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Volksgemeinschaft: Heidelberger Beobachter, NS-Zeitung für Nordbaden (6) — 1936 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.9507#1180

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Lsits 4

Au; aller XVelt

„Dolssgemelnfchafi"

Samsiag, üeu i». L.vicmocr idM

B»W burckliuctt ttma Konliucnl

Nach 3000 Meilen Weg zu seinem Herrn zurückgefunden

Ä-srkZri?rkiZr

-Berräler' "

Während in den vergangenen Jahren die Z
deurilyen Filme für die Biennale in Venedia -
in Deutschland bereits bekannt waren, so datz W
dte dortrge Preisverteilung einer Bestätigung des W
lkrteils gleichkam, das man sich aus eigener Z
Anschauung bereits gemacht hatte, ist in diesem D
Jrhre umgekehrt ein preisgekrönter deutscher W
Film erst nach Abschlutz der Tagung in Vene- Z
dig nach Deutschland zurückgekehrt- Bewußt Z
und durchaus mit Recht hat man die deutsche W
Ilraufführung des Ritterfilms „Verräter" nach W
Rürnberg an die historische Stätte der Partei- W
tage verlegt, um gewissermatzen den Worten W
des Führers eine (krgänzung auf dem Eebiet W
Heeresspionage, zu verleihen.

Nun ist der Film auch in Berlin selbst ge- 8
loufen und hat hier an der Stätte seiner Ee- W
burt den Beifall und die Anerkennung gefun- W
den, die er verdient. Datz die Panzerwaffe, W
die in dem Film eine besondere Rolle spielt, W
sich ihres filmischen Patenkindes dabei liebe- W
voll annimmt und es mit ihrer Musik auf den W
filmischen Lebensweg schickte, gab der Auffüh- W
rung einen besonderen Reiz.

Mehr als die äutzere Handlung, die trotz W
ihrer interessanten Begebenheiten naturgemätz W
zunachst einmal die Ersordernisse filmischen Ee- W
schehens erfüllen mutz, ist in diesem Film die W
Tendenz das Ausichlaggebende. Es mag auch W
heute noch Menschen geben, die beim Hören W
des Wortes Tendenzfilm sich von vorn- W
hcrein vornehmen, sich ihn nicht anzusehen. Sie W
mögen ihre Äbneigung ein einziges Mal über- W
Uiinden und sich den Verräterfilm ansehen, W
dann werden sie nichts mehr von der früher s
übljchen Schwarz-weitz-Malerei für die Bösen W
und die Euten darin finden, sondern der künst- W
leiische Einsatz verteilt sich über alle und alles. W
Eerade weil nicht mit schönen Frauen und ge- W
heimnisvollen Apparaten die feindliche Spio- W
nage dargestellt wird, wie man es früher bis W
zum lleberdrutz zu seben bekam, sondern ganz W
natürlich, fast unauffällig und unaufdringlich, W
die geschickt arbeitende Spionage jeden von uns ^
unbewutzt in ihre Netze ziehen kann, besteht die W
„Tcndenz" des Filmes tatsächlich in nichts an- W
derem, als datz er zeigt, wie gefährdet wir und W
genau so jeder andere Staat ist, der eine Wehr- W
macht unterhält. Er zeigt aber auch weiter, W
datz, wenn jeder so handelt wie dieser einfache W
Soldat, der Panzerschütze Klemm, der selbst W
in schwersten Verdacht geraten ist und dennoch W
alles tut, um sein Vaterland vor schwerem W
Schaden zu bewahren, jede feindliche Spionage W
zuschanden werden mutz.

Datz dieser Film die Auszeichnung „st aats- W
politisch wertvoll" erhalten hat, ver- W
stehtiisich - danach von selbst. Worauf es aber W
enkommt, ist in diesem besonderen Falle die 8
Vestätigung des Urteils durch die Beschauer W
selbst. llnd da genügen bereits die ersten Auf- W
führungen in Nürnberg und Verlin. Dieser W
Film ist in der Tat ein Erziehungsmittel zum W
Anstand, zur Ehrliebe, zur Aufrichtigkeit und W
zur Vaterlandstreue, wie dies noch niemals W
ein Filmstreifen so eindeutig und überzeugend W
dargelegt hat. Deswegen wird er seinen Sie- W
aeszug durch Deutschland gehen und wie die W
Preiskrönung in Venedig zeigt, überall, auch Z
dort im Ausland, wo das Vaterland allem W
anderen vorangeht.

New Nork, im Sevtember
Bobbv, ein schottiicher Schäferhund, ist
ber Held einer wahren Geschichte. die aanz Ame-
rika mit Rührung vernommen bat: Ueber etne
Entfernung von ZllOO Meilen hat er. scchs
Monate lang unablässig wandernd, den Weg zu
seinem Herrn zurückgesunüen.

Von weit her kommen die Photographen nach
Silverton im Staate Oregon (USA), um
Vobby, den treuesten und klügsten aller Hunde,
dessen Abenteuer einen ganzen Kontinent zu Trä-
nen gerührt haben, zu photographieren. Bobby
bekommt Würstchen und Kuchen aus den verschie-
densten Städten, Bobby bellt für die Wochenschau,
Bobby gibt „Interviews", kurzum, er ist ein
Pvblikumsliebling allerersten Ranges geworden.

Jm Ianuar war Bobby von seinem Herrn,
einem Farmer aus Silverton im Staate Oregon,
auf eine Reise nach Wolcott im Staate Indian
mitgenommen worden. 3000 Meilen mutzten der
Herr und sein getreuer Hund z^cücklegen, bis sie
am Ziele waren. Während der Herr seine Ge-
fcbäfte erledigte, fand ein Fremder Eefallen an
dem schönen schottischen Schäferhund, der vor der
Türe wartete. Er band ihm ein Halsband um,
nachdein er ihn offenbar durch ein Betäubungs-
mittel unschädlich gemacht hatte, und nahm das
prächtige Tier mit sich. Verzweifelt suchte der
Hcrr seinen treuen Begleiter, der spurlos ver-
schwunden war. Er lietz Plakate anschlagen und
eine Anzeige in die Zeitung setzen, er benachrich-
tigte die Polizei, verlängerte seinen Aufenthalt
um mehrere Tage — vergebens. Von Vobby kam
kein Lebenszeichen.

Aber der kluge Schäferhund war nicht gewillt,
srinen Herrn so ohne weiteres zu wechseln. Auf
irgend eine Weise gelang es ihm, sich aus seinem
Eeiängnis zu befreien und durchzubrennen.
llnd nün versuchte er das Unmöglichscheinende: Er
wanderte die 3000 Meilen über den amerikanischen

Kontinent zurück nach Oregon. Es war Winter,
als Bobby seine Reise antrat. Er mutzte in Schnee
und Eis die gefürchteten Rocky Mountains über-
winden, er mutzte Flüsse durchqueren, die teilweise
gefroren waren. Es gab Förster, die auf den
streunenden Hund schossen, Bobby sprang über
Brücken und durchschwamm den Missouri.
Aber es gab auch Menschen, die gut zu dem treuen
Tter waren, die bemerkten, datz er sich auf einer
wciten Reise befand und dankbar war für jeden
Biiscn Brot und jedes warme Lager, das man ihm
des Nachts gewährte. Nun, da Bobbys Heldentat
durch alle Zeitungen ging, haben sich zahlreiche
Personcn an seinen Herrn gewandt, um ihm zu
derichten, wie der Hund nie länger als eine Nacht
a i einem Ort vorweilte und dann, wenn er aus-
geiuht war, trotz aller Verlockungen weitertrabte.
um sein fernes Ziel zu erreichen? Bei dieser Ee-
legenheit stellte es sich heraus, datz Vobby dreiein-
halb Monate lang trotz seiner guten Spürnase i m
Kreise herumgewandertwar, ehe er
endlich den geraden Weg nach der Heimat fand.

Abgemagert und zerzaust, aber freudig mit
dem Schweif wedelnd, hat Bobby scheinen Herrn
nach einer halbjährigen Reise wiedergefun-
den. Alle hatten ihn verloren geglaubt und wa-
ren ebenso erstaunt wie glücklich, den treuen Hund
wieder zu sehen. Es dürfte nach niemals dage-
wesen sein, datz ein Hund selbständig eine Strecke
von 3000 Meilen zurücklegte, um zu seinem Herrn
zurückzufinden. Und da die Amerikaner für Re-
korde jeglicher Art begeiitert sind, braucht man sich
nicht zu wundern, datz Vobby der vierbeinige Lieb-
ling einer ganzen Nation gewarden ist, datz Tier-
ickutzvereine und Klubs von Hundefreunden den
broven Schäferhund zu ihrem „Ehrenmit-
glied" ernannt haben, und datz sogar — so schnell
konn man Karriere machen! — ein Angebot
aus Hollywood eintraf,

fernt von ihm eins iener grotzen Fäbrboote. di
den Verkehr zwischen den beiden Ufern des »ur
son-Flusies oermitteln. Dieie Fährboote sind breit'
kleine Ungeheuer. die einen Puff vertragen
„Queen Mary" warf aber. obwohl sie im vudion«
Flutz natürlick noch langsam fuhr. eine so gewal-
tige Welle auf. datz das Fäbrboot ..Utica henig
gegen seine Landungsbrücke geworsen wurde. Da-
bei wurden von den 200 Pasiagieren der irabre
eine ganze Anzahl mehr oder weniger schwer ver
letzt. Es kam zu einer Panik. und nur dem Um--
stande. datz mit der Entfernung des Rieiendamvfers
das Wasier sich beruhigte. ist es zu danken. datz
nicht weiteres Unheil vassierte.

Svsw drS..MAWden FIM"

Soisions. l8. Sevtember

Einer der Konstrukteure des bekannten enoli-
schen Kleinilugzeuges. das den Namen der ..irlie-
gende Floh" trägt. Robert Robineau. nel der,von
ihm konsiruierten Maschine zum Ovier. Bei einer
Landung auf dem Flugvlatz von Soisions srub sich
sein ..Fliegender Floh" mit der Niüe in das Roll«
seld ein. stand Kom und warf den Piloten ab. der
dabei ums Leben kam.

M der Wietbakeükr Fuwrlrndieb
seme Milionen verstelkte

Frankfurt a. M.. 18. Sevtember
Der Wiesbadener Millionendieb Karl Schiff«
buuer wurde am Dienstag noch einmal deM
englischen Richter vorgeführt. Es wurde ihm hier-
bei eröffnet, datz die deutjche Regierung einen Aus-
lieferungsantrag wegen Diebstahls von Iuwelen
und Perlen im Werte von rund 1,5 Millionen
Mark gcstellt hat. Der Polizeiinspektor von Scot-
land, Pard, Hatherell, erklärte, datz der Fall Schifs«
bnuer einer der interessantesten sei, den Scotland
Pard je bearbeitet habe. Der Dieb habe die Zu-
wclen an den unmöglichsten Stellen versteckt und
zum Teil möglicherweise auch schon weitergegeben.
Die Nachsorschungen der englischen Polizei ergaben,
tatz ein Perlenhalsband in einer grotzen Zahn
ciemetube versteckt war, während wertvolle Bril«
lanten in einer Dose Gesichtscreme vorgefunden
wurden. Jn den letzten Tagen wurden nych in
allen möglichen Toilettegegenständen versteckt wei«
tere Steine im Werte von 10 000 Lstrlg. ermittelt.
Jnsgesamt wurden bisher Steine für 10 000 Lstrlg.
gcborgen. Er sei überzeugt, datz oer Räuber noch
grötzere Mengen Perlen versteckt hätte. So oft
ieine Toilettegegenstände durchsucht werden, findea
sich immer neue Schmuckstücke.

Der Dritte beim Skat

Moers, 18 Sevtembsr

Wie gewöhnlich, hatten sich in Homberg am
Stammtisch ältere Herren zum Skatspiel zusam-
mengefunden. Zu ihnen zählte auch der 78 Iahrv
alte Albert Schmitz aus Homberg. Als er sich ein«
mal auf die Tischkante stützte und still in dieser
Lage verharrte, glaubte man. er sei eingeschlafen.
Als man dann den Schläfer wecken wollte, mutzte
man feststellen, datz Schmitz tot am Tisch satz. Ein
Herzschlag hatte seinem Leben ein Ende bereitet.

Kamvf Zwi Mn ßabicht M Senne

LLneburg, 18. September
Jn Lübberstedt bei Lüneburg war ein
Landwirt auf seinem Hof Zeuge eines ungewöhn-
lichen Kampfes. Ein Habicht versuchte ein Küken
zu kröpfen. Die Henne stürzte stch auf den Raub-
vogel und hackte ihm beide Augen aus. Der Land«
wirt konnte dann den hilflosen Habicht fangen
und töten. Er trug einen Ring am Vein mit der
Aufschrift „Zoologische Station 3039 Helogland.^

Zi tote Kinder klagen an

Die Rakwitzer Fährenkatastrophe vor Gericht

BrLnn, 18. September

Vor dem Strafkreisgericht beginnt jetzt die Ver-
handlung gegen dis Schuldigen an der furchtbaren
Fäbrenkatastrovbe. der am 26. Mai d. I. 31 Sck>"l-
kinder aus Rakwitz in Südmähren zum Ovfer
sielen.

An diesem Tage hatte die Schule unter Füh-
rung ibrer Lehrer und Lebrerinnen einen Ausilug
in die Pollauer Berae gevlant. Bei dem Orte Neu-
miihl mutzten sie über die Tbana. die damals in-
folge der anhaltenden Reaengllsie Hochwaiser
führte. in einer Fäbre übersetzen. Da die Fäbre
nur aus zwei Käknen mit darüberaeleaten Vret-
tern bestand. wurden die Kinder in drei Eruvoen
geteilt. Die beiden ersten waren bereits über den
Flutz aesabren. bei der dritten Fabrt befanden sich
noch 15 Kinder. ein Lebrer. eine Lehrerin und ein
Maaen mit Kutscher und Pserden auk der Fäbre.
^lötzlich bemerkten die Iniaiien. datz Wo"er in die
Käbntz drana. und diele insolaedesien zu sinken be-
gannen. Da sich die Kinder zusammendrängten. be-
kam die Fäbre vlötzlich das lleberaewicht und
kioote um. Sämtliche Jnlaiien fielen ins Wasier.
Obwohl vom Ufer ans iofortige §>ilfe aebracht
wurde. ertranken 31 Kinder. ein Lebrer. der Kut-
scher und die Pferde.

Vei der Untersuchung des surchtbaren Unalücks.
das damals weit über die Grenzen der Tschecko-
slowakei hinaus Aussehen und Anteilnabme er-
meckte. stellte es sich bera»s dak die eli Jahre alte
Fäbre bereits leit fiins Iabren so gut wie unbe-
nutzbar war. Schon östers waren undickt gewor-
dene Stellen nur notdürftig verstovft worden. Den-
noch benutzte der Fährwann das unsichere Eeiäk"'t
und lietz soaar mebr Kinder aus sie binons. als
nach der Beiastungsvorichriit zulässia war. Der Be-
sitzer der Käbre und ibr Päckiter werden als die
fio""tschuldiaen anaeseben. Autzerdem sind noch
2 Lehrer und 1 Lehrerin wegen Vergebens gegen
die Sicherbeit des Lebens angeklagt.

Schraubenunheil -er..Sveen Morv"

Neuyork, 18. Sevtember

Der enalische Riesendampfer „Queen Mary". der
mit der Kraft seiner gewaltiaen SchifsssLrauben
auf seiner letzten Reise das „Blaue Vand des At-
lantischen Ozeans" errang. bat mit diesen Schrau-
ben im Safen von Neunork einiaes llnbeil ange-
richtet. Als er ausfuhr, lag eine balbe Meile ent-


10. Fortsehung

„Er ist — ja, wissen Sie denn nicht?"

„Getaufter Christ —"

„Das hindert ihn nicht, der Eöttin Käli zu
opsern!"

„Datz Smith an irgend etwas glaubt und sei
es auch nur an ein ekelhaftes ELtzenbild, das glau-
ben Sie doch selbst nicht!"

Vivian sieht sich scheu um, sie flüstert:

„Er gehört zur Sekte der Thngs! — Die lasscn
ihn nicht los! Das sind Verbrecher, bei denen sein
eigenes Leben nicht sicher ist, wenn er ste verrät.

— Ach, helfen Sie mir, er wird mich umbringen,
weil ich zu Jhnen sprach!"

Sie kniet jetzt jammernd vor ihrer einstigen
Nebenbuhlerin. Aber die ist plötzlich ganz sach-
lich und nüchtern, schiebt lieblos die Hände, die
ihre Knie umklammern, zur Seite.

„So, verehrte Mitz. das war ja alles sehr in-
teressant, und wenn ich auch das meiste wenigstsns
ahnte, man höit es immer wieder gern. Aber wis-
sen Sie nicht, datz es Jhre Pflicht war, dies recht-
zeitig zu sagen? Dah Sie sich zur Mitschuldigen
gemacht haben durch das Vsrschweigen? Frau
DLrensort war mit einem scheutzlichen Tode be-
droht — auf die gemeinste, grausamste Weise! —
Sie wutzten das, und sahen zu, obgleich Sie von
Jhrem Manne nichts wie Eutes hatten! — Ach,
das ist ja kaum glaublich, das ist so ekelhaft! —
llnd das alles aus Liebe zu diesem — Abenteurer,
Lber dcssen Vergangenheit Sie eines Tages mehr
hören werden, wie Jhnen lieb ist!"

„Aus Liebe zu ihm? — Nein!"

Vivian vergräbt ihr Essicht in den Armen, soll
sie noch mehr sagen, sich rettungslos preisgeben?

— Es kommt wohl nicht mehr darauf an. —

„Ich — nein, nicht Liebe! — Hatz, Rache! —

Ein anderer, der mich verschmähte —"

Schwester Elise horcht aus, ikr wird allerhand
klar, obgleich, derartige Leidsnschaft! — Vielleicht
ist Tropenkoller, Fieber, die einz ge Erklärung. —
Sie zuckt die Achseln.

.Ach sol"

Ueberlegt, ob sie nicht nach Nowara Elaya tele-
phonieren soll, Vivian verhaften lassen. — Sie
lächelt verächtlich. — Dies elende Etwas, was da
auf der Erde kauert, da genügt ein fester Grifs
ihrer eigenen Hand. — Das Jammerbild läuft
nicht davon.

„Er mordet mich — helfen Sie mir!"

Nun zittert das auch noch um das eigene bitz-
chen Leben.

„Beruhigen Sie sich. — Da, setzen Sie sich! —
Diktieren Sie mir alles noch einmal. Ich werde
es aufschreiben und Sie setzen Jhren Namen dar-
unter."

Es ist wirklich nicht nötig, mit Vivian Smells
noch viel anzustellen. Sie tut alles auf Befehl.
Sie ist so völlig gebrochen, datz sie sich willenlos
von der Schwester Hand herunter nach Nowara
Elaya führen lätzt. Sie fragt nicht mal, wer rhr
das Recht dazu gibt, sie so zu behandeln, lätzt sich,
ohne ein Wort der Widerrede, in einem Hotel-
zimmer auf das Bett fallen.

„Mein Dienst — der Herr Doktor Dürenfort
in der Plantage!"

Es ist ein letztes Aufflackern eigenen Willens.
Schwester Elise fühlt jetzt.fast Mitleid.

„Jch ordne das alles, entfernen Sie stch nicht
aus dissem Zimmer!"

„llnd wenn man mich entlätzt?"

„Das haben Sie sich ja selbst zuzuschreiben. —
Aber wir wollen sehen, vielleicht darf ich ein gu-
tes Wort für Sie einlegen!"

Ein Schlüssel wird im Schlotz herumgedreht.
Eigentlich zu viel Auswand, denkt die vielseitige
Krankenschwester.

Dann holt sie sich aus dem Hause mit dem
britischen Hoheitszeichen über der Tür zwei nette
Begleiter und geht so in guter Eesellschaft in das
kleine Kasfee in der Vazarstratze, wo ihr Vrr-
ehrer, Mr. Smith, nun schon fast zwei Stunden
aus ste wartet.

Renate fühlt sich so frisch und unternehmensd
wie selten. Eine Rcgenperiode in den Tropen mit

derartig klaren Tagen dazwischen ist wirklich nur
halb so schlimm wie ihr Ruf.

Fröhlich steigt sie den kleinen Bergpfad hinan
bis zu der Stelle, wo man die Villa Renate so
frei vor sich liegen sieht. Sie ist acht Tage nicht
hier gewesen, steht erstaunt und zweifelnd vor dem
sogenannten „Plateau", das ihr gänzlich verändert
vorkommt. Umherliegende Steine, Felsbrocken,
spärliches Gras, Wacholderbüsche und wilder Thy-
mian war hier früher gewesen, gelb gebrannt von
der Sonne. Heute scheint zwar die Sonne auch in
recht kräftiger Elut vom Himmel, aber ihre Strah-
len verfangen sich in kniehohem Gras, das vor
heitzer Feuchtigkeit dampft. — Die kahlsn Fels-
brocken sind mit wuchernden Flechten überzogen,
und im kecktreibenden Wacholder flattern grotze
Schmetterlinge und bunte Fliegen.

Renate hat einen Abscheu vor hohem Eras.
Es ist ihr zu undurchsichtig, man kann nicht wissen,
was darin umherkriecht. Sie biegt es mit ihrem
Schirm etwas zurück, legt ihre Malutensilien auf
einen grotzen, flachen Stein, und kriecht mit zu-
sammengerafften Kleidern, jeden Futztritt stchernd,
nach. Etwas schwierig zwar, aber hier droht we-
nigstens keine Eefahr. Man sieht weit ins Land
von hier.

Sie vergietzt ihre Angst vor dem etwa im Grase
lauernden Eetier und pinselt darauf los. Das
Vildchen mutz zum mindesten heute so weit kom-
men, datz sie es zu Hause vollenden kann. Mor-
gen regnet es ja sicher wieder. Wenn man stch um-
dreht, steht man jetzt schon wieder Wolken hinter
dem Walde stch zusammenballen. Sie pinselt und
pinselt. Der Nachmittag schreitet vor. Die Sonne
sticht jetzt förmlich. Sie beleuchtet das Motiv von
Renas Bild gar nicht mehr ganz, steht schon seit-
lich! Jhre Strahlen sind auch nicht mehr so klar
wie zuerst, verfangen sich in orangefarbeyem
Dunst vergolden einzelne der Bergkuppen mit ge-
spenstisch fahlem Glanz und lassen andere w'eder
ganz kalt und grau erscheinen. Dazu ist plötzlich
auch wieder der Nebel da. Steigt aus dem Tale
auf im perlmutterfarben irisierendem Schein.

Fabelhaft! — Aber man mutz jetzt höher hin-
auf, um diesen Feuerzauber richtig zu fassen.

Renate ist völlig vom Mal- und Farbenteufel
besessen. S'e sieht auf ihre llhr. — Jn einer Stunde
ging die Sonne ungefähr unter. Dann mutzte sie
wegen derr schnell hereinbrechenden Dunkelheit na-
türlich aus dem Walde heraus sein. Absr eine
Stunde ist lange Zeit, und der Weg bis zu Hau e
ist doch nicht weit.

Der kleinx Pfad, der nach oben führt, ist immek
nur ein Ziegenpfad gewesen, eine lustige Kraxelei!
Aber in der trockenen Zeit konnte man von Stein
zu Stein steigen und die rote Erde dazwischen wak
hart. Das ist nun alles anders. — Moos und Pilz«
nisten an den Steinen, die Erde ist feucht und glit-
schig, und von einer Seite des Weges zur anderen
greifen die Ranken üppiger Schlinggewächse, fl«
wehren sich, zerrissen zu werden.

Wo ist auch rschts und links vom Weg der klar«
deutsche Wald, den Renate immer so geliebt hat,
mit seinen Farnwedeln? Wo sind die roten Erd-
beeren und Anemonen unter Tannen und Eichen?
Erstaunt sieht sie um sich. — Ja, die Bäume sind
wohl noch da, aber sie sind von W nden und Lia«
nen in ein grlln-buntes Netz eingesponnen. — Ihre
Zweige scheinen wehrlos darin zu ersticken, müde
hängen sie bis in den zu Menschengrötze gewachsenen
Farn, die von Blüten Lbersäten Rhododendrrn und
Azaleen. Aeste und Blätter, die von der heitzen
Umarmung erstickt abbrachen, in den von Frucht-
barkeit brodelnden Waldboden versanken, schaffe»
im Tode neues Leben für all die kleinen LebeweseN.
die, Algen und Mikroben, die, ein Zwischending von
Tier und Pslanze, irgendwie wieder zum Lichte
drängen, oder in untsrirdischer Eeschäftigkeit Eist
und Krankheit ausbrüten.

Deutscher Wald? Nein, tropischer Wald. —
Die ganze Mystik Jndiens ist ausgegossen in sol-
chem heitzen, feuchten mit tausendfachem Leben er«
füllten Dickicht, und der Mensch, der sich da hineitt
begibt, mutz gute Nerven und eine gesunde Natur
haben, um all das. was auch ihn darin einzufan«
gen droht, von sich abzuwehren.

Renate begibt sich nicht hinein. Bewahre! Sie
bleibt hübsch auf dem Ziegcnpfade, reitzt und tritt
"stbs entzwei, was sie am Weitcrgehen hindern
will und sieht nur neugierig in die grüngoldene
Unhe mlichkeit zur Seite. Alles immer in deM
beruhigenden Bewutztsein, datz sie ja gar nicht
kann ^ Hause ift und jederzeit umdrehen

Vielleicht ist es auch gar kein richtiger Urwald
hier. Nur etwas unkultivierte Wildn's. Und
wilde Tiere gibt es sicher nicht! Nein, sie hat wirk-
lich keine Angst. — Sie w,ll jetzt sogar bis zu
ihrer kleinen Tempelruine herauf. — Da hört man
schon das kleine Bergwasser, und nun tritt der
Wald von selbst zurück. — Aber wie laut rauscht es
O^ute. (Forisetzung solgt.)
 
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