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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 121 - No. 130 (24. Mai - 4. Juni)
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vaude und tausend Schaft ver-
brannten.

* Metz, 27. Mai. In Dieuze erschoß sich Haupt-
mann Richter vom 136. Infanterie-Regiment. Anlaß
hierzu soll ein dienstlicher Tadel gewesen sein, der dem
Hauptmann am gleichen Tage bei der Anwesenheit des
kommandirenden Generals des 15. Armeecorps von seinem
Vorgesetzten ertheilt wurde. Um 12 Uhr kehrte Richter
vom Ererzirplatze zurück, schrieb, wie man sich erzählt,
einen Brief an seinen Obersten und um 121/4 Uhr war
er schon todt.
* Wien, 27. Mai. Der hiesige Fabrikant chemischer
Producte Ruß, der in guten materiellen und Familien-
verhältnissen lebte und mit einem 22jährigen Mädchen
verlobt war, reiste nach Pola, wo er am Meeresstrande
Gift nahm und sich eine Kugel durch den Kopf jagte.
In einem Schreiben an seine Eltern wird die That mit
dem durch Spekulationen herbeigeführten Verlust seines
Vermögens motivirt. Vor seinem Selbstmord sandte Ruß
an seine Braut in einem Brief Blausäure und rieth ihr
sich ebenfalls den Tod zu geben. Das junge Mädchen
wurde heute im Bette todt aufgefunden.
* Äus Ungarn, 28. Mai. In Sikula mischte
die Köchin des Grundbesitzers Israel Berger Arsenik in
das Mittagessen; durch den Genuß desselben wurde der
Dienstgeber, seine Frau, zwei Kinder, eine Erzieherin und
zwei Dienstboten vergiftet. Der Zustand der Vergifteten
ist ein besorgnißerregender. Das Motiv der schrecklichen
That soll Rache sein.
* Rouen, 27. Mai. Für 80000 Francs Schmuck-
sachen wurden neulich Nachts bei einem hiesigen Juwelier
gestohlen. Bis jetzt hat man von dem Thäter noch nicht
die geringste Spur.
* Aus Italien, 27. Mai. In Ospedaletti bei
Neapel, am Fuße des Montevergine, wo sich eine Wall-
fahrtskirche befindet, siel, während einer Procession ein
schweres Unglück vor. Ein auf dem Hauptplatze errichteter
Altar fing Plötzlich Feuer, was einen unbeschreiblichen
Schrecken zur Folge batte. Infolge Drängens der Menge
stützte eine Tribüne ein, auf welcher sich etwa 50 Per-
sonen befanden; fünf derselben blieben todt, 26 erlitten
schwere, theilwese lebensgefährliche Verletzungen.
* Brüssel, 27. Mai. Die „Jndöpendence Belge"
meldet, es sei die vollständige Aufdeckung des Juwelen-
diebstahls beim Grafeu Flandern gelungen. Der in
Leipzig verhaftete Belgier Rueller nannte die Namen
sämmtlicher Complicen und machte belastende Angaben
über den in London verhafteten James White. Rueller
erklärte, daß Bedienstete des Grafen von Flandern bei
der Verübung des Diebstahls Helfershelferdienste geleistet
haben. Die Polizei weiß nunmehr, wo die meisten ge-
stohlenen Juwelen sich befinden.
* Bukarest, 27. Mai. Ein hiesiger Herr, Petrescu,
hat eine Erfindung gemacht, die von großer Tragweite ist.
Sic besteht in einem Apparat, der es ermöglicht, jeden
Eisenbahnzug sofort zum Stillstehen zu bringen und da-
durch einen Zusammenstoß zu vermeiden. Die neue
Bremse wird schon in kurzer Zeit bei den rumänischen
und belgischen Eisenbahnen eingeführt werden.
* Newyork, 27. Mai. Wie aus Fostoria gemeldet
wird, hat der ehemalige Schatzsecretär Foster gestern seine
Zahlungen eingestellt. Die Passiva belaufen sich auf
600 000 Dollar, die Activa auf fast ebensoviel. Das
Bankhaus Foster u. Co. stellte heute Vormittag seine
Zahlungen ein.
* Madrid, 29. Mai. Aus Atarfe in der Provinz
Granada werden Ruhestörungen gemeldet, die ihren
Grund in örtlichen Streitigkeiten haben. Eine größere
Menschenmenge drang in die Bureaus der städtischen
Behörden und des Friedensgerichts und steckte die Möbel
in Brand. Die Gendarmerie zerstreute die Aufrührer.
Die Erregung dauert jedoch fort.
* Newyork, 27. Mai. Als die Infantin Eulalia
gestern auf der Staatsyacht „Dolphin" die im Hafen
ankernden drei Caravellen besichtigte und diese 21 Salut-
schüsse abgaben, erplodirte die Kanone auf der „Santa
Maria". Die Eisenstücke flogen umher und ein Lieute-
nannt wurde am Auge, ein Matrose an der Hüfte verletzt.
* Chicago, 27. Mai. Der Bundesanwalt reichte
beim Gericht gegen die Ausstellung eine Klage auf
Sonntagsschließung ein. Die Verhandlung findet Dienstag
statt. Die Ausstellung ist morgen offen. Nachdem die
Hotels und Restaurants billiger geworden sind, wird all-
gemein eine Herabsetzung der Eisenbahntarifc gefordert.

Loccrte Mittheikrngen.
Heidelberg, 29. Mai-
HH (Univerfitätsnachricht.) Der Privatdocmt für eng-
lische Philologie an der hiesigen Universität Dr- I- Schick ist
tum außerordentlichen Professor ernannt worden.
b^l.* (Militärische Bekanntmachung.) Dem neuesten
Armee-Verordnungs-Blatt zufolge haben die Landwehr-Bezirks-
siommandoS alsbald das Erforderliche zu veranlassen, um die-
jenigen in ihren Bezirken ansässigen invaliden Mannschaften
vom Feldwebel rc. abwärts fcstzustellen, welche auf Grund des
Aiilitär-Pensionsgesetzes vom 27. Juni 1871 als Invaliden an-
erkannt sind und folgenden Bedingungen entsprechen: 1. die
Kriegszulage gemäß 8 71 des Gesetzes vom 27. Juni 1871 be-
ziehen; oder 2. die Zulage für Nichtbenutzung des Civilver-
sorgungSscheins gemäß 8 76 des Gesetzes vom 27. Juni 1871
bezw. 8 12 des Gesetzes vom 4. April 1874 beziehen, am Kriege
1870/71 oder an einem Kriege vor 1870/71 Theil genommen
haben oder seit diesem Kriege durch eine Militärische Action oder
durch Seereisen invalide geworden sind (Marine) und sich nicht
M Genüsse einer Verstümmelungszulage gemäß 8 72 des Ge-
setzes vom 27. Juni 1871 befinden; oder 3. auf Grund der 88 84
und 85 des Gesetzes vom 27. Juni 1871 einer Classeneinschränkung
hinsichtlich des Pensionsbezuges unterliegen- Nähere Auskunft

über diese Angelegenheit wird auf dem Hauptmeldeamt des
hies. Bezirks-Commandos, Kettengasse 12, in den festgesetzten
Meldestunden an Werktagen von 9—12 Uhr Vorm- und 3—5
Uhr Nachm, an Sonntagen von 11—12 Uhr Vorm- ertheilt.
Sämmtliche Militärpapiere, Pensions-Quittungsbücher rc- sind
dabei mitzubringen. Anträge an das Kriegsministerium sind
in dieser Angelegenheit Seitens der betheiligten Personen zu-
nächst nicht zu stellen.
0 Laut Bekanntgabe der Dtratzen- und Bergbahn-
Gesellschaft soll bei den versuchsweise eingeführten Bergbahn-
Abonnementskartcn für Kinder vielfachen Wünschen
entsprechend der Eintrag des Namens und Alters der Kinder
in Wegfall kommen- Ferner soll die Lösung der Stamm-
Nebenkarten ausschließlich an der Kasse der Kornmarktstation
stattfinden. Dagegen wird das Alter der Familienangehörigen,
welche zur Benutzung der Nebenkarten berechtigt sind, von 15
auf 12 Jahre herabgesetzt.
-itz (Concert desDilettanten-Mufikvereins.) Genuß-
reiche Stunden waren es, die am Samstag Abend zahlreich
erschienenen Zuhörern im Gartensaal der „Krone" in Neuen-
heim bereitet wurden durch ein Concert des Dilettanten-Musik-
vereins- Das Programm bot eine Reihe ansprechende, dar-
unter einige reizende Nummern, die unter Leitung des rühm-
lichst bewährten Capellmeisters Herrn Triebel sämmtlich mit
einer Präcision durchgeführt wurden, wie man sic bei einem
Dilettantenverein nicht häufig finden dürfte- Erwähnt seien nur
die 4. Nummer, ein Streichquartett, sodann die von zwei Pistons
prächtig ausgeführte Pisce „Waldvöglein", ferner eine Kava-
tine für Piston-Solo u- s. w. Rauschenden Beifall ernteten
diese Vorträge und mußte mancher mehrmals wiederholt wer-
den- Eine hübsche Abwechslung boten inzwischen verschiedene
humoristische Gesangseinlagen, wie „der gemüthliche Sachse",
vorgetragen von Herrn Dietzsch, dann das komische Duett
„Stimmen aus dem Publikum", das von Herrn Dietrich
vorgetragene „Plakatcouplet" u. s-w- So war der Abend, der
übrigens weit über Mitternacht hin ausgedehnt wurde, in jeder
Beziehung ein höchst unterhaltender nnd vergnügter. Den
Musikern aber insbesondere, die es aus Liebe zur Kunst zu
solch prächtigen Leistungen gebracht, gebührt die vollste An-
erkennung-
-8- (Allerlei.) Gestern wurde einem Dienstmädchen in
der Alten Bergheimerstr. aus dessen Zimmer eine Taschenuhr
und 28 Mark gestohlen. Der Thäter ist unbekannt. — Am
Samsstag Vormittag hatte ein Bäckerbursche in der westlichen
Vorstadt das Unglück, von einer Stiege herabzustürzen und sich
den rechten Vorderarm zu brechen. Derselbe zog sich außerdem
noch sonstige erhebliche Verletzungen zu- — Zwei Gauner ver-
standen es gestern, einem Hausburschen die Uhr sowie den Be-
trag von 9 Mark abzuschwindeln. Der Eine gab sich als
Principal aus, bei dem der Hausbursche in Beschäftigung
treten könne, doch müsse dieser hierfür vorerst als Kaution
obige Pfandobjectc cinsetzen- Nach der Auslieferung der ge-
nannten Gegenstände begaben sie sich in ein hiesiges Restaurant-
Der angebliche Principal bestellte zwei Glas Wein und ver-
schwand unter der Angabe, daß er bei seinem in der Nähe
wohnenden Schneider einen neuen Anzug anprobiren wolle,
auf Nimmerwiedersehen._
Handelsnachrichten.
Heidelberg, 27. Mai. (Marktpreise.) Heu per
Ctr. Mk. 6.- bis -, Stroh per Ctr. Mk. 3.80 bis —.
Butter in Ballen Mk. 1.10 bis —., Butter in Pfd- Mk. 1.40
bis —- Eier per Hundert Mk. 5.— bis 6.—, per Stück 5
bis 8 Pfg., Kartoffeln per Ctr. 2.80 bis 3.— Alk-, per Pfund
3 bis 4 Pfg. Spargeln per Pfd- 25 bis 45 Pfg., Aepfel per
Stück 8 bis 15 Pfg., Birnen per Stück 6 Pfg., Nüfse per
Hdt- 50 Pfg-, Kirschen per Pfd. 8 bis 15 Pfg-, Zwiebeln per
Pfd- 12 bis 15 Pfg., Blumenkohl per Kopf 60 Nfg-, bis
—. Mk- Gurken per Stück 20 bis 50 Pfg-, Mairettig per
3 bis 10 Pfg., Kohlrabi per Stück 5 bis 8 Pfg., Karotten
per Gebund 5 bis 10 Pfg., Erbsen per Pfd- 50 bis 60 Pfg-,
Erdbeeren per Pfd. M-1.20 bis 1-50, Ananas per Pfd- Mk. 2.—
bis Mk. 3.50. Bohnen per Pfd. 80 Pfg. bis 1 Mk-, Gelb-
rüben per Pfd- 12 bis 15 Pfg.

Die „Heidelberger Zeitung" und die Getreidepreise.
In ihrer Nummer 120 vom 25. Mai bringt die „Heidel-
berger Zeitung" eine Zusammenstellung angeblicher Weizen-
preise, woraus hervorgehen soll, daß — wie sie sich ausdrückt —
„die letzten 10 Jahre außerordentlich niedrige, für unsere Land-
wirthschaft geradezu ruinöse Preise" gebracht hätten- Aller-
dings sind die Zahlen, welche die „Heidelberger Zeitung" für
die betreffenden Jahre angibt, sehr niedrige, aber wir fordern
sie auf, mitzutheilcn, woher sie diese Zahlen hat- Hier zu
Lande haben jedenfalls bedeutend höhere Preise gegolten,
und die Zahlen der „Heidelberger Zeitung" könnm, was Baden
betrifft, nur als vollkommen falsch erklärt werden- In
welchem Grad sie von der Wirklichkeit verschieden sind, ergibt
folgende Vergleichung:
Der Weizenpreis war pro 100 Kilo

6

1880
1881
1882
1883
1884
1885
1886
1887
1888
1889
1890

61
35
58
20
98
42
35
39
61

Zeitung" sind zu
niedrig um
Pfg-

70 Pfg.
15 „
Io „
40 „

Nach der
„Heidelb. Ztg.
19 Mk.
20 „
20 „
18 „
16 „
14 „
13 „
14 „
14 „
13 „
14 „
Für
doch zur . .......
theurer nicht laut genug bekannt gemacht werden, — der
Weizenpreis um die Hälfte höher gewesen, als er
in der „Heidelberger Zeitung" angegeben wird-

Nach d-amtlichen*) Die Zahlen d- „Hdb.
Ausweisen derbad-
Regierung
24 Alk- 44 Pfg.
24
23
19
19
18
18
18
19
20
21
1889

niedrig
4 Mk. 74
4
3
1
3
3
4
4

„ 76
„ 50
„ »8
20
„ 68
„ 32
„ 70
„ 64
„ 01
25
und 1890 ist also, und das kann

„ 70
„ 90
„ 35
„ 25
,, 40
d ' J^ h 1889 " —- " ' "
Kennzeichnung der Kampfesweise unserer Brodver-

*) Mitgetheilt in dem „Statistischen Jahrbuch für das
Großherzogthum Baden-

Gerichtszeitung.
* Mannheim, 26. Mai. (Strafkammer III.) Be-
sitzender : Herr Landgerichtsdirektor Weizel. Vertreter
der Großh. Statsbehörde: die Herren Staatsanwälte v.
Dusch und Mühling.
1) Am Abend des 15. Februar d. I. stimmte der
30 Jahre alte Arbeiter Friedrich Schmitt von Reicherts-
hausen in der Wirthschaft zum „Brückenkopf" in Heidel-
berg mit mehreren Genossen ein sozialdemokratisches Lied
an. Ein Gast, der Stadtverordnete Frauenfeld nahm
Anstoß daran, und der Wirth des Lokales verbot das
Weitersingen des LiedeS. Schmitt gerieth darauf mit
Frauenfeld in Streit, wobei er herumspektakelte und einen
eingreifenden Schutzmann der Parteilichkeit zieh. Wegen

Ruhestörung und Schmähung deßhalb zu 10 M. Geld-
strafe (event. 2 Tage Haft) bezirksamtlich und schöffen-
gerichtlich verurtheilt, legte Schmitt Berufung ein, die
aber abgewiesen wird. Dagegen wird der gleichfalls von
Seiten der Großh. Staatsanwalt eingelegten Berufung
stattgegeben und die Strafe Schmitts, der übrigens schon
früher wegen Ruhestörung verurtheilt wurde, auf 30 M.
(event. 6 Tage Haft) erhöht. 2) Der 26 Jahre alte
Taglöhner Peter Knöll von Laudenau und der 21 Jahre
alte Cementirer Friedrich Lauinger von Karlsruhe er-
schwindelten sich durch die falsche Angabe, sie seien am
Heidelberger Bahnhof als Arbeiter eingestellt, im Dez.
v. I. bei den Eheleuten Günther in Heidelberg für
mehrere Tage Kost und Logis im Werthe von circa 14
M. Ferner soll Köll in der Wirthschaft dec Wittwe
Brand in Heidelberg eine Zechprellerei bezüglich eines für
verabreichte Speisen und Getränke zu zahlenden Betrages
von 1 Mk. 60 Pfg. verübt haben, doch wird er heute
in diesem Falle einer betrügerischen Absicht nicht über-
führt. Knöll und Lauinger erhalten wegen jenes ersteren
Betrugs zu der bereits kürzlich gegen sie erkannten über
ein Jahr betragende Gefängnißstrafen Zusatzstrafen von
je 3 Monaten Gefängniß. 3) Der 40 Jahre alte, schon
häufig bestrafte Taglöhner Ludwig Rühle von Eppelheim
ist geständig, am 8., 12. und 15. April d. I. nach
mehrmaliger Uebersteigung einer Bretterwand vom Grund-
stück eines Bauunternehmers in Heidelberg größere
Massen alten Eisens im Werthe von ca. 20 Mark ge-
stohlen zu haben. Das Urtheil des Gerichtshofes lautet
gegen Rühle in Anbetracht der Vorstrafen des Letzteren
auf 1 Jahr 10 Monate Gefängniß und 3 Jahre Ehr-
verlust. 4) Im Sommer 1890 hat der 32 Jahre alte
Makler Karl Jakob Rothenhöfer von Oberjüngern bei
Rückgängigmachung eines von ihm vermittelten Pferde-
verkaufes gelegentlich der Rückgabe der Verkaufssumme
von 550 M. den Betrag von 50 M. unterschlagen,
weßhalb er schöffengerichtlich zu zwei Wochen Gefängniß
verurtheilt wurde. Der Angeklagte hatte den Verkauf
des Pferdes für den Kaufmann Grobe in Neuenheim
übernommen und will an den Käufer, den Fubrmann
Hormuth, eine Forderung für Provisionen in der Höhe
des rückbehaltenen Betrages gehabt haben. Civilgerichtlich
wurde der Angeklagte zu einer solchen Forderung für
nicht berechtigt erklärt. Auch die Berufung des Ange-
klagten gegen jenes schöffengerichtliche Urtheil wird heute
als unbegründet verworfen. 5) Der 22 Jahre alte
Kellner Karl Nösch von Würzburg nahm am 24. April
1890 in dem Gasthaus zur „Glocke" in Heidelberg von
einem Zimmergenossen, dem inzwischen verstorbenen Max
Gläser eine von Letzterem gestohlene Uhr zum Geschenk
an und entwendete wenige Tage darauf in Freiburg einer
Frau Scheuer eine Uhr mit Kette im Werthe von 53
Mk. Wegen Hehlerei und Diebstahls im wiederholten
Rückfalle wird Rösch beute unter Einrechnung einer bereits
gegen ihn-erkannten einjährigen Gefängnißstrafe zu einer
Gesammtstrafe von 2 Jahren Gefängniß und 5 Jahren
Ehrverlust verurtheilt. 6) Am 25. März d. I. gerieth
der 31 Jahre alte israelitische Kaufmann Josef Würz-
burger von Siegelsbach in der Synagoge zu Rappenau
mit einem gewissen Gustav Adler wegen Verrichtung
eines Trauergebetes in Wortwechsel, infolgedessen Würz-
burger unter heftigem Zuschlägen der Thüre hinauseilte.
Wegen Störung des Gottesdienstes angeklagt, wird Würz-
burger heute nur wegen groben Unfugs zu 50
Mark Geldstrafe (eventuell 5 Tagen Haft) verurtbeilt.
7) Die Berufung des wegen Sachbeschädigung und (Über-
tretung des § 366 Ziffer 7 des R.-St.-G.-B- (Werfens
mit einer Weinflasche) schöffengerichtlich zu 1 Woche Ge-
fängniß und 1 Woche Haft verurtheilten Eisendrehcrs
Johann Schmitt von Sulzbach, der sich daselbst am 11.
März d. I. an einem Erceß betheiligte, wird als unbe-
gründet verworfen.
Neueste Nachrichten.
Karlsruhe, 28. Mai. In der heutigen Delegirten-
sitzung des F r e i d e n k e r b u n d e s referirte Gerling-Köln
über die Thätigkeit und die Situation des Bundes, die
günstig sei. Aus den Berichten der Vertreter der Zweige
vereine geht hervor, daß die Mitglieder derselben fast
sämmtlich dem Arbeiterstand angehören. Vor dem Hinein-
tragen politischer Ideen in den Bund warnt Dr. Wille-
Berlin, da gerade die Sozialisten für den Bund nicht
eingenommen find. In den engeren Ausschuß wurden
gewählt: Professor Büchner-Darmstadt, Bruno Wille-
Berlin, Nonn-Hamburg, Dr. Haufe-Meran und Dr.
Rüdt-Heidelberg.
Paris, 28. Mai. Ungefähr 2000 Social ist en
besuchten heute in gewohnter Weise die Gräber der 1871
erschossenen Communards auf dem Friedhöfe Pere Lachaise.
Dort wurden rothe Fahnen entfaltet und mehrere Reden
gehalten unter Hochrufen auf die Commune und die
sociale Reform. Zwischen den Manifestanten kam es zu
einigen Konflikten, doch entleerte sich schließlich der Fried-
hof ohne weiteren Zwischenfall. Die Polizei hatte keine
Veranlassung einzuschreiten.
Kopenhagen, 28. Mai. Eine gestern Nachmittag
bei Odense auf Fuenen abgehaltene, von etwa 1800
Theilnehmern besuchte Versammlung von Landwirthen,
hat die Bildung einer allgemeinen dänischen agrar-
politischen Partei beschlossen, deren Hauptweck die
Herabsetzung der Industrie-Schutzzölle und die
Revision der Gesindevervrdnungen sein soll. Die agrar-
politische Bewegung auf Fuenen und in Jütland hat sich
schon seit längerer Zeit entwickelt und organifirt.
 
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