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Volksgemeinschaft: Heidelberger Beobachter, NS-Zeitung für Nordbaden (6) — 1936 (Juli bis Dezember)

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„Vollsgemesnfchaff"

Samotag, dea t. Augaft tS36

Ssits 4


Vom spanischen Bürgerkn'egsschauplah

paris meldet Teilerfolge beider Gruppen

Strengste Llntersuchung angeordnet

Trauer um die oerunglückten SA-Männer.

Karlsruhe, 31. Juli.

Das Autounglück zwischen Altensteig und Be-
senfeld, dem so viele treue SA-Männer zum Opfer
gefallen sind, hat in ganz Deutschland tiefes Be-
dauern mit den so tragisch ums Leben Eekom-
menen und aufrichtiges Mitgefühl mit den An-
gehörigen erweckt. Zugleich taucht die berechtigte
Frage nach der Verantwortlichkeit an die-
fem Lberaus traurigen Vorfall auf. Trotzdem die
amtlichen Feststellungen über den Hergang im
einzelnen noch nicht abgeschlossen sind, steht heute
schon fest, datz der bekanntlich in Haft genommene
Fahror die Warnungstafel am Beginn der
Steige, die ausdrücklich zu langsamer Fahrt auf-
fordert, nicht beachtete. Amtlich untersucht wird
jedoch nicht nur die Verantwortlichkeit des Fahr-
zeuglenkers, sondern auch die des zuständigen SA-
Führers. Bekanntlich hat die Oberste SA-Füh-
rung schon vor geraumer Zeit angeordnet, datz
kein SA-Transport mehr auf Last-
wagen mit Anhänger erfolgen darf. Autzerdem
Lesteht eine verkehrspolizeiliche Eenehmigungs-
pflicht für Personentransporte auf Lastwagen.
Staatsanwaltschaftlich und durch die SA-Gruppe
wird bereits geprüft, ob die auf Erund früherer
Erfahrungen vorbeugend erlassenen Dienstvorschrif-
ten von dem Verantwortlichen nicht beachtet wur-
den. Die Schuldigen haben schärsste Bestrafung zu
gewärtigen.

Berlin. 31. Juli

Bet dem Empfang, den Staatssekretiir a. D.
Lewald am Frcitagabend für das Jnternatio-
nale Olympische Komitee und das Organisations-
komitee der XI. Olqmpischen Spiele im Weihen
Saal des Verliner Schlofses veranstaltete, hielt
Veichsautzenminister Freiyerr oon Ncurath
eine Rede, in der cr u. a. aussührte:

Ew. Exzellenzen, meine Herren!

lZn packenden Worten hat uns Exzellenz Lewald,
der verdiente Präsident des Organisationskomitees
sür die XI. Olympiade, geschildert, wie die Olym-
pia-Fackel, im ehrwürdigen Heiligtum in Eriechen-
land entzündet, durch die Lande getragen wird,
umjubelt von alt und jung der sieben Länder,
durch die der Lauf geht, und mit Spannung ver-
solgt von allen Völkern des Erdteils. Die Flamme
nähert sich dem Ziel. 2n wenigen Stunüen wird
sie in unserer-Mitte sein und das Licht aus Olym-
pia wird über dcm schönsten und gewaltigsten Feste
leuchten, das je in der Hauptstadt des Reiches ge-
feiert worden ist.

Mit Freude und Stolz bekennen wir Deutschen
uns zu dem olympischen Eedanken, dem Eedanken
von der Notwendigkeit der Harmonie von
K ö r p e r u n d Ee i st. Es ist das unvergängliche
Verdienst des Varons de Coubertin, dem wir
am heutigen Vorabend der XI. Olympischen Spiele
in dankbarem Eedenken unsere ausrichtigsten
Wünsche senden, den olympischen Eedanken des
alten Hellas wieder zu frischem Leben erweckt und
darüber hinaus ihn zum Eemeingut der Nationen
der Welt, besonders der Iugend der Welt, gemacht
zu haben. Kräftigung des Körpers und Stäblung
des Willens, friedlicher kameradfchaftlicher Wett-
kampf um den Lorbeer des Siegers, Zusammen-
arbeit, Hilfsbereitschaft und Freundschaft — das
ist die Flamme, die uns leuchten soll.

Wir tragen die zuverstchtliche Hoffnung im Her-
zen, datz dieser Eedanke der friedlichen Kameradschaft

Paris, 31. Iuli

Sn Paris sestigt sich der Eindruck, datz die Ee-
genofsensive der Madrider Streitkräfte zum Ste-
hen gekommen ist, und datz die Truppen der Mili -
tärgruppe zu einem «euen Angrisf auf die spa-
nische Landeshauptstadt Lbergehen.

Von beidcn Parteien werden im übrigen kleine
vereinzelte Teilerfolge gemeldet: Die Marxi-
sien sollen Villanueva de la Serena in der Provinz
Vajadoz eingenommen haben, wodurch die Wieder-
herstellung der Verbindung zwischen Madrid, Vada-
joz und der portugicsischen Erenze möglich sein soll.
Tagegen haben die Truppen der Militärpartei — so
besagt eine Meldung aus Lissabon — Euadarrama,
wo während der Schlacht im Euadarrama-Gebirge
das Hauptquartier Ler Marxisten war, emgenommen,
ebenso die Städte San Vicente und Valencia de Al-
cantara in der Provinz Vadajoz.

In Madrid wurden zwei R e i ch s d eü t s ch e,
die photographische Aufnahmen von den dortigen
Unruhen machten, von Ler Polizei verhaftet.

und des ritterlichen Wettbewerbes unter sreien
gleichberechtigten Nationen bei gleichzeitigem Stolz
auf die eigenen Leistungen und in neidloser Aner-
kennung der Leistungen des Eegners durch den Ver-
lauf der Spiele vertieft und gefestigt werden, und
dah er für unsere gemeinsame Zukunft nicht nur
auf sportlichemEebiet richtungweisender
Erundsatz werden möge.

Die Reichsrcgierung, in deren Namen ich zu
Iprechen die Ehre habe, entbietet den hier würdig
vertretenen Nationen sowie den Kämpfern und
Kämpferinnen ihre herzlichsten Willkommensgrütze,
und sie wünscht den XI. Olympischen Spielen, deren
Vorbereitung und Zustandekommen der hingebungs-
rollen und zielbewutzten Arbeit des Jnternationalen
Olympischen Komitees und des Organisationskomitees
zu danken ist, einen stolzen erfolgreichen Verlauf!

Ew. Exzellenzen. meine Herren!

Jch erhebe mein Elas auf ein glückhaftes Eelin.
gen der XI. Olympischen Spiele.

Berlin. 31. Juli

Der Reichsminister des Auswärtigen, Freiherr
v. Neurath, empfing am Freitag den br.tischen
und den sranzösischen Botschaster sowie den belgi.chen
Gesandten und teilte ihnen mit, dah die deutsche Re-
gicrung die E nladung der drei Negierungcn zu einer
Fünfmächte-Besprechung Lber einen Westpakt an-
nchme. Er wies bcsonders darauf hin, datz diese Ve-
sprechung in jeder Hinsicht, auch wcgen des Pro-
gramms, sorgsältiger diplomatischer Borbereitung Le-
dürfe. Der italienische Botschaster wurde in gleichem
Sinne unterrichtet.

Oeulsche Kriegsschiffe als Relter

Berlin, 31. Juli

Aus Erund der Verletzungen deutscher Staats-
angehöriger bei der Beschietzung Eijons durch den
spanischen Kreuzer „Almirante Cervera" verlangte
der Befehlshaber der Linienschiffe. Konteradmiral
Carls. sowohl von dem Marineministerium in
Madrid als auch von dem Vefehlshaber der Eene-
ral - Franco - Gruvve in Corena. dah etwaige Be-
schietzungen zehn Stunden vorber mitzutei-
len seien, damit die bedrohten deutschen Staats-
angehörigen sich vorher erst in Sicherheit bringen
kdnnten.

Die in Giion von dem Kreuzer „K ö l n" an
Vord genommenen Verletzten und deutschen sowie
sonstigen Rückwanderer, im ganzen 94 Personen,
wurden auf den deutschen Damvser „Bellona" über-
geführt. der sie nach dem französischen Hafen Ba-
yonne bringt. Zur Betreuung der Verletzten, de-
ren Befinden zusriedenstellend ist. wurde ein Sa-
nitätsosfizier der „Köln" mitgegeben. Derselbe
Damvfer bringt auch die letzten Rückwinderer.
5V Deutsche, Schweizer, Franzosen und Engländer
aus Santander in Sicherheit. Zurückgeblieben
sind etwa 100 Deutsche, die ihr Wirkungsfeld vor-
eist nicht verlasien wollen: sie befinden sich alle
wohl.

Der Kreuzer „K L l n" sowie zwei Torpedoboote
übernehmen wsiterhin den Schutz der Deutschen an
der Nordküste Svaniens. Während „Köln" die
grötzeren Ortschaften betreut, bleibt ein Torvedo-
boot in Santander, das andere läuft die kleinen
Küstenvlätze an, um mit den dortigen Deutschen
die Verbindung auszunehmen. da diese über Land
unterbrochen ist.

Das Panzerschisf „Deutschland" bat die
Nordküste Svaniens verlassen und wird sich nach
Cadiz begeben, wo am Sonntag auch das Tor-
pedoboot „Luchs" eintresfen wird: das Torvedo-
boot „Leopard" holt zunächst die Rückwanderer
aus dem Jndustrieort Huelva ab. um sich dann
zum Schutz der deutschen Kolonie nach Sevilla zu
begeben.

Das an der Mittelmeerküste Svaniens befind-
liche Panzerschiff „Admiral Scheer" begibt
sich, nachdem es am Freitag zum Schutz der Deut-
fchen in Valencia lag. nunmehr weiter südlich
nach Alicante.

Die Post für deutsche Kriegsschisfe und den Mo-
tordamvfer „Hansa" ist an das Marinevost-
büro Berlin 02 zu senden. Sie wfxd mit
nächster Eelegenheit an die SKiffe übermittelt;
bei den derzeitigen unsicheren Postverbindungen in
Svanien ist mit einer vemögerten Zustellung zu
rechnen.

Rom, 31. Juli.

Ueber die grundsätzliche Vereitschaft Jtaliens zur
Teilnahme an der Konferenz der fünf Locarnomächte
wird soeben folgende amtliche Meldung ausgegeben:

„Der Autzenminister Eras Ciano hat den fran-
zöstschen Botschafter sowie den cnglischen und belgi-
schen Eeschäftsträger empfangen und hat sie in Be-
antwortung ihrer Mitteilung vom 24. Juli davon
unterrichtet, datz die italienische Regicrung grund-
sätzlich gern an der Konserenz der 5 Locarnomächte,

deren Datum noch zu vereinbaren sei, teilnehmen
werde. Er hat hinzugesügt, dah dhe italiemsche Re-
qierung es als nützlich erachte, dah die Konferenz
durch einen geeigneten Gedankenaustausch aus dem
ordentlichen diplomatischen Wege im Interesse ihrer
hohen Ziele qebührend vorbereitet werde. . Von die.
ser Mitteilung hat Eras Liano den deuychen Bot-
schafter benachrichtigt."

„Hindenburg" heute Lber Berlin. Anlätzlich der
Erösfnung der Olympischen Spiele wird das Lufl»
schiff „Hindenburg" hcute gegen 14 Uhr llber Berlin
erscheinen und bejonders über dem Reichssportfeld
kreuzen.

Weitere Spenden für die Spanien - Deutichen.

Für den „Hilfsfonds sür die geschädigten Svanien-
Deutschen" wurden von der Deutschen Arbeitssront
RM. 20 000 überwiesen: autzer dieser Svende sind
weitere RM. 15 914,17 in Beträgen von 1—3000
Reichsmark eingegangen.

*

Major Fetherstone-Godlcy kommt zur Olqmpiade.

Dcr Vorsitzende der Britsh Legion, Major Fether-
stone-Eodley, wird als East des Herzogs von Co.
burg zur Olympiade in Berlin weilen.

*

Kein Mitzbrauch der österreichischen Amnestie.

Unter den wegen der Kundgebungen am Mittwoch
verhasteten 155 Personen befindet sich keiner von
den in voriger Woche amnestierten Nationalsozia-
listen.

Ur

Der Verliner spanische Botschafter gematzregelt.

Die Madrider Regierung hat am Donnerstag den
bisherigen spanischen Botschafter in Berlin, Exz.
Agramonte y Cortijo „abgesetzt und aus dem
diplomatischen Dienft ausgeschlossen". Diese Matz-
nahme soll eine Erwiderung auf die vom Vot-
schafter bereits eingereichte Demission sein.

* ,

Vedauern dcr spanische Regierung. Die spa-»

nische Regierung hat der Reichsregierung ihr tief-
stes Bedauern über die Vorfälle in der spanischen
Hafenstadt Gijon amtlich zum Ausdruck gebracht.

*

Jnternationale Spanien-Konferenz? Nach einer
Reuter-Meldung wurde am Freitag in der sran-
zösischen Kammer von der Möglichkeit einer inter-
nationalen Konferenz Lber die Lage in Svanien
und Marokko gesprochen.

Weitere französische Eeheimpläne fiir die Sow-
jets. Eine französische Zeitung will wissen, datz
der Kriegsmarineminister Weisung gegeben habe,
den Sowjetrussen die Pläne und Zeichnungen
eines neuen Flugabwehrgeschützes auszuhändigen.

* Ä

Feuer in einem griechischen Pnlvermagazin. Ver

einem Vrand im Pulvermagazin des Athener Ar-
senals. dem etwa 40 Tonnen Pulver zum Ovser
fielen. entstand ein Schaden in Höhe von 5 Mil-
lionen Drachmen.

4-

Tragischer Tod. Der stellvertretende Arbeits«
minister von Neuseeland, Normann Mackenzie, ist
am Freitag während des Schlafes vom Feuer
überrascht worden und bei lebendigem Leibe ver»
brannt.

4-

Ausbildung deutschsprachiger Lehrer in Polen.

Am volnischen staatlichen Pädagogium in Krakau
ist eine Abteilung sür die Ausbildung deutsch-
sprachiger Lehrer und Lebrerinnen eingerichtet
worden. Eesuche werden alliährlich vom 1. Juni
bis Ende August entgegengenommen.

„Fn'edliche Gemeinfchast der Vö.ker!"

von Tleurath begrüßt das Olympische Komitee

Oeulfchland bei der Fünf-Mächte-Konferenz

Gorgfältige diplomatische Vorbereitung gefordert

Auch Ztalien nimmt teil

5pielereier>, 6ie ciie >VeIt verärxlerten:

Anbekannle Kapitel aus dem Leben groher Entdecker — Von Peter Falke

Sraunhofer wiib mit..Tie" angeivrolben

Der Junge, der aufmerksam dem Eeivräch ge-
folgt war, trat einen Schritt näher. „Jch bin der
Pevi". sagte er. „und ich will bei Jhnen gern sechs
Jahre dienen. Ich danke Jhnen, dah Sie mich an-
nebmen. und hosse, dab Sie mit mir zufrieden sein
werden!"

Die strenge Miene des Meisters bellte sich ein
wenig auf. „Das ist brav, Pevi. So. und jetzt latz
dir von der Frau deine Kammer zeigen!"

Zwei Hahre arbeitet der Pevi in Haus, Küche
und Werkckatt. Der Meister nnd seine Frau sind
mit dem anstelligen Iungen zusrieden. Freilich, ein
wenig träumerisch ist es, oft überrascht man ihn
dabei, wie er ins Leere starrt und seinen Gedan-
ken nachhängt, oder wie er nachdenklich ein Stück
geschlisfenes Glas in der Hand dreht, datz die Son-
nenstrahlen sich darin brechen und auiblitzen in
allen Farben des Regenbogens. Fragt man ibn:
„Was machst du denn da. Pevi?", dann fährt er
znsammen und sagt leiie: „Ach gar nichts . . ."

Und dann kommt jener Unglückstag. Es beginnt
mit einem leisen Knistern in der Dachstube des
Hauses. Dann rieselt Kalk von den Wänden.
Plötzlich ist ein grotzer Svrung in der Mauer zu
sehen. Es kracht und rumvelt. als seien tausend

Kobolde am Werk.Das Haus stürzt ein!"

schreit die Meisterin. und alles rennt. so rasch es
geht, ins Freie . . . Keine Sekunde zu früh: denn
schon stürzt wirklich das ganze alte Haus ein!

„Ein Elück. datz keiner mebr drin ist". iagt der
Meister. Aber die Meisterin schreit vlötzlich: „Jes-
sas, der Pepi! Der Pevi ist doch drin —!!" Die
Menge. die sich gleich nach dem weitbin börbaren
Einsturz gesammelt hat, eritarrt vor Schreck. Dann
brechen Ruie los! „Helits doch! Erabts ibn aus!
Holts Hacken und Schauieln!"

Vier Stunden wird schon gearbeitet. Da vlötz-
lich Rotzgetrappel, Wagengerumpel, die Hüte flte-

gen von den Kövfen — der K u r f ü r st ist selbst
gekommen, um die Rettungsarbeiten zu besichtigen.
Neben ihm sitzt der Hofkammerrat Iosevb von U tz -
schneider. Professor der Physik. ehemals Ee-
beimschreiber bei den Verhandlungen der Herzogin
Maria Anna von Pfalz-Vayern mit Friedrich II„
König von Preutzen. „Hat man den Buben schon?"
iragt der Kurfürft. Die llmstehenden verneinen
stumm. Da ruft einer aus dem Schuttberg: „Alles
hierher! Hier ist er!"

Dann liegt eine schmächtige Knabengesialt aui
den Kisien. die man ihm aufs Pflaster gelegt hat.
Aber es stebt so aus. als würde er nie mebr Kissen

nötig haben.Der ist mausetot". erklärt der

Mebikus, den man schnell geholt hat. Ein vaar
Leute machen schon das Kreuz. Da schlägt der
„Tote" die Augen aus. schaut sich um und fragt
verwundert: „Ja, was ist denn los?"

Wie durch ein Wunder ist Josevh Fraunhofer
völlig unverletzt geblieben. Vier Stunden
lebendigen Begrabenseins haben ibm allem An-
schein nach nichts geschadet. Datz seine Eeiundheit
von diesem Tag an mehr und mehr schwindet. bis
ibn ein srüher Tod hinwegrafsen wird. das ahnt
er nicht. Jetzt steht er wieder quicklebendig vor
dem Kurfürsten. Der gibt ibm die Sand iind —
hilft ihm in den Wagen. Ein kurzer Befehl. und
der kurfürstliche Wagen rollt davon mit dem klei-
nen Elaserlehrling . . .

..Me sichl es auk dem Moad aus?"

Auf der äutzersten Kante des seidengevolsterten
Stuhls sttzt der klerne Pevi dem Knrfürsten im
Palais gegenüber. „Also Lehrgeld kannst du nicht
zahlen? Mehr lernen willst du. Vücher lefen und
llnterricht haben?" Der Kursürst überlegt „Wenn
es genattet ist, möcht ick mich seiner annebmen",
schlagt der Hofkammerrat von Utzschneider vor.
„Jch glaub. in dem Bnb steckt was Ordentliches."
-- Der Kurfürst bat sich entschieden. „Wenn ich
dir retzt Eeld gebe, vtel Eeld, Pepi, was wirst du

damit machen?" — Pevi antwortet, obne sich zu
besinnen? „Dann kaus ich w'ch von meiner Lebr-
stelle los. erlerne das Metallgravieren und
kauf mir eine Glasschleismasch.ine. —
„Aber wozu denn, wenn du Metallgravieren ler-
nen willst?" — „Das Eravieren will ich zum Er-
werb lernen. Aber die Schleismaschine möcht ich
baben. weil ich sie verbesiern will. Jch bab gese-
hen. datz die Maschinen. die heute benützt werden.
sehr mangelhalt sind. Wenn ich Versuche machen
könnt — ich hätte bald was Besseres beraus!"

Der Kurfürst lacht. aber lltzschneider schaut den
Burschen aufmerksam an. „Komm in den nächsten
Tagen einmal in meine Kanzlei. dann reden wir
weiter, Pepi!" sagt er und schiebt den Jungen bin-
aus — ein vaar Tllren weiter zum kurfürstlichen
Schatzkämmerer. der ibm einen Hausen blinkender
Eoldstücke auf den Tisch zäblen soll.

Der arme Pevi ist kein armer Pevi mehr. Er
hat vlötzlich Geld. Mit einem Selbstbewutztsein,
datz man dem kleinlauten, verwaisten Elasersohn
nie zugetraut bätte, tritt er vor seinen Meiiter,
zählt ihm die von der Zunft als Üoskaus festge-
setzte Summe auf den Tisch und sagt ihm ade.
„Nichts für ungut!" ruit er ibm noch nach, als er
mit seinem Bündel aus der Tür tritt.

Er findet eine Metallgraviererei. wa er dieies
Eewerbe erlernen kann. Selbständig werden — das
lst Pepis einziger Eedanke: selbständig werden und
dann exverimentieren. forschen. untersuchen. ver-
bessern. Was. das weiß er noch nicht so recbt. Aber
mit Licht und Farbe. mit Sonne und Elas mutz
es etwas zu tun haben. Die Glasschleifmoschi"en
die er bei seinem Meister geieben hat. gefallen ikm
gar nicht. Sie scheinen allzu unmodern in einer
Zeit, in der Damvfmaschinen die Menschevkrä'te
vervielfachen. Ballons in die Lust steigen. schnelle
Schiffe von Kontinent zn Kontinent Verbindung
schaffen. Alles. was mit der Nerbesierung des
wichtigsten menschlichen Organs, des A"ges. zu tun
bat, ist noch böchst unvollkommen Was wisien
wir, wie es auf unserem Nachbarstern, dem Monde
aussiebt? Ear nichts. Wir daben noch keine ovti-
schen Hilssmittel. um die Sonne zu beobachten. Alles
ist wie vor Jabrhnnderten . . .

Vei lltzschneider. Der Hoskammerrat unterbäli
nch stundenlang mit dem Jmmen. K'bt ibm Vü-
chcr nickt beisüllig zu seinen kübnen Ideen. Ver-
schaiit ibm Unterricht. Eibt ihm einen Rai. wo er
die ersehnte Elasschleifmaschine bekommt. Pepi
lauft sre. fängt an. an ihr herumzuhasteln ...

Das Geld neigt sich dem Ende zu. Pevi will
selbständig werden. Aber die Zunst — zwar ohne
das formelle Recht des Mittelalters. doch immer
noch mächtig — weitz zu verhindern. datz der balb-
wüchsige Bub das Eewerbe des Metallgraveur«
ausüdt . . .

Sle BollermmBlne

So klopft denn der Pevi eines Tags wieder ai>
die Tür seines alten Meisters. Ob er ihn nicht
wieder aufnehmen wolle? Jetzt könne er Lehrgeld
zablen. Der Meister brummt etwas in den Bart,
von naseweisen Lausbuben und gestutzten Flügeln.
und nickt: „Geh in die Kammer!"

Tagsüber werkelt Pevi im Laden. abends lernt
und liest er und bastelt an seiner Maschine. die er
mitgenommen hat. Er merkt Lald, was ibm feblt.
ist Mathematik. Utzschneider drückt ihm die
notwendigen Vücher in die Hand. Und einmal.
als der Pevi wieder den Herrn Hoikammerrat be-
sucht, sagt ihm der: „Hör. Pevi, ich hab mit Rei-
chenbach und Liebberr znsammen ein matbematisch-
mechanisches Jnstitut gegründet. Willst du bei mir
eintreten?"

Pevi ist Lberglücklich. Das ist es, was er immek
wollte: für die Wisienschait arbeiten. Jetzt stebt ek
in einem grotzen Laboratorium, in der ovtischen
Abteilung des Jnstituts. Alles, was er braucht.
ist da. Er kann erverimentieren und erdenken und
basteln nach Herzenslust. Jetzt weitz er auch. wae
er will. Sein erstes Ziel ist: gutes HandwerkszeuS
zur Erforfchung der Natur. Die Linsen der ovti-
schen Eeräte dürsen nicht wie bisher aus gut Glüa
aeschliffen. sie müssen mit unfehlbarer matbemati-
scher Eenauigkeit voliert werden. Pevis erste Ak'
beit ist: eine Poliermaschine zu ersin'
d e n.

Und dann steht die Maschine eines Tages wirk-
lich da. vor den gestrengen Blicken der Herren von
lltzsckmeider. Reichenbach nnd Liebberr. Peni s-annt
em Werkstuck ein, lätzt den Avoarat arbeiten. Dani'
geht das Obiektiv, das von der Maschine voliert
worden isll von Hand zu Sand. Weitz der Himmel.
wie der Junge das geschassen hat — die Fläche"
sind mit emer mathematischen Präzision geschliffen.
wie man sie bisher überbauvt nicht gekannt bat'

„Jch freu micb 'ebr über S'e
sagl schl-etzlich Herr von llt-'ck - üc « o > ' cht
dem Pepi die Hand. Der wird knallrot und ver-
legen. Es ist dock das erste Mal, datz jemand zn
rbm «Sie und „Herr" gesagt hat. (Ende.1
 
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