf Grund allerhöchster Ermächtigung geschlossen wird.
Prag, 17. Mai. Auch die kiesigen Hochschüler
haben sich heute zahlreich versammelt und einen Protest
gegen die Militärbehörde, sowie eine Petition an
das Abgeordnetenbaus unterzeichnet.
Newyork, 18. Mai. Nach Meldungen aus Obio
herrscht dort seit Sonnlag ein heftiges Unwetter. Ein
Transportschiff und zwei Schooner sind auf dem Erie-
See untergegangen. Man befürchtet, daß noch andere
Fahrzeuge Schiffbruch gelitten kaben. Soviel bisher be-
kannt ist, sind 12 Personen ums Leben g e-
k 0 m m e n.
 
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