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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150 - 176 (1. Juli 1901 - 31. Juli 1901)
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schönsten Wetter begünstigt bis 8 Uhr bei der Fürstin
und kehrten dann nach Schloß Baden zurück. Der Erb-
großherzog ist Samstag den 29. Früh von Wien nach
München gereist und hat dort übernachtet. Gestern ver-
weilte Seine Königliche Hoheit bis abends in München
und reiste dann mit dem Nachtzug von dort ab. Nach
der während des Tages herrschenden großen Wärme ver-
lief die Nachtfahrt sehr günstig. Heute Früh nach 8 Uhr
traf der Erbgroßherzog nicht zu ermüdet in Badenweiler
ein. Der Goßherzog und die Großherzogin beabsichtigen
morgen, Dienstag Früh die Erbgroßherzoglichen Herr-
schaften zu besuchen und bis zum Abend in Badenweiler
zu verweilen.

Nationalliberale Versammlung in Schönau.
k. Schönau (A. Heidelberg), 1. Juli.
Die nationalliberale Partei hielt gestern im Saale
des Gasthauses zum „Löwen" eine Wahlversammlung ab, die
hauptsächlich dem Zweck diente, den Kandidaten der Partei zum
Landtag, Prof. Qucnzer , den Wählern vorzustellen. Trotz der
großen Hitze, die nicht gerade zum Besuch geschlossener Räume
einlud, und trotzdem viele Landleute in Befürchtung drohender
Gewitter mit der Einbringung ihres Heues beschäftigt waren,
war die Versammlung gut besucht. Auch aus Heidelberg waren
eine Anzahl Herren zugegen.
Zuerst stattete der Reichstagsabgeordnete für unfern Bezirk,
Oberamtmann Beck-Eberbach, Bericht ab über die abgelausene
Tagung des Reichstags. Redner sprach zunächst seine Freude
darüber aus, daß, nachdem er vor 3 Jahren zum ersten Mal
vor seine Wähler getreten, er jetzt Gelegenheit habe, vor einer
größeren Anzahl derselben zu sprechen und über seine und der
Partei Thäligkeit im Reichstag zu berichten. Die Partei habe
durchweg getreu ihren Grundsätzen gehandelt, was sie vor den
Wahlen versprochen, das sei nach den Wahlen auch gehalten
worden. Hr. Beck sprach dann den dringenden Wunsch aus, die
Wähler möchten noch mehr als dies bisher geschehen, Gelegen-
heit nehmen, ihrem Abgeordneten näher zu treten.
Redner gab sodann einen äußerst klaren Bericht über die
Thätigkeit des letzten Reichstages, aus dem manch bedeutendes
Gesetz hervorgegangen. Da die einzelnen Punkte gelegentlich der
Neckargemünder Versammlung in diesen Blättern ausführlich be-
sprochen wurden, so sei darauf für heute nicht mehr eiugegangen.
Was die Novelle zum G e w erb eg eri ch t s g e setz betrifft, so
konnte Redner die erfreuliche Mitteilung machen, daß, wie er
vernommen, der Bundesrat in seiner letzten Sitzung dem Gesetze,
an dessen Zustandekommen die Partei und Redner selbst als
Mitglied und Berichterstatter der betr. Kommission kräfiig mit-
gewirkt haben, seine Zustimmung erteilt habe. Er erhofft von
demselben eine bedeutende Förderung des Friedens zwischen den
Arbeitgebern und den Arbeitnehmern. Zum Schluffe seines.Be-
richtes, dem die Versammlung in gespanntester Aufmerksamkeit
folgte und der öfter von Beifallsbezeugungen unterbrochen wurde,
ermahnte Redner die Wähler in eindringlichen Worten, sich in
politischen Dingen nicht der Gleichgiltigkeit hinzugeben:
jeder einzelne Bürger habe die heilige Pflicht, sich politisch zu
bethätigen. Mit einem Hinweis auf die herrlichen Worte, die
unser Landesfürst dieser Tage dem scheidenden Staatsminister
Nokk gewidmet und die ein Programm enthalten, das dem heiße-
sten Empfinden des Volkes entspreche, schloß Redner, und be-
geistert stimmte die Versammlung in das Hoch auf unser engeres
und weiteres Vaterland ein.
Nun ergriff der Landtagskandidat, Prof. Quenzer, das
Wort. Seine von vaterländischem Geiste durchglllhten, dabei
freimütigen Ausführungen machten den besten Eindruck auf die
Versammlung und allenthalben hörte man äußern, daß die
Partei mit der Aufstellung dieses Mannes einen sehr guten Griff
gethan. Mit freudigem Erstaunen sah man, wie der Kandidat
alle politisch wichtigen Fragen beherrscht; allseitigen lebhaften
Beifall fanden seine Vorschläge, besonders die, welche das Steuer-
wesen, die Grund- und Pfandbuchführung und das Schulwesen
betrafen. Die Aeußerung eines kleinen badischen Blättchens,
Professor Quenzer habe mit seiner Neckargemünder Programmrede
den Lehrern recht geschmeichelt, weist er mit Entrüstung zurück;
er rede Niemand zu lieb, Niemand zu leid. Er lasse sich aber
durch die Bemerkung des Blättchens nicht abschrccken in der
Verfolgung seiner vorgefaßten Ziele. — Eine Sache, die den
Schönauern und allen Bewohnern des Steinachthales schon seit
langem am Herzen liegt, die Ei se n b a h n f r ag e, behandelte
Hr. Quenzer noch ausführlich und zu größter Zufriedenheit der
Anwesenden. Er führte ans; Schönau, ein schöner Fleck Erde,
einer der herrlichsten Punkte des Odenwaldes, in idyllischer,
großartiger Lage, sei seit langem mit seiner Weltabgeschiedenheit
nicht mehr zufrieden und sehne sich danach, ein reges Glied im
großen deutschen Reiche, d. h. an das Vcrkehrsleben durch
Schienenwege angeschlossen zu werden. Die Zeit, in der dies
erreicht würde, werde sicherlich kommen, wünschenswert aber sei,
daß sie bald komme. Redner giebt einen lleberblick über die Ge-
schichte des Eisenbahnwesens im Reich; im Jahre 1876 habe
Preußen einen auf Errichtung von Reichseisenbahnen zielenden
Antrag gestellt; er sei an dem Widerspruch der süddeutschen
Bundesstaaten gescheitert. Heute sei die Sache umgekehrt; heute
sei es Preußen, das seine Bahnen nicht abgeben wolle, sondern
das die süddeutschen Staaten zu Gemeinschaften, wie die
preußisch-hessische, dränge. Redner ist entschieden für Reichs-
eisenbahnen; bis solche aber durchgeführt seien, müßten alle
Staaten möglichst viele Bahnen bauen. Auch die Steinach-
thalbahu müsse bald gebaut werden und zwar vom Staate
selbst. Man dürfe sich durch die bisherigen Mißerfolge nicht ab-
schrecken lassen, sondern müsse immer und immer wieder nach-
drücklich für die Sache eintrcten. — Die Versammlung hatte den
Eindruck, daß der Kandidat, falls er gewählt wird, mit Einsetzen
feiner ganzen Persönlichkeit und mit Aufbietung der vollen Kraft
seiner packenden Rede auf Erfüllung dieses langgehegten Wun-
sches der Bewohner des Steinachthales dringen wird.
Langandauernder Beifall bekundete das Einverständnis der
Versammlung mit dem Vortrage Prof. Quenzers. Bürgermeister
Re ich wein, der die Versammlung eröffnet hatte, schloß die-
selbe mit Worten des Dankes an die Redner. Einige Vertreter
der sozialdemokratischen Partei, denen man Gastrecht gewährte,
konnten nicht umhin, die Versammlung durch Zwischenrufe zu
stören; ihr Wortführer wurde aus dem Saale entfernt.

Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 2. Juli.
8.-ö.. 18. Verbandsschießen. Gestern weilte die Schieß-
ordnungs-Kommission für das 18. Verbandsschießen des
Badischen Landesschützenvereins, des Pfälzischen und des Mittel-
rheinischen Schützenbundes in unserer Stadt, um die Vorbe-
reitungen zum Schießen zu besichtigen. Die Herren waren von
dem Gesehenen, besonders von den so vorteilhaft angelegten
Schießständen sehr befriedigt. Am Abend tagte derWohnungs-
und Empfangs-Ausschuß. Derselbe besprach die Unter-
bringung der zahlreich zu erwartenden Festgäste und faßte Be-
schluß über den Empfang der auswärtigen Vereine. Diese werden
am Bahnhof begrüßt und mit Musik in ihre Quartiere geleitet.
Der geschäftsführende Ausschuß erläßt in der heutigen Nummer
ds. Bl. eine Aufforderung an die Bürgerschaft zur Schmückung
der Häuser. Es ist zu hoffen, daß den gegebenen Anregungen
allseitig Folge geleistet wird.
Q Rheinfahrt nach dem Niederwalddenkmal. Wir wollen
nicht unterlassen, die Leser auf die am Sonntag, den 7. Juli statt-
findende Rheinfahrt nach dem Niederwald aufmerksam zu machen.
Die Fahrt ist interessant; eine Musikkapelle wird mitgenommen, um die
Zeit zu verkürzen. Wir können den Lesern nur empfehlen, den

Ausflug mitzumachen und sich sobald als möglich Karten zu sichern,
da die Nachfrage nach diesen sehr stark ist und es jedenfalls die
letzte Extrafahrt in diesem Jahre ist.
8r. Vom Ausflug nach der Neuukircher Höhe. Nodensteiu
und Reichelsheim. Pünktlich zur angesetzten Zeit fand sich am
Sonntaa früh ein munteres Häuflein — gerade 12 Teilnehmer —
am hiesigen Hauptbahnhof ein. Nach freundlicher gegenseitiger
Begrüßung fuhren wir vergnügt unserem Ziele, vorerst Wein-
heim—Fürth, entgegen. Von dort wurde auf Schusters Rappen
Lindenfels erreicht. Hier winkte ein gutes Frühstück als Lohn
für den steilen Aufstieg. Beim Weitermarsch in Sonnenglut,
welche, je weiter wir vorkamen, durch frischen Wind- erträg-
licher gemacht wurde, sahen wir auf der Lützelröder Höhe uns
nochmals nach dem schönen Landschaftsbild von Lindenfels um,
das von schönem Kranze dunkel waldbedeckter Berge gleichsam
umrahmt ist. Bald erreichten wir die Neunkircher Höhe, erstie-
gen den Kaiserthurm und genossen da besonders die Aussicht
gegen Süden, die etwas freier von Nebel war, so daß der Katzen-
buckel mit Turm trotz 31 Kilometer Entfernung gut zu erkennen
war. Nach Norden und Westen konnte man nur etwa 15 Kilo-
meter weit deutlich sehen, so die Fronkensteiner Höhen bei Jugen-
heim, den Malchen u> d das Auerbacher Schloß. Nach 20 Min.
erreichten wir Neunkirchen, betrachteten das Ohlydenkmal, das
gleichsam eine freundliche Mahnung ist, sich recht zu erfreuen an
der allezeit lehrreichen Natur. Eine kleine gärtnerische Anlage
mit zierlichen, rosettenartigen Fettpflanzen auf dem Brunnenkopf
und um das Denkmal wirkt belebend. Die viele hundert Jahre
alte Linde, großblättrige Art. stand im vollen Blütenschmuck.
Gestärkt mit Speise und Trank brachen wir dann bald auf und
schritten die weiße Linie entlang zuerst etwa 200 Meter hinunter,
dann längs den Bergen hin, teils auf-, teils absteigend, am
Danmenstein mit herrlicher Aussicht gegen Westen, auch das
wirklich reizende Bild von Lichtenberg in uns aufnehmend. Nach-
dem uns ein größerer Hochwald wieder mehr hinabgeführt, fan-
den wir uns auf einmal vor der Burgruine Rodenstein, stiegen
rasch hinein, kamen auf den großen Burgplatz mit dem zuge-
worfenen Brunnen und der Widmung an Scheffel. Gegen
Süden zu weiter absteigend und aus dem Wal» tretend, fanden
wir uns auf einer wie zu einem Volksfest amphithealralisch ge-
bauten Wiese, uns gegenüber die Straße von Fränkiscb-Krum»
bach her, auf welcher der Festzug mit Trachten der Um-
gebung-Mädchen mit Weißen, besonders gebauten Häubchen, auch
Bauern mit dem Dreispitz in langen schwarzen Röcken von feinem
Tuch — daher gezogen war. Vieles Volk füllte die große Wiese
aus an Tisch und Bänken sitzend oder herumgehend. Für die
Jugend waren die üblichen Spiele eingeführt, ein Karoussel und
eine Schießbude hatten flotten Zuspruch. Nur zum Tanzen bot
sich keine Gelegenheit, trotz der vielen recht hübschen Mädchen.
Die vorrückende Zeit mahnte uns an den Heimweg, welcher uns
nach Reichelsheim führte, von da aus ging es auf einem Leiter-
wagen bis Fürth und mit der Bahn nach Haus. War das
Wetter morgens warm, so bedeckte sich der Himmel nachmittags
und wir bekamen zur Wagcnfahrt erfrischenden Regen.
Q Im Rodensteiner tritt gegenwärtig eine Sänger- und
Schausptelertruppe auf, die mit freundlichen Gaben der Sanges-
kunst und der heiteren Muse die Zuhörerschaft aufs beste unter,
hält. Ein Männerquartett bildet den Grundstock der Truppe;
obne hervorragend zu sein, erfüllt es doch seine Aufgabe in zu-
friedenstellender Weise, lim die Quarlettvorträgc ranken sich dann
allerlei Brettelsblütm, Lieder, Soloszenen, auch Szenen mit
mehreren Personen, was alles recht nett vorgetragen wird.
Der Hauptstern des Ensembles ist der Damenimitator. Im
schneidigen Damenkostüm, chic und verführerisch aussehend, muß
die Pseudomaid hin und wieder die tiefe Männerstimme ertönen
lassen, wenn man glauben soll, daß diese elegante'Sängerin mit
der wohlklingenden Sopranstimme wirklich kein Mädben ist. Der
Besuch des Rodensteiners kann auch Familien bestens empfohlen
werden.
L) Schöffengerichtssttzung vom 1. Juli. 1) Friedrich Seitz
aus Ilvesheim, z. Zt. in Haft hier, erhielt wegen Diebstahls
2 Monat Gefängnis, 2) Elisabetha Kunz aus Schönau, z. Zt. in
Haft hier, wegen Diebstahls, Betrugs und Unterschlagung 4
Wochen Gefängnis. 3) Die Verhandlung gegen Heinrich Schulz
aus Bochum wegen Beleidigung und Widerstands wurde vertagt.
4) Wilhelm Greßmaun aus Sulzbach eihielt wegen Köiper-
verleyung 1 Woche Gefängnis, 5) Leonhard Höfer aus Wiesen-
bach wegen Körperverletzung 100 Geldstrafe, bezw. 10 Tage
Gefängnis, 6) Karl Müller aus Untergriesheim wegen Körper-
verletzung 15 Geldstrafe bezw. 3 Tage Gefängnis, 7) Johann
Zubrod aus Heidelberg wegen Beleidigung 10 „tt. Geldstrafe
bezw. 2 Tage Gefängnis, 8) Rosa Adelmann aus Heidelberg
wegen Unterschlagung 1 Woche Gefängnis.
x Schiffsunfall. Am Sonntag blieb ein zu Thal fahrendes
Schiff 50 Meter oberhalb der Ladenburger Neckarbrücke bei dem
niedrigen Wasserstand stecken. Ein nachfolgendes mit Steinen be-
ladenes Schiff des Besitzers Boßler aus Neckarsteinach, das
ebenfalls zu Thal fuhr, wollte an demselben vorbei z durch die
Brücke fahren, stieß aber mit voller Wucht auf den ersten Pfeiler
und zerschmetterte sich den ganzen Vorderteil so, daß es dann
quer vor Strom stand und langsam sank, wodurch der Verkehr
den ganzen Tag über vollständig gesperrt wurde.
T Unglücksfall. Beim Aufschlagen des Gebälks für einen
Abtrittbau auf dem hiesigen Schützenfestplatz stürzte gestern
Mittag der 34 Jahre alte in Neuenheim wohnhafte Zimmermann
Wilhelm Dieter aus einer Höhe von etwa 4 Metern rücklings
herunter und erlitt einen Schädelbruch und einen Kreuzwirbel-
bruch, sodaß er alsbald nach seiner Aufnahme im akademischen
Krankeuhause seinen Gei st aufgab. Der Verunglückte, ein
fleißiger und strebsamer Mann, war verheiratet; er hinterläßt
Frau und zwei Kinder.
— Polizeibertcht. Ein Student wurde wegen fortgesetzter
Ruhestörung verhaftet. Zur Anzeige kamen 15 Personen
wegen Ruhestörung bezw. Unfugs.
-ci Nußloch, 30. Juni. (Liederkranz.) Nächsten Sonntag,
7. Juli begeht der hiesige Gesangverein „Liederkranz" die Feier
seines 25jährigen Stiftungsfestes, verbunden mit der Weihe einer
neuen Fahne. Umfassende Vorbereitungen des festgebenden Vereins
und die Beteiligung zahlreicher auswärtiger Vereine lassen auf
einen schönen Verlauf des Festes schließen.
Mannheim, 28. Jum. (Vom Gymnasium.) Die am
hiesigen Gymnasium vorgeuommene Abstimmung der Eltern über
die Einführung des Vormittagsunterrichts von 8—1 Uhr (im
Sommer von 7—12) und die hiedurch ermöglichte Beschränkung
des Nachmittagsunterrichts hat ein günstiges Resultat für die neue
Einrichtung ergeben. Nicht weniger als 78 Prozent der Eltern
haben sich auf Grund der sechswöchigen Probezeit unbedingt dafür
ausgesprochen.
-j- Mannheim, 1. Juli. Das Schwurgericht für das
3. Quartal 1901 hat heute seine Tagung begonnen. Nachdem die
Jury ausgeloost und über ihre Pflichten belehrt war, ging der
Vorsitzende, Landgerichtsdirektor Zehnter, zur Verhandlung des
1. Falles über. Ein Notzuchtsversuch bildete den Gegenstand
der Anklage. Der 19jährige Wilhelm Moos aus Feudenheim,
ein geistig schlecht entwickelter und auch sonst verkommener Bursche,
hat die Scharlachkrankheit mit Gehirnhautentzündung mitgemacht,
ist aber nur in geringem Grade schwachsinnig und besaß nach
Ansicht des Sachverständigen zweifellos die Einsicht in die Straf-
barkeit seiner Handlung, die ihm zur Last gelegt wird. Die Ge-
schworenen bejahten die Schuldfrage und die Frage der mildernden
Umstände. Der Angeklagte wird darauf zu 1 Jahr 3 Monaten
Gefängnis verurteilt.
2. Fall. Wegen Kind esnnt ersch iebu ng und Beihilfe
dazu waren angeklagt die Jakob Straßner Ehefrau, Elisabeth
geb. Wolfs ans Wiesenthal, wohnhaft in Ludwigshafen, und die
Georg Volz Ehefrau, Margarethe geb. Maas aus Seckenheim,
wohnhaft in Mannheim. Der erste Mann der Frau Straßner,
der im Jahre 1893 starb, ist nicht viel wert gewesen. Mit ihrem
jetzigen ist sie umso mehr zufrieden. Er ist fleißig und behandelt

sie nicht schlecht. Nur über Eines ist sie in Unruhe. Weil die
Ehe kinderlos ist, so befürchtet sie, daß ihr Mann sein Vermöge»
(er soll 2000 Mk. auf der Sparkasse haben) seinen Verwandte»
vermachen könnte. Sie entschloß sich deshalb, ihrem Mann rst»
einem angenommenen Kinde Vaterfreuden zu bereiten. Zwerwas
begab sie sich unter dem Vorgeben nach ihrem^ Heimatsorte, sie lA
guter Hoffnung und wollte bei ihren Leuten ihre Niederkunst
abwarten. Sie hoffte auch auf ein Kind, aber sie meinte, d»o
irgend ein betrogenes Mägdelein sich finden und ihr ein vater-
lediges Kind schenken werde. Diese ihre Hoffnung wurde jedesinm
getäuscht und sie berichtete deshalb ihrem Manne jedesmal heim,
das Kind sei tot zur Welt gekommen. Im Januar 1899 las st-
urm eines Tages in einer Mannheimer Zeitung, ein Kind st
unentgeltlich abzugeben. Sie forschte nach und erfuhr bei der
Hebamme Volz, daß es sich um das Kind eines Dienstmädchens
ausJagstfeld handle, das dieses in der Frauenklinik in Heidelberg
geboren habe. Die Ueberuahme des Kindes vollzog sich nun rinsts
teils romantischen, teils komischen Umständen, die s. Zt. schon kur»
geschildert worden sind. Am 10. Tage nach dem TheatereM»
verließ Frau Straßner das Haus der Frau Bolz und nahm rw
Kleinod mit, das sie nun wie ihr eigenes Kind aufzog. FM
Volz erhielt für ihre Bemühungen ein Honorar von 60 Mk. TA
Sache wäre nicht ans Licht gekommen, wenn nicht ein Schwas
der Frau Volz aus seiner Kenntnis von den Vorgängen Kap»?,
zu schlagen und von Frau Straßner sowohl wie von Frau VA'
Geld zu erpressen versucht hätte. Da er kein Geld erhielt, brach»
er die Sache zur Kenntnis der Behörde. Die Angeklagte Straßnff
will nicht aus Gewinnsucht sich ein Kind gewünscht haben, sonde»
nur aus Liebe, weil sie Kinder gern habe. Auf Vorhalt
Vorsitzenden, daß sie ihrem Manne doch öfters zugeredet haA
ein Testament zn ihren Gunsten zu machen , sagte sie, sie HA
ihrem Manne nur einmal davon gesprochen. Sie habe sich gedaäst
sie schaffe ja doch auch mit und sollte auch etwas davon bekomme»
nämlich von dem Vermögen. Aus der Einvernahme der ,FM
Straßner geht weiter hervor, daß sie vor einigen Jahren eiistN?
das Kind eines Verwandten als Pflegekind angenommen ha»2
daß sie es aber wieder abgeben mußte, weil ihr Mann sagte, M
fremde Leute ziehe er keine Kinder groß. Frau Volz bestrff»
ihrerseits, gewußt zu haben, daß es sich um eine Kindesnn»ff
schiebung handle. Zu etwas Derartigem Hütte sie ihre Hand »
geboten. Es erhielten die Straßner 4 Monate, die Volz 3 Monff,
Gefängnis. Die Geschworenen verneinten, daß die Handlung '
gewinnsüchtiger Absicht ausgeführt wurde.
86. Bruchsal. 30. Juni. (Der Bürgerausschuß)
nehmigte mit 71 gegen 3 Stimmen ohne Debatte die Erwerbm?
des Bauhofes von der Reichsmilitärverwaltung und die AA
bringung der hierfür erforderlichen Mittel von 580 000 Mk. »F
diesem Votum ist eine der wichtigsten Juteressenfragen der Sm
in einer überaus günstigen Weise ihrer Lösung entgegengeführ»,,
8.6. Karlsruhe, 1. Juli. (Bon der Hochschule.) HA,-
Abend um 6 Uhr hat in der Aula der technischen Hochschule ff
denkwürdige Feier stattgefunden. Es wurde nicht nur der
„Doktor-Ingenieur" aus der Reihe der Studentenschaft krest,
Herr Engler, ein Neffe des Professors gleichen Namens, war M
Glückliche, sondern zugleich der Anlaß wahrgenommen, den A,
tretenden Staatsminister Dr. 3tokk zum Ehrendoktor zu ernenA,
Die Karlsruher Hochschule ist ihrer Wicht nachgekommen,, M
um das Hochschulwesen in Baden in so hohem Maße verdiestff,
Minister den gebührenden Dank anszusprechen. Es war ein Q
hebender und ergreifender Augenblick, pals der Rektor seine ff ,,
spräche mit einem Hoch auf den neuen ehrfurchtgebietenden EbM
doktor abs chloß, in das die ganze Vers ammlung, jung und M
begeistert einstimmte. Der so Gefeierte war selbst zugegen M
funktionierte bei diesem akademischen Akte zum letzten Mal öfst»
sich als Staatsminister und Minister des Kultus und fiNM
richts. S- Exzellenz dankte bewegt in einer ebenso von HstM,
kommenden als zu Herzen gehenden Ansprache, in der er beto» ,
wie ihm seine so erfolgreiche Arbeit durch seine Mitarbeiter,M
denen er auch die Professoren zähle, durch die Liberalität ff> §
aufgeklärten Volksvertretung, vor allem aber durch die hochh.MA
landesväterliche Gesinnung Großherzogs Friedrich erleiÄQ,
worden sei. Er bat zuletzt, das ihm in so reichem Maße M,
gegengebrachte Vertrauen seinem Nachfolger im Amte Übertrag-
zu wollen. S. Exzellenz schloß mit einem Hoch auf den GM
Herzog. Erst morgen wird Staatsminister Dr. Nokk sein ^
niederlegeu. ,.,S
167. Nothweil am Kaiserstuhl, 1. Juli. (Ein furchtbnM
Gewitter) mit Hagelschlag entlud sich vorgestern Nachmittag M
unserem Ort. Hagelkörner in ziemlicher Größe richtetest
„Freiburger Zeitung" an den Reben und Feldgewächsen erhebest.
Schaden an. Die Felder glichen fast einer WinterlandlM-
Durch den heftigen Sturmwind wurden viele Obstbäume M
ständig aus der Erde herausgerissen, auch wurden an versch»»
Gebäuden die Ziegel vom Dachstuhl entfernt.
8.17. Villingen, 30.Juni. (II.Mnsikfest des SchwM
waldgau-Verbandes Badischer und Würt"stl
belgischer Musikvereine.) Gestern Vormittag ü.,.
begann das Pr eis spielen; um 3 Uhr fand der Festzug M
Es nahmen daran Teil 20 Musikkapellen und die hiesiges E
Musik- bezw. Gesangvereine. Das Festkonzert nahm uw ff.
seinen Anfang. Das Gesammtkonzert, an dem 320 Must'^
beteiligten, übte eine großartige Wirkung aus. sst
Aus Baden. In Mannheim hantierte vorgestern der ^
jährige Sohn des Privatmann Simon mit einem Flobert-
zielte zum Scherz auf die 11jährige Tochter des SchloffecwM,i>

Goedt, drückte ab und verletzte das Mädchen schwer durch
Schuß in die Lunge


Heid elberge r Bereinsangelegenheite^
öS. Stiftungsfest der Zithergesellschaft Heidelberg.
Zithergesellschaft feierte Samstag und Sonntag ihr 10. Stist"
fest. Am Samstag begann die Feier abends 'Z9 Uhr
Sälen der Bürger-Kasino-Gesellschaft (Prinz Max) mit
ollen Teilen sehr wohlgelungenen und auf das beste ausgff^E
Fest-Konzert unter Leitung des Herrn Konzertmeisters ,
sowie unter freundlicher Mitwirkung des der ZithergeseM jffst
eng verwandten Gesangvereins „Concordia" unter Leituhö
Dirigenten, des Herrn Musikdirektors Matheo Mann,
Mitwirkung des Herrn A. Schleifstein, Sekretärs des Süd!»ff^
Zitherbundes, aus Straßburg. Nach einem einleitenden
vortrag der Zither-Gesellschaft sprach Frl. Becker einenAH-,
Das Konzert brachte aus ssdem Spezialgebiet der Gesteck',
Zitherstücke für den Gesamtverein, sowie Solis. Von ff x
sei besonders hervorgehoben das des Herrn SchleifstffM,,
Straßburg. Die „Concordia" bereicherte das Festprogr^M
angenehmster Weise durch Gesangsvorträge. Das ganze A,ist» >
verlief auf's schönste und brachte den Mitwirkenden reiche»^ M
Herr Beierbach, Vorstand der Zithergesellschaft, begrastest
Festgäste aufs wärmste, erwartend, daß ihnen diest
Stunden in angenehmer Erinnerung bleiben werden, d?» Pst, !
besondere dem Gesangverein „Concordia" für die M st,
Wirkung und sprach die Hoffnung aus, daß das Band- ff
beiden Vereine so eng freundschaftlich umschließe, sich ia>w § ^
befestigen möge. Nach einem Rückblick auf das Entst AM!
das Leben der Zither-Gesellschaft gedachte er in dankbare»
des Herrn Schleifstein, der sich um das ZitherwM,^,.
viele Verdienste erworben habe und überreichte ihm e>r»
laut welcher derselbe zum Ehrenmitglied der Zither-AMMjjs
Heidelberg ernannt ist. Herr Schleifstein dankte bAqd /
schönen Worten und brachte auf das fernere Blühst» ,
deihen der Zither-Gesellschaft ein Hoch aus. Der deMsE,lI
ebenfalls nahe stehende Gesangverein „Freundschaft ,§,chg
heim brachte seinen Glückwunsch dar durch Ueberreichh
Lorbeerkranzes. Im Laufe des Abends gingen
wunschtelegramme und Glückwunsch-Schreiben ein, 1
von der „Typographia" Heidelberg sehr warm gehaltenes i
das dem Verein ein immer weiteres Blühen »no
 
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