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Volksgemeinschaft: Heidelberger Beobachter, NS-Zeitung für Nordbaden (6) — 1936 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.9507#0303

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Ssits 3

„Vollsgemelnfchafi^

Mittwo». de» 22. Juli 183S

Oreiländer-Ausflug in 48 Giunden

Berlin-Kopenhagen-Stockholm — Eine neue Lusthansa-Gtrecke

Soll man erzählen von den 30 Vorspeisen,
die man aufgetischt bekommt, sodaß unsere an deut-
sche Kost gewöhnten Magen zu rebellieren drohen,
oder von einem etwas skeptischen Eang durch das
Thorwaldsen-Museum mit den vielen Eanymeds
und Adonissen, die alle etwas gelangweilt in die
Eegend blicken und dem kleinen Amor mit dem
Lausbubengesicht. als habe er bei Nachbar Hansen
eben erne Fensterscheibe mit seinem Pfeil entzwei
geschossen?

Das ist alles beinahe vergessen, als wir wieder
in unserer „2u 52" sitzen, die Kapitän L i m b a ch,
der schon fast IV- Millionen Luftkilometer auf dem
Vuckel hat, nach Schweden bringt. Der letzte Blick
auf Danemark zeigt ein kleines Wasserfort im
Sund, reich bestückt mit mittleren Eeschützen. Dann
schraubt sich unsere Maschine in die Höhe und bald
liegt Schweden unter uns: Hunderte von Seen,
unendliche Reihen von Wäldern, glitzerndes Was-
ser und tiefes Erün, ein vielgestaltiges Chaos der
Schönheit.

Flugsta^en auf Felsen

Stockholms neuer Flughafen Bromma ist
wahrscheinlich Europas teuerster Flugplatz, da er
in unendlicher Arbeit aus dem Felsen herausge-
sprengt werden mutzte. Noch immer werden die
sich am Rande des Felsens befindlichen Felspartien
beseitigt. Dieser schöne Flughafen schließt Stock-
holm als letzte europäische Hauptstadt an das mo-
derne Luftverkehrsnetz an. Deutsche, dänische, eng-
lische, holländische und schwedische Maschinen slie-
gen nach allen Himmelsrichtungen. Die Schwede.r
selbst haben auch deutsche Flugzeuge — Sckiwester-
maschinen unserer braven „Ju 52" — die uns un-
bekümmert um tückische Böen (eine dänische Ma-
schine mutzte umkehren) hierher brachte.

Iahrt durch die Schären

Absr was wäre ein Vesuch Schwedens ohne
eine Fahrt durch die Schären? Eine Motorjacht
trägt uns durch tausendfältige, buchtenreiche Seen

— die Ufer sind mit Legionen von prächtigen Som-
mervillen besät — nach Saltjöbaden, einem Mär-
chenparadies der Schären. Die Nacht sinkt nieder

— nein, es ist keine Nacht, eine leise melan-
cholische Dämmerung legt sich über das wundersame
Land, hüllt es für wenige Stunden in einen nas-
sen Schleier, der nicht Nacht und nicht Tag ist.
Nach kurzer Zeit nimmt die Sonne wieder Besitz
von dem im sommerlichen Reichtum prangenden
Lande.

Und dieser neue Tag bringt uns wieder heim-
wärts. 2n 2 500 Meter HLHe trägt uns unsere
Maschine hoch über oen Wolken. Wie auf einem
zauberhaften Wolkenschlitten fliegen wir über die
sich türmenden weitzen Fetzen. 'Bald landen wir
wieder in Kopenhagen, dann blicken wir schon auf
die Kreidefelsen von Möen, links taucht Hiddensee
auf, wie ein langer mahnender Finger Gottes ins
Meer ragend, schon schweben wir über dem türme-
reichen Stralsund. Dreiviertel Stunden später er-
scheint unter uns das neue Wahrzeichen Berlins,
das weitz glänzende Olympia-Stadion. Wenige
Minuten darauf geht man mit dem leicht schwan-
kenden Schritt des Luftreisenden wisder auf hei-
matlichem Boden. 48 Stunden eines traumhaften'
Erlebens liegen hinter uns. Der deutsche Luftver-
kehr hat mit weit ausholendem Arm ein Stllck
Europa näher an sich herangeholt. Bald wird auch
diese neue Strecke nach Schweden zu den Alltäz-
lichkeiten des Flugverkehrs gehören. Dürfen wir
einladen zum Wochenendausflug nach den Schären?
„Vitte einfteigen, Richtung Kopenhagen — Stock-
holm!"

Neue Gtreiks in Frankreich

Landarbeiter und 6000 der Peugeot-Werke im AuSstand

Berlin, 21. 2uli

Ab t. Jnli kat die Dentsche Lnstbansa einc
«cne Flngstrccke i» Betrieb genommen: Berli« —
Stockhol«. Unser E.F.-Mitarbeiter batte Gele-
gcnbcit, a» cinem Flng auf dcr rcizvollcn Linie,
dic übcr die Ostsee. Kovenbagc», nach der schrve-
dische» Hanvtstadt fnhrt, teilznnehme».

Oie graue Wand

Tempelhof: „Einsteigen zum Flug nach Kopen-
hagen—Stockholm". Besorgt schaut man auf oie
Bäume am Rande des Flughafens, die der Sturm
wütend hin- und herpeitscht, sieht auf die im Wind
wild um sich schlagenden Flaggen, die die Olym-
pia-Eäste grützen sollen. Herrgott, wird das ein
Vergnügen werven... ^ Aber dann sitzt man schon
in der „2u 52", kann noch einmal nach unten win-
ken..., die Maschine dreht sich in rajendem Flug
nach Norden.

Vom Flugzeug aus erlebt man fremde Länder
auf besondere Art. Gewitz, man kann in 48 Stun-
den, Vie insgesamt zur Verfügung stehen, nicht
Dänemark und Schweden „entdecken". Man sam-
melt Mosaiken, die man zu mannigfaltigen Bil-
dern formt, vielleicht sind sie oberflächlich, vielleicht
erkennt man gerade im raschen Vorüberjagen man-
ches, was wesentlich ist. Vielleicht geht da einem
der Blick für Eeheimnisse auf, an denen sonst der
Wanderer, der über den Stratzenrand blickt, vor-
Lberstolpert. Von oben sieht man durch einen
Raumraffer, der die Welt des Scheins aus einer
anderen Vorjtellungssphäre heraus offenbart, als
sie sich uns alltags zeigen mag.

Rasch liegt Deutschland hinter uns. Eben noch
grützen die Dörfer der Uckermark, die Seen und
Wälder Mecklenburgs, da greift der Nebel nach
Häusern und Feldern, nach Wiesen und Städten.
Es ist, als ob eine gewaltige Hand alles, was uns
Heimat ist, mit einer raschen Bewegung wegge-
jchoben hat.

Durch dieses graue Niemandsland, durch diese
finstere Mauer jagt unbekümmert unsere „2u 52".
Zwei — drei Sekunden reitzt die Wand aus und

— welch sonderbarer Zufall — gerade in dem
Augenblick, da man das Festland verläht. llnten
liegt ein schmaler Streifen, eine harte messerscharfe
Linie: Der Strand der Halbinsel Zingst. Lautlos

— denn die Motoren verschlucken jedes andere Ge-
riiusch — stürmen die Fluten der See gegen das
flache Ufer. Dann ist alles wieder verschwunden,
alles wieder grau in grau.

Drüben mutz Rügen liegen, irgendwo hinter
den sich türmenden Zinnen der Einjamkeit. Hin
und wieder löst sich die Wolkendecke. Es ist, als
ob die Unendlichkeit ein kleines Fenster öffnet, ein
Erkerfenster, durch das man wie in eine sremde
Welt schaut. Die Schaumkronen der stürmenden
See, ein wildes Heer weitzbehelmter Krieger jagen
stürmend gegen einen unsichtbaren Feind. Kein
Schiff, kein Fischerboot, nur Wellen auf Wellen,
die in breiter Front ihren Angriff vorwärts tra-
gen.

Wir fliegen jetzt so tief, datz man glaubt, das
Meer fast greifen zu können... und dabei ist es
immer noch eine Höhe von 500 Metern. So rasch
verlieren wir den Begriff fiir das Tatsächliche,
wenn wir aus dem Kreis des gewohnten Schauens
herausgehoben werden.

Dann hellt es sich auf. Land! Stevns-Klint.
Dänemark. Und ehe man recht begriffen hat,
ist die 2nsel Amager, Kopenhagens Flughafen, er-
reicht. Nicht einmal IV- Stunden hat der Flug
von Berlin nach Kopenhagen gedauert und in IV-
Stunden sind wir 355 Kilometer von Berlin ent-
fernt.

Die Oikiatoren von Kopenhagen

Langsam fährt unser Autobus durch die Stra-
tzen von Kopenhagen und vor uns, hinter uns, ne-
ben uns fahren alle Wagen in diesem etwas be-
schleunigten Schneckentempo durch den strömenden
Regen. Durch die Reihen der Autos und Auto-
busse schlängelt sich der lange Heerbann sorgloser
Radfahrer, der eigentlichen Herren der Kopen-
hagener Stratzen. 2n breiter Reihe, als gäbe es
keine Autos auf der Welt, beherrschen diese Dikta-
toren des Verkehrs die Straße.

Sie sorgen sich um nichts. Weder der Regen
stört sie, noch das bekümmerte Hupen der Auto-
fahrer, die bescheiden warten müssen, bis es Seiner
Majestät, dem Radfahrer, patzt, den Weg freizu-
geben. llnd die Autofahrer sind Kummer gewohnt.
Resigniert beugen sie sich dieser Tyrannis und
freuen sich noch, wenn der steife Kopenhagener
NZind die Röckchen der frischen Radfahrerinnen in
rdlem Wettstreit wehen lätzt. Was die Mädels
oenn auch gern, im Bewutztsein ihrer Reize. als
felbstverständliche Huldigung der „feindlichen Auto-
fahrer" entgegennehmen.

„E>orgensrei" und Achterbastn

Was soll man sonst noch von Kopenhngen er-
öählen, deisen Schönheiten in buntem Wirbel der
wenigen Stunden. die uns bleiben, vorüberziehen?
Das kleine Stratzen-2ntermezzo war vielleicht für
äen, der das 250-Kilometer-Tempo noch in sich
Eürt, als auffälliges Ritardando besonders bemer-
kenswert. Soll man erzählen von der bärenbe-
>nübten Schlotzwache, die vor den orasselnden Re-
Oenschauern in ibre Zuckerhutscbildhäuser flüchtet?
Ron dem malerüchen Fiscbmarkt, auf dem stimm-
Hewaltige Marktfrauen ein Dutzend entflobener
llale, die silb auf dem nassen Pflaster tummeln,
^afangen? Von der Fahrt durch Seeland, an
bchlotz „Sorgensrei" vorbei lhier ist der Name
^irklich Svmbol). durch Wälder und Seenland-
I'haft, durch Fruchtbarkeit und Sorglosigkeit? Sind
"iese grotzen Vergnüaunosvarks bemerkenswert,
^enn man bedenkt, datz sich in Berlin nicht ein-
ffjal ein Lunapark rentierte, während hier im
>.ivoli und drautzen im Klampenborq je ein Park
Fülle der Fröhlichen kaum zu fassen vermag.
?ie sich auf Achterbahnen vergnügen, von denen
Polizei bei uns keine einzige, ihrer Cefährlich-
^it wegen, erlauben würde?.

Paris, 21. 2uli

Aus zwei französischen Landstädten werden Land-
arbeiterstreiks gemeldet. 2n der Eegend von
Amiens sind in etwa 20 Eemeinden Streiks
ausgebrochen, jedoch ist kein Eutshof von den
Streikenden besetzt worden. Streikposten bewachen
allerdings den Zugang zu den Hösen, aber die
Eendarmerie überwacht diese Streikposten ihrer-
seits und hat bereits eingegriffen, um eine Be-
einträchtigung der Arbeitsfreiheit zu verhindern.
Mehrere Bauern haben unmitzverständlich wissen
lassen, datz sie sich energisch einer Vesetzung ihrer
Höfe durch Streikende widersetzen würden.

Die Landarbeiter einiger grotzer Eutshöfe von
drei Eemeinden in der Gegend von Provins
(Departement Seine und Marne) sind ebenfalls in
den Aufstand getreten, obwohl gerade am Vortage
bei Lohnverhandlungen eine ihren Bezirk betref-
fende Einigung erzielt worden war.

6000 Arbeiter der Peugeot-Werke in Valentigny

und Veaulieu sind am Dienstag in den Streik
getreten.

Gowjet-Fliegef von den Gkoda-Werken
begeistert

Prag. 21. Iuli

Die sowjetrussischen Militärflieger, die zur Zeit
in der Tschechoslowakei weilen, besichtigten autzer
den hauptsächlichsten Fleugzeugfabriken auch die
Skoda-Werke mit grotzem Interesse. Eenerai
Alksnis äutzerte sich sehr lobend über die Organi-
sation und die Arbeit in den Werken. Auf dem
Militärflugplatz bei Prag fanden in Eegenwar»
des Chefs des tschechoslowakischen Flugwesens Flug-
vorführungen vor den Sowjetrussen statt, vor allem
Eruppenflüge leichter Bomber. Eeneral Alksnis
äutzerte sich auch hier sehr befriedigt und betonie
wiederholt die grotze Vedeutung der Freundschaft
zwischen den sowjetrussischen und den tschechoslowa-
kischen Fliegern.

fünf ...

Jn der Zeit erbittertsten Ringens um die Er-
neuerung des Reiches wurde vor gut fünf Iah»
ren in Heidelberg die „Volksgemeinschaft" als
Kampsblatt der NSDAP gegründet. Bis zum
heutigen Tage blieb sie das Spiegelbild des deur-
schen Aufstiegs, der strenge Wahrer nationalsozia-
listischen Gedankenguts.

Was sich während dieser fünf Jahre im Reicho,
in Heidelberg und Nordostbaden an politischen
Taten wie auch an undeutschen Widerwärtigkei-
ten und schamlosen Verbrechen am Volke ereig-
nete, soll fortan laufend unter obengenann»er
Rubrik im Ueberblick verzeichnet wcrden. Dsn
alten Parteigenossen wird auf diese Weise die
Kampfzeit wieder erstehen, mit ihrer einsatzsreu»
digen Opferbereitschaft und beispielhaften Kame-
radentreue. Die Parteigenossen und alle, die spä-
ter zu uns kamen, mögen aus diesen Zeilen sr-
sehen, wieviel geleistet werden mutzte. wieviel
mit Freude und Begeisterung geleistet worden ist.

Wir beginnen die lebendige Chronik mrt
einem fllr die „Volksgemeinschaft" denkwürdigen
Tag. Zum ersten Male durfte am 22. Iuli nach
zweiwöchentlichem Verbot unsere Zei-
tung wieder erscheinen. Sie hatte mit Vravour
Finanzminister Mattes und Konsorten auf
die Finger geklopft und laut warnend angepran-
gert, datz gegen ein kurzfristiges Darlehen von
20 Mill. RM. badischer Staatsbesitz, Staatswäl-
der, Aktien der Rheinschiffahrt und der Badischen
Bank an die Schweiz verhöckert werden sollten.
Es hagelte damals gerade Zeitungsverbote; mit
wenigen Ausnahmen wurde die gesamte natio-
nalsozialistische Presse am Erscheinen verhindert.
War es ein Wunder, datz man nach diesem Ar-
tikel auch das Heidelberger Kampfblatt in Ket-
ten schlug!?

Wie sah es sonst im Lande aus? Die
Reichsregierung zahlte Gehälter und Pensionen
nur noch in Raten aus. Auf den Kopf der Be-
völkerung wurden per Notverordnung
30 RM. statt 20 RM. Scheidemünzen geprägt.
Ueber Nordwolle wurde gerade der Konkurs
eröffnet. „Lieber dreimal Sklave als einmal
tot!" sang Alsred Kerr, der Salonbolschewist und
Leugner jeden Ehrgefühls.

Jn Heidelberg waren am 22. Juli wie-
der sämtliche öffentlichen Versammlungen ver-
boten. Nur Jnhaber mit gültiger Mitgliedskarte
der NSDAP durften geschlossene Mitglieder-
zusammenkünfte abhalten. An eben diesem Abend
sprach Parteigenosse Otto Wetzel in der Stadt-
halle über die politische Lage. Es gab auf ein-
mal viele „gültige" Mitgliedskarten. Dr. May-
sack hatte das Wirtschaftsreferat. Wie heute
spielte auch damals schon eine SA-Kapelle auf.
Die Waggonfabrik Fuchs kündigte in gleicher
Ausgabe wegen Auftragsmangels die Stillegung
des Betriebes fllr Anfang August an. Um drei-
hundert Mann wuchs damit das Arbeitslosen-
heer. Die Stadt meldet stark rückläufige Frem-
denverkehrszifsern. Jm Stadttheater aber läuft
zu gleicher Zeit die Nelson-Revue mit den
berüchtigten Nelson-Girls als Attraktion.

Die Deutsche Studentenschaft erhebt den flam»
menden Protest gegen Eumbel und seine Ernen-
nung zum a.o. Professor der Heidelberger llni»
versität. Man war nicht länger gewillt, Schmäh»
ungen ihrer nationalen Eesinnnung durch solchs
Lehrer akademischer Jugend zu erdulden.

Or. vi—


blinistsi' vr. vosbbels In UntvrI,»ItunL mit v. p»psn unck Verena Wssnsi- blinistsrpi-äsickent Vöi-In« unck l-rsu Winitrsck IV»Tner vor ckem I-sst,

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