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Volksgemeinschaft: Heidelberger Beobachter, NS-Zeitung für Nordbaden (6) — 1936 (Juli bis Dezember)

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Unter-lialtung

-vDolksgemetnfchafk*

Mo«tag, de« S. Oktober lS8i>

att- einem ^Vesl

AkeLltte LkkiLLs E Akans Ätwll

die Zeit, datz die Spatzen aus den Ne-

lallen.

keit^

j^b ist die zweite Brut; die erste hat sich be-

^isi»?" !>en Kirschen beteiliss
^rnWein zu Leibe. Wl
^llt, jst zweite Brut.
Cine

t und geht nun dem
as jetzt aus den Ne-

^»Uw- ^"ges lagen vier nackte Spatzen im Al-
^iste' bloh. hatten nur je zwölf

«iy^° beiden Seiten und drei rückwärts, wo
»Is Schwanz frin sollte. Es war weniger

^wjsto AndeutiMg. Sie waren offenbar Ee-
tin°n ^r,.vier, ttus einem Nest, vielleicht tzurch
-llZlxdstoh hinabgeschleudert.

"ch> was machen wir denn mit ihnen?
"esteu, du bringst sie gleich um!"

??tw Spatzen sind leicht umzubringen. „Eib
'iw e?"?ie der Eatte mit grimmigem Entschluh.
^rten^ib der Iahre waren so viele Spatzen im
- n d Lefunden und ihre Aufzucht versucht wor-
er genau wutzte, was ihm bevorstand.
Mh» gelingen sollte, war es unendliche
Mg? > wenn es mihlang, war es ein Iammer.
°e>i ^"eit streckte er die Hand nach der piepsen-
üdtei», i aus. Dann zoa er sie wieder zurück.
"le Die Anstreicher stnd im Haus. Sollen

umbringen."

dann kam er stch doch vor wie Herodes,
»Hjj„ ,bn bethlehemitischen Kindermord befiehlt.
^bernd nicht doch versuchen.

versuchte es bereits. Sie hatte die vier
Wiit^? Dinger in die Hände genommen und er-
>i»d » bie Tiere mit ihrem Atem. „Die Armen
N °"NZ erstarrt." Kein Wunder, er hatte sie
^tt°»r^sit, nachdem er das Alpinum aus dem
di^ ^njchlauch gegosien hatte. Da hatten sie gleich
>4ei»ti "fe mitempfangen. „Sie werden wahr-
einen Schnupsen kriegen", sagte er.

.->t . vernichtete ihn ob dieser Eemütsroheit
, Mit Schwerthieb von Blick. Dann begann
'chen s-" Fütterung. Sie begann mit dem Lb-
^wznTvNderbrei für Spatzen: Semmelbrocken in
fheu ^er Milch. Es war ein Vergnügen, zu
,?siel ?-'^,^ch die Spatzen durch einen alten Ohr-
sichen !?"'chen lietzen. den sie für den mütter-
«ckmabel nabmen.

Ni,»

sr kn»„. >n nücs in die Wege geleitet, und
gehen. „Du willst fort? Heute?" sagte
^nttrn, ein lebendiger Vorwurf.

warum denn heute nicht? Komm mit!
"egen der Spatzen? Na — ich kann ja
»?" Haus..."

nur in dein

^iK'N- bitte. jetzt geh! Eeh

^bhaus>"

?°hen ^'"g wirklich. er brachte es llber sich, zu
- wn,'> obzwar vier nackte Spatzen ins Haus ge-
>1 waren. Es nagte nicht gerade ein Wurm

^tsl „' londern nur ein Würmchen, aber ein
!-i nnd so geriet er denn mit einem Vier-

>es zweien über den Eichstrich. Die gute,

chch^z '"rsenschlafdunkelheit verstietz ein teuf-
Weckergerassel. Es dämmerte gerade.
^<l!as jsi denn los?" stöhnte er.

ll^ch ?nitin schlüpfte eben in den Schlafrock:
Hj/ wutz Spatzen füttern." — Ach so... na ja..
auz xjnem Nest.

" ^ isi ja noch mitten in der Nacht!"

„FLr Nachtichwärmer vielleicht! Spatzen ge-
hen bald schlafen, da stehen sie auch bald auf. Es
könnte sich mancher ein Beispiel nehmen."

Er nahm sich ein Beispiel und stand auf. Es
war entzückend, zu sehen, wie die hungrigen
Schnäbel sich den fütternden Fingern entgegen-
streckten.

„Stopf sie doch nicht so an",' wagte er einzu-
wenden. „Sie sind doch keine Mastgänse."

„Jch bitte dich, geh ins Bett und überlatz das
mir!"

Er überlietz es ihr und schlafwandelte zurück.

Am vierten Tag schlich er mit Mordgedanken
in die Küche. So ein Spatz hat ein zartes Leben,
und gewitz gibt es auch Kinderkrankheiten unter
den Spatzen, sie sterben plötzlich dahin, man weitz
gar nicht, warum. Äls ihn die Spatzen erblickten,
schlugen ste mit den Flügeln und sperrten die
Schnäbel auf. Ein Jrrtum — er war nicht di.e
Nährmutter, aber immerhin rührend und merk-
würdig, welches Vertrauen sie zum Menschen
hatten!

„Bisher sind doch die meisten Spatzen, die wir
ausziehen wollten, eingegangen... und diese
vier.:.!" äutzerte er beim Mittagesien.

„Das kommt davon, weil sie zu viert sind. Vier
erziehen sich leichter, als einer. Es ist ihnen nicht
so bange."

Es war wohl so. Sie erzogen sich wirklich
leicht. Aber seltsam war, dah die vier, je älter
sie wurden, sich immer deutlicher zu unterscheiden
begannen. Da war ein frecher Schreihals unter
ihnen, einer war grotz, dlck und gutmütig, einer
wollte immer in der Hand gehalten sein, und einer
blieb klein und kümmerlich: das Sorgenkind

Es war eine Welt voller Wunder, dieses vier-
blättrige Spatzenkleeblatt. Eines Tages wurden
sie aus dem runden Sieb, das ihnen bisher das
Nest vorgetäuscht hatte, in ein richtiges Vogelhaus
verpslanzt. Und da war es nun ein Mirakel, zu
sehen, wie sie binnen einiger Stunden alles lern-
ten, was ein Spatz kennen muh. Sie hüpften au(

die Sitzstangen, sie dehnten die Fliigel, sie began-
nen sich zu putzen. Nur das Sorgenkind hockte
noch im Sand und lietz die Verdauung der Ee-
schwister über stch ergehen.

Und dann verloren sich die gelben Winkel am
Schnabel, und sie fingen an, selbständig zu fresfen.
Sie verlietzen das Haus und flogen in der Küche
herum.

„Schrecklich, wie es jetzt aussieht!" bemerkte
er schüchtern.

„Sie miissen doch fliegen lernen", wies sie zu-
recht, „willst du sie in der Freiheit verkommen
lassen?"

Sie übten das Fliegen, wurden immer scheuer
dabci und sehnten sich nicht mehr danach, geduckt
in der warmen Hand zu sitzen.

„Ja, die Erbmasse!" sagte er, „Spatzen sind doch
eigentlich wilde Tiere."

Und dann mutzte man sie wirklich freigeben,
damit sie noch im schönen, warmen Herbst selbstgn-
dig würden, ehe der harte Winter kam. Nur das
Sorgenkind durfte ein paar Tage länger bleiben.
Endlich aber wurde auch ihm das Fenfter geöff-
net. Sie sah ihm nach, wie er in die Hängeweide
slog und ftch verdutzt umschaute.

„Tränensi" sagte er ganz verwundert und er-
schrocken. Jä, Tränen... weil das Muttertum
wieder zu Ende war. Sie wandte den Kopf weg
und schluchzte leise.

Da legte er den Arm um ste. „Jch bitte dich,
was hast du?"

Er wandte ihren Kopf zu sich und flüsterte ihr
rtwas ins Ohr.

Sie lachte glücklich.

„Wicder vier in dein Nest?" fragte er.

„Ia, aber hoffentlich nicht auf einmal!" sagte
sie.

„Ich denke, vier erziehen sich leichter al-
ciner?"

Aber sie meinte, das fei bei den Spatzen viel-
leicht doch wohl etwas anders als bei den
Menschen.

2^6 Ioae/iLm

Kalter, naffer Wind wanderte über die herbst-
lichen Aecker — am Waldeck brach er sich und ritz
sich dann einen Weg über die grohen Schläge des
Eutes.

Däs hügelige Land des Eütes war abgeerniet
— Rüben und Kartoffeln warteten noch, und
braan las die umgebrochene Erde der Weizen-
schläge, der Eerste, des Roggens und des Safers.
Schon kam die neue Saat, Wintergerste, aus dem
Boden — auf den Kartosfeläckern aber, da suchten
die Hände noch die gelben Knollen.

Cin Eespann fuhr mit der Kartosfelschleuder-
maschins rund um. Furche für Furche, und die
gelben Früchte slogen von den Schleudern ge-
schlagen beraus, die Stauden flogen mit, und die
Kinder lasen dann die Kartoffeln aus.

Der Schlag war sebr groh. sebr lang — bald
300 Meter — und 50 Kinder arbeiteten hier.

Der älteste Junge war sünfzehn Jabre alt.
das älteste Mädchen vierzehn. Morgens um sieben

Uhr standen sie auf dem Gutshof. dann zogsn sie
mit hinaus auf den Schlag und ware» glücklich.
wenn sie auf den Wagen sitzen durften odsr gar
die Leinen halten. Die Mädchen hatten kleine
Körbe, drin war Brot und eine Kanne Kasfee.
weitzr Tücher hatten sie um den Kops gebunden.
MaNche sahen viel. viel ältev aus. als sie wirklich
wnren. Sie alle kannten die Arbeir und es war
rhnen nichts Neues. was sie bier auf dem Gut
tun mutzten.

Die Buben waren klein und frech, die meisten
sahen ärmlich aus. aber sie hatten helle und ein
bitzchen verschmitzte Jüngensgesichter.

Es war ein ununterbrochenes Eerede und
Eelache bei ihnen — die Mädchen kicherten —
niemand wutzte. über was. Bis sie hinaus auf den
Kartofselacker kamen.

Der Aufseher, ein ruhiger, noch iunger Mann.
den sie alle gern mochten, teilte ein — er kannte
sie alle Fünfzig. wuhte, wie sie zusammen gehörten

und wie sie arbeiteten. Und während schon dl«
Kartofselschleudermaschine rundum zu laufen be-
gann, schritt er das Feld ab und verteilte die
Lose oder „Ziele", wie sie bier sagten. 300 Meter
aus 25 Partien — das waren so els Schritte. und
da die Maschine immer rundherum suhr, muhten
die Kinder also bei einer Tour der Maschine
22 Schritte, also etwa 20 Meter kartoffelüber-
streuten Feldes sauber lesen.

Jede Partie hatte einen Korb, und nun krochen
die Kinder hinter den Kiiollen ber — rasch ging
es. sehr rasch. Manchmal schien es richtig unwirk-
lich und die kleinen runden Rücken taten, als
wenn sie nichts spürten — denn unaufhörlich ging
das Mundwerk. Es konnte nicht still stehen, bei
den Jungen fo wenig wie bei den Mädchen. Sie
rannten richtig. und wenn der Korb voll war,
dann trugen sie ihn zu den grohen Ackerrpagen,
die immer auf drei Lose aufgestellt waren, und
hoben mit aller Mühe die Körbe hoch und htzusel-
ten in den Brettern des Wagens hohe Verge.

Ununterbrochen arbeiteten sie. es gab keine
Pause, wie kleine Hamster waren sie, und ein
jeder, der ihnen zuschaute. glaubte nicht, dah diefe
eisrigen, schnellen Kinder wirklich Kinder sein
könnten.

Denn die Gleichaltrigen in der Stadt. die
spielten mit Rollern und Bällen, hatten Laub-
sägekästen und Puvven — keiner wuhte in diesen
Kartofselfurchen etwas von den Schönheiten. die
das kleine Leben derer in der Stadt hatte.

Kartoffeln lasen sie auf — von morgens um
sieben bis es abends dunkcl wurde, und zwischen-
durch hatten sie nur ein paar kurze, sast winzige
Pausen.

Die Kartosfelkinder arbeiten ihr liebes langes
Leben — mit dem Kartoffellesen fängt es an —
dann werden sie älter und dann machen sie alle
Arbeiten.

Und glücklich sind sie dann. wenn si? im Euts-
hos stehen und sie werden einzeln aufgerufen und
müssen in das Büro kommen. um dort das selbst-
verdiente Eeld in Cmvfang zu nebmen — mit
schmutzigen, klammen. roten Fingern schmieren sie
ihren Namen in das Quittungsbuch — stolz tra-
gen sie das Eeld nach Haus — und wiffen schon
genau. was Tariflohn ist. Denn sie erhalten
Taris, der genau gestasfelt ist und der ihre Arbeit
so bezahlt. wie sie wert ist.

Aber man möge bedenken — diese Kinder
arbeiten schon. solange sie jung sind. sie gehen
schon Eeld verdienen, weil sie sich schon selbst
Schuhe und Kleider kaufen wollen und auch
müffen.

Kinder von Vauern verdingen sich — lernen
früh die Arbeit. von der sie nie wieder im Leben
sortkommen — es ist andere Arbeit al? drinnen
in der Stadt — Feierabend hat dort zwischen den
Kartofseln einen anderen Klang als in der Stadt

— und wer Vauernkinder sieht. wie sie mit stau-
nenden Augen durch die Strahen derStadt lckufen

— der lache nicht über die kleinen Dorfteufel.
Sie arbeiten schwer und sie spüren auch in ihren
Rücken den Ernst des Lebens.

Denkt manchmal daran, wenn Jhr Kartofseln
eht. was für Mühe mit ihnen verbunden ist!

Montag, der 8. Oktober 1938.

Mork von Warte»burg, 18S8 geft.f:

Man mutz sich nicht um jeden Preis selbst er»
halten wollen, sondern seiu Leben in etwas
setzc», was nicht sterben kann.

Friedrich Nauman«.

er kuf oom undem I^fer



Ue andere Stimme.

»riEutter ist im Earten", sagte diese Stimme,
u Augenblick, bitte, ich werde sie holen."

Ue>> Hand zitterte heftig. Mit allen Sin-
khj!. ullen Fasern des Herzens lauschte er in die
^rts Muschel hinein, pretzte sein Ohr an sie,
2'llige Schritte, Eeräusche, in einer Entfer-
» noch die Frage: „Wer, Mariele?" und dann:

Frau zur Linden. Herr Profeffor
T- Der Herr aus Amsterdam?"

^il'lv' gnädige Frau. Wenn es nicht unbeschei-
W -- dars ich kommen?"

"Awitz, gern, Herr Profeffor. Wann?"
>^!eich, wenn ich jetzt nicht störe."
tz^'tte, jch erwarte Sie."

ei^^Uck hing ein, lachte leise, ertappte sich bei
Uicht' vergnügten Pfeisen — wie lange hatte er
dkz Uiehr gepsiffen, er, der würdevolle Lhefarzt
<djj^Z>uldenhofs. Was wohl die Patienten sagen
diij.^u, wenn sie es hörten. Anna Feodorowna
stj / stcherlich, feinfühlig, wie sie war, mancher-
dy, ^taten. Ach was, hier handelte es stch nicht
"ua Feodorowna, hier handclte es sich um
um Elisabeth.

lichZsUl mutz doch wegen dieser merkwürdigcn Aehn-
t fragen. Nur Zufall?

^kau warf e.nen prüfenden Vlick in den Spiegel.
de^ue Haare, mein Lieber, ein FLnfziger bist du,
de» Jahre nicht immer sanft mitgespielt ha-
bist im Begrifs, dich in ein gefährliches
z,^°hmen zu stllrzen.

M was, ich suche Elisabeth.
hj»„ t stürmte. noch immer pseifend, die Treppe
hijz,Uter, der Portier sah ihm erftaunt nach. Ein
Städtchen, dachte Bruck. Eiebelhäuser,
stej„^> lindenbestandene Stratzen, die vielen Back-
ej„ llebäude der Diakoniffenanstalt — Lbrigens
^i°, ^sudonna, weit hinsehend Lber den Rhein.

lvärten, Erün. llnd hier — köstlich! — an
kj» eines Hauses auf schmaler Mondsichel
».-Nadonna, weit hinsehen über den Rhein.
ihrrm Hau» stand er einen Augenblick auf.

sl'lo.pielu.i.so 6erg

atmend still, wie der Mensch es tut, bevor er ein
Neues, unerhört Erohes beginnt. Dann drückte er
entschloffen die Klinke der Gartenpforte herunter,
ging üher einen schmalen, fliesenhedeckten Weg,
den zu beiden Seiten üppig wuchernde Blumen-
rabatten einsatzten — wahrhaftig, es war ein Meer
von Farben, Duft, Blüten — zur Haustür und
läutete.

Das ösfnende Mädchen, das seine Karte an-
nahm, war gleich im Vrlde.

,Me gnädige Frau malt drauhen. Sie lützt
bitten, einen Augenblick zu warten."

Bruck wurde in ein grohes, lichtes Zimmer ge-
führt, das mit seinen hellen Seidentapeten, sonn-
überfluteten Landschaftsbildern, blumengesüllten
Schalen, mit den his zum Boden reichenden Fen-
stern, die geöffnet waren und auf eine weitzleuch-
tende Terraffe hinausgingen, heiter, froh und sehr
sommerlich wirkte.

Ja, hier in diesem Raum konnte er sich seine
Madonnenmalerin gut vorstellen, dieser Raum
patzte zu ihr.

Es war gut, dah er eine kleine Enadenfrist
hatte, sich zu sammeln, Haltung anzunehmen. Zn
der Ferne hatte sich alles so einsach angesehen.
Maria, hier bin ich, Maria, wochenlang habe ich
mich in Qual nach dir verzehrt, Maria, ich suche
Elffabeth in dir, die Frau, die ich über alles ge-
liebt hahe. Darum mutzt du mein Tun jetzt ver-
stehen und darfst nicht mehr spöttisch lächeln wie
damals aus der Ledafähre.

Maria, versteh mich, gib mir deine Hand, ent-
ziehe dich mir nicht. Ich bin seit langem ein ein-
samer Mann.

Das alles war so selbstverständlich gewesen, so,
datz es keinen Wiherspruch, ja, nicht einmal Er-
staunen vertragen konnte, naturgegehen durch diese
Aehnlichkeit mit Elisabeth. llno darum folgerich-
tig so, datz es gar nicht anders hatte kommen kön-
nen.

Aber jetzt? Jn der Stille dieses hellen Zim-
mers? Hier bekam die Angelegenheit auf einmal
ein merklich andere» Eestcht.

Es war gut, datz in diesem Augenblick Schritte
kamen. Vruck ritz sich zusammen, starrte auf die
sich öffnende Tür und verbeugte sich.
war es.

Sie kam rasch auf ihn zu, gab ihm die Hand,
stui,.. ais jie je n Eesicht sah, sagte sreundlich:

„Nehmen Sie doch Platz, Herr Professor", und
setzte sich' erwartungsvoll ihm gegenüber.

Bruck, der auf dem Haldenhof, bei den Vorle-
sungen, im Verkehr mit Fachkollegen immer das
Richtige traf, Ausdrucksformen spielend beherrschte,
suchte nach Worten und fand nichts. Eine verle-
gene Pause entstand.

Die Frau sah ihn nachdenklich an und fragte
endlich:

„Jrre ich mich oder haben wir uns nicht schon
einmal irgendwo gesehen? Wo könnte das gewejen
sein? Mein Eedächtnis lätzt mich vollkommen im
Stich."

Bruck atmete erleichtert auf. Eott sei Dank,
der Anknüpsungspunkt war da, er konnte doch nicht
länger hier sitzen wie ein Schuljunge, der seine
Aufgabe nicht gelernt hat.

„Sie haben ganz recht, gnädige Frau. Wir ha-
ben uns schon gesehen. Neulich auf der Leda-
sähre."

Dunkle Röte überzog langsam ihr Eesicht.

Aber ste beherrschte stch gleich wieder, setzte sich
nur noch ein wenig gerader.

„So? Das waren Sie also!"

Ihre Stimme klang hochmütiger, als sie es
Leabsichtigte.

„Und jetzt möchten Sie meine Bilder sehen?"

„Wenn ich bitten darf, gnädige Frau."

„Dann kommen Sie mit ins Atelier."

Sie erhob stch mit einer herrischen, sehr be-
stimmten Bewegung.

„Bitte."

Berfahrene Gesch-chte, dachte Bruck verärgert.
Ich habe mich benommen wie ein junger Esel. Um
jederi Preis mutz ich die «Situation retten. Es
kann, es darf nicht sein, es ist einfach unmöglich,
datz ich so wieder sortgehe, ohne ihr gesagt zu ha-
ben, was mich hierher trieb. Soll diese ersehnte,
diese qualvoll ersehnte Stunde so arm, so karg
sein? Jhm graute davor, lcer und unersüllt wieder
nach Hause zurückkehren zu müffen.

Er ging über Treppen und Eänge. Endlich
öffnete Maria eine Tür.

„Jch komme". entgegnete sie einfach. „Jch kann
nur nicht versprechen. wann. Es hängt davon ab.
wie mein Mann mich braucht, ich habe Jhnen ja

erzählt. wie angespannt er bei den Rheinregulie-
rungsarbeiten zu tun hat. da muh ich mich nach
seinem llrlaub richten und ihn wieder ein bitzchen
zurechtpslegen."

Almosen, dachte Bruck wieder. Brosamen von
des Reichen Tiich. Aber er würde schon damit
glücklich sein.

„Bestimmen Sie ganz. wann Sie kommen wol-
len. Frau zur Linden, wenn es nur im Laus des
Sommers ist."

„Noch eins, Herr Proseffor."

„Sie zog die Tochter. die die langen Stunden
dieses Abends bei ihnen gesessen hatt«, mit ra-
scher. zärtlicher Bewegung an sich.

„Jch darf mein Mariele mitbringen? Wir hän-
gen so eng aneinander, ich trenne mich nur un-
gern von ihr."

„Aber natürkich. Alles, was Sie wollen, Frau
zur Linden, wenn Sie nur kommen. Es wird
meine Sibylle bcsonders freuen, auch einen East
zu haben."

„Und jeht", er gab sich einen hestigen Stotz,
das Schwere muhte jetzt geschehen. durste nicht

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länger mehr hinausgezögert werden, „möchte ich
mich verabschieden. „Jch habe Ihre Eüte zu lange
schon in Anspruch genommen."

Maria erhob keine Einwendung. Die Frauen
brachten ibn zur Eartentllr. Bruck beugte sich lies
llber die Hand der Eeliebten.

^ „Ich dars Jhnen schreiben, Frau zur Linden?
Sie werden mir antworten?"

„Das bewuhte Plätzel in meinem Herzen steht
immer für Sie ofsen. Herr Prosessor. Jch hab's
Jhnen ia versprochen", entgegnete sie heiter. sie
wollte keine Rührung auskommen laffen. Rührung
war gefährlich.

Sie zog ihr Mädchen enger an sich. Es war
eine sebr bewuhte Bewegung und hich: Ich bin
Frau und Mutter, vergih das nicht.

Peter Bruck verstand es.

(Fortsetzung folgt)
 
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