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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

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Nr. 204 - 228 (2. September 1901 - 30. September 1901)
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Freitag, 6. September IW. Erstes Blatt. 43. Jahrgang. — Ir. 208.


Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit F-milienblättern mouatlich bO Pfg. in'S Hans gebracht, bei der Spedition und den Zweigstellm abgeholt 40 Pfg. DurS die Post br«
zogm vierteljährlich 1.85 M. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 2V Psg. für die Ispaltige Petitzeile -der deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzrigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
vorgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Von der Sühnegesandtschaft.
Prinz Tschnn wohnte gestern (Donnerstag) früh mit
kleinern Gefolge den: Gefechts exerzieren des 1.
Gardeinfanterieregiments auf dem Bornsiedter Felde
bei. Dem Gefechtsexerzieren folgte ein Parademarsch.
Prinz Eitel Friedrich wohnte ebenfalls dem Exerzieren
bei. Nachmittags wurde Tschuu von der Kaiserin empfan-
gen. Heute Nachmittag um 4 Uhr traf er von Potsdam in
Berlin ein. Er fuhr nach der für ihn gemieteten Woh-
nung am Tiergarten.
Die deutschen wie die ausländischen Blätter finden,
daß die Sühnezeremonie sehr geschickt inszeniert war und
daß der Kaiser, dem Augenblicke angemessen, kräftig
und ernst gesprochen habe. Nur meinen die deutschen
Blätter, man hätte die Kotauforderung garnicht stellen
sollen. Das Ausgeber: derselben sei doch immerhin so
etwas wie ein Rückzug. — Fast alle Wiener Blätter
drücken die Befriedigung aus über die Antwort Kai-
ser Wilhelms, sowie darüber, daß die deutsche Regierung
die Geduldprobe, der sie durch den asiatischen Prinzen
ausgesetzt worden sei, kurzweg und selbst mit Verzicht
auf die Förmlichkeiten, auf welche die Würde Deutsch-
lands Anspruch gehabt hätte, beendigte. Nur das all-
deutsche Organ, die „Ostdeutsche Rundschau", höhnt:
„Das ist die Sühne für die qualvolle Ermordung des
Botschafters des deutschen Reichs, kaum ein Jahrzehnt
nach Bismarck.
Vor: den französischen Blättern sagten die „D6bats"
in ihren: Leitartikel über die Mission des Prinzen
Tschnn, die Art und Weise, wie Prinz Tschnn gesprochen
habe, sei erklärlich aus dem Charakter eines gleichzeitig
kindischen und greisenhafter: Volks, dem eine jahrhnndert
alte Bücherkultur die Wirklichkeiten hinter Formen ver-
steckt habe, und das den Schein zu wahren sucht hinter
stilistischen Feinheiten. Mehrere Sätze der A ntwort
des Kaisers aber zeigten, daß dieser sich nicht mit
Phrasen blenden lasse. Aus diese Weise habe der Prinz
doch die Worte hören müssen, deren Aussprache man ihm
wlbst erspart habe. Es sei überflüssig, über die Komödie
der Gesten zu streiten; jedenfalls sei der Kaiser von
China gezwungen worden, seinen Bruder nach Europa
zu senden, und die Sühne habe stattgefunden.

Deutsches Reich.
— Zu der Mitteilung der „Tgl. Rdsch.", daß seiner-
zeit das englische Blatt die Mitteilungen über den
neuen Zolltarif mit Wissen des Reichskanzlers erworben
habe, erfährt die „Nordd. Allg. Ztg.": Am 24. Juli
erhielt der Reichskanzler von einem ihn: persönlich Un-
bekannten ans Hamburg die Mitteilung, daß einer Lon-
doner Zeitung die Tarifvorlage zum Verkauf angeboten
wurde. Noch ehe er zu dieser bevorstehenden Veröffent-
lichung habe Stellung nehmen können, sei am 26. die
Nachricht eingetroffen, daß der Herausgeber der „Fi-
nanzchronik" die fragliche Abschrift der Tarife erworben
habe. Vom Reichskanzler sei keine andere Mitteilung
eingegangen, als der Dank für die Anzeige der Verun-
treuung amtlichen Materials und die Bemerkung, daß
dis Veröffentlichung unpassend erscheine.
— Der deutsche Protestantcntag, der gegenwärtig in
Kaiserslautern tagt, Kat eine Resolution betr. den Katho-
likentag und eine solche gegen den Krieg in Süd-
afrika angenommen. Elftere lautet:

Kleine Zeitung.
— Berlin, 5. Aug. Die Blätter melden nachfol-
gende Einzelheiten zum Untergange des Kreu-
zers „W a chst": Die „Weißenburg" nahm die „Wacht"
noch in das «Schlepptau, doch sank das Schiss nach 22
Minuten. Bei der Kollision wurde der Kutter der
„Wacht" zertrümmert. Der Kommandant stand als
letzter noch neben der Flagge, und sprang erst ins
Wasser ab, als das Schiff anfing zn sinken, und die
Wellerr schon über das Vorderschiff schlugen. Die Kriegs-
slngge verschwand zuletzt. Der Dampfer „Sachsen" hat
eine kleine Havarie erlitten und fuhr nach Danzig zur
Reparatur. Bei deir Bergungsarbeiten zeichnete sich
besonders die Mannschaft der „Sachsen" aus. Der Un-
fall ist aus Versagen der Steuervorrichtung zurückzu-
rühren. Die „Wacht" wurde von der „Sachsen" zwischen
Maschinenraum und Heizungsraum getroffen, dadurch
wurde das Schott zwischen beiden Räumen zertrümmert
und füllte sich schnell mit Wasser. Rettungsboote konnten
Wegen des Seeganges nicht niedergelassen werden. Die
Mannschaften sprangen daher ans das Kommando:
„Rette sich wer kann," über Bord. Nur der Komman-
dant, der erste Offizier und der Schiffsingenieur blieben
bis zuletzt zurück. Der Steuerapparat hatte vor dem
Auslaufen der Flotte eine Havarie erlitten, da der Er-
satz sich aber verzögerte, lief das Schiff so aus. Ein
Matrose erlitt sine Beinverletznng.
— Köln, 2. Sept. Auch in: Monat Juli ist die
Bevölkerungsziffer von Köln z u r ü ck g e g a n g e n.
Während die Abnahme im Monat Juni nur 73 betrug,
wirk die Zahl im Monat Juli um 312. 332 Personen
lind mehr ab- als zugezogen; dadurch, daß die Zahl der

„Der Deutsche Protestanteuverein erklärt tu Beziehung auf
die Verhandlungen des Osnabriicker Katholikentages: daß die
Verhandlungen im Gegensatz zu dem Versprechen, dem Frie-
den und der Liebe dienen zu wollen, vielmehr dazu angethan
sind, die konfessionellen Gegensätze zu verschärfen, daß in der
Verhöhnung Martin Luther's und namhafter deutscher Mäkmer
— Bismarck eingcschlosfen — der ultramontane Charakter
der Führer des Katholikentages offen zu Tage tritt, daß die
Versicherung des Ultramontanismus, die Stütze der Ordnung
und des Thrones zu sein, im Widerspruch steht mit der Ge-
schichte und dem immer wiederholten Anträge, der die Rück-
berufung der Jesuiten fordert. Er würde es lebhaft be-
dauern, wenn der in der Osnabriicker Versammlung gespen-
dete Beifall als Ausdruck der Zustimmung aller unserer ka-
tholischen Volksgenossen gedeutet werden müßte, und ist über-
zeugt, daß diese in ihrer Mehrheit trotz aller Hetzereien mit dem
protestantischen Volke in Frieden leben wollen."
Cronberg, 6. Sep. Die griechische Krvnprinzen-
familie trat heute Vormittag 11 Uhr die Rückreise nach
Griechenland an.
Baden.
IM. Schopfheim, 6. Sept. Eine gestern ab-
gehaltene gut besuchte Versammlung der nationallibera-
len Vertrauensmänner des Amtsbezirks Schopfheim
beschloß den Oberschulrat Dr. Weygoldt wieder als
Kandidaten für den Wahlbezirk Schopsheim—Säckingen
aufzustellen.
IM. Badenweiler, 6. Sept. Unser allverehr-
ter Landesfürst wird seinen bevorstehenden Ge-
burtstag —- 9. September — in unseren Mauern be-
gehen. Um den Geburtstag des Großherzogs mit den
erbgroßherzoglichen Herrschaften hier zu feiern, geden-
ken die großherzoglichen Herrschaften in einigen Tagen
von Schloß Mainau wieder hier einzutreffen. Die
Freude darüber ist irr der ganzen Gegend eine allgö-
meine und aufrichtige.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Verwaltungsassistent Jakob Daub bei Großh. Landes-
gewerbehalle wurde auf sein Ansuchen 'wter Anerkennung seiner
langjährigen treu geleisteten Dienste in den Ruhestand versetzt.
l— Expeditionsassistent Josef Santo in Eppingen wurde nach
Appenweier und Expeditionsassistent David Bechtold in Mann-
heim nach Eppingen versetzt.
Karlsruhe, 6. Sept. Heute früh siud der
Königlich Preußische Gesandte Wirklicher^ Geheimer Rat
von Eisendecher und Gemahlin von Schloß Mainau
abgereist, um sich nach Baderrweiler zr, begeben. Gegen
Mittag hat der Generalleutnant vor: Vroesigke Schloß
Mainau verlasse,: und ist nach Karlsruhe zurückgekehrt.
Heute Abend verläßt die Herzogin von Genua die Groß-
herzoglichen Herrschaften und kehrt nach Stresa zurück.

Ausland.
Frankreich.
— Frankreich zeigt sich der Türkei gegenüber ent-
schlossen, wenn nötig, bis zum Aeußprstest zu
gehen. Das hat wahrscheinlich seine Wirkung auf die
Türke: nicht verfehlt. Der bisherige türkische Botschaf-
ter in Paris Munir Bey ist nach Konstantinopel berufen
worden. Er ist allem Anschein nach als sündenbock
ausersehen. Es wird ihm vorgeworfen, das; er durch
falsche Berichte den Palast über die wahre Lage täuschte
und Constans Vorgehen als nicht übereinstimmend mit
den Pariser Anweisungen hinstellte, somit Hoffnungen
erweckte, die das leichtfertige Zögern mit der Antwort

Geburten die der Sterbefälle um 20 überstieg — eben-
falls eine seit Jahrzehnten nicht dagewesene geringe
Zahl — ermäßigt sich das Minus auf 312.
— Danzig, 5. Sept. Der Dragonernnteroffizier
Marten ans Gumbinnen wurde gestern Nachmittag
in das hiesige Militärgefängnis eingeliefert, um zunächst
die wider ihn erkannte einjährige Gefängnisstrafe wegen
Fahnenflucht zu verbüßen, denn dieses Urteil ist rechts-
kräftig, nachdem bekanntlich gegen das auf Tod las-
tende Urteil im Mordprozeß Revision eingelegt wor-
den ist.
— Thorn, 2. Sept. Die „Thorner Ostdeutsche
Ztg." berichtet: Freitag Vormittag wurde durch An-
schlag ans dem Hauptbahnhof bekannt gemacht, daß um
11 Uhr in der Güterexpedition drei Zitronen
versteigert werden sollten. Die Leser glaubten an
einen Schreibfehler und erschienen in Hellen Hansen.
Es waren aber in Wirklichkeit nur drei Zitronen, die
als herrenloses Gut in einem Güterwagen vorgefnnden
und abgeliefert worden waren. Ein Beamter erstand
sie für 16 Pfg.
-— London, 4. Sept. Ein deutscher Uhrmacher
Hermann Jung wurde gestern hier das Opfer
eines Mörders. Jung war von 1864 bis 1874 Mit-
glied der Marx'schen Internationale, die er mit begrün-«
dete. 1868 führte er auf dem Baseler Kongreß den
Vorsitz. Seit Eingehen der Internationale soll er nicht
mehr politisch thätig gewesen sein. Er galt als ein gu-
ter Sprachkenner und als sehr geschickter Uhrmacher.
Größere Firmen übergaben ihm bisweilen die Arbeit
für fürstliche Personen. Jung war der Sohn eines Geist-
lichen, der in der Schweiz lebte. Er war selbst zum Geist-

auf Constans Ultimatum erklären. Der Pariser Bot-!
schafterposten ist dem Palast wegen der Ueber-
wach ung der Jung türken besonders wichtig.
Munir Bey nützte dieses in größtem Maßstab aus und
erhielt riesige Summen zu dem Zwecke. Wenn auch
Munir nicht zurückkehrt, dürfte ihm der Zwischenfall
kaum schaden, da er sich als Jungtürkenfänger zu große
Verdienste erworben hat und :wch neuerdings auch in
Bern beglaubigt wurde. In Belgien, wo er gleichfalls
beglaubigt werden sollte, wurde er bekanntlich nicht an-
genommen.
Afrika.
, — Da die Englä n der der Bure:: je länger,
desto weniger Herr zu werden vermögen, so reizt die
englische Presse die Regierung zur Ergreifung von völker-
rechtswidrigen Maßregeln an. Die englischen Blätter
sagen, der Kampf in Südafrika sei in eine Phase gei-
treten, in der die Buren keine Aehnlichkeit mehr mit
regelmäßigen einer zentralen Befehlsgewalt unterwor-
senen Truppen zeigten, sie seien buchstäblich Räuber-
banden, ihre Unternehmungen seien schon seit längerer
Zeit nur Räubereien gewesen, und jetzt fingen sie an,
den Räubereien noch den Mord hinzuzufügen. Einem
solchen Zustande müsse ein Ende gemacht werden Und
zwar sofort, selbst wenn es notwendig sein sollte, zu den
strengsten Maßregeln zu greisen. — Es soll ja dann auch
wie schon gemeldet, eine Proklamation ergangen sein,
wonach jeder Bur der mit den Waffen in der Hand nach
dem 16. September in der Kapkolonie betroffen wird,
erschossen werden soll. Die Bnren haben darauf mit
einer Proklamation geantwortet, die jedem Engländer
im Oranjefreistaat das gleiche Schicksal androht. Unter
solchen Umständen werden die Engländer sich wohl be-
sinnen, ihre Ankündigung durchzusühren. — An po-
sitiven Nachrichten vom Kriegsschauplatz liegt gegen-
wärtig wenig vor.
^ Kapstadt, 6. Sept. Bei der Einfahrt in die
stniion Taungs wurde ein Z n g zun: Entgleisen
gebracht, da die Eingeborenen die Weichen falsch
gestellt hatte,:. 3 Mann wurden getötet und 6 verletzt,
darunter ein Offizier. Man glaubt, daß das Verhalten
der Eingeborenen auf die nahe Anwesenheit der Buren
zurückzuführen sei.
Baberton, 31. Ang. Die Buren sprengten
in der Nähe von Malesum an: 30. August einen Zug
indieLuft und zündeten ihn an. Sie brachten einen
zweiten Zug, der dem ersten zur Hilfe gekommen, zum
Entgleisen. Es soll Niemand verletzt sein.
Middelburg, 5. Sept. Zwei Ausländer
und ein Anfständi s ch e r, die in Colombo gefangen
und in Graafreinet abgeurteilt waren, sind heute in
Colesberg erschossen worden.
Lourenzo Marques, 6. Sept. Die Buren
haben dieEisenbahnlinie D e l a g o a b a i -P r et o r i a,
30 Kilometer jenseits Komatipoort zerstört.

Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 6. September.
* Nationalliberale Versammlung. Die nächste nat..liberale
Wahlversammlung im Bezirk Heidelberg-Land findet am nächsten
Sonntag in Dossenheim in der Krone statt. Die Versammlung,
in welcher der Landtagskandidat, Herr Quenzer, sein Pro-
gramm entwickeln wird, beginnt nachmittags 3'/^ Uhr.

liehen vorgebildet und war sehr wohlthätig: er speiste
oft Kinder in seinem Hause. Der Mörder ist ein 23-
jähriger französischer Friseur namens Faugeron,
der Jung bei seiner Korrespondenz geholfen haben soll.
Jungs lebende zweite Gattin, eine Engländerin, satz
Jung und Faugeron zwischen zwei und drei Uhr nach-
mittags einträchtig beisammensitzen. Eine Stunde
später hörte sie einen furchtbaren Lärm. Jung lag
mit furchtbar zerschnittener Kehle in seinem Blute und
der Mörder enteilte auf die Straße, wurde aber ver-
folgt und eingefangen.
— Die beiden ersten Nobelpreise werden jetzt be-
kannt gegeben: Die zwei wissenschaftlichen Preise der be-
kannten Nobelstiftnng zn je 200 000 Kronen wurden
dem dänischen Professor Niel R. Finse n, Gründer des
Instituts für Heilung des Lupus durch Licht, und dem
russischen Physiologen P a w l o w, bekannt durch seine
Arbeiten über die Ernährung, verliehen.
— Christin»!», 4. Sept. Hiesigen Blättern wird
aus Tromsö gemeldet: Der russische Eisbrecher
„Dermal" ist hier erngetroffen. Die Fahrt die ur-
sprünglich nordwärts von Nowaja Senilsa nach dem
Karischen Meer nnd der Mündung des Jenissei gehen
sollte, ist wegen des Eises aufgegeben worden. Der
„Dermal" fuhr nach Franz-Josefsland und entdeckte hier
in der Nähe der südostküste mehrere^ bisher aus den
Karten nicht verzeichnete Inseln. Später ging der
„Dermal" nach Nowaja Semlsa und nahm die dortigen
Inseln kategorisch auf.
 
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