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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0644

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Haare zu Berge standen — wenn ich nicht daran gedacht hätte, '
daß er die Inseln ebenso wenig gesehen hat wie ich (Heiterkeit).
Da hier ein Quentchen eigener Erfahrung mehr Werth ist, als
ein Centner von Vorstellungen, so lege ich mehr Gewicht auf die
Berichte von Besuchern der Inseln, namentlich unserer ausge-
zeichneten Seeoffiziere. Eine große Politik kann unmöglich ge-
führt werden von dem Standpunkt Adam Rieses aus. Ich bitte,
nicht noch in zwölfter Stunde Schwierigkeiten zu bereiten und
den jungen Mädchen, die Einlaß begehren in das deutsche Haus,
nicht die Thür vor der Nase zuzuschlagen. Ich bin überzeugt,
daß. wenn wir nur es einigermaßen praktisch ansangen, wir mit
der Zeit etwas aus den Karolinen und Marianen machen werden,
und wenn wir alle schon längst unter dem grünen Rasen schlafen,
des Haders müde, unsere Kinder und Kindeskinder noch an den
schönen Karolinen und Marianen ihre Freude haben werden.
(Lebhafter Beifall.)
Abg. Graf Arnim (Reichsp.) fordert Berücksichtigung der
idealen Momente.
Abg. Liebknecht (Soz.): Spanien habe ausverkauft, und
Deutschland kaufte außerordentlich theuer, was die anderen übrig
ließen.
Abg. Dr. Paasche (natl.) begrüßt die höheren Gesichtspunkte,
die die Mehrheit bekunde. Eine Besserung der Handelsbeziehungen
zu Spanien sei nöthig.
Unterstaatssekretär Frhr. v. Richthofen: Die Gegenkon-
zessionen Spaniens genügten durchaus.
Abg. Dr. Lieber (Centr.) fragt an, ob die unter das
Jesuitengesetz fallenden Orden auf den Karolinen zugelassen und
geschützt werden sollen.
Staatssekretär v. Bülow: Es steht im Ermessen der
dortigen kaiserlichen Beamten, wie dort die Jesuiten zu behandeln
find, ob sie zuzulassen, anszuschlteßen und eventuell auszuweisen
find. Auch Inländer können ausgewiesen werden. In den
deutschen Schutzgebieten seien protestantische und katholische
Missionen in gleicher Weise zuzulassen und zu beschützen, auch
die Jesuiten und verwandten Orden. Deutschland hält es aber
stets für angezeigt, in den Schutzgebieten nur deutsche Missionare
zuzulafsen und die katholischen Missionare ausschließlich der Auf-
sicht und Leitung der deutschen kirchlichen Autoritäten unterstellt
zu sehen.
Das Haus nimmt darauf den Nachtragsetat, betreffend die
Erwerbung der Südsee-Jnseln, und das dazu gehörige Anleihe-
gesetz, sowie das Handelsabkommen mit Spanien in erster und
zweiter Lesung an.
Es folgt die Weiterberaihung des Gesetzes betreffend den
Schutz des Arbeitsverhältnisses. Dafür traten Graf
Posadowsky und der preußische Handelsminister Brefeld ein. Von
den Parteien kamen Demokraten, Polen und Elsässer zum Wort.
Sie sprachen gegen die Vorlage. Das Haus vertagte die Be-
rathuna auf Donnerstag.
Baden Die badischen Bahnen haben im Monat Mai
6 018 130 Mk. eingenommen, d. i. 420 470 mehr als im gleichen
Monat des Vorjahres. In den fünf ersten Monaten d. I. be-
trägt die Mehreinnahme schon 1271870 Mk. Auch die Mehr-
zahl der Neb e n b a h n en hat eine Steigerung der Einnahme
zu verzeichnen. Bei der Nebenbahn Mannheim—Weinheim—
Heidelberg—Mannheim beträgt das Mehr vom 1. April bis
Ende Mai 20 452 Mk.
Bayern. München, 21. Juni. Nach der Allgem.
Zeitung reist Prinz Ruprecht morgen Abend zur Regatta
nach Kiel, wozu er vom Kaiser eingeladen worden ist.
München, 21. Juni. Die kaiserlichen Prinzen
August Wilhelm Oskar und Joachim und Prinzessin Victoria
Luise, die heute Morgen hier eingetroffen waren, wurden
am Bahnhofe von den Söhnen und Töchtern des Herzogs
Karl Theodor in Bayern begrüßt. Nach dem Frühstück
reisten die kaiserlichen Kinder weiter nach Berchtesgaden.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Expeditor bei der Oberdirektion des Wasser- und Straßenbaues,
Kanzleiratb Wächter, das Ritterkreuz zweiter Klasse mit Eichen-
laub des Ordens vom Zähringer Löwen verliehen und denselben
auf sein Ansuchen wegen vorgerückten Alters unter Anerkennung
seiner langjährigen und treuen Dienste auf den 1. Juli d. I. in
den Ruhestand versetzt, sowie dem Großh. Notar Heinrich
Schmidt in St. Blasien die Notarsstelle Neckarbischofsheim
übertragen.
— Expeditionsassistent Friedrich Lehmann in Villingen
wurde zum Betriebsassistenten ernannt und Expeditionsassistent
Hermann Wacker in Pforzheim wurde nach Karlsruhe versetzt.

Ausland.
Oesterreich-Uugarn. Brünn, 20. Juni. Im Schreib-
walde in der Nähe von Brünn überfielen zahlreiche
Czechen Abends eine heimkehreude Gesellschaft von acht
Deutschen mit Steinwürfen. Zwei Deutsche gaben
Revolverschüsse ab, worauf die Angreifer entflohen.
Frankreich. Paris, 21. Juni. Ueber Du Paty
de Clam macht der Matin eine Reihe von Mittheilungen.
Du Paty erhalte täglich den Besuch seines Vertheidigers,
sowie seiner Frau; die Speisen beziehe der Gefangene
aus seiner Wohnung. Die Anklage erstrecke sich auf acht
Punkte: falsches Telegramm „Speranza", falsches Tele-
gramm „Blanche", falscher Brief „Blanche", Fälschung
„Weyler", Fälschung „Henry", Mittheilung des Stückes
„Oans-ills äs O." an den Eclair, Mittheilung des „be-
freienden Schriftstücks" an Esterhazy, schließlich noch Tat-
sachen, die eventuell bei der Untersuchung der übrigen
Vergehen entdeckt werden. Du Paty antwortete, daß die
Frage der drei ersten Fälschungen durch das Urtheil der
Civil-Anklagekammer erledigt sei; betreffs der Fälschungen
„Henry" und „Weyler" hätten Cavaignac und Cuignet
sich in haltlosen Hypothesen gefallen. Daß Du Paty
nichts an den Eclair sandte, habe dieses Blatt selbst er-
klärt und die Behauptungen Esterhazy's seien ohne Kon-
trole werthlos.
Paris, 21. Juni. Die Lösung der Kab inets-
krisis hat heute keine wahrnehmbaren Fortschritte ge-
macht. Bourgeois hat mit dem Präsidenten und einer
Anzahl von Politikern konferirt, aber er zeigt keine Lust
zur Bildung eines Kabinets oder zur Ueberuahme eines
Ministeriums. Die Hauptschwierigkeit liegt darin, daß die
vorgeschrittenen Radikalen in der Frage der Verantwort-
lichkeit für die Sünden am Dreyfusprozeß so scharf wie
möglich Vorgehen wollen, während die übrige Linke mehr
geneigt ist, aus Gründen der Staatsraison die Ver-
folgungen auf's Nothwendigste zu beschränken.
England. London, 21. Juni. Dem Daily Tele-
graph zufolge soll General Sir Henry Redvers Buller
für den Fall, daß der Krieg mit Transvaal aus-
brechen sollte, zum Oberbefehlshaber der Truppen in Süd-
afrika bestimmt sein, im Uebrigen sei das hiesige General-
kommando in reger Thätigkeit, um Vorkehrungen für die

Verwendung einer starken Streitmacht an Kavallerie und
Artillerie zu treffen, die im Kriegsfälle sicher erforderlich
Wäre. Noch hege man aber die ernste Hoffnung, daß es
nicht zu Feindseligkeiten kommen, und daß Pretoria sich
den Forderungen Sir Alfred Milners auf der Bloem-
fonieiner Zusammenkunft, die gegenwärtig dem Präsidenten
Krüger sehr ernstlich ans Herz gelegt würden, fügen werde.
Die Bekämpfung des Mehlthaucs und der Blattsallkrankheit.
In den letzten Jahren hat sowohl der Mehlthau (Aescherig.
Oidium), als die Blattfallkrankheit großen Schaden in den Reben
Hervorgehracht. Es ist in hohem Grad wahrscheinlich, daß beide
Krankheiten auch dieses Jahr stark auftreten, wenn sie nicht richtig
und rechtzeitig bekämpft werden. Den Mehlthau bekämpft mau
durch Schwefeln, die Blattfallkrankheit durch Bespritzen der Reben
mit Kupferkalkbrühe. Die Wirkung beider Mittel und folglich
die Größe und Güte der Erträge an Wein und die spätere Kraft
der Reben hängt davon ab, daß man die Mittel frühzeitig,
jedenfalls vor derBlüthc und dann wieder imJuli
verwendet und daß man alle Rebtheile, besonders quch die
Scheine und Träubchen gleichmäßig damit bestäubt und sie nicht
etwa mit großen Mengen Schwefel oder Brühe bedeckt.
Der Schwefel muß fein gemahlen sein, er soll 60"Chansel
haben und ist während der warmen Tageszeit zu verwenden.
Der Mehlthau kann in allen Lagen auftreten, das Schwefeln ist
also überall zu empfehlen; er tritt aber vorzugsweise in west-
lichen und südwestlichen Lagen und an Hausreben auf; dort
sollte man also jedenfalls schwefeln.
Zur Herstellung der Kupferkalkbrühe werden 2 Lg Kupfer.
Vitriol (am besten durch Einhängen in einem Körbchen) in 50
Liter Wasser gelöst. Dann setzt man verdünnte Kalkmilchzu,
bis ein in die Flüssigkeit getauchtes Curcumpapier braun wird.
Zur Herstellung der Kalkmilch löscht man 1'/, kg gebrannten
Kalk durch Anfeuchten zu Pulver und mischt dieses oder V» kg
teigförmigen gelöschten Kalk vom Maurer mit SO Liter Wasser
und gießt die Kalkmilch nach einigem Stehen und öfterem Um-
rühren durch ein feines Sieb.
Die Kupferkalkbrühe ist an dem Tag, an welchem sie ver-
wendet werden soll, zu bereiten; die Kupferlösung und die Kalk-
milch können vorher hergestellt werden.
vr. Neßler, Geh. Hofrath.

Alts Stadt und Land._
Heidelberg, 23. Juni.
V. Die studentische Vismarckfeier wurde gestern Abend durch
einen Fackelzug begangen. Der Zug bewegte sich vom Karlsplatz
die Hauptstraße entlang nach dem Btsmarckgarten, woselbst Herr
Sind. Eckstein vor dem Denkmal, welches durch bengalisches
Rothfeuer beleuchtet war, eine kurze Ansprache über die Ver-
anlassung und Bedeutung der Feier hielt und dortselbst einen
Kranz niederlegte. Nach Absingung des Liedes „Deutschland,
Deutschland über Alles", in welches das zahlreich anwesende
Publikum mit einstimmte, bewegte sich der lange, imposante Zug,
in welchem sich 3 Musikkapellen befanden, durch die Sophien-
straße die Anlage entlang nach dem Ludwigsplatz, woselbst die
Fackeln unter Absingung des Sanäsamns igitur zusammengeworfen
wurden.
O Vismarcksiiule. Das am 18. d. M. von Herrn Sienold jr.
zu Gunsten der hiesigen Bismarcksäule veranstaltete Concert
ergab einen Reingewinn von 142,85
A Edisons Tbeatrophon. Im großen Saalbausaale wird
von heute ab ein Edtson'sches Teatrophon zu sehen und zu hören
fei», das der Ankündigung zufolge etwas ganz Außerordentliches
und Hervorragendes sein muß. Das Theatrophon gibt Musik,
Gesang, Sprache laut und klar wieder. Die Wiedergabe sei so
natürlich, daß man vergesse, vor einer Maschine zu sitzen, sondern
glaube, die volle Musik eines Orchesters, oder die liebliche
Stimme einer Primadonna mit all den feinen Nuancen zu hören.
In einem Saale von 10000 Personen sei das Theatrophon vor-
geführt worden und man habe den Apparat von jedem Winkel
des Saales aus so deutlich hören können, daß man glaubte, den
Sänger, die Sängerin oder die Musikkapelle rc. in unmittelbarer
Nähe zu hären. Hiernach ist es gewiß lohnend, die Leistungen
des Thealrophons kennen zu lernen. Wegen des Näheren sei
auf das Inserat in heutiger Nummer verwiesen.
— Ei« kleiner Kaminbrand fand am 19. ds. in der Räucher-
kammer eines in der Plöck wohnenden Metzgers statt. Der
Brand wurde sofort gelöscht, es entstand aber immerhin ein
Schaden von ungefähr 90 Mk.
-- Unfall. Ein hiesiger Gewerbetreibender fiel gestern Vor-
mittag beim Abspringen von der Pferdebahn zu Boden und zog
sich eine Verletzung am Knie zu.
— Polizeiberichr. Eine Ladnerin wurde gestern wegen Dieb-
stahls und Unterschlagung und ein Dienstmädchen wegen Dieb-
stahls verhaftet; dreißig Personen kamen wegen Ruhestörung und
Unfugs zur Anzeige, ein Student wegen Ausdrehens von Gas-
laternen.
O Eppingen, 19. Juni. Begünstigt von schönem Wetter
feierte gestern die hiesige freiw. Feuerwehr ihr goldenes
Jubiläum. Viele Hunderte von fremden Feuerwehrmännern
trafen in der hiesigen festlich geschmückten und reich beflaggten
Stadt ein. Tausende andere Einwohner aus der Umgegend
fanden sich ebenfalls hier ein. Um 9 Uhr Morgens war Fest-
gottesdienst, bet welchem die Geistlichen dem Feste angemessene
Predigten hielten. Um etwa 2 Uhr bewegte sich der imposante
Festzug, worunter 28 weißgekleidete Festdamen, durch die Haupt-
straßen der Stadt auf den Festplatz. Die Herren Major Zim-
mermann und Bürgermeister Vielhauer hielten Begrüßungsreden.
Frln, Elise Kögel übergab dann dem Fahnenjunker Heinrich
Pfründer unter passenden Worten die neue zweite Fahne, worauf
vom Gesangverein Eintracht ein Fahnenlied gesungen wurde.
Herr Hauptlehrer Waldi hielt in bekannter Meisterschaft die
eigentliche Festrede. Herr Feuerwehrkommandant Renner von
Heilbronn gedachte der hiesigen Feuerwehr und Herr Konsul
Menzer der Frauen und Jungfrauen. Nach Vertheilung der von
E. Eichlletter verfaßten Festschrift war geselliges Beisammensein.
X Weinheim, 21. Juni. Gestern machte ein hiesiger Schlosser-
meister, schon längere Zeit geistesgestört und an Verfolgungswahn
leidend, seinem Leben durch Erhängen in seiner Scheune ein
Ende. Seit kurzer Zeit ist das der zweite derartige Todesfall.
— Das Unwetter, das jüngst die Gegend von Ladenburg
und Friedrichsfeld hart heimsuchte, ist glücklicherweise in
unsere Gegend nicht gekommen; doch hat es in letzter Zeit hin
und wieder tüchtig geregnet, so daß die Frucht in vielen Aeckern
wie gewalzt auf dem Boden liegt und sich nicht überall wieder
wird aufrichten können. — Die Rebenblüthe beginnt endlich
und ist es von überaus großer Wichtigkeit, daß wir in den nächsten
14 Tagen günstige, d. h. warme Witterung behalten. Bezüglich
der Samen steht es im Allgemeinen doch etwas besser, als man
ursprünglich vermuthete. — Fünf Raufbolde, welche vor
einigen Wochen in händelsüchtiger Weise mit Studenten technischer
Hochschulen Nachts Radau machten, wurden vom hiesigen Schöffen-
gericht zu 3—6 Monaten Gefängniß vernrtheilt. — Gegen den
Beschluß des Bürgerausschusses in Betreff der Errichtung eines
Pr o g y m nasin ms wurde von der Gegenpartei Einsprache
beim Bezirksamt erhoben und dürfte deshalb diöse Frage noch-
mals dem Bürgerausschusse zur Entscheidung vorgelegt werden.
O Unterschönmattenwag, 20. Juni. Die Hetdclbeer-
ernte wird nächsten Montag im ganzen Ulfathale ihren Anfang
nehmen Die Befürchtungen, daß es keine Heidelbeeren gäbe,
waren verfrüht. Die naßkalte Witterung zur Blüthezeit hat
wohl den Ertrag decimirt. Immerhin ist aber noch eine mittel-
mäßige Ernte zu erwarten.
— Waldmichelbach. 20. Juni. Fast täglich kommen selbst
aus weiter Ferne Techniker und sonstige Interessenten hierher,

um unsern Vahnbau zu besichtigen. Gestern war auch eine Ab-
theilung Polytechniker aus Darmstadt unter Leitung der betr.
Professoren hier, um das merkwürdige Bauwerk zu besichtigen.
Alle sind der Ueberzeugung, daß eine schönere und interessantere
Bergbahn in Mittel- und Südwestdeutschland bis jetzt nicht
existirt. Man hofft, daß die Arbeiten bis Spätjahr nächsten
Jahres sicher vollständig beendigt sein werden. Im großen
Tunnel zwischen hier und Kreidach wird man sich schon Ende
nächsten Monats die Hände reichen können.
ff Mannheim, 20. Juni. Wegen Vergehens gegen das
Urheberrecht an Schriftwerken erschien heute der Director des
Colosseumtheaters hier, Friedrich Kersebaum, vor der
Strafkammer. Kersebaum hatte ohne Erlaubniß des dramatischen
Verlags von Felix Bloch Erben in Berlin das Lustspiel „Fräulein
Doktor" von Walter und Stein aufgeführt. Tie Verhandlung,
welche einen kleinen Einblick in die Enge der finanziellen Ver-
hältnisse eines Vorstadtmusentempels gewährte, endete mit der
Verurtheilung des Angeklagten zu einer Geldstrafe von 25
event. 5 Tagen Gefängniß und Zahlung einer Geldbuße von
10 ^ an den genannten Verlag. Ter Verlag hatte 40 ver-
langt, doch hatte der Gerichtshof in freiem Ermessen, wohl der
angedeuteten, nicht beneidenswerthen Verhältnisse des Theater-
direktors wegen eine Buße von 10 für genügend gehalten. —
Eine ebenso eigenthümliche, als ungehörige Züchtigungsmethode
hat der 28 Jahre alte Hauptlehrer Emil Hermann Brehm in
Brühl (gebürtig aus Scheringen) an einer Reihe von neunjährigen
Mädchen in Anwendung gebracht. Er Pflegte die Mädchen, die
im Lernen nicht nachkamen, in die Oberschenkel zu kneifen, sodaß
die blauen Mäler tagelang sichtbar blieben. Außerdem hat er
auch einmal ein Mädchen mit dem Stock an Waden, Schienbein
und Schulter blutrünstig geschlagen. Der Angeklagte suchte heute
die Mißhandlungen zu verschleiern. Er gab an, er s-i kurz vor
einer Prüfung gestanden, da könne ein Lehrer, zumal bei einer
Klasse mit 60 Kindern, leicht in Aufregung gerathen. Er habe
„Strenge mit Milde paaren" und züchtigen müssen. Daß er die
Kinder „gepfetzt" habe, sei ihm gar nicht bewußt geworden. Als
das erste als Zeuge vernommene Kind erzählt hatte, wie es vom
Lehrer in die Schenkel gepfetzt worden war, rieth der Vorsitzende
dem Angeklagten, doch die Sache zuzugestehen, indem er hinzu-
Agte: „Das ist keine Züchtigung mehr, sondern eine Quälerei.
Haben Sie an sich schon einmal den Versuch gemacht, wie das
thut?" Im Laufe der weiteren Beweisaufnahme sagten die
Kinder aus, daß Lehrer Brehm vor der ersten Einvernahme durch
den Staatsanwalt auf sie eingeredet habe, nicht zu sagen, daß
ie gepfetzt worden seien. Das Gericht erkannte auf eine Geld-
strafe von 150 event. 15 Tage Gefängniß. Von einer
Freiheitsstrafe wurde mit Rücksicht auf den seitherigen guten
Leumund des Angeklagten und den Umstand, daß dieser Lurch
Geschäftsllberhäufung infolge einer zu starken Klasse gereizt war,
abgesehen. Auf der anderen Seite wurde berücksichtigt, daß das
Pfetzen der Kinder durchaus unpassend und quälerisch war, und
deßbalb eine harte Geldstrafe ausgesprochen.
b Karlsruhe, 19. Juni. Etwa 150 Angehörige des Ver-
bands farbentragender Turnerschaften auf deutschen Universitäten
fanden sich am letzten Samstag und Sonntag hier ein, um den
II. südwe st deutschen Turnerschaftertag festlich zu
begehen. Am Samstag Abend wurde das Fest mit einem großen
Kommers im „Eintrachtsaal" begonnen. Herr Geh. Reg.-Rath
Cle Venz-Karlsruhe, welcher das Präsidium führte, begrüßte
die frohgestimmten Theilnehmer aus Württemberg, Elsaß und
Baden und eröffnete dann die Reihe der offiziellen Trinksprüche
mit einem Toast auf den Kaiser und den Großherzog. Die nach
Form und Inhalt gleich vollendete Festrede, in der das Wesen
und die Ziele der academischen Turnerschaften verherrlicht wur-
den, hielt Herr Stadtvikar Stengel- Karlsruhe. Mit frischem
Humor war der Trinkspruch des dritten Redners, Hrn. Professor
Ar mb ruft er-Karlsruhe, auf die Gäste gewürzt. Nachdem
noch auf die Aktivitas von Herrn Dr. Schäfer-Ichenheim und
auf die Damen von Herrn Finanzpraktikant Hermann-Karls-
ruhe Toaste ausgebracht waren, wurde der offizielle Theil des
Festkommerses geschlossen und die Fidelitas trat in ihre Rechte.
Am Sonntag fand gemeinschaftlicher Frühschoppen im Stadt-
garten und dann ein Ausflug nach Herrenalb statt, wo in
der „Sonne" das Festmahl eingenommen wurde, in dessen Ver-
lauf Herr Dr. Schäfer-Ichenheim einen Toast auf den König
von Württemberg ausbrachte. Tanz im Kursaal und ein ge-
müthltches Zusammensein nach der Rückkehr im Hotel Grüne-
wald bildeten den Schluß des ebenso schön wie fröhlich ver-
laufenen Festes. An Sc. Königl. Hoh. den. Großherzog wurde
während des Festkommerses am Samstag folgende Huldigungs-
depesche abgesandt: „Ew. Königl. Hoheit bringen 15 akademische
sarbentragende Turnerschaften, die zum Festkommers im Ein-
trachtsaal versammelt sind, von echter Vaterlandsliebe beseelt ihre
ehrerbietige Huldigung dar."
II. bi. Waldkirch. 21. Juni. Nächsten Sonntag findet hier
die Enthüllung eines Kriegerdenkmals statt. Der Groß-
herzog hat sein Erscheinen zugesagt und wird gegen 3 Uhr hier
eintreffen. Am Festessen wird der Großherzog nicht theilnehmen.
X Patentbericht für Baden vom 20. Juni 1899, mttgetheilt
von dem Internationalen Patentbureau C. Kl eher in
Karlsruhe. (Auskünfte ohne Recherchen werden den Abonnenten
dieser Zeitung bei Einsendung der Frankatur gratis ertheilt.)
a. Patent-Anmeldungen: 8. 12059. Laub- und Schweif-
säge. Martin Salomon, Langenau bet Schopfheim, Baden. An-
gemeldet am 29. December 1898. — 11. 15 398. Vorrichtung für
Druckpressen zur absatzwetsen Schaltung einer endlosen Papier-
bahn. W. Müller, Heidelberg. Angemeldet am 1. Juni 1898. —
b. Gebrauchsmuster-Eintragungen: Nr. 118852.
Künstlicher Mineralzahu, versehen mit vertieft angebrachten
Flächen, in welchen Stifte befestigt sind. F. A. Wienand,
Pforzheim. Angemeldet am 20. Mai 1899. — Nr. 116 789.
Federndes Armband mit Schnepperverschluß. Wilhelm Fühner,
Pforzheim. Angemeldet am 8. Mai 1899. — Nr. 116 943. Mit
ihrer in einem Dreifuß lagernden vertikalen Achse drehbare und
mittels Zahnradgetriebes achsial verschiebbare, aus Asbestzement
in Verbindung mit schwarzem Marmorpulver und Wasserglas
gebildete Schulwandtafel. Jean Schmidt, Mannheim, L 3, 15.
Angemeldet am 24. Mai 1899.

Kleine Zeitung.
— Helgoland, 21. Juni. Die erste kleine Jacht kam gestern
Abend 10 Uhr 28 Minuten an, die zweite 10 Uhr 41 Minuten.
Der erste Kutter, welcher heute früh 8.40 Uhr einpassirle, ist
„Brunhild", die zweite Jacht, der Schooner „Charmian", langte
9.39 Uhr an; die dritte, „Amphitrite", ging um 10.20 Uhr durchs
Ziel; in nächster Reihe kamen „Wendur", anscheinend beschädigt,
in Sicht, ferner „Betty" und drei weitere Jachten. Sämmtliche
Jachten gehen direkt nach der Elbe. Die Pretsvertheilung findet
voraussichtlich in Kiel statt. Außerdem langten gestern Abend
„Aeolus", „Jullamar" und „Oceana" ein.
— Wien, 19. Juni. Der frühere Direktor des Münchener
Schauspielhauses, königlich bayerischer Hofschauspieler Emil
Drach, ein geborener Heid elb erg er, ist, wie bereits kurz
erwähnt, plötzlich geisteskrank geworden. Er war mit einem
jungen Mädchen nach Wien gekommen und erschien heute mit
diesem plötzlich im Burgtheater, wo er „seine Rollen" verlangte.
Das junge Mädchen flüsterte den Beamten zu, Drach sei vor
einer Stunde irrsinnig geworden. Nun ging man auf seinen
Wahn ein und konnte ihn sicher mit dem Wagen der Rettungs-
gesellschaft zur Heilanstalt bringen. Drach ist 44 Jahre alt und
war vom Meininger Karl Weiser für das Theater ausgebildet
worden.

Literarisches.
—A Historische Bibliothek. Band 8. Sokrates und
sein Volk, von Dr. Robert Pöhlmann (Verlag von R. Olden-
burg in München). Preis 3,50 Das interessante Buch ist
e ine volkspsychologische Studie, die nicht nur für die Erkenntni ß
 
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