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Volksgemeinschaft: Heidelberger Beobachter, NS-Zeitung für Nordbaden (6) — 1936 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.9507#1392

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Lsile 4

allei' XVelt

„Volksgemeli'sAo^

Lamslag. de» t.

Usrkkrikik

So seschehen 19I«... D

Datz der Psarrer oon Hauenstein und da- D
tLber hinaus das Hauspersonal samt Kirchrn» W
diener nicht wissen, wann des Führers Ee- Z
burtstag ist, diese seltsame Feststellung wurde Z
in der gestrigen Schössengerichtssitzung gemacht. M
Der Pfarrer war nämlich angeklagt, an des M
Führers Geburtstag weder Psarrhaus noch Z
Kirche beflaggt zu haben. Er gab zu seiner W
Entschuldigung an, dah er an diesem Tag W
eine Wallfahrt nach Maria Rosenberg ge- W
macht habe. Als er morgens das Haus verlietz, W
habe er gesehen, datz überall geflaggt war. W
Darauf habe er seinem Kirchendiener Austrag W
gegeben, nach dem Erund der Beslaggung zu W
forschen und notfalls an Kirche und Psarr- W
haus ebenfalls die Fahnen auszustecken. Dies W
unterblieb jedoch aus unbekannten Eründen. W
Vor Eericht marschierten nun die Nichte des W
Psarrers, der Kaplan und der Kirchendrener W
auf, die allesamt nicht genau angeben konn- W
ten, wann der Führer Eeburtstag hat. Der W
Vertreter der Anklage rügte das Verhalten W
des Pfarrers, der schon im Vorjahre wegen W
Nichtbeflaggens unangenehm aufgefallen ist, W
schars. Das Eericht verurteilte Pfarrer Som- Z
mer zu einer Eeldstrafe von 200 RM, ersatz- W
weise zu 20 Tagen Eesängnis.

Kieines Mö-lhen schreibt an «öatg Ebuard

Loudou. 2. Oktober

Enaland sreut sich Lber eine hochberzig« Tat
seines iungen Königs. Vor kurzem schrieb in Lon-
don eine eliiäbriae Schülerin Eliiabeth Jngram
einen Briei an König Eduard. Darin klagte das
Schulmädchen. datz es an einem schweren Nerven-
leiden erkrankt iei. das nur durch eine koitspielig«
Krankenbausbebandlung gebeilt werden könne. Nie-
mand könnte ibm belfen. da seine Eltern ganz
unbemittelt seien und die Kosten für ein« lolch«
Kur nicht auibrinaen könnten.

Am nächsten Tage schon tras eine Antwort de»
Oberbokmeisteramtes ein. Darin wurde mitgeteilt,
datz man den ffall dem Serrscher oersönlich vor-
getraaen habe und datz das Sckulmädchen aui Ver-
anlassuna des Könias im St. Andreas-Kranken«
baus zu Llever bei Windior eine sechswöchig« Be-
handlung erhalten iolle.

Rattcn brherrMen elne 8nlel

Neuqork, Ende August

Eine der einsamsten und entlegensten Jnseln
der Welt ist die kleine Insel Trtstan da Tunha,
die im Südatlantischen Ozean, zwischen Südafrika
und Südamerika, unter dem 37. Breitengrad liegt.
Dieses kleine und paradiesische Stückchen Land ist
jetzt der Schauplatz einer Tragödie. Seit langem
schon hat sich aus der Jnsel eine erschreckende Rat-
tenplage bemerkbar gemacht. Alle Versuche der
Einwohner, dieser Pest Herr zu werden, blieben
aber vergeblich. Jetzt ist es soweit gekommen, datz
die auf der Jnsel lebenden Menschen kaum noch
etwas ernten können, da alles sofort von den Rat-
ten aufgefressen wird. Die 167 Bewohner der Insel
sehen sich heute vor die dringende Frage gestellt,
ob sie nicht schon in Kürze nach einer benachbarten
Insel Lberstedeln müssen. Herren der Jnsel Tri-
stan da Cunha stnd dann die Ratten.

IgS Archiv drr „lmgra BSrlr"

Humor nach Sachgebieten geordnet — Die gröhte Witzsammlung der Welt

M«». Aniang Oktober

koebe» fand tm Wiener Bezirk Maraa-
rete» ein seltiames EreigntS ftatt: der 24-
iäbrige Sotogras Leovold Fecktner batte
setne Freunde zur Seterseines IS l) 0 0 0-
sten gesammeltrn Wtbes eingeladen.

Der Salonlöwe. der die Anekdoten au» dem
Aermel kchüttelt. der Kabarettist. der nie um eine
Pointe verle-gen ist — ste stnd elend« Stümver im
Vergleick zu ienem bescheidenen stillen iungen
Mann aus der Wiener Voritadt Margareten. der
es stch zur Lebensauiaabe gemacht bat. das gekamte
Eebiet des Sumors mit wikkenlchast-
licher Eründlichkeit zu erkorkchen und zu
regiktrieren.

Leovold Fechtner. keines Aeichens Fotosrak.
ist ein ernster. iunaer Menkch. der äutzerst beschei-
den und zurückaezoaen lebt. Er tut täalich in der
Stadt keine acht Stunden Dienst und brennt dar-
aui. abends ko schnell wie möalich nack Sauke zu
kommen. um keinem Privatvergnüaen naLaehen zu
können. das er mit ungebeurer Energie und Aus-
dauer bereits keit zebn llabren betreibt. Damals
war er ein kleiner Realkchüler. der gern WiNe
bört« und erzäblte. Dann begann er. Anekdoten
aus Keitunaen und Zeitkchristen au«-nkckneiden:
bald wurden es !o viele. datz er ste in Mben klebte
— und der Erundktock keiner unaebeuren S^mm-
lung war aeleat. Seute beb-rberae" keine Mben-
ftötze nickt weniaer als löVVVV Witze. gekam-
melt. ausaeichnitten und aukaeklebt. aus allen Län-
dern der Welt. Täglick erwarten ibn zebn bis

zwanzia humoristikcke Blätter mit etwa 8 bis 4VV
Willen. die er durchzukeben und auk ibre Verwend-
barkeit bin zu vrüien bat. Aber nur böchstens zebn
davon kinden Enade vor keinen Augen und werden
iür wert besunden. dem Archiv einverleibt zu
werden.

Witze „liegen in der Lust-

Denn Leovold mackt es stch keineswegs leicht.
Was er beabstchtiat. ikt nickt ein willkürlich zukam-
mengetragener Wust von guten und schlechten
Witzen. kondern ein Archiv der wirklick
bekten Pointen. die iemals Menkcken zum
Lachen aebrackt baben. nach Soarten geordnet und
kür eine kvätere wissenkchaktliche Arbeit des Pkvcko-
logen. Vbiloloaen oder aar Vbilokovben verwend-
bar. Leovold bedauerte es ankangs. datz er niemals
die Witze. die vor llabrbunderten aukqetauckt wa-
ren. zu Gestckt bekommen werde. kNber die Er-
sabruna bat ibm aezeigt. datz ieder Witz. und wenn
er noch so krüb entstanden ist in anderer Form
immer wieder erzäblt wird. ko datz wir
beute über Witze lachen. deren Barj schan bis zur
Arche Noab zurllckreicht. Sier ergeben stch kultur-
bistorikcke Perkvektmen. aemesten an Sand von
..Revenants". wie Fechtner mit einem Fackausdruck
die wiedererkannten bärtia-n Anekdoten nennt.
Aber auch beutzutaae entsteben Witze okt an zwei
verkchiedenen Enden der Welt nabezu aleichzeitia —
ste ..lieaen in der Lukt" und werden von aktuellen
Ereianist-n o?t aeradezu vrovoziert. Fecktner legt
aber gröbten Wert darauf. datz keine Sammlung

Brlese von BomLay nach Bombay

Engländer prüft Weltluflverkehr

Ein Engländer, ber seinen Wobnstb in
Vombav in Jndien hat. sandte vvr kurzem
vcriuchtsweise zwet Briefe mit Lustvosi rund
um die Welt. die an seine etgene Adreste tn
Bombay gericktet waren. Er wollte aus diefe
Weise die Scknelligkeit etnes Weltrundflugs
ausvrobieren.

Das Experiment das der in Jndien lebende
Engländer untei stillschweigender Jnauspruchnahme
sämtlicher Lustpostoerwaltungen der Welt durch-
geführt hat, dürste keineswegs nur langer Weile
eutsprungen sein. Es war ein recht unternehmunzs-
lustiger und zudem gefahrlofer Versuch, die Schnel-
ligkeit der Welt-Luftpostverbindungen nachzuprü-
fen. Während astdere Weltreisende unter grotzen
körperlichen Anstrengungen von Land zu Land und
von Kontinent zu Kontinent jagen, überlietz der
kluge Engländer aus Bombay diefes Vergnügen
zwei eingeschriebenen Vriefen. Und siehe da, die
beiden Sendungen wurden tadellos besördert. Die
«rste kam nach 4V Tagen zurück an den Absender,
die zweite nach 44 Tagen. An Porto aber wurden
für jeden Brief nur 12 Schilling ausgegeben.

Wie der Absender mitteilt, flogen seine beiden
Briefe aus dem ganzen Wege durch die Luft mit
alleiniger Ausnahme der Strecken zwifchen Fran-
zcstsch Ostindien und Manila und der Rückstrecke
über den Atlantischen Ozean. 2m einzelnen liesen
sie folgenden Weg: Bombay — Kalkutta — Saigon
i» Cochin China, dann mit dem Schifs nach Ma-

nila. Dort wurden sie von dem „China Llipper",
dem den Stillen Ozean überquerenden amerikani-
schen Flugzeug, übernommen und nach San Fran-
zisko gebracht. Von dort ging es nach Los Angeles,
Neuyork und wieder mit der normalen Seepost nach
England, wo sie in Croyden wieder die Luftpost
erreichten uud über Kalkutta nach Bombay gelang-
ten.

Die Zeit. die Fhineas Fogg der Held des be-
rühmten Jules Verneschen Buches „Die Reise um
die Welt in 8V Tagen" benötigte. ist also von den
Vriefen nur zur Hälste in Änspruch genommen
worden. Die tatsächliche Reisedauer ist sogar noch
kürzer, weil häusig längere Pause durch das War-
ten auf das Anschlußslugzeug eintraten. Die emp-
findlichste Verzögerung trat durch die Schiffsroute
von Saigon nach Mariila ein. Dasür wurden allein
12 Tage gebraucht.

Die Lllcke, die in der Luftbeförderung jetzt zwi-
schen Saigon und Manila noch klafft, wird in Zu-
kunft ausgefüllt sein, sobald die Jmperial Airways
die beabsichtigte Linie von Penang nach Hongkong
eingerichtet haben und die Pan-American Airways
die pazifische Luftverbindung über die Philippinen
bis nach Hongkong erweitern werden. Sobald das
geschehen ist, wird man, unter Jnanspruchnahme
auch des Zeppelindienstes über den Atlantischen
Ozean, rund um die Erde fliegen kännen und dafür
noch nicht einmal 4V Tage brauchen.

nicht «inrn eimiaen Witz dovvelt, oder in abnli ^
Auimachung entbält. und sichtet sein Materia!
unnachstchtiger Strenge. ^

Die Svarten. nach denen Fechtner kein Ar? ^
eingeteilt bat. werden bei allen Menlchen die
sür Humor baben. beiter« Erinnerungen V ^k«
ruien. Da werien wir einen Blick in das «
latein und Seemannsgarn — sozuiaaen in * ^
Borkriegsabteilung dcs Sumor»
lelen die Geschichten von bölen Schwieaermui" ^
zerktreuten Proiestoren und von der --Perls ° x«
Land". Kindermund. Lausbubenwitze. Stonc
wike. Soldatenwitz« kolaen in unerschövilicher nu <
Die Liebe nimmi im Sumor natllrlich eine »cv r
zugte Stelluna ein. aber selbstverständlich bat.». jt
Fechtner alle Pointen. die nur au? Sckilüvsri!" ^
beruben. ausaeichaltet. denn ste baben n
seiner Meinung mit ecktem Sumor nichts ^u
Viele Soarten stnd erst neueren Datums:
witze. Anekdoten über Sekretärinnen. Auto- '
Flugzeugwitze. Radiowitze . . .

Setn bester Witz

Der iunae Sammler ist rmstande. ieden
soiort wiederzuerkennen. den er bereits emv §
reaistriert bat. In seinen zwöli Bänden arbi ^
keine Pointe. die er niLi auswendia kennen §r<
So wird es auch verständlich. datz stch niemano^.^
innern kann. Leovold iemals über einen
lachen gebört zu baben. Für ibn bat auL A
neueste ..Sckilaaer" einen ..lanaen Bari". Da» " ^
abendlicke Studium der Zeitschriiten ist ibm c^
Arbeit. der er mit ernstester Miene
kommt. Er beneidei Menlcken. die über einen
berzlick lacken können. und denen nickt aleick R" ^
mer und Seitenzabl des Arckivs einiällt.
betreikende Witz bereits in ieiner denkbar oen
Berston vielleickt iabrelana laaert ... ^

Einiae tauiende Mark bat dem iunaen DUHg
diese seltiame Leidenschast schon aekostet: 7 bis
Arbeitsstunden waren eriorderlick. um die „
Bände des Arckiivs zu iüllen. und etwa 2 Millio"
Witze mutzten zunäckst auimerkiam geleien wero^
um die 15V VVV Perlen des Sumors zulammen °
bekommen. Darunter beiinden stch aber auck no"-«
Seiten aus Wilbelm Buich. Fritz Reutter. Lud" .
Tboma und anderen deutiLen ..Klastikern "
auten Laune".

..LEeicken 'lEiti aus Llbrer Sammluna balt,,
Sie nun iür den besten?" iraaen wir Le0v° .
Fecktner. Dieier ichüttelt den Kooi: ..Das ist
unmöalickie Fraae. Ich babe immer wieder " ,
aestellt. datz es bei der Wirkuna eines Wiües " .
die Intelliaenz und die Ausnabmesäbiakeit ? ^
Sörers ankommt. Worüber stck der eine totla""
will. verziebi der andere keine Miene ..."

..Aber Poldi. sei doch nickt so unböslick .Ät
erzäbl' dem Serrn doch em vaar aute Mitze!' IL-g
ibm seine Eattin ins Wort. Fecktner stebt un""s<
äui und nimmt einen der Bände aus dem ReLitz
..Du weitzt dock aenau. datz mir niemals ein i^.r
einfällt. wenn ich einen erzäblen ioll!" msint .
mit bösem Blick aus seine Gattin. die bei
nichts zu lachen hat. ..Sier lies in'wilchen!"
iaat er leise. zu uns aewendet: ..Darin stnd na'
lich Witze über Frauen verzeicknet. die ibre E«
männer ärgern . . .!"

Samstag, der 3. Oktober 1938

Wir müssen nur warten und bereiten könncü
Aber dies „nur" ist eben das Schwere.
Erunde sind wir alle zu unruhig.

Ernst Bertra"-

0 er kuf vom cindem Ofer

3. Fortsetzung

Da waren Holländer und Amerikaner, Franzo-
sen, Belgier, Deutsche, Patienten aus Brasilicn
und Argentinien; man hatte nicht umsonst den Ruf
einer internationalen Heilstätte. Es waren Leute
da mit bedeutenden Namen, mit prall gesülltem
Eeldbeutel, mit grotzen Ansprüchen, die man alle
vor das Ohr des ärztlichen Üeiters trug, und Bruck
äutzerte seinem Oberarzt gegenüber äraerlich: „So
zeitraubend, datz mit unserer medizinischen Tätig-
keit dieser Luxushotelbetrieb verknüpft ist. Jch
wünschte zuweilen, ich dürfte eine Volksheilftätte
leiten, wo man wirklich nur Arzi zu sein braucht."

Dr. Rademacher sah ihn verdutzt an und dachte:
der Lhef ist mit den Nerven herunter, mützte mal
ausspannen. Aber es ging gerade jetzt nüht.

Und nach langem Zögern, es waren jetzt seit der
denkwürdigen Bcgegnung am Ledaflutz vrei Wo-
chen vergangen, wagte Anna Feodorowna zu fra-
gen:

„Sie schlafen noch immer schlecht, lieber
Freund? Kann man denn gar nichts dagegen tun?
Mein Eott, unternehmen Sie doch endlich etwas.
Bei uns anderen wisien Sie immer so guten Rat."

Vruch zuckte resigniert die Achseln.

„Der Arzt ist bekanntermatzen immer der schlech-
teste Patient, gnädige Frau."

Tun Sie etwas für sich". bat ste noch einmal,
„Ihr Leben ist so kostbar. Sie müssen sich uns er-
halten."

Etwas für stch tun. Ja. wenn man das könnte!
Er wünschte es nachgerade jetzt selbst. Diesem Zu»
stand mutzte irgendwie ein Ende gemacht werden.
Es ging nicht länger an. datz ein grauhaariger
Fünfziger herumlies wie einer verliebter, schüchtrrn
oefangener Primaner.

Finger weg, mahnte das Eewisten, ste tft etn«
verhe'ratete Frau. Sie geht dich nichts an.

2ch tu es ja nicht um ihretwillen. 2ch suche
Elisabeth, keine andere. Jch will nur wissen. was
mit dieser Aehnlichkeit ist. vielleicht hab ich mich
getäuscht, dann wär« dex Spuk mil eiae» Mal» t»
Snd«.

Jch darf doch wenigstens erfahren, wer ste ist;
es nimmt mir ja allmähiich jeve Nachtruhe.

2n einer schlaslosen Nacht festigte sich der Ent-
schlutz.

Am nächsten Abend diktierte Bruck der Sekre-
tärin nach vielen medizinischen Eintragungen und
ärztlichen Berichten folgende Ansrage an die Po-
lizeibehörde Freiburg:

Jch bitte unter Verechnung der üblichen Ee-
bühr, mir Namen und Anschrist de« Besttzers von
Wagen IV 15024 mitzuteilen.

Die Sekretärin stenegraphierte ganz gleichmütig.
Sie wuhte nicht, welch bedeutsame Frage Bruck iyr
anvertraut hatte.

Nach rin paar Tagen ungeduldigen, kaum mehr
ertragbaren Wartens lag eines Morgens bei vie-
ler Post, säuberlich aufgeschnitten und geordnet
wie alles andere, ein amtliches Schreiben von der
Polizeibehörde Freiburg aus seinem Tisch.

„Mit einer Mark sünfzig belastet, Herr Pro-
fessor", erklärte Lista Merkle eifrig, „die Antwort
wegen der Autonummer."

Er mutzte sich beherrschen, datz di« Hand nicht
zitterte, die den Bries in Empfang nahm. Er
mutzte unter allen Umständen beim Lesen gleich-
mütig scheinen.

Besitzer des Wagen: Dipl.-2ng. Dr. Werner zur
Linden, Düsseldorf, Büro: Wehrhahn 28, Privat-
wohnung: Kaiserswerth, Rheindamm 16.

Dr. zur Linden?

Frau zur Linden?

Irgrndwtr waren Ihm belde Namen bekannt.
Aber woher, in welchem Zusammenhang nur?

„Herr Doktor", mahnte Fräulein Merkle sanst,
„hier sind auch noch die Derichte aus der medi-
^lnschen Klinil Heidelberg Lber Herrn Stein-

„Iawohl, Fräulein MerNe, lasien Sie mir den
Vericht nur hier. tch möcht« ihn nachher in aller

Ruhe lesen. Und jetzt mach' ich Distte. Benachrichti-
gen Sie Dr. Rademacher und die anderen Herren."

Es war ein Tag erster Ordnung. Die Arbeit er-
ledigte sich spielend, die Stunden slogen beschwingt
vorüber, man war ein Mann, der wieder seine
Kräfte fllhlte, man hatte einc Position gewonnen
und würde sie ausnutzen. Man wutzte den Namen
und war damil Herr der Lage.

Frau zur Linden, Kaiserswerth, Rheindamm 16.
Es sollte doch mit dem Kuckuck zugehen wenn man
nicht bald Eelegenheit finden würde, sie zu sehen,
zu jprechen.

„2a, Mariele, feine Wolken. Und ste spiegeln
stch ganz herrlich."

Wie tief und warm hatte ihre Altstimme ge-
klungen.

Es mützte doch zu ergründen sein, woher diese
Aehnlichkeit mii Elisabeth kam. Zusall? Als Natur-
wissenschafter ist man dem Zusall abhold. Wo wa-
ren die Zusammenhänge?

Zur Linden. Wo hatte er nur den Namen schon
gehdrt. Mehrfach hatte er ihn gehört, von ihm gele-
sen, aber bei ganz verschiedenen Eelegenheiten,
wollte ihm scheinen.

Eine Auskunstei befragen? Ach, es wäre un-
ritterlich, hinter einer oerehrten Frau (mehr
wagte Vruck in der dunklen Stille stch nicht einzu-
gcstehen) mit Detektivbüros herzuhetzen. Nein, das
war ein absolut ungangbarer Weg. Aber in Frei-
burg konnte man in der Herderschen Buchdruckerei
Einsicht in das Düsieldorfer Avretzbuch nehmen, das
war eine vorzügüche 2dee. Uebermorgen hatte er
ein« Vorlesung in Freiburg. Uebermorgen. Noch
anderthalb Tagr.

Vruck hatte den Schofsör fortgeschickt, ehe er in
die Münstergasse cinbog Keiner sollte sehen, datz er
in der Herderschen Druckerei zu tun hatte. Sein
Herz klopfte (wahrhaftig, befangen wie ein Pri-
maner, dachte er ärgerlich), als er nach dem Düs-
seldorfer Adretzbuch fragte.

Er blätterte hastig.

Da stand es nun: Diplomlngenieur Dr. Wer-
ner zur Linden. Hoch- und Tiesbau, Konstruktion
und Ausführung industrieller Anlagen, Wehrhahn
26. Privatwohnung...

Vruck suchte ungeduldig.

Hier, endlich:

Düsseldors-Kaiserswerth. Rheindamm 1k.

Dipl.-2ng. Dr, Werner zur Linden,




Maria! Sie hietz Maria.

Wie Schuppen siel es jetzt von seinen AugA
Maria zur Linden — irgendwo hatte er ein ",
mälde von ihr gesehen, eine Reproduktion fre>^^
nur, wo mochte das gewesen sein? Ausstellungc
hatte er schon seit 2ahren nicht mehr besucht, ^
es war doch, wenn er sich rechl erinnerte, noch
allzu lange her.

Wo nur, wo?

Den ganzen Tag quälte es rhn, hielt ihn
bis in die tiefe Nacht.

Als er schon im Vett lag, fiel ihm ein, daß §
die Reproduktionen ihrer Bilder in den Mona"
heften gesehen hatte. auf die das Sanatorium abo
niert war. Die Heste lagen drüben im Haupw
bäude in der Bibliothek, das wutzte er. Solltc
mal hinübergehen?

Vruck knipste das Licht an, fuhr in Kleider
Schuhe, oerlietz leise das Haus. Kühl war hier
der Höhe die Mainacht, der Mond segelte als
gerundete blanke Scheibe prächtig über den
mel, warf breitc Schlagschatten und übergotz
schlafende Ebene, die Kuppen der Vogesen mit
chig-weitzem Licht. Durch die nächtliche Stille braE
fern und unwirklich der grotze Strom.

Vruck blieb ein paar Augenblicke auf -er ^
rasie stehen. atmete tief und beglückt. gin^ ""N
die Treppe zum Portal des Sanatoriums
und schellte.

Die Schwester machte erschreckte Augen.

„Herr Professor? Mitten in der Nacht?"

„Veruhigen Sie sich, Kind. ich kann nicht s"
fen und will mir etwas zu lesen holen." ^

Er ging durch die Halle, durch ein paar GÄÄ
schaftsräume, in denen seine Schritte gsspen>"n
dumpf aufklangen. Endlich die Vibliothek. E „
an Wand bedeckt mit büchergefüllten Schränlc'
Schubfächern. So, da endlich Zeitschriften.

Nach langem Suchen fand er endlich in einc
der Hefte den Aufsatz: Maria zur Linden, ^
deutsche Malerin. Bruck warf die anderen H?!--
hastig zurück, stietz die Schubfächer zu, ging
zur Haustür, verabschiedete stch mit flüchU"
Erutz von der wachhavenden Schwester. .

(Fortsetzung fa^

S1 /üi- aL« ivvrkvo/!»
 
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