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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 121 - No. 130 (24. Mai - 4. Juni)
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* Thom, 1. Zum. In dem Grenzstadtchen Gorzn»
Kreis Straßburg, verhöhnten russische Grenzsoldaten den
deutschen Adler. Die russischen Behörden haben dieser-
balb eine strenge Untersuchung eingeleiret.
* Aus Schlesien, 2. Juni. Ein junger Mann
namens König, welcher früher in Kattowitz an der Post
thätig war, hatte eine kleine Blatter an der Zungenspitze,
die er sich durch Schleifen an den Zähnen wund machte.
Des ganz unbedeutenden Schmerzes nicht achtend, rauchte
er mehrere Cigarren hintereinander, und zwar ohne
Spitze. Hierbei kam das sich am Cigarrende ansetzende
Nikotin in die kleine Wunde und verursachte Blutver-
giftung. Trotzdem sofort ärztliche Hilfe in Anspruch ge-
nommen und dem Betroffenen ein Theil der Zunge ab-
geschnitten wurde, war eine Rettung nicht mehr möglich.
Unter unsäglichen Schmerzen mußte der Arme den Genuß
einer Cigarre mit dem Leben bezahlen.
* Paris, 2. Juni. Auf dem Schießplätze bei Le
Mans erplodirte eine Granate. Ein Unterofficier wurde
getödtet, fünf Mann sind schwer verwundet.
* Ans Belgien, 2. Juni. Ein sentationeller Raub
mord wurde in der Ortschaft Marchisnnes verübt. Vier
maskirte Männer drangen in die Wohnung des Mil-
lionärs Depry ein, schlugen diesen, seine Frau und zwei
Töchter nieder und raubten Baargeld und Schmuck im
Werthe von hunderttausend Francs. Die Räuber ent-
kamen.
* Mailand, 2. Juni. In Arezzo (Toscana) re-
voltirten 2000 Bauern wegen des Verbots der Fron-
leichnams-Processton. Ein Officier wurde durch Messer-
stiche verwundet. Eingetroffene Verstärkungen stellten die
Ruhe wieder her. Viele Verhaftungen wurden vor-
genommen.
* Belgrad, 2. Juni. In der Umgegend von Nisch,
Stalac nnd Grejac sind infolge eines Wolkenbruches
große Ueberschwemmungen eingetreten. Die Saaten sind
verwüstet, der Eisenvahnkörper ist durchbrochen, der Ver-
kehr abgeschnitten. Fünf Menschen fanden in den
Wassern ihren Tod.
* Newyork, 2.Jnni. DerNewyork „Harald" meldet ein
Erdbebenin Guayaquil, wobei das Gefängniß einstürzte.
Viele Gefangene wurden unter den Trümmern begraben,
andere entkamen. Das Haus des Gouverneurs, da»
Stadthaus und viele andere Gebäude sind zerstört.
* Chicago, 2. Juni. Die deutsche Abtheilung, worin
die Maschinenhalle sich befindet, wurde gestern eröffnet.
Der deutsche Reichscommissar Wermuth hielt eine An-
sprache. Die Kapelle des deutschen Dorfes spielte. Nach
der Eröffnung fand in deutschen Dorfe ein Festmahl statt.

Freistaates den bisherigen Präsidenten Reitz als einzigen
Kandidaten für die kommende Präsidentenwahl aufgestellt.
Die Wiederwahl des Herrn Reitz werde für wichtig er-
achtet in Hinsicht auf seine Bemühungen wegen Her-
stellung eines südafrikanischen Zollvereins.
London, 2. Juni. Aus Ernis in Irland wird
gemeldet: Auf den Gutsverwalter M o l o n e y bei Tulla
in der Grafschaft Chlare, welcher zur Entgegennahme
des Pachtzinses unterwegs war, wurden von beiden
Seiten der Straße Gewebrschüsse abgegeben. Moloney
ist schwer verwundet. Sieben Personen wurden ver-
haftet. Die Thäter sind jedoch noch nicht ermittelt.
Amerika.
Washington, 2. Juni. Der Staatssecretär empfing
von dem Gesandten in Nicaragua eine Depesche, daß
der Friede wiederhergestellt sei und die neue Regierung
die Geschäfte übernommen habe._
Die Reichstags Wahlbewegung.
O Nußloch, 3. Juni. Die freisinnige Volkspartei
hielt gestern Abend im „Lamm" eine Wählerversammlung
unter Vorsitz des Herrn Verwalter Stührmann von hier
ab, die von über 200 Personen besucht war. In IJ/Z-
stündiger Rede legte der Candidat, Herr Dr. Gehrke
sein Programm dar und fanden die Ausführungen des
Redners, die mit sichtlich sich steigerndem Interesse ausge-
nommen wurden, großen Beifall. Mit einem vom Vor-
sitzenden ausgebrachten und begeistert aufgenommenen Hoch
auf das freiheitlich geeinte deutsche Vaterland wurde die
Versammlung geschlossen.
Stuttgart, 2. Juni. In einer zahlreich besuchten
öffentlichen Versammlung des Volksverein erfolgte
die Aufstellung Friedrich Haußmann als Kandidat.
Ulm, 2. Juni. Im 15. Wahlkreise wurde gegen
Gröber (Centrum) von Seiten der Nationalliberalen der
katholische Rektor Hehle (Ehingen) aufgestellt.
Straßburg, 2. Juni. Abbe Knechly, der bis-
herige Abgeordnete von Chateau-Salins, lehnt eine
Wiederwahl ab.
Metz, 2. Juni. Die Antisemiten hielten eine
Wahlversammlung ab, in der einstimmig Liebermann von
Sonnenberg als Kandidat proklamirt wurde.
Graudenz, 2. Juni. Das Centrum stellte in
Deutsch-Krone Lieber auf. In Schlochau-Flatow ist
Graf Kanitz Kandidat der Konservativen.
Bom Mai«, 2. Juni. In der „Kreuzztg." sagt
sich der bekannte Streiter gegen die Bismarcksche Fronde,
der Freiherr von Fechenbach-Laudenbach, der schon vor
Monaten in einigen Centrumsorganen für die Annahnie
der Militärvorlage eingetreten war, jetzt förmlich vom Cent-
rum los und bekennt sich zu den Anschauungen des
Herrn v. Schorlemer-Alst, „des historischen Führers im
Kulturkampf."
Aus Wutz und Jern.
* Karlsruhe, 2. Juni. Di- Großh. Bad. Zoll-
direction macht bekannt, daß von dem Staatssecretär des
Innern die Entscheidung getroffen ist, daß die durch
Bundesrathsbeschluß vom 3. März vor. Js. mit Ende
December vor. Js. außer Gültigkeit gesetzten Formulare
zu statistischen Anmeldescheinen zu Anmeldungen verwendet
werden dürfen, wenn sie durch Abdruck der neuen Fassung
vor Ziffer 1 der Erläuterungen (Anlagen 2a bis o und e
der Ausführungsbestimmungen zum Gesetz, betreffend die
Statistik des Waarenoerkchrs berichtigt sind.
Haudschuhsheim, 1. Juni. Während des heutigen
Vormittags-Gottesdienstes wurde von einem bis jetzt un-
bekannten Thäter die Wohnung des Maurers Friedrich
Nägele erbrochen und aus einem verschlossenen Schranke
der Betrag von 60 Mk. entwendet. Der Thäter scheint
mit den Oertlichkeiten vertraut gewesen zu sein. Der
Bestohlene empfindet den Verlust um so mehr, als das

Geld zum größten Theil aus sauer ersparten Kirschen-
pfennigen bestand.
v/ Haudschuhsheim, 3. Juni. Heut- früh hatte
der ledige Landwirth Friedrich Elfner, der an Epilepsie
leidet, das Unglück, von einem Kirschbaum herabzustürzen und
sich derartige Verletzungen zuzuziehen, daß an seinem
Aufkommen gezweifelt wird. Der Unglückliche wurde in
das Allg. Krankenhaus nach Heidelberg verbracht.
* Freiburg, 2. Juni. Hier kamen zwei recht be-
dauerliche Unglücksfälle vor. Ein Ijähriger Knabe
gerieth unter einen Pferdebahnwagen, dessen Vorder- und
Hinterräder über den Leib des Knaben gingen und diesen
so verletzten, daß er in bewußtlosem Zustande in das
Spital verbracht werden mußte. Zwei Stunden später
stürzte am Neubau der katholischen Kirche ein „Stühlinger,"
ein 17 Jahre alter Handlanger, von einem Aufzuge her-
unter, und brach beide Arme und erlitt heftige innere
Verletzungen, an denen er auf dem Transport nach der
Klinik starb.
* Trier, 1. Juni. Der aus der Zeit des Bergarbeiter-
streiks bekannte Bergmann Hentschel erschoß seine Frau
und sich selbst. Das Motiv zur That scheint in zerrütteten
Vermögensverhältnissen zu liegen.
* Köln, 1. Juni. Während der Monleichnams-
prozession überfiel ein Unbekannter die Schwester des
Kaplans Müller in der Kaplanei und brachte ihr fünf
Messerstiche bei. Er raubte einiges Geld und entfloh in-
folge der Hilferufe des Vaters des Kaplans. Um in die
Wohnung zu gelangen, hatte der Raubmörder einen Brief
an den Kaplan abgegeben, wofür er eine Bescheinigung
verlangte. Die überfallene Schwester des Kaplans ist
schwer verletzt, lebt aber noch.
* Scheidemiihl, 2. Juni. Eine unverstopfbare Quelle
des artesischen Brunnens für die Häuser mit Wasser.
Fünf Häuser sind geborsten, die Feuerwehr mußte alamirt
werden.
* Chemnitz, 31. Mai. Ein unerhörter Fall von
Selbstmord ist hier vorgekommen. In einer Gießerei
sprang ein 40jährigcr Mann vom Gußboden aus in di-
geschmolzenen Eisenmassen des Schmelzofens, die eine
Hitze von etwa 1600 Grad hatten. Der Leichnam war
in wenigen Augenblicken so vollständig von der Glut ver-
zehrt, daß nichts übrig blieb.
* Berlin, 31. Mai. Viel Aufsehen verursachen in
studentischen Kreisen die Folgen einer Mensur. Der
8tuä. insll. Sch. hatte bei einer Paukerei vor 8 Tagen
einen Schmiß erhalten, durch welchen ihm die linke Backe
geschlitzt und der Backenknochen angeschlagen war. Der
anwesende Paukarzt nähte die Wunde sofort zu, doch
traten später bedeutende Blutungen ein und das ganze
Gesicht schwoll so an, daß der Verwundete sich nach der
königlichen Klinik in der Ziegelstraße begeben mußte, wo
an ihm eine schwierige Operation vorgenommen wurde.
Doch ist es noch fraglich, ob es der ärztlichen Kunst ge-
lingen wird, Sch. am Leben zu erhalten, da die Blut-
vergiftung, um welche es sich hierbei handelt, zu weit
vorgeschritten ist.
* Berlin, 31. Mai. Der „Reichsanzeiger" ver-
öffentlicht eine Bekanntmachung, wonach in dem hiesigen
Institut für Jnfektions - Krankheiten ab Mitte Juni un-
entgeltliche Vorlesungen für practische Aerzte abgehalten
werden. Der Cylus, zu welchem 50 Zuhörer zugelassen
werden, dauert eine Woche. Die Anmeldungen sind an
Geheimrath Koch, Sanitätsstraße 1 zu richten.
* Breslau, 31. Mai. Vorliegende Nachrichten zu-
folge stieß der von Oswiecim kommende Personenzug
gestern kurz vor der Station Laband bei Gleiwitz infolge
falscher Weichenstellung mit dem von Breslau kommenden
Personenzuge zusammen. Eine größere Anzahl von
Passagieren wurde verletzt, ein Personenwagen zertrümmert.
Das Geleise ist vollständig zerstört, der Verkehr gesperrt.
Vom Zugpersonal wurde niemand verletzt.

Locale MitLtzerlungen.
Heidelberg, 3. Juni-
/X (Bürgerausschutz-Sitzung.) In der gestrigen
Bürgercmsschußsitzung, in der 80 Mitglieder zugegen waren,
eröffnete der Vorsitzende Herr Oberbürgermeister Dr. Wilckens,
nachdem er das Collegium für beschlußfähig erklärt hatte, die
Sitzung, indem er in eingehender Weis: über die Position 1
der Tagesordnung, betreffend den Ankauf der Grundstücke des
Landwirths Christian Johann Arnold, des Landwirths Daniel
Arnold und der Ehefrau des Locomotivführers Joseph Kühnle
sowie des Landwirths Jocob Hurst zwecks Erstellung neuer
Epidemiebaracken im Rohrbacher-Bauviertel, referirte. Er ver-
las sodann eine jüngst eingebrachte Eingabe, die von einer
größeren Anzahl von Bewohnern des Rohrbacher-Bauviertel«
unterzeichnet war und worin diese sich gegen das Project der
heutigen Platzfrage offen aussprachen. Dieselben gaben an, daß
im Wieblinger Bauviertel ein weit geeigneteres Terrain gefun-
den werden könne und fragten an, ob nicht etwaige ortsgesund-
heitliche Bedenken vorhanden seien, falls das neue Jsolirspital
im Rohrbacher-Baubezirk erstellt werden würde, was in gleicher
Weise Herr Stadtverordneter Mai in heutiger Sitzung zu be-
gründen versuchte. Herr Bezirksarzt Knaufs entgegnete hier-
auf, daß einerseits durch eine Entfernung von 300 Meter eine
Uebertragung etwaiger Cholerakrankheiten nicht möglich sei und
daß man andererseits die Baracken nicht zu weit von den
sonstigen Baubezirken entfernen möge, um den Betrieb bet
vorkommenden Epidemiekrankheiten möglichst zu beschleunigen-

Als sie Walter kennen nnd lieben lernte, waren ihr wohl
Bedenken aufgestiegen, ob es ihr gestattet fei, frei über ihr
Herz zu verfügen, aber schon wurzelte die Neigung für
Walter zu tief in ihrer Seele, nm sie nicht tausend Ent-
schuldigungen finden zu lassen.
Ernest dachte gewiß nicht mehr an sie, sonst würde er
sich nicht in den Briefen an ihren Vater, die selten genug
kamen, niit einem kalten Gruße begnügt haben. Sie redete
sich ein, daß weder Ernest noch ihr Vater mehr auf diese
Heirath rechneten; was man wünscht, das glaubt man ja
so gern, und auf diese Wolfe konnte es geschehen, daß Me-
litta, uneingedenk der Wünsche ihrer einstigen Beschützerin,
mit Walter den Bund für's Leben einging, der, kaum ge-
schlossen, auch schon wieder zerrissen wurde.
In gänzlicher Unkenntuiß von Walter's schwerer Er-
krankung wußte Melitta nicht, wie sie sich es deuten sollte,
daß er keinen Versuch machte, sich ihr zu nähern, sie wieder
für sich zu gewinnen. Das unerfahrene Mädchen erging sich
w tausenderlei Vermuthungen, die alle nicht das Richtige
trafen und Molitor log keineswegs, wenn er sagte, daß Me-
litta an Trübsinnsanfällen leide.
Jede Lebenslust war in dem jungen Geschöpfe erloschen,
kein Lächeln kam auf ihre Lippen, in dumpfer Schweigsam-
keit brachte sie ihre Tage hin. Mit einem Buche in der Hand,
in dem sie jedoch meist nicht las, saß sie beim Fenster Tag
für Tag, anfänglich noch mit der leisen Hoffnung, Walter zu
sehen, später immer hoffnungsloser, immer resignirter.
So fand sie auch Molitor, als er am Tage nach seiner
Werbung bei Alma von Minden, in Melitta's Zimmer trat.
Sie sah müde auf und erwiderte mit leiser Stimme seinen
Gruß.
„Melitta, wir reifen heute Abend ab," sagte Molitor,
„diese Einsamkeit taugt nicht für Dich; Du mußt unter
aridere Menschen, in eine andere Umgebung kommen."
„Wie Du willst," entgegnete sie gleichgiltig

„Auch muß ich Dich darauf aufmerksam machen, daß binnen
sechs Monaten Ernest von seinen Reisen zurückkehrt," fuhr
Molitor fort. „Du kennst die Wünsche Deiner verstorbenen
Beschützerin — die Zeit naht, da Du dieselben erfüllen sollst."
Eine leise Röthe glomm nun auf Melitta's Wangen
empor. „Ernest hat mich längst vergessen," bemerkte sie in
schüchternem Tone.
„Nicht doch, dazu ist er ein zu guter Sohn, der Wunsch
seiner tvdten Mutter wird ihm heilig sein — wenn er auch
davon nicht schrieb, vergessen hat er den Willen der Verstor-
benen sicher nicht."
Melitta blickte scheu zu ihrem Vater empor. „Du weißt
doch, daß, daß" — die Worte erstarken auf ihren Lippen,
heiße Thränen traten ihr in die sanften, blauen Augen.
Molitor hob unwillig die Schultern. „Nur keine Senti-
mentalität, Melitta," sagte er scharf, „Du hast Dich eines
großen Fehlers schuldig gemacht, den Du mir durch unbe-
dingten Gehorsam wieder gut machen kannst."
„Aber ich wurde doch mit Walter durch des Priesters
Hand verbunden," flüsterte sie zagend.
„Ohne meine Einwilligung, Du, ein minderjähriges Mäd-
chen ! Ihr beide wäret eben schlecht mit den Gesetzen des
Landes bekannt, Walter ist auch vernünftig genug dies ein-
zusehen und —"
Melitta unterbrach ihn jäh. Mit einer an ihr seltenen
Lebhaftigkeit sprang sie ans, und Molitor heftig beim Arme
packend rief sie: „Oh, mein Gott er hat Verzicht geleistet!
Walter hat mich verlassen."
„Es istso, wie Tu sagst." — Sie wandte sich ab nnd ihr
Gesicht mit beiden Händen bedeckend, brach sie in einen hef-
tigen Thränenstrom aus.
Molitor störte Melitta's Schmcrzensansbrnch nicht. Es
lag sogar etwas wie Theilnahme in den Blicken, mit denen
erste betrachtete; das brachte ihn aber durchaus nicht von

seinen Plänen ab. Der ehenialige Abenteurer war ein Mann
von Eisen, der fest und unentwegt seinen Willen verfolgte;
die Thränen eines jungen Mädchens waren nicht im Stande,
ihn anderen Sinnes zu machen.
Als Melitta sich einigermaßen gefaßt hatte, sagte er
ruhig: „Du siehst, daß Walter sich in sein Geschick ergeben
hat, es liegt nun an Dir, ein Gleiches zu thun, denn ich will
nicht hoffen, daß meine Tochter da noch zögert, wo ein An-
derer freiwillig verzichtet hat."
lieber das blasse Gesicht des jungen Mädchens flog eine
brennende Röthe, das Wort hatte getroffen. „Was soll ich
thun?" fragte sie gefaßt.
„Nichts als eine Erklärung niederschreiben, daß Du in
eine Scheidung willigst, das Uebrige laß meine Sorge sein."
„Und tverde ich ihn nicht mehr sehen?"
„Wünschest Du das noch nach allem was dazwischen
liegt? Walter ist überhaupt nicht mehr hier; er hat eine
Reise angetreten, die ihn lange derHeimath fern halten soll. "
Melitta war wieder sehr blaß geworden. „Du hast keine
Botschaft für mich von ihm?" fragte sie leise.
„Nein, er sieht den begangenen Fehler ein und will die-
sen Vorfall seines Lebens zu vergessen trachten."
Das junge Mädchen senfzte tief auf. „Gut, ich will
Deinen Wunsch erfüllen," sagte sie, „aber Ernest's Frau
werden kann ich doch nicht, verlange nicht dieses Opfer von
mir."
„Du nennst ein Opfer, was andere ein Glück heißen wür-
den," sagte Molitor, „doch will ich heute nicht in Dich drin-
gen. Ich bemerke Dir nur, daß Tante Ballan eine Verbin-
dung zwischen Dir und Ernest ihren Herzenswunsch nannte,
daß Du ihr vielen Dank schuldig bist, und daß sie in gewisser
Hinsicht Bestimmungen getroffen hat, die nicht umgangen
werden dürfen."
(Fortsetzung folgt.) 3,10 I8ci
 
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