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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0355

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Xr. 79.

Mtlmch, den 5. April

18SS.

Wochen-Chronik.
(Vom 26. März bis zum 1. April.)
März 27.: Das Gesetz über die Friedenspräsenzstärke
des deutschen Heeres sowie die hieraus sich
folgernden Formationsänderungerungen werden ver-
öffentlicht. Man steht jetzt, daß dies Gesetz eine gründ-
liche Neuorganisation des Heeres gebracht hat.
„ 27.: Von den Philippinen wird gemeldet, daß die
Amerikaner hartnäckige und verlustreiche Kämpfe mit
den Eingeborenen zu bestehen haben.
„ 28.: In einer Rede in Jena hat Bebel die Befürchtung
ausgesprochen, daß in der Sozialdemokratie eine
Spaltung zwischen Opportunisten und Radikalen ein-
trelen könnte.
„ 29.: Verschiedene Staaten haben ihre Vertreter auf der
Abrüstungskonferenz schon ernannt.
„ 29.: Der deutsche Spiritusring, an dessen Zu-
standekommen lange gearbeitet worden ist, hat sich
konstituirt.
„ 30.: Auf den Samoa-Inseln ist es in der Zeit vom
23. März ab zu heftigen Zusammenstößen zwi-
schen Matafaa und seinen Anhängern einerseits und
den Engländern und Amerikanern, welche die Malietoa-
partet wieder an's Ruder bringen wollen, anderseits.
„ 31.: Der Reichskanzler Fürst Hohenlohe feiert unter
freundlicher Theilnahme des deutschen Volkes in
Baden-Baden seinen 80. Geburtstag. Vom Kaiser
erhielt er ein herzliches Glückwunschtelegramm.

Deutsches Reich.
— Der Kaiser empfing am Montag den Staats-
sekretär des Auswärtigen v. Bit low.
— Der dritte Sohn des Kaisers, Prinz Adalbert,
wird im Juni mit dem Schulschiff „Charlotte" eine zehn-
wonatige Fahrt nach Ostafrika, Westafrika, Südamerika
und Westindien antreten.
— Wie man der Frkf. Ztg. aus Berlin telegraphirt.
lst die Samoa angele genh eit in den letzten Tagen
uicht wesentlich gefördert worden, da die Zustimmung
Englands zu dem Vorschläge Deutschlands, eine U nter-
iuchungskommission nach Samoa zu entsenden, im-
mer noch aussteht. England kann anscheinend sehr
schlecht zu einem Entschluß kommen, wenn auch nicht ein-
Susehen ist, was für politische Bedenken es gegen die An-
nahme des auch von Amerika angenommenen deutschen
Borschlags haben könnte, der nach Lage der Dinge es
allein ermöglicht, den Rechtsboden der Samoaakte wieder
Zu erreichen.
.Baden. 8. 6. Karls ruh e. 5. April. Die Badische
Pf erdeversicherungsan st alt Karlsruhe zählte im
abgelaufenen Geschäftsjahr 9624 Mitglieder mtt 16 523 zu
11593181 Mk. versicherten Pferden. Zur Entschädigung ge-
witzten 828 Pferde mit 338 420 Mk. oder 76,5 Prozent der
Prämieneinnahmen. Seit dem Bestehen (1879) hat die Anstalt
M> Ganzen an ihre Mitglieder für 6825 gefallene Pferde
^<58769 Mk. Entschädigung ausbezahlt. Am Schluffe des
,migen Jahres verblieb ein Einnahmeüberschuß von 150 053 Mk.
"897 nur 123 325 Mt.).
Preußen. Am 27. März fand in Maria-Laach
(Rheinprovinz) die feierliche Uebergabe des vom Kaiser
Schifteten Hochaltars durch den Generaloberst Frhrn.
w Loö als Stellvertreter des Kaisers statt. Landrath
^inz hatte die an der Feier theilnehmenden Gäste, General-
oberst Frhr. v. Los, als Vertreter des Kaisers, den Ober-
Präsidenten, Regierungspräsidenten, verschiedene höhere Bau-
oearnte und Bauleiter am Bahnhof in Andernach in Em-
Aung genommen. Frhr. v. Los vollzog die Uebergabe im
Katstrsaal im Aufträge des Kaisers. Er bemerkte in seiner
Ansprache nach dem Bericht der Mayener Ztg., die Schenk-
*Mg sei ein neuer Beweis für des Kaisers Wohlwollen
Segen die katholische Kirche, wie es derselbe auch letzthin
mndgethan durch den Schutz der katholischen Missionen in
Ehina und die Schenkung der Dormition. Mit der Stif-
Mng dxs Altars bringe der Kaiser nicht nur das Wohl-

wollen gegen die katholische Kirche zum Ausdruck, sondern
auch gegen die Benedictiner, weil er diese als Hüter und
Wächter von Kunst und Wissenschaft und Männer des
Friedens ehre. Der Abt dankte und lud die Herren zum
Hochamt ein, das wegen der Charwoche liturgisch einfach
celebrirt wurde. Hierauf wurden Altar und Sakristei be-
sichtigt und ein Gabelfrühstück im Kaisersaal eingenommen.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit derGroßherzog haben den
nachgenannten Personen die Erlanbniß zur Annahme und zum
Tragen der ihnen verliehenen Königlich Preußischen Rothen
Kreuz-Medaille ertbeilt und zwar: a. für die zweite Klaffe: dem
Privatmann und Vorsitzenden des Kreisausschusses Dr. Wilhelm
Blum in Heidelberg, dem Großkaufmann August Herrschet,
dem Generalkonsul Karl Reiß und dem Kommerzienrath und
Gutsbesitzer Ferdinand Scipio in Mannheim, dem Medizinal-
rath Wilhelm Thumm in Pforzheim, dem Geheimerath Dr.
Friedrich von Weech, dem Obersten z. D. Rudolf Stief-
bold, dem Geheimerath Otto Sachs und der Oberin Anna
Heckert in Karlsruhe; b. für die dritte Klasse: dem Schreiner-
meister Rudolf Brechtel in Karlsruhe, dem Hausmeister im
städtischen Krankenhaus Joseph Breyer und dem Professor
Julius Conrad in Konstanz, dem Wagner Joseph Hafner
in Karlsruhe, den praktischen Aerzlen Dr. Hans Haßelbeck
in Neckarau und Dr. Karl Marold in Pforzheim, dem
Ziegeleibesitzer Georg Müller in Mannheim, dem Hofuhren-
macher Franz Pech er in Karlsruhe, dem Reallehrer Martin
Römmele in Durlach, dem praktischen Arzt Dr. August
Stöcker und dem Straßenmeister Karl Stutz in Tauber-
bischofsheim, dem Stabsarzt der Landwehr Dr. Jakob Weg erle
in Mannheim, dem Hauptmann a. D. Theodor Zah n, dem
Expeditor und Kassier Ludwig Ebert, der Krankenschwester
Pauline Eichhorn, der Oberschwester Margaretha Fleuch-
a u s, der Frau Senatspräsident Emma von Stoesser, dem
Fräulein Auguste von Seldeneck und der Frau Oberbürger-
meister Anna Lauter in Karlsruhe, den Fräulein Elise
Gärtner und Anna Mohr in Mannheim, der Frau
Kommerzienrath Adelheid Stösser in Lahr, den Diakonissinnen
Salome Büchele in Karlsruhe und Christine Zimmer-
mann in Durlach und den Ordensschwestern Luitgard Vogt
in Säckingen und Antonie Ganter in Blumenfelü.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Staatsbahndirektor-Stellvertreter Krumholz in Innsbruck
das Kommandeurkreuz zweiter Klaffe des Ordens vom Zühringer
Löwen und dem Vorsitzenden des Westdeutschen Fluß- und
Kanalvereins Franz Merkens in Köln das Ritterkreuz zweiter
Klasse des Ordens vom Zühringer Löwen verliehen.
— Verwaltungsassistent Johann Kapferer beim Landes-
gefängniß und der Weiberstrafanstalt Bruchsal wurde zum Buch-
halter daselbst ernannt. Finanzassisteut Philipp Eberwein
beim Hauptsteueramte Baden wurde als Buchhalter etatmäßig
angestellt. Expeditionsassistent Peter Iunghans in Heidelberg
wurde zur Lentralverwaltung versetzt.
Karlsruhe, 4. April. Die Grotzherzoglichen und die
Erbgroßherzoglichen Herrschaften nahmen an den Gottes-
diensten am Ostersonntag und Ostermontag sowie an dem
Abendgottesdienst theil. Zur Frühstückstafel am Oster-
sonntag erschienen die Prinzessin Wilhelm, sowie Prinz
Max und die Fürstin zur Lippe. Am Montag Abend be-
suchten die höchsten Herrschaften alle die Opernvorstellung
im Großherzoglichen Hofthcater. Heute Vormittag empfing
der Großherzog den Staatsminister Dr. Nokk und um 11
Uhr den Geheimerath Dr. Buchenberger zur Vortragserstat-
tung. Am Nachmittag besuchten die Großherzogiu mit den
Erbgrotzherzoglichen Herrschaften das neue Gebäude der
Allgemeinen Vcrsorgungsanstalt.

Ausland.
Oesterreich-Ungarn. Arco. Erzherzog Ernst ist
in der Nacht zum 4. d. gestorben. Erzherzog Ernst
war am 8. August 1824 zu Mailand geboren, als zweiter
Sohn des Erzherzogs Rainer, ein Bruder des Großvaters
des jetzigen Kaisers und der Prinzessin Elisabeth von
Savoyen-Carignan. Der Erzherzog Ernst war General
der Kavallerie.

Frankreich. Der Figaro setzt seine Veröffentlichun gen
aus dem Protokoll des Kassationshofes fort. Jeden Tag
bringt er etwa sieben lange Spalten. Zuletzt hat er die
Aussagen der ehemaligen Minister Poincarä und Cavaig-
nac, sowie des Generals Roget veröffentlicht. Roget
glaubt an die Schuld des Dreyfus. Er spricht viel von
Geheimagenten, Damen, ausländischen Agenten; unversehens
mengt sich dann aber die Person des Obersten Henry ein,
auf den alle Angaben schließlich zurück gehen. Er allein
hat im Verkehr mit den Agenten gestanden. Henry aber
war ein Fälscher und starb als Selbstmörder.
Paris, 4. April. Re in ach erörtert im Siscle die
Aussagen Cavaignacs und erklärt im Anschluß an
den Text des geheimen Schreibens, dem Cavaignac eine
ganz andere Auslegung gibt als Picquart: „Die schreck-
liche, aber genaue Wahrheit schreibe ich unter voller Ver-
antwortlichkeit nieder, ohne eine Widerlegung einer Autori-
tät befürchten zu müssen. Diese Wahrheit ist, daß
Schwartzkoppen wiederholt erklärt hat, Esterhazy habe ihm
versichert, er habe die Mittheilungen, die er an Schwartz-
koppen verkauft, von Henry erhalten und von einer
zweiten Persönlichkeit, die ich vorläufig nicht nenne."
Afrika. Johannesburg (Transvaal), 1. April.
Präsident Krüger traf heute hier ein und wurde mit Be-
geisterung empfangen. In Beantwortung verschiedener An-
sprachen führte er aus, die Ausübung der bürgerlichen
Rechte sei von ihm den Fremden nicht früher zugestan-
den worden, weil er Furcht hatte, die alten Burghers, de-
ren Zahl zur Zeit der Eröffnung der Goldfelder nur
10 000 betrug, könnten ganz untergehen. Da diese aber
jetzt zwischen 30 000 und 40000 zählten, so beabsichtige
er, dem Volksraad eine Herabsetzung der Frist zur Er-
langung der bürgerlichen Rechte vorzuschlagen. Jedoch solle
eine gleichzeitige Zugehörigkeit zu zwei Nationalitäten un-
tersagt sein und die neu Hinzukommenden müßten ihre bis-
herige Staatsangehörigkeit aufgeben, ehe' sie Burghers wer-
den könnten.

Zur Bekämpfung der Rebkrankheiten.
Das Jahr 1898 brachte uns bekanntlich so gut wie keinen
Ertrag von den Reben. Zu der Blattfallkrankheit, die in beson-
ders starker Weise auftrat, kam nämlich noch der Mehlthaupilz in
erschreckender Stärke und Ausbreitung hinzu. Nun hat sich als
Mittel gegen die Blattfallkrankheit das Bespritzen der Reben mit
einer Mischung von Kupfervitriol und Kalk oder Soda — sofern
dies Mittel richtig und vorschriftsmäßig angewendet wird — vor-
trefflich bewährt. Gegen den Mehlthaupilz wird Bestäuben mit
Schwefelpulver angerathen. Dieses Bestäuben hat aber so viele
Schwierigkeiten in der Praxis, daß es meist unterlassen wurde
oder in ungenügender Weise ausgeführt, keine Wirkung zeigte.
Neuerdings ist nun eine Methode gefunden worden, mit der der
Schwefel zugleich mit der Kupferbrühe in flüssiger Mischung durch
Spritzen angebracht werden kann. Das Spritzen mit Kupfer-
brühe ist bekanntlich seit Jahren hier obligatorisch eingeführt und
wird von den städtischen Feldhütern besorgt. Da nun das Ein-
mischen des Schwefels in die Kupferbrüye nur in besonderer
Weise zweckmäßig geschehen kann, so hat die zustehende Stadtbe-
hörde die Feldhüter angelernt und beauftragt, das Spritzen der
Reben auch mit dieser Mischung zu besorgen. Allen Rebenbe-
itzern, denen die Bekämpfung dieser folgenschweren Krankheiten
ernstlich anliegt, möchten wir empfehlen, in Zukunft nur die neue
Schwefelmischung zu verwenden. Besonders anzurathen ist eine
sofortige Anwendung dieser Mischung, noch bevor die Augen aus-
treiben, dann zum zweitenmal wie bisher kurz vor der Blüthe
und zum drittenmal rm Juli zu spritzen. Auch eine vierte
Spritzung etwa Ende August kann Vortheil bringen. Für die
erste sofort vorzunehmende Behandlung wird das Bepinseln der
ganzen Stöcke statt des Bespritzens besonders empfohlen. Da
der zu verwendende Schwefel nicht hoch im Preise steht, so wird
die Auslage für die Brühe sich nur wenig erhöhen. Ob der
Mehlthaupilz dieses Jahr wieder so verheerend auftreten wird,
hängt von der Witterung ab. Jedenfalls haben Samen, sog.
Sporen des Pilzes in so ungeheuren Mengen überwintert, daß
die Möglichkeit seines Auftreteus auch für 1899 vorliegt. Durch

15)

Ein Arauenherz.
Erzählung aus dem Leben von A. M. Witte.
(Fortsetzung.)
Trüb wie der Himmel
liegt Vor mir die Welt.
v. Die rothen und grünen Augen der verschiedenen Weichen,
.^ Weißen flackernden Lichter der Gaslampen am Bahn-
»rper leuchteten durch den trüben Nebel, und leise spielte
Ion in den Telegraphendrähten. Magdalene schritt
Hvgsam am Bahnkörper auf und nieder, welcher diesen
Zainen durchaus nicht verdiente, da derselbe nur aus einem
d j'jOonsgebäude und zwei Schuppen bestand. Es war, nach-
so^ Zug weiter in die Nacht hineingebraust war, so ein-
hier, und der Wagen, de» sie vorfinden sollte, war noch
zu sehen, so daß sie sich von allen verlassen fühlte, so
k^Mbers heimathlos, heut, wo sie einem neuen Wirkungs-
ib,-- °"tsegen ging, daß die Stimmung in der Natur mit
Stimmung auss innigste harmonirte und ihr
"willkürlich Thränen in die Augen traten.
batte sich nach Leutenant von Brandensteins Wesen
erw . d seiner Schwester entworfen, aber durch das Nicht-
läinÄ^n am heutigen Tage war ein Schatten der Ent-
fi^wung aus dasselbe gefallen. Was soll sie beginnen, wenn
Ssti» W abgeholt wird, wie ihr brieflich versprochen ward?
dem haben es andere Mädchen, die nicht selbständig
bbn, das so reich an Leid und Enttäuschungen ist, enl-
S^sfireten müssen. Wie höflich war der Abschied von
lg»„"scks gewesen, die ihr Undank vorgeworfen, da sie nicht
Äinn« bleiben wolle, wie hochmüthig hatte sie Herr von
säb? -bei seinem zweiten Besuch im Hause lgnortrt, als
D » ^ eine bezahlte Dienerin,
ihren?« Rollen von Rädern tönte an ihr Ohr und unterbrach
Äonz, Eingang. Der Himmel war lichter geworden, und
schaute die Chaussee hinunter, auf der der Wagen
ren^ff, mußte; da erblickte sie ein Licht, es strahlte bald
bald links, jetzt hörte sie den Wagen deutlicher, der

Schein kam näher und näher, sie unterschied das Schnauben
der Pferde, das Knallen der Peitsche. Eine Haldchaise hielt
am Bahnhofsgebäude, ein alter Kutscher brachte Grüße von
der Herrschaft und stammelte in treuherziger Weise eine Ent-
schuldigung, daß er sich verspätet hrbe; der Gepäckträger
brachte den Koffer und weiter ging es — einer neuen, frem-
den Heimath entgegen. Magdalene konnte die Gegend, durch
welche sie fuhren, nicht unterscheiden, in nächtliche Schleier
gehüllt lag sie vor ihr, wie ihre Zukunft, nur ab und zu
deutete das Rollen der Räder auf schlechtes Pflaster, das
Bellen der Hunde, die kleinen erleuchteten Fenster, welche
durch die Nacht glänzten, daß sie eine dem großstädtischen
Verkehr noch nicht erschlossene Landstadt oder ein Dorf
passirten.
Es ist ein eigenthümliches Gefühl, Plötzlich in dem nächt-
lichen Dunkel ein Licht schimmern zu sehen; meist erweckt es
trübe Phantasieen; auch Magdalene empfand dies, — doch
schnell zog es an ihrem Blick vorüber, dann wieder Nacht
überall, erloschen der Schein, entschwunden des Lichtes Glanz.
Weiter ging es und weiter. Magdalenes Herz schlug in
ängstlicher Erwartung; es war ihr. als würde sie von frem-
der Macht fortgcführt, fort von allen, die sie geliebt hatte,
aber ein Blick zum Firmament gab ihr Muth und Vertrauen
zurück: die Sterne blickten so beruhigend auf sie hernieder,
so beredt ohne Worte, so still und verschwiegen, so mild und
versöhnlich.
Ihr fiel ein, wie Adelaide von Rustrow einst gesagt hatte,
thöricht sei es, an Sterne zu glauben, denn auch die könnten
erlöschen, und wie in einen Spiegel schaute sie in Gedanken-
verbindung mit diesem Ausspruch in die vergangene Zeit, in
jene reichen, doppelt verlockend erscheinenden Tage; was
Erna gemeint hatte, zu vergeben stünde in deS Menschen
Macht, zu vergessen nicht, empkand auch sie, aber nicht wie
jene es aufgefaßt; die schöne Zeit hatte sie nicht vergessen,
wohl aber das Leid, das daraus ihr erwachsen; wenigstens
schien nur ein wehmüthiger Schimmer davon geblieben. Es
schien sich aus die Wunde ihres Herzens eine lindernde Hand
zu legen, und getrosten Muthes sah sie jetzt einer ungekannten

Heimath entgegen. Dunkel lag die Zukunft in ihr, aber am
hellsten glühen die Sterne in dunkler Nacht.
„Dort liegt das Herrenhaus," die Stimme des Kutschers
rief sie in die Gegenwart zurück; er deutete mit dem Peit-
schenstiel auf ein langgestrecktes Gebäude, dessen erleuchtete
Fenster ihr freundlich Willkommen zu sagen schienen. Sie
fuhren an einem Park vorbei, dessen Bäume wie Riesen in
den Himmel ragten, der Wagen rasselte auf den Hof, Hunde
bellten, Stimmen ertönten, ein Diener trat an den Wagen-
schlag, ihn öffnend, — Magdalene war es, als erwache sie
aus einem Traume, und wie durch einen Nebel nur ihre Um-
gebung erblickend, betrat sie die Schwelle ihres neuen Heims.
„Wir haben uns ichon sehr auf Ihre Ankunft gefreut;
mein Bruder hat uns so viel Liebes über Sie geschrieben;
möchten Sie sich glücklich hier fühlen l" Wie herzlich klangen
diese Worte, und wie freundlich trat ihr die vornehme
Fraucngeftalt entgegen, der man die erwachsene Tochter un-
möglich ansah. Hier mußte sich ein jeder wohl fühlen. Wie
glücklich war Magdalene, voraussichtlich einen Ruhehafen
nach den Stürmen des Lebens gefunden zu haben.
_^ (Fortsetzung folgt.)

Kleine Zeitung.
— Berlin, 31. März. Reisende behufs Vermittlung
von Heirat Yen sind die neuesten Vertreter dieses interessanten
Geschäftszweiges. Ein junger Mann, mit sehr eleganten Manieren
und streng nach der Mode gekleidet, bereift gegenwärtig die Pro-
vinz Brandenburg, um ein „renommirtes" Berliner Heirathsbureau
zur Vermittlung von Heirathen zu empfehlen. Er sucht nament-
lich Wittwen und Wittwer auf und weiß ihnen die Thätigkeit
seines „Hauses" in beredten Worten anzupreisen. Der Empfang
des Reisenden ist, wie er sich selbst geäußert hat, keineswegs
immer zu seiner Zufriedenheit, doch soll er mit dem erzielten Ge-
schäft im Allgemeinen zufrieden sein. So erzählt wenigstens das
Kleine Jdurnal. — Zu Wind hoek, dem Hauptort unserer süd-
westafrikanischen Kolonie, hat sich, wie früher bereits gemeldet
wurde, der Rechtsanwalt Georg Wasserfall niedergelassen und
 
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