Lslts 3
„Doll-gemetnfchafl"
Freita«. de» 11. Dezcmber 19S6
Die Wiiwe Gustloffs klagt an
Keige Gchwindeleien Krankfurters vom öffentlichen Ankläger widerlegt
lDrahtberichtunseres indieSchweiz entsandten SonderberichterstattersDr. L. 6.)
Chur, 10. Dezember
Die Donnerstag-Sitzung im Mordprozetz David
«kantsurter in Chur wurde um 8 Uhr vormittags
Ekossnet. Der Borsitzende des Eerichts, Gerichts-
^asident Dr. Eanzoni, leitete die Verhandlung
mit der weiteren Vernebmung des
^ugeklagten zur Tat. Aus Befragen sch>lderte
?kr Atörder zum Teil setbjt den Hergang des seigen
^lorves von Daoos.
. . Der Vorsttzende befragte den Angeklagten über
>r>nen Ausenihalt in Davos vom öv. Iauuar bis
»Uln I.Fedruar 1936. Frankfurter schildert, wie er
Lolalitäten der Wohnung des Lanöesgruppen-
.riters Gustloff ausfindig gemacht habe. Der Mor-
verneinte darauf, datz er den absotuten Ent-
t^utz zur Tat gehabt hätte. „E s hat mich ge -
-^eben, ich mutzte demZwangeein-
uch nachgeben. 2ch konnte nicht anüers." So
nyildert der Mörder die Zeit vor üer Tat. Der
^uüe versucht damit immer wieder, sich selbst
ktpn Objekt eines inneren Zwanges hinzu-
s^Uen, obwohl er nach Davos gesahren mit dem
^evolver in der Tasche, um den Mord zu begehen.
s uuid Frankfurter schildert sodann mit vorgetäusch-
Bewegung, datz er nach der Vegegnung mrt
»eau Eustlofs Eewissensbisse bekommen hab'e, die
^ut auszuführen. Frau Eustlofs habe ihn nach der
L.fUge nach ihrem Mann in das Obergeschotz der
^ohnung geführt.
^as Telefonat vor -er Tat
^eiter habe er, der Mörder, vom Zimmer aus
ni» ^^mme Eustlosss gehört. der im Eang teleso-
habe. Der Ättentäter will hierauf die Tat
klln Telefonat des Landesgruppenleiters zurück-
hren, das ihn innerlich aufgebracht habe. Er
"--Uubte, etwas wie „Schweinehund" oder
m;A"°inejude" gehört zu haben. Der Angeklagte
ru^ ^ darüber aufgeregt haben, und die Aeutze-
. ugen hätten ihn dazu getrieben, die Tat nun-
hr zu begehen. 2m Wohnzimmer Gustloffs habe
.uinem Sessel Platz genommen mit dem Vlick
i die Dür. Auf die Frage des Vorsitzenden, ob
Augenblick die Piftole entsichert habe,
'U sich der Mörder an diese Vorgänge nicht mehr
„„hrikrn. Es seien dann fünf Minuten vergan-
als Eustloff zur TLr hereinkam.
^er Mord
sagte der Mörder und Jude Frankfur-
habe den Revolver aus der Tasche aezoaen
»d auf jhn abgedrllckt."
.Der Vorsitzende fragte hierauf den Angeklagtem
"Saven Sie auf lebenswichtige Organe
»ezielt?"
^8rankfurter: „Es ging alles automatisch
^ kommt mir so vor, als ob es so in vielen Din-
» " »egangen wäre."
r Mit solchen raffinierten und verlogenen Aeutze-
»hhgen versucht der Mörder immer wieder, in dem
T^hzetz glaubhaft zu machen, datz er einem in-
sxj " Zwange oder einer inneren Stimme gefolgr
beachte das Gutack'ten des Eerichtspsy-
^aters Dr. Joerger, ' ""
»nneren " '
d«r
der dem Morder geradezu
Zwang zum Handeln und der Ausführung
Tat zugebilligt hat.
Der Angeklagte ist gerissen aenug, während
"as Berhörs mit diesen Mitteln zu operieren.
Be: der weiteren Vernehmung zur Tat wird
folgendes festgestellt: Vei Abgabe des ersten Schus-
ses habe die Pistole versagt. erst die weiteren
Schüsse hätten sich ausgelöst. Gustlofs sei auf Frank-
furter zugekommen, als der erste Schutz versagt
habe. Der Mörder sei darauf zurückgegangen unb
habe wieder geschossen. Eustloff sei darauf gemäh
den Erinncrungen des Mörders auf einem Stuhl
zusammengesunken.
Lorgetäuschte Selbstmordabsichten
Der Vorsttzende fragte dann den Angeklagten
über die Eeschehnisse nach der Mordtat. Bei dem
Herunterlommen ins Erdgefchotz Gustloffs hat der
Mörder noch einen Hausbewohner mit den Worten
„Platz oder ich schietze" mit der Waffe be-
droht. Mit stockenden Worten will der Mörder
bei seiner Vernehmung weiterhin glaubhaft machen,
datz er nach der Tqt die Abstcht gehabt hätte,
Selbstmord zu begehen, den Mut habe er aber
nicht dazu gehabt. Wir wissen, datz es wohl auch
nicht seine Absicht gewesen ist. Man erhält bei der
Vernchmung die Ueberzeugung,datz der Angeklagte
mit dem Hinweis auf seine Selbstmordabsicht M i t-
lcid erregen will.
Der Vorsttzende schildert dann, wie Frankfurter
von einem Häuse aus die Polizei aufrief und sich
selbst stellte, und ferner die Vorgänge, die sich nach
dcr Tat in der Wohnung Eustloffs abspielten, das
Eintreffen der Nachbarn, der Polizei und der
Aerzte. Dann kommen zwei Vriefe des Bru-
ders des Angeklaaten vom 3. und 6. Februar zur
Verlesung, in denen dem Angeklagten die bit-
tersten Vorwürfe wegen seines Verbaltens
gegenüber seinem alten Vater gemackt werden. Jn
dem einen Vrief des Bruders heitzt es:
„Jch kann mir keinesweas vorstellen, daß Du so
bar jeden Empfindens gegenüber Deinen Eeick'Wi-
stern und Deinem von Gram geneigten und vom
Schicksal getretenen alten Vater sein konntest und
auf alle Verzweiflunasrufe mit tauben Ohren rea-
gierst. Jch kann mir nicht vorstellen, da ich Dich
doch kenne, datz Du auf einmal so tief sinken könn-
test, so herzlos, gefühllos und ohne
Pflichtbewutztsein zu sein... Wenn Du
auch manchen Fehler gemacht hast, es gibt nichts,
was, wenn Du es stark willst, nicht gebessert wer-
den könnte und nicht wieder in die recht Bahn ge-
lenkt werden könnte. Jjt es Deinerseits nur eine
Nachlässigkeit, denn jetzt wünsche ich, datz es nur
das sein möge, so bitte den l. Papa um Ver-
zeihung."
Kalt und herzlos
Der Angeklagte, der bei der Schilderung aller
Einzelheiten des grauenvollen ^erbrechens und des
Aufschreis der unglücklichen Frau Gustloff und
zahlreicher erschütternder Einzelheiten keinerlei
Anzeichen der Anteilnahme bewies und
kllhl und überlegen die alte Taktik des Abschwä-
chens und des Sich-nicht-Erinnerns beibehieli,
bricht bei der Verlesung der Vriefe seines Bruders
in Tränen aus.
Eerade aber bei. der Vsrlesung der durch ihre
Sachlichkeit erschütternden ärztlichen Untersuchung
des Ermordeten zeigt der Mörder wenig Anteil-
nahme und sieht wieder im Saale herum.
Der Vorsttzende gibt dann von dem Veschlutz
Kenntnis, dre einzige Zeugin des Prozesses, Frau
Eustloff, zu vernehmen, die herbeigeholt wird.
Jnzwischen verliest der Amtsankläger Dr.
Brügger die erschütternde Karte, die der Vater
des Angeklagten am Mordtag an seinen Sohn ge-
richtet hat.
„Du wartest sicherlich auf einen telefynischen
Anruf. Du irrst Dich aber gewaltig. 2ch bin nickt
so zart besaitet, wie Deine sel. Mutter es gewesep
Ich habe bisher täglich die Nachricht erwartet, dah
Du Dein Schlutzexamen bestanden halt. 2ch erwarte
nichts mchr von Dir. Du schreibst nicht. Nun, Du
brauchst auch nicht mehr zu schreiben, ich reflektiere
nicht darauf — und verzichte — Herzlosigkeit
mit Leichtsinn gepaart verdient nichts aa-
deres... lhebräisches Zeichen) gebe alles gut! Wte
ich sehe, existiere ich nicht für Dich. Nun gut! 2cv
nehme es, wenn auch mit Schmerzen, zur Kenntnis.
Jch weitz mich in gegebene Tatsachen zu schicken und
danke Gott auch für den Schmerz."
tzehe qegen Gustloff
Es kommt dann zur Verlesung eines Vriefes
des Amisleiters der Auslandsorganijation der
NSDAP., Dr. Richard Koderle, vom 2S. No-
vember, in dem er auf die Folgen der immer matz-
Jn
loser werdenden Hetze gegen Eustloff hinweist.
dsm Schreiben heitzt es u. a.:
„.. .verdichten sick von Monat zu Monat seine
und seiner Mitarbeiter Klagen, Beschwerden und
Befürchtungcn dahin, datz die immer matzloser
merdende Hetze im überwiegenden Teil der
Schweizer Presse gegen die NSDAP. in der Sckweiz
und besonders gegen ihn selbst eines Tages zu einer
Entladung führen müsse, deren Folgen unabseh-
bar stnd."
Bereits am 23. Mai 1933 schrieb Eustloss an
eine Parteigenossin Gertrude Hansenin Mag-
deburg wörtlich: jedoch herrscht hier in der
Schweiz augenblicklich eine geradezu tolle Hetze
gegen mich... die Morddrohungen und
Versolgnngen häufen sich von Tag zn Tao doch
kann uns »as nicht bcirren, unsercn Weg genau
so gerade und aufrecht zu gehen wie bisher."
Zrau Gustloffs Aussage
Dann wurde dic Witwe des ermordeten Lan-
desgruppenleiters, Frau Gustloss, aus Antrag
des Vertretcrs der Zivilpartei durch den Vor-
sitzenden des Gerichts vernommen. Zn Begleitung
des deutjchen Eejchäststrägers, Frciherrn von
Bibra. betritt Frau Gusiloss kurz nach 1» Uhr
tief oerschleiert den Gerichtssaal. Sie wird oon
dem Vertreter der Zivilpartei, den anwesenden
deutschen Zournalisten sowi, den anwesendcn
Reichsdeutschen im Gerichtssaal durch jtummes
Erheben von den Sitzen und mit dem Deutsche»
Eruh geehrt.
Zu Beginn der Vernehmung macht dcr Vor-
sitzende die Nebenklägerin Frau Eustloff darauf
aüfmerksam, datz es nicht möglich sei, sie als Ver-
treter der Zivilpartei nach dem Gesetz zu ver-
eidigen. In der Vernehmung der Nebcnklägerin
wurde zunächst festgestellt, datz der ermordete Par-
teigenosse Wi.hclm Eustloff in engen perjonlichen
Veziehungen zu verschiedenen schweizerischen Amts-
personen in Davos ständ. Frau Gustloff sagte
aus, datz ihr Mann bei allen Reichsdeutschen sehr
beliebt gewesen sei. Man habe ihn den „Pater
der Reichsdeutschen in der Schweiz
genannt. Frau Eustlosf sagt weiter aus datz ihr
Mann oftmals Drohbriefe erhalten habe
und auch telesonisch sei er oftmals bedroht worden.
Die Briefe seien von verschiedenen Stadten der
Schweiz aufgegeben wordcn. Aus die Frage des
Vorsitzenden, ob Eustloff diesen Drohungen grotze
Bedeutung beigemessen habe, verweist die Neben-
tläqerin auf jene bekannte Znterpellation des
Nationalrats Canova, die eigentlich das Sig-
nal zu den Vedrohungen gegeben habe. Fr.au
Eustloff erzählt sodann einen Vorgang, datz ihr
Mann einmal im Zuge nach Davos von einer
angetrunkenen Person bedroht Wvrden
jei Mit den Worten „Dem wird das Pfei-
sen bald vcrgehen" wurde die Drohung
ausqesprochen. Frau Eustloff schildert darauf den
Herqang der feigen Mordtat, besonders wie der
Mörder zu ihr gekommen sei und sie nach rhrem
Manne gefragt habe. Nach der Tat habe David
Frankfurter auch ste mit der Wasfe bedroht.
habe sich aber sofort
der am Boden lag
Sie
nur um ihren Mann bemüht,
und verbluttte.
Ein eigenartiger Arzt
Mit bewegten Worten schilderte sodann die Ne-
benklägerin, wie sie sich um einen Arzt bemühte,
der in der Nähe wohnte. Frau Gustlosf schildert,
wie dieser Art, ein Dr. Nienhaus-Ehur, sich
in keiner Weise beeilt habe, ber Aufsorderung
nachzukommen, die erste Htlfe zu bringen. Im
weiterisn Verlauf der Vernehmung sragte der
Vorsitzende die Zeugin Frau Eustlofs, ob vor der
Mordtot einige Telefonanrufe ersolgt sind, die sich
nach Gustloff erkundigt haben. Die Zeugin weist
darauf hin, datz solche Te'efonanrufe des öfteren
von ihr angenommen worden seien An die Per-
son des Mörders kann sie sich vor der Tat nicht
mehr erinnern.
Keine Beseidi una am Tele*on
Wiederum schildert Frau Gustloff, wie der
Mörder zu ihr kam und ruhig sich nach ihrem
Mann erkundigte. Ueber das letzte Telefonaespräch
ihres ermordeten Manncs sagte^ Frau Eustloff
aus, datz es keinesfalls zuträfe, datz die vom Mör-
der Frankfurter aygeführten Schimpfworte gefal-
len seien. Möqlich sei allerdings. datz er emvört
gewesen sei Lber die Störung des Telefongesprächs,
wie es öfters vorgekommen sei. In früherer Zeit
sei oftmals festzustellen gewesen, datz die Telefon-
gespräche des Landesgruppenleiters aus poli-
tischen Eründen überwacht wurden.
Dcr Anwalt dcr Zioilpartei, Rechtsanwalt Dr.
ll r s p r u n g - Zurzach, verlas sodann den Bries
des Eesprächspartners Eustlosss am Mordabrnd,
in dem er aussagt, dah Eustloss die vom Mörder
angesührten Ausdrücke wie „Saujnde" oder
andere auf keinen Fall gebraucht habe.
Die Aussage von Frau Gustloss und dieser
Brief beweisen somit eindeutig, dah der Mörder
David Frankfurter sich nicht daraus berusen kann,
dah er im letzten Augenblick vor der Tat durch
Ausdrücke Eustlofss am Teleson veranlaht worden
sei, den Mord auszusühreu.
Nach Beendigung der Vernehmung von Frau
Eustloff, die im Eerichtssaal einen grotzen Ein»
druck gemacht hat, verlietz die Nebenklägerin dcn
Saal, wiedcrum geehrt und gegrützt von den an-
wesenden Reichsdeutschen.
Die Vormittagsverhandlung des Donnerstag
erbrachte nach der Vernehmung der Nebenklägerick'
„Doll-gemetnfchafl"
Freita«. de» 11. Dezcmber 19S6
Die Wiiwe Gustloffs klagt an
Keige Gchwindeleien Krankfurters vom öffentlichen Ankläger widerlegt
lDrahtberichtunseres indieSchweiz entsandten SonderberichterstattersDr. L. 6.)
Chur, 10. Dezember
Die Donnerstag-Sitzung im Mordprozetz David
«kantsurter in Chur wurde um 8 Uhr vormittags
Ekossnet. Der Borsitzende des Eerichts, Gerichts-
^asident Dr. Eanzoni, leitete die Verhandlung
mit der weiteren Vernebmung des
^ugeklagten zur Tat. Aus Befragen sch>lderte
?kr Atörder zum Teil setbjt den Hergang des seigen
^lorves von Daoos.
. . Der Vorsttzende befragte den Angeklagten über
>r>nen Ausenihalt in Davos vom öv. Iauuar bis
»Uln I.Fedruar 1936. Frankfurter schildert, wie er
Lolalitäten der Wohnung des Lanöesgruppen-
.riters Gustloff ausfindig gemacht habe. Der Mor-
verneinte darauf, datz er den absotuten Ent-
t^utz zur Tat gehabt hätte. „E s hat mich ge -
-^eben, ich mutzte demZwangeein-
uch nachgeben. 2ch konnte nicht anüers." So
nyildert der Mörder die Zeit vor üer Tat. Der
^uüe versucht damit immer wieder, sich selbst
ktpn Objekt eines inneren Zwanges hinzu-
s^Uen, obwohl er nach Davos gesahren mit dem
^evolver in der Tasche, um den Mord zu begehen.
s uuid Frankfurter schildert sodann mit vorgetäusch-
Bewegung, datz er nach der Vegegnung mrt
»eau Eustlofs Eewissensbisse bekommen hab'e, die
^ut auszuführen. Frau Eustlofs habe ihn nach der
L.fUge nach ihrem Mann in das Obergeschotz der
^ohnung geführt.
^as Telefonat vor -er Tat
^eiter habe er, der Mörder, vom Zimmer aus
ni» ^^mme Eustlosss gehört. der im Eang teleso-
habe. Der Ättentäter will hierauf die Tat
klln Telefonat des Landesgruppenleiters zurück-
hren, das ihn innerlich aufgebracht habe. Er
"--Uubte, etwas wie „Schweinehund" oder
m;A"°inejude" gehört zu haben. Der Angeklagte
ru^ ^ darüber aufgeregt haben, und die Aeutze-
. ugen hätten ihn dazu getrieben, die Tat nun-
hr zu begehen. 2m Wohnzimmer Gustloffs habe
.uinem Sessel Platz genommen mit dem Vlick
i die Dür. Auf die Frage des Vorsitzenden, ob
Augenblick die Piftole entsichert habe,
'U sich der Mörder an diese Vorgänge nicht mehr
„„hrikrn. Es seien dann fünf Minuten vergan-
als Eustloff zur TLr hereinkam.
^er Mord
sagte der Mörder und Jude Frankfur-
habe den Revolver aus der Tasche aezoaen
»d auf jhn abgedrllckt."
.Der Vorsitzende fragte hierauf den Angeklagtem
"Saven Sie auf lebenswichtige Organe
»ezielt?"
^8rankfurter: „Es ging alles automatisch
^ kommt mir so vor, als ob es so in vielen Din-
» " »egangen wäre."
r Mit solchen raffinierten und verlogenen Aeutze-
»hhgen versucht der Mörder immer wieder, in dem
T^hzetz glaubhaft zu machen, datz er einem in-
sxj " Zwange oder einer inneren Stimme gefolgr
beachte das Gutack'ten des Eerichtspsy-
^aters Dr. Joerger, ' ""
»nneren " '
d«r
der dem Morder geradezu
Zwang zum Handeln und der Ausführung
Tat zugebilligt hat.
Der Angeklagte ist gerissen aenug, während
"as Berhörs mit diesen Mitteln zu operieren.
Be: der weiteren Vernehmung zur Tat wird
folgendes festgestellt: Vei Abgabe des ersten Schus-
ses habe die Pistole versagt. erst die weiteren
Schüsse hätten sich ausgelöst. Gustlofs sei auf Frank-
furter zugekommen, als der erste Schutz versagt
habe. Der Mörder sei darauf zurückgegangen unb
habe wieder geschossen. Eustloff sei darauf gemäh
den Erinncrungen des Mörders auf einem Stuhl
zusammengesunken.
Lorgetäuschte Selbstmordabsichten
Der Vorsttzende fragte dann den Angeklagten
über die Eeschehnisse nach der Mordtat. Bei dem
Herunterlommen ins Erdgefchotz Gustloffs hat der
Mörder noch einen Hausbewohner mit den Worten
„Platz oder ich schietze" mit der Waffe be-
droht. Mit stockenden Worten will der Mörder
bei seiner Vernehmung weiterhin glaubhaft machen,
datz er nach der Tqt die Abstcht gehabt hätte,
Selbstmord zu begehen, den Mut habe er aber
nicht dazu gehabt. Wir wissen, datz es wohl auch
nicht seine Absicht gewesen ist. Man erhält bei der
Vernchmung die Ueberzeugung,datz der Angeklagte
mit dem Hinweis auf seine Selbstmordabsicht M i t-
lcid erregen will.
Der Vorsttzende schildert dann, wie Frankfurter
von einem Häuse aus die Polizei aufrief und sich
selbst stellte, und ferner die Vorgänge, die sich nach
dcr Tat in der Wohnung Eustloffs abspielten, das
Eintreffen der Nachbarn, der Polizei und der
Aerzte. Dann kommen zwei Vriefe des Bru-
ders des Angeklaaten vom 3. und 6. Februar zur
Verlesung, in denen dem Angeklagten die bit-
tersten Vorwürfe wegen seines Verbaltens
gegenüber seinem alten Vater gemackt werden. Jn
dem einen Vrief des Bruders heitzt es:
„Jch kann mir keinesweas vorstellen, daß Du so
bar jeden Empfindens gegenüber Deinen Eeick'Wi-
stern und Deinem von Gram geneigten und vom
Schicksal getretenen alten Vater sein konntest und
auf alle Verzweiflunasrufe mit tauben Ohren rea-
gierst. Jch kann mir nicht vorstellen, da ich Dich
doch kenne, datz Du auf einmal so tief sinken könn-
test, so herzlos, gefühllos und ohne
Pflichtbewutztsein zu sein... Wenn Du
auch manchen Fehler gemacht hast, es gibt nichts,
was, wenn Du es stark willst, nicht gebessert wer-
den könnte und nicht wieder in die recht Bahn ge-
lenkt werden könnte. Jjt es Deinerseits nur eine
Nachlässigkeit, denn jetzt wünsche ich, datz es nur
das sein möge, so bitte den l. Papa um Ver-
zeihung."
Kalt und herzlos
Der Angeklagte, der bei der Schilderung aller
Einzelheiten des grauenvollen ^erbrechens und des
Aufschreis der unglücklichen Frau Gustloff und
zahlreicher erschütternder Einzelheiten keinerlei
Anzeichen der Anteilnahme bewies und
kllhl und überlegen die alte Taktik des Abschwä-
chens und des Sich-nicht-Erinnerns beibehieli,
bricht bei der Verlesung der Vriefe seines Bruders
in Tränen aus.
Eerade aber bei. der Vsrlesung der durch ihre
Sachlichkeit erschütternden ärztlichen Untersuchung
des Ermordeten zeigt der Mörder wenig Anteil-
nahme und sieht wieder im Saale herum.
Der Vorsttzende gibt dann von dem Veschlutz
Kenntnis, dre einzige Zeugin des Prozesses, Frau
Eustloff, zu vernehmen, die herbeigeholt wird.
Jnzwischen verliest der Amtsankläger Dr.
Brügger die erschütternde Karte, die der Vater
des Angeklagten am Mordtag an seinen Sohn ge-
richtet hat.
„Du wartest sicherlich auf einen telefynischen
Anruf. Du irrst Dich aber gewaltig. 2ch bin nickt
so zart besaitet, wie Deine sel. Mutter es gewesep
Ich habe bisher täglich die Nachricht erwartet, dah
Du Dein Schlutzexamen bestanden halt. 2ch erwarte
nichts mchr von Dir. Du schreibst nicht. Nun, Du
brauchst auch nicht mehr zu schreiben, ich reflektiere
nicht darauf — und verzichte — Herzlosigkeit
mit Leichtsinn gepaart verdient nichts aa-
deres... lhebräisches Zeichen) gebe alles gut! Wte
ich sehe, existiere ich nicht für Dich. Nun gut! 2cv
nehme es, wenn auch mit Schmerzen, zur Kenntnis.
Jch weitz mich in gegebene Tatsachen zu schicken und
danke Gott auch für den Schmerz."
tzehe qegen Gustloff
Es kommt dann zur Verlesung eines Vriefes
des Amisleiters der Auslandsorganijation der
NSDAP., Dr. Richard Koderle, vom 2S. No-
vember, in dem er auf die Folgen der immer matz-
Jn
loser werdenden Hetze gegen Eustloff hinweist.
dsm Schreiben heitzt es u. a.:
„.. .verdichten sick von Monat zu Monat seine
und seiner Mitarbeiter Klagen, Beschwerden und
Befürchtungcn dahin, datz die immer matzloser
merdende Hetze im überwiegenden Teil der
Schweizer Presse gegen die NSDAP. in der Sckweiz
und besonders gegen ihn selbst eines Tages zu einer
Entladung führen müsse, deren Folgen unabseh-
bar stnd."
Bereits am 23. Mai 1933 schrieb Eustloss an
eine Parteigenossin Gertrude Hansenin Mag-
deburg wörtlich: jedoch herrscht hier in der
Schweiz augenblicklich eine geradezu tolle Hetze
gegen mich... die Morddrohungen und
Versolgnngen häufen sich von Tag zn Tao doch
kann uns »as nicht bcirren, unsercn Weg genau
so gerade und aufrecht zu gehen wie bisher."
Zrau Gustloffs Aussage
Dann wurde dic Witwe des ermordeten Lan-
desgruppenleiters, Frau Gustloss, aus Antrag
des Vertretcrs der Zivilpartei durch den Vor-
sitzenden des Gerichts vernommen. Zn Begleitung
des deutjchen Eejchäststrägers, Frciherrn von
Bibra. betritt Frau Gusiloss kurz nach 1» Uhr
tief oerschleiert den Gerichtssaal. Sie wird oon
dem Vertreter der Zivilpartei, den anwesenden
deutschen Zournalisten sowi, den anwesendcn
Reichsdeutschen im Gerichtssaal durch jtummes
Erheben von den Sitzen und mit dem Deutsche»
Eruh geehrt.
Zu Beginn der Vernehmung macht dcr Vor-
sitzende die Nebenklägerin Frau Eustloff darauf
aüfmerksam, datz es nicht möglich sei, sie als Ver-
treter der Zivilpartei nach dem Gesetz zu ver-
eidigen. In der Vernehmung der Nebcnklägerin
wurde zunächst festgestellt, datz der ermordete Par-
teigenosse Wi.hclm Eustloff in engen perjonlichen
Veziehungen zu verschiedenen schweizerischen Amts-
personen in Davos ständ. Frau Gustloff sagte
aus, datz ihr Mann bei allen Reichsdeutschen sehr
beliebt gewesen sei. Man habe ihn den „Pater
der Reichsdeutschen in der Schweiz
genannt. Frau Eustlosf sagt weiter aus datz ihr
Mann oftmals Drohbriefe erhalten habe
und auch telesonisch sei er oftmals bedroht worden.
Die Briefe seien von verschiedenen Stadten der
Schweiz aufgegeben wordcn. Aus die Frage des
Vorsitzenden, ob Eustloff diesen Drohungen grotze
Bedeutung beigemessen habe, verweist die Neben-
tläqerin auf jene bekannte Znterpellation des
Nationalrats Canova, die eigentlich das Sig-
nal zu den Vedrohungen gegeben habe. Fr.au
Eustloff erzählt sodann einen Vorgang, datz ihr
Mann einmal im Zuge nach Davos von einer
angetrunkenen Person bedroht Wvrden
jei Mit den Worten „Dem wird das Pfei-
sen bald vcrgehen" wurde die Drohung
ausqesprochen. Frau Eustloff schildert darauf den
Herqang der feigen Mordtat, besonders wie der
Mörder zu ihr gekommen sei und sie nach rhrem
Manne gefragt habe. Nach der Tat habe David
Frankfurter auch ste mit der Wasfe bedroht.
habe sich aber sofort
der am Boden lag
Sie
nur um ihren Mann bemüht,
und verbluttte.
Ein eigenartiger Arzt
Mit bewegten Worten schilderte sodann die Ne-
benklägerin, wie sie sich um einen Arzt bemühte,
der in der Nähe wohnte. Frau Gustlosf schildert,
wie dieser Art, ein Dr. Nienhaus-Ehur, sich
in keiner Weise beeilt habe, ber Aufsorderung
nachzukommen, die erste Htlfe zu bringen. Im
weiterisn Verlauf der Vernehmung sragte der
Vorsitzende die Zeugin Frau Eustlofs, ob vor der
Mordtot einige Telefonanrufe ersolgt sind, die sich
nach Gustloff erkundigt haben. Die Zeugin weist
darauf hin, datz solche Te'efonanrufe des öfteren
von ihr angenommen worden seien An die Per-
son des Mörders kann sie sich vor der Tat nicht
mehr erinnern.
Keine Beseidi una am Tele*on
Wiederum schildert Frau Gustloff, wie der
Mörder zu ihr kam und ruhig sich nach ihrem
Mann erkundigte. Ueber das letzte Telefonaespräch
ihres ermordeten Manncs sagte^ Frau Eustloff
aus, datz es keinesfalls zuträfe, datz die vom Mör-
der Frankfurter aygeführten Schimpfworte gefal-
len seien. Möqlich sei allerdings. datz er emvört
gewesen sei Lber die Störung des Telefongesprächs,
wie es öfters vorgekommen sei. In früherer Zeit
sei oftmals festzustellen gewesen, datz die Telefon-
gespräche des Landesgruppenleiters aus poli-
tischen Eründen überwacht wurden.
Dcr Anwalt dcr Zioilpartei, Rechtsanwalt Dr.
ll r s p r u n g - Zurzach, verlas sodann den Bries
des Eesprächspartners Eustlosss am Mordabrnd,
in dem er aussagt, dah Eustloss die vom Mörder
angesührten Ausdrücke wie „Saujnde" oder
andere auf keinen Fall gebraucht habe.
Die Aussage von Frau Gustloss und dieser
Brief beweisen somit eindeutig, dah der Mörder
David Frankfurter sich nicht daraus berusen kann,
dah er im letzten Augenblick vor der Tat durch
Ausdrücke Eustlofss am Teleson veranlaht worden
sei, den Mord auszusühreu.
Nach Beendigung der Vernehmung von Frau
Eustloff, die im Eerichtssaal einen grotzen Ein»
druck gemacht hat, verlietz die Nebenklägerin dcn
Saal, wiedcrum geehrt und gegrützt von den an-
wesenden Reichsdeutschen.
Die Vormittagsverhandlung des Donnerstag
erbrachte nach der Vernehmung der Nebenklägerick'