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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 121 - No. 130 (24. Mai - 4. Juni)
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zur weiteren Erhaltung des Friedens günstigen Umstände
ungeschwächt andauern. Andererseits hat sich die Lage
aber auch darin nicht geändert, daß meine Regierung im
Interesse der Sicherheit und vollen Wehrfähigkeit der
Monarchie unentwegt für seine Pflicht hält, die systema-
tische Weiterentwicklung der Organisation und Schlag-
fertigkeit des Heeres und der Kriegsmarine zur Durch-
führung zu bringen. In den Vorlagen war die Kriegs-
verwaltung beflissen, ihre Anforderungen in jenen Grenzen
zu halten, welche unsere finanzielle Lage zuläßt. Diese
Anforderungen bezwecken schon seit Jahren eine unbedingt
nothwendig anerkannte, in allen Zweigen gleichmäßig
erfolgende Entwicklung und Stärkung der Wehrmacht,
wobei mit Rücksicht auf eine ungestörte Wahrung des
Gleichgewichtes im Staatshaushalte eine entsprechende
Vertheilung der Lasten auf die nachfolgenden Jabre in
Aussicht genommen wurde.
Wien, 27. Mai. Beim Empfange der ungarischen
Delegation bemerkte der Delegirte Abranyi, daß
die Delegationen ihre Arbeiten unter günstigen Auspizien
beginnen, nackdem die Wolken am politischen Horizont
verflogen seien und Friede herrsche. Der Kaiser lächelte
und sagte: „Ja, Gott sei Dank, es kostet aber zu viel,
übrigens gibt man in anderen Staaten noch mehr aus
als bei uns."
Frankreich.
Paris, 27. Mai. Auf Wunsch der Regierung haben
die französischen Eisenbahnen die Frachten
auf Fourage um 15 Procent ermäßigt. Den Landwirthen
soll damit die Möglichkeit gegeben werden, die Folgen der
Trockenheit besser zu ertragen. Nach amtlichen Aus-
weisungen muß man eine Fourageeinfuhr besonders aus
Oesterreich erwarten.
Serbien.
Belgrad, 27. Mai. Beim Empfange des serbischen
Specialgesandten Oberst Pantelic hat Kaiser Wil-
helm in Bezug auf den Staatsstreich des Königs Ale-
xander folgende verbürgte Aeußerung gethan: „Das
schneidige Unternehmen des jungen Königs, dem meine
vollen Sympathien gehören, hat geklappt wie auf dem
Ererzierfelde."
Belgrad, 27. Mai. Alle jene Personen, die bei
der Ausweisung der früheren Königin Na-
talie für dieselbe Partei genommen haben, deren Aus-
weisung verhindern wollten und deßhalb nachher verurtheilt
wurden, sind heute durch einen Ukas amnestirt worden.
— Premierminister Dr. Dokitsch wurde von dem König
mit dem Weißen Adlerorden ausgezeichnet.
Bulgarien
Tirnowo, 27. Mai. Die Sobranje nahm sämmt-
liche Artikel des Gesetzentwurfes betreffend die Abände-
rung der Verfassung in dritter Lesung einstimmig
an. Schluß der Session findet am 31. Mai statt.
Die Reichstags Wahlbewegung.
Karlsruhe, 27. Mai. Lenders Wahl scheint ge-
sichert; auch der clcrikale Reichstagsabgeordnete Reichert
hat sich für die Wiederwahl Lenders ausgesprochen.
Karlsruhe (Baden), 27. Mai. Im vierten Wahl-
bezirk candidirt seitens des Centrums der Landtagsab-
geordnete Landwirth Schüler.
Mannheim, 28. Mai. Pfarrer Wacker sprach heute
vor einer zahlreich besuchten Centrumsversammlung
für die Kandidatur Muser unter großem Beifall der
Zuhörer.
Weinheim, 28. Mai. Die von der demokratischen
und freisinnigen Partei des Wahlkreises entfaltete Agi-
tation gewinnt täglich an Boden. Kandidat Muser
sprach heute und gestern in verschiedenen Orten der Berg-
straße und erzielte namentlich in Weinheim, die bis-
herigen Hochburg der Nationalliberalen, glänzenden Erfolg.

Zweifellos gelangt Muser in Stichwahl, in welcher dann
der Sieg sicher sein wird.
X Schönau, 29. Mai. Nachdem vor einigen Tagen
die nationalliberale Partei eine Wahlversammlung hier
abgehalten, fand eine solche gestern Nachmittag auch seitens
der freisinnigen Volkspartei im „Roß" statt und war die-
selbe ungemein zahlreich besucht. Nachdem Herr Prof.
Ost ho ff die Versammlung mit einer Begrüßung der
Anwesenden eröffnet und u. a. bemerkt hatte, daß zwar
das Thema die Militärvortage, jedoch auch noch andere
Punkte, insbesondere das Wahlrecht betreffe, ertheilte er
dem Candidaten Herrn Dr. Gehrke aus Frankfurt das
Wort. Derselbe verbreitete sich zunächst über die Mili-
tärvorlagc und machte geltend, daß dieselbe von vornherein
von allen Parteien abgelehnt worden sei. Er citirte hier-
zu die Auslassungen der Nationalliberalen Bassermann
uno Dietz in Mannheim. Später erst sei von jener
Seite die Schwenkung vorgenommen worden. Redner
stellte dann die Heeresstärke von 1870 und jetzt, sowie
die des Dreibundes gegenüber Frankreich und Rußland in
Vergleich. Auch wies er auf hervorragende Autoritäten
wie Bismarck, Caprivi u. A. hin, die s. Z. unsere Armee
als die bestgeschulie der Welt bezeichneten. Bezüglich der
Rekrutenaushebung, uamenlich auf den, Lande wies Redner
auf den daraus folgenden Nachtheil für die Landwirth-
schaft hin. Des Weiteren beleuchtete Redner die Börsen-,
Bier-, Branntwein- und Lurussteuer. Auch auf die Wahl
von 87 und die Verfassungsänderung, die die Reichstags-
wahlperiode von 3 auf 5 Jabre festsetzte, kam derselbe
zu sprechen. Mit der Mahnung, dem rechten Candidaten
seine Stimme zu geben, schloß Redner seinen beifällig aufge-
nommenen Vortrag. Dasich NiemandweiterzumWort meldete,
sprach Herr Prof. Osthoff noch kurz über einige Punkte. So
wies er auf die Volksversammlung im Bandhaus hin, ferner
auf die nationalliberale in Handschuhsheim, wo man
einen Brief Herbert Bismarks verlesen habe, weil der-
selbe sich für die Vorlage ausspreche, dagegen vom Fürsten
Bismarck als Gegner derselben geschwiegen habe. Mit der
Aufforderung, dem freis. Candidaten Herrn Dr. Gehrke am
15. Juni die Stimmen zu geben und mit einem Hoch
auf das freiheitliche deutsche Vaterland schloß Herr Prof.
Osthoff die Versammlung.
^5 Ziegelhausm, 29. Mai. Auch hier fand gestern
Abend um 9 Uhr eine gutbesuchte freisinnige Versamm-
lung im „Steinbacher-Thal" statt. Nachdem dieselbe von
Herrn Prof. Osthoff eröffnet worden war, entwickelte der
Kandidat Dr. Gehrke aus Frankfurt sein Programm,
worin er u. a. die 2-jährige Dienstzeit gesetz-
lich festgestellt, ebenso die Emissions-Anleihe besteuert
wissen will. Des Fernern sprach er noch über Bier-,
Branntwein und Lurussteuern. Hierauf entspann sich
zwischen den anwesenden nat. Herren Professor Egenolff
und Ueberle-Heidelberg und den Herren Prof. Osthoff u.
Dr. Gehrke eine lebhafte Discusston, bei welcher erstere
offenbar, namentlich in Anbetracht der scharfen Antwort
Dr. Gehrke's den Kürzeren zogen. Um 11 Uhr schloß
die Versammlung.
Würzburg, 27. Mai. Kandidat der deutschen
Volkspartei im Wahlkreis Schweinfurt ist Georg
Zweck, Landwirth und Bierbrauer in Rockendorf. Sämmt-
liche Wahlkreise Unterfrankens sind jetzt mit Kandidaten
der deutschen Volkspartei besetzt.
Stuttgart, 27. Mai. Im 6. Wahlkreis stellten die
D eutsch partei ler den Staatsanwalt Rupp in
Ravensburg auf; er nahm an.
München, 29. Mai. JnPfass en berg, Wahlkreis
Kelheim, sprach Sigl vor mehr als zweitausend Bauern
sehr erfolgreich und wurde stürmisch zum Reichstags-
candidaten proclamirt. Es war kein Gegner bemerklich.
Guuzenhause«, 29. Mai. Eine große Wählerver-
sammlung proklamirte einstimmig den Volksschullebrer

für Gunzenhausen-Dinkelsbühl.
Nürnberg, 27. Mai. Rechtsanwalt Beckh hier
nahm die freisinnige Reichstagscandidatur in Koburg an.
Trier, 27. Mai. Das Centrum stellte in den
Wahlkreisen Saarbrücken und Ottweiler Rechts-
anwalt Görtz-Trier und Graf Schulenburg auf.
Essen a. b, Ruhr, 27. Mai. Von den National-
liberalen und Konservativen wurdeKommerzienrath Krupp
als Reichstagscandidat für Essen aufgestellt.
Berlin, 27. Mai. v. Levetzow, der bisherige
Reichstagspräsident, candidirt wieder in Königsberg,
in der Neu mark.
Berlin, 27. Mai. Eugen Richter wurde von
einer Versammlung des vierten Wahlkreises auch als Kan-
didat dieses proklamirt.
Aus MuH unö Jern.
* Karlsruhe, 27. Mai. Jn'der jüngst stattgefundenen
Sitzung der ständigen Tarifcommission deutscher Eiseu-
badnverwaltungen, in welcher über einheitliche Zusatz-
bestimmungen zum Personen- und Gepäckverkehr verhandelt
wurde, gelangte, dem Vernehmen der „Badischen Korre-
spondenz" zur Folge, ein Antrag Bayerns, die Gültigkeits-
dauer der Rückfahrten allgemein auf 10 Tage zu erstrecken
mit überwiegender Mehrheit, zu der auch der Vertreter
der badischen Staatsverwaltung gehörte, zur Annahme.
Es wird daher ein dahingehender Vorschlag Seitens der
ständigen Tarifcommission der Generalversammlung der
deutschen Eisenbahnverwaltungen zur Annahme unter-
breitet werden.
chh Handschuhsheim. 29. Mai. Unser Mitbürger,
Herr Peter Wittmann hatte das Unglück, heute Morgen
beim Kirschenpfücken von einer Leiter, die brack, herab
zustürzen, wodurch derselbe schwere Verletzungen am Kopfe
erlitt.
* Schwetzingen, 27. Mai. Hier verstarb heute oer
bekannte Dichter und Reiseschriftsteller Professor Stöckle,
Vorsitzender des deutsch-österreichischen Scheffelbundes.
Professor Stöckle war am 19. December 1844 in Guten-
stein geboren. Er war Herausgeber des Scheffeljahrbuches:
„Nicht rasten und nicht rosten." Seine Schriften sind
zahlreich und gehören überwiegend der Reiseliteraturj an.
Ihm verdanken wir auch mehrere vorzügliche Schilderungen
über Victor v. Scheffel und Erläuterungen zu dessen
Werken.
* Eberbach, 28. Mai. Daß Kinder ihren besonderen
Schutzengel beim Fallen haben, bewies gestern wieder ein
hier vorgekommener Fall. Ein etwa 1 Cz Jahre altes
Kind siel aus dem Fenster eines dritten Stockes in der
Kirchenstraße auf das gepflasterte Trottoir, und zog sich
dabei nur eine unbedeutende Hautabschürfung am Kopfe zu.
* Nieder-Jugelheim, 27. Mai. Ein Herr Odern-
heimer von hier hat, ähnlich wie der Schneider Dome in
Mannheim, einen „kugelsicheren Stoff" erfunden und dem
Kriegsminister in Berlin Proben vorgelegt. Vor einigen
Tagen erhielt Herr Odernheimer eine Mittbeilung des
Kriegsministeriums, nach welcher in der Schießschuie zu
Spandau Versuche mit dem von ihm erfundenen Stoff
gemacht werden sollen; gleichzeitig wurde dem Herrn
Odernheimer auferlegt, über seine Erfindung keine weitere
Mittheilungen zu machen. (Hoffentlich macht Odern
Heimer nicht die Erfahrungen des Herrn Dome, ven viele
Blätter zu früh zum Millionär avanciren ließen.)
* Lübeck, 28. Mai. Der Mitdirektor der Lübeck-
Büchener Eisenbahn, Regierungsassessor a. D- Krieger,
ist infolge Sturzes vom Pferde heute verstorben. Krieger,
ein Sohn des Oberzolldirektors Krieger in Altona, ist
seit 2 Jahren bei der Eisenbahn.
* Lübeck, 27. Mai. Ein Blitzstrahl zündete in oer
Domäne Altbauhof bei Dargun. Die Wirthschaftsge-

Dcchlen im Garten seien. Mechanisch richtete sie ihre Schritte
dorthin. Einen Augenblick lang hatte sie den Gedanken, sich
als unwohl entschuldigen zu laste« und aus ihr Zimmer zu-
rück zu ziehen, aber nein, sie verwarf diese Idee sofort. Es
war, als ob eine geheime Macht sie vorwärts triebe, immer
weiter, immer näher dem Verhängniß entgegen.
Als Georgine sich dem gewohnten Platze näherte, sah sie,
daß Ahlbeck und ihr Sohn fehlten. Mur der Fremde saß bei
Herrn von Dahlen und sprach mit ihm im Flüstertöne. Die
stolze Fra« blieb wie festgsbannt stehen; sie konnte das Ge-
sicht des Fremden im Profil sehen und diese blassen, vorzeitig
gealterten Züge riefen gar seltsame Erinnerungen in ihr wach.
„Mein Gott, mein Gott," flüsterten unwillkürlich ihre
bleichen, bebenden Lippen, „wenn er es wäre, dann bin ich
rettungslos verloren!"
Sie wagte eS nicht, einen Schritt vorwärts zu machen
und fliehen — nein — das konnte, das mochte sie nicht. Un-
beweglich stand sie da, die starren Blicke unverwandt auf den
Fremden gerichtet. Jetzt, jetzt hob er das gesenkte Haupt
empor — ein heftiges Zucken ging durch sein blasses Gesicht,
er hatte Georgine gesehen, erkannt.
Sie wankte und ihre Hand griff in die Luft um eine
Stütze zu suchen: doch im nächsten Momente stand sie schon
wieder aufrecht da.
Der Fremde erhob sich und trat auf sie zu.
„Frau von Dahlen, erkennen Sie mich?" fragte er mit
schneidender Schärfe in Blick und Ton.
Sie rang nach Athem, die Kehle war ihr wie zugeschnürt,
wie Blei lag's ihr auf der Brust, sie konnte kein Wort her-
vorbringen. Georgine sah zu ihrem Gatten hinüber, bleich,
reglos wie ein Todter lehnte er in seinem Stuhle.
Jetzt hob er die gesenkten Lider, ein langer, vorwurfs-
voller Blick traf die schuldbeladene Fra«, noch einmal raffte
sie sich aus.

„Was soll das heißen? Ich kenne Sie nicht, mein Herr,"
schleuderte sie dem Frager hochmüthig entgegen.
„Sie kennen mich nicht? Dann will ich Ihrem Gedächt-
nisse zu Hilfe kommen. Lange Jahre sind es freilich her und
ich >m>g mich sehr verändert haben, Sie aber sind sich gleich
geblieben — gleich in Ihrer Schönheit, gleich in Ihrer kalten
Herzlosigkeit, die alles mit Füßen trat, was ihr im Wege
stand. Als arme, kaum fünfzehnjährige Waise kamen Sie in
unser Haus. Man kain Ihnen mit Liebe und Güte entgegen
— wie schlecht haben Sie dieselbe gelohnt? Sie waren die
Gespielin meiner Schwester, Sie theilten alle Freuden, alle
Vergnügen mit ihr und als die Zeit heran kam, daß meine
Schwester in die Gesellschaft eingeführt wurde, genossen Sie
mit ihr die gleichen Vorzüge. Sie waren auck unendlich
dankbar für alle diese Wohlthaten, dann als meine Schwester
Braut wurde, machten Sie ihr den Verlobten abwendig und
entflohen eines Tages mit ihm kurze Zeit vor der schon be-
stimmten Bermählungsfeier. Meine arme Schwester hatte
Sie geliebt, sie hatte ihren Verlobten mit leidenschaftlicher
Liebe umfangen, ein Umstand, den Sie genau wußten, sie
konnte diese doppelte Enttäuschung nicht verwinden — wie
eine welke Blume siechte sie dahin, ihr Hochzeitskleid ward
ihr zum Todtenschmucke. Damals schwor ich mir zu, Sie
aufzusuchen, mich an Ihnen zu rächen, denn auch mich hatten
Sie doppelt getroffen — in meiner Schwester, in mir selbst,
denn ich liebte Sie und glaubte mich von Ihnen wieder ge-
liebt. Meine Nachforschungen blieben vergebens, ich fand
Sie nicht; erst nach Jahren brachte mich der Zufall in Ihre
Nähe. An der Riviera war's; Sie waren damals gerade
die Frau eines gewissen Norbert Hellmuth geworden und
spielten nun die vornehme Dame mit großem Geschick. Eine
schwere Krankheit, die mich befiel, entrückte Sie meinen Be-
obachtungen. Als ich genas, waren Sie schon weit weg und
einige Zeit hörte ich nichts von Ihnen. Dann erhaschte ich
doch Ihre Spur; Sie waren immer tiefer gesunken. Ihr

Gatte hatte sich als Abenteurer entpuppt, als ein verwegener
Spieler, der von Ort zu Ort reiste, um seine verderbliche
Kunst auszuüben. Ihre Schönheit mußte dazu dienen, die
Vögel ins Garn zu locken und^Jhrem hochmüthigen Sinne
mochte dies wohl die ärgste Strafe gewesen sein, denn stolz
und hochmüthig, das waren Sie immer gewesen. Als ich /
Sie auf einer so tiefen Stufe wieder fand, da gab ich den Ge -
danken der Rache auf, denn das Schicksal hatte sich genug a« i
Ihnen gerächt. Einige Jahre später kam ich wieder mit
Ihrem Gatten zusammen; er führte einen anderen Namen ,
und lebte in geordneten Verhältnissen, doch Sie waren nicht j
mehr bei ihm. Ich hörte sogar, daß er Wittwer sei und
glaubte Sie nun todt. Jahre gingen darüber hin, ich hatte
noch immer nickt vergessen, aber ich dachte Ihrer als einer
Verstorbenen, die keine irdische Gerechtigkeit mehr erreiche«
kann. Da traf ich vor ungefähr einem halben Jahre wie-
der mit Ihrem Gatten zusammen, er hatte ein junges Mäd-
chen bei sich, das er seine Tochter nannte — man nannte
ihn Herr von Molitor und seine Tochter Melitta. Näheres
erfuhr ich nicht über ihn, kümmerte mich auch nicht darum,
bis ich Herrn von Ahlbeck, den ich vor einiger Zeit kenne«
gelernt, auf seinem Gute besuchte.
Unter den Bildern, welche Ahlbeck's Zimmer schmückte«,
fand ich auch eine Photographie, eine Gruppe, Vater, Mut
ter und Sohn. Ich erkannte Sie, Georgine, auf den erste«
Blick, denn die langen Jahre waren schonend, fast spurlos
an Ihnen vorüber geglitten. Auf mein Befragen er-
fuhr ich, daß Sie die Gattin de» Herrn von Dahlen seiest
aber keinem Menschen war bekannt, daß Sie schon verher
rathet gewesen, ehe Sie dieFrau.Herrn von Dahlen's wurde«
Ich vermuthete ein neues Ränkespiel von Ihnen und ich .
beschloß zu warnen, denn gewiß hatten Sie Herrn von Dahle«
getäuscht, wie Sie schon jo viele Andere getäuscht haben "
(Fortsetzung folgt.) S,6 küct
 
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