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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177 - 203 (1. August 1901 - 31. August 1901)
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43. JshWNg. — Ir 203

Slimsiag, 31. Augufl 1S01.



Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Femilienblattern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: SO Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
vorgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Inserate aus den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen- — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

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Sie sich W -einem
robe-Bezrug

der



ffür den Monat September
und -Sie werden diese reichhMge, billige Zeitung
für -die Zukunft nicht wehr -entbehren wollen.
Unsere.Träger und Zweigstellen sowie alle Post-
anstakten und Briefträger -nehmen Bestellungen
entgegen.

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Die Demokratie und dar neue Kulturkampf.

Die Demokraten haben alle die Jahre hindurch
kn kir chenpolitischen Dingen zum Zentrum gestanden.
Zn Baden hat das Zentrum sich ihrer liebevoll an-
genommen und sie als Sturmbock gegen die bösen kultur-
ckämpferis chen Nationalliberolknwerwkndkt. In der letzten Zeit
hat sich das Verhältnis zwischen Zentrum und Demokratie
sichtlich geändert. Endlich dämmert dem Freisinn die Ge-
fahr auf, die unserer Kultur von dem UltramontanismuS
.droht. So spricht sich die demokratische Korrespondenz,
also ein offizielles Organ, in folgender Weise sehr ab-
fällig über das Zentrum und seine Bestrebungen aus:

Fast keiner der.Redner der Dsnabrücker Tagung hat
-verabsäumt, vom menen Kulturkampf zu sprechen. Dieses
Schlagwort ist nicht übel erfunden. Wenn vom „Kultur-
kampf" die Rede ist, so schwellendem echten Zentrums-
'Mann noch heute die Zornesadern, und in der That hat-
ten ja diese Leute in der Zeit des Bismarck'schen Kul-
turkampfes böse Tage. Aber kehren sie jetzt etwa wie-
der?.Es ist zum Lachen. Das Zentrum, die Regierungs-
partei, wird von den obersten Behörden liebkost und
.gehätschelt; da könnte.es eigentlich zufriedener sein. Wo-
rin besteht nun der „neue" Kulturkampf? Nun, der Appe-
tit kommt eben mit dem Essen. Bor einem Vierteljahr-
Hundert waren die Klerikalen froh, sofern man sie in
Ruhe ließ, jetzt aber, da sie sich fühlen, möchten sie Allen
den Mund verbinden, die Dinge sagen, welche ihnen nicht
passen. Und es paßt ihnen natürlich nicht, wenn die
reaktionären Tendenzen der Römlinge geschildert und
besprochen werden, wenn man ihre Feindschaft gegen
frech Wissenschaft, Litteratur und Kunst geißelt und even-
tuell über unsaubere Vorkommnisse in klerikalen Zirkeln
zu berichten Hat. Da nun die Ultxamontanen selbst
in der letzten Zeit häufig Anlaß gegeben haben, sich

Kaffermbehandlung in Südafrika.
Ein Mitkämpfer der Buren schildert in seinen „Er-
lebnissen" die Art und Weise, wie die Kaisern in
Südafrika von den Weißen behandelt werden und be-
handelt werden muss e n, und spricht dabei aus eigen-
ster Erfahrung. Es heißt da unter anderem wie folgt:
Schon während des kurzen Aufenthaltes in Pretoria
siel es mir auf, welch eine untergeordnete Rolle die
Koffern bei den Buren spielten, und wie dieselben nicht
nur durch ihre Herren streng gehalten wurden, sondern
auch durch eigene Gesetze so eingeschränkt und geknebelt
wurden, daß dieser Zustand fast an Sklaventum erinnerte.
Als ganz Grünem wollte mir dies zuerst grausam er-
scheinen, erst später, als ich mit den Kaffern in nähere
Berührung gekommen war und gesehen hatte, welche
Wirkung mein Humanitütsdusel auf die Leute ausgeübt
hatte, da sing ich an, einzusehen, daß die Behandlung,
wie die Buren sie Albten, die einzig richtige ist. Unter
den Buren darf kein Kaffer, wie schon erwähnt, geistige
Getränke trinken, er darf keine Waffen führen, er darf
niemals das Trottoir benutzen, nie in einen Laden tre-
ten, wenn er nicht an der Schwelle wartend stehen, ge-
blieben ist und das Zeichen zum Eintreten bekommt, er
darf kein Grundeigentum haben, darf nicht unter Wer-
ften wohnen, sondern immer abseits, darf keine Asmter
bekleiden nur arbeiten darf er und Ordre parieren,
sonst kommt der Sjambock (die Peitsche). Nur durch
eines unterscheiden sie sich von Sklaven, daß sie Löhnung
bekommen -ei gewöhnlichen Hausarbeiten 1 Schilling
in Gold- und Koblenminen 5 bis 10 Schilling pro Tag.
In den Goldminen sind sie in großen Häusern nnter-
gebracht, die gewöhnlich einen viereckigen Hof umschlie-

kritisch und abwehrend mit ihnen zu beschäftigen — wir
erinnern nur an die schmähliche Haltung der Klerikalen
Frankreichs in der Dreyfus-Affäre rc., an die diversen
Klosterskandale, an die Lex-Heinze, an die fortwähren-
den Bestrebungen ans Verpfaffung der Schule n. s. w.
— da also sie selbst die Andersdenkenden zwangen,
sich häufiger nnt ihnen in Gefechte einzulassen, gibt es
einen — neuen Kulturkampf. Der Spieß wird um-
gedreht: Nicht die Klerikalen, oh nein, die Andern sind
die Friedensstörer! Von den Verehrern der Jesuiten
überrascht solche Verdrehung allerdings nicht.
Dabei verstehen sie sich auch sonst sehr gut auf
„Mache". Der Osnabrücker Katholikentag ist äußer-
lich in der That gut verlaufen: Einige tausend Teil-
nehmer, Studentenumzüge, Flaggen, „donnerndes Bei-
fallstosen" u. s. w. Das Alles kann natürlich darüber
nicht hinwegtäuschen, daß diese Leute zu den rück-
ständigsten Elementen gehören, die Deutsch-
land beherbergt.
Alan beachte es recht: ein offizielles demokrati-
sches Organ zählt die Teilnehmer am Katholikentag
zu den rückständigsten Elementen die Deutschland
beherbergt. _

Wie die französischen Sozialisten den Zaren
begrüßen.
Der Generalrat der sozialistisch-revolutio-
nären Vereinigung in Frankreich hat zum Zaren«
besuch folgenden Aufruf erlassen:
„Herr Loubet hat im Namen des kapitalistischen Frank-
reichs den Zaren eingeladen, um den chauvinistischen und
militärischen Leidenschaften zu schmeicheln. Der Zar hat
unter dem Druck der Petersburger Hochfinanz nachgegeben,
die auf Kosten der befreundeten und verbündeten Nation
den russischen Staatsschatz zu füllen sucht; dieser Besuch
erfolgt gleich nach den blusigen Tagen, wo die russischen
Kosaken in den großen russischen Städten friedliche und
wehrlose Menschenmengen niedermetzclten. Die Sozialisten
erheben Einspruch gegen das kapitalistische Bündnis der
beiden Regierungen, wo immer es geht, durch Versamm-
lungen, Kundgebungen und in den Parlamenten".
Auf die Liebe der französischen Sozialisten wird der,
Zar schwerlich gerechnet haben; aber es mag doch immer-
hin peinlich für ihn sein, wenn er hört, daß ein Teil der
französischen Bevölkerung sich seinen Besuch in Frankreich
direkt verbittet.

Die Sühnegesandtschaft und die Basler.
Das Basler Publikum fährt fort, sich über die Chi-
nesen zu amüsieren, die ihm Menagerie, Hagenbeck'sche
Tiertransporte und sonstige Lustbarkeiten zu ersetzen
scheinen. Am Abend des 27. wagten sich einige Mit-
glieder der Gesandtschaft in die Stadt hinaus. Das
Publikum konnte, wie dis „Basl. Nachr." bemerken,
es sich nicht versagen, den Fremden in Schwärmen zu fol-
gen, sie zn umringen und direkt vor sie hinzustehen und
zu begaffen. Gerade diese unschöne Haltung so meint
es, dürfte auch Mitschuld daran sein, daß sich die Häupter
der Mission nicht vors Haus wagen. Gewiß dürfte es
auch an der Zeit sein, daß endlich die Gafferei vor dem
Hotel zu den „Drei Königen" aufhört. Was hat denn

ßen, in dem sie sich ihr Mahl kochen und sich waschen
können, und die nur einen Eingang haben, welcher
streng bewacht wird. Nur Samstag Abend dürfen sie
zn ihren Angehörigen, nachdem sie genau visitiert sind,
ob sie nicht von dem köstlichen Amalgam oder vom Gold
selbst Stücke gestohlen haben.
In dem englischen Kimberley, wo es sonst ja keine
Ausnahmegesetze für Kaffern giebt, soll diese Bewachung
der Kaffern und auch der Weißen, die in den Diamant-
minen arbeiten, noch viel strenger sein weil es sich da
ja manchmal um Steine handelt, die ein Vermögen re-
präsentieren. Da führt Schlauheit gegen Schlauheit
einen immerwährenden Krieg und immer wieder wissen
die schlauen Kaffern die geriebensten Detektivs zu übev-
tölpeln, so daß stets trotz der strengsten Gesetze, außerhalb
der „Chartered Company" Diamanten im Handel sind.
In der ersten Zeit, als ich Kaffern unter mir hatte,
versuchte ich dieselben zu behandeln, wie ich in Europa
Untergebene zu behandeln gewohnt war, gab ihnen bes-
seres Essen, plauderte zuweilen mit ihnen, um ihre
Sprache zn erlernen n. s. w. Zuerst schienen sie den:
Frieden nicht zu trauen und thaten sehr reserviert, dann
fingen sie an, meine Milde für Schwache zu halten,
verlangten mehr, als ich ihnen schon gab, stahlen es sich,
wenn sie es nicht erhielten und wurden allmählich faul
und renitent. Als ich mir das energisch verbat, gerieten
sie ans Rand und Band, und bald wäre es zu Blutver-
gießen gekommen, wenn sich nicht unser General ins
Mittel gelegt hätte. Er ließ die Kaffern, acht an der
Zahl, wieder einfangen und sie durch öffentliche Appli-
kation von je 26 mit dem Sjambock auf die nackte Haut
auf ihren ursprünglichen Stand zurückführen und dann

das für einenZwechden ganzen lieben langenTag durch u.
nachts bis 11 Uhr in dichten Gruppen vor dem Hause
das Trottoir zu belagern und an die Fenster hinaufzu-
starren, um vielleicht gelegentlich irgend ein Stück bun-
tes Seidenzeug vom Kleide eines der Chinesen zu sehen?
Wir wissen aus guter Quelle, daß diese Art Begafferei
in den letzten zwei Tagen den Leuten sehr unangenehm
und lästig geworden ist. Was müssen die Chinesen für
ein Bild von Basels Bevölkerung gewinnen, wenn man
so offenkundig den stundenlang schlendernden Faulenzer
und Gaffer spielt? Das dürfte, wie gesagt, im Interesse
des Ansehens von Basel selbst nun füglich aufhören. —
So das Basler Blatt. Uebrigens scheint bei der Han-
delswelt der Gedanke zu herrschen, die Gelegenheit, ir-
gendwie Handelsbeziehungen nach China anzuknützfen,
sei jetzt besonders günstig. Außer den zahlreichen Jour-
nalisten, die beständig in den „Drei Königen" ein- und'
ausgehen und nichts erfahren, den Photographen, die
gern den ganzen Gesandtschaftsstaat photographieren und
sogar aus dem Fürstenalbum die eigenhändige Eintra-
gung des Prinzen Tschun als Faksimile abkonterfeien
möchten, sind es namentlich Kaufleute, die auf einen
günstigen Moment warten. Uhrenhändler, sogar Wein-
Händler und andere mehr haben sich schon eingesunden,
sind aber natürlich abgefahren. Es ist kein schönes Bild,
was die Europäer da den Chinesen bieten. Wir haben
uns bisher gewundert, wenn Reisende erzählten, daß in
China die Bevölkerung mit dem Rufe „fremde Teufel"
hinter ihnen hergelaufen sei und sie beleidigt habe.
Jetzt ist die Reihe des Sichverwunderns an den Chi-
nesen. Wir Europäer sind nicht besser.
Ein Basler Journalist hatte die Gelegenheit, die 18
Herren, welche die sog. erste Klasse der Gesandtschaft
bilden, beim Mittagessen zu beobachten. Er schreibt
darüber: Der eigens für die Chinesen reservierten Tafel
mitten im prächtigen Speisesaal präsidiert obenan der
Privatsekretär, ihm rechts zur Seite saß Herr v. Rauch
und dann reihten sich offenbar der Höhe der Stellung
nach die übrigen Mitglieder. Der ostasiatische Medizin-
mann saß zu unterst am Tischende. Er saß wahrend der
ganzen Dauer des Essens fast unbeweglich, still kaute er
tapfer seinen Bissen und redete mit niemandem ein Wort
und kerner seiner Gesandtschastskollegen wandte sich an
ihn. Mir schiens, als ob der Arzt bei den Chinesen eine
recht separatistische Rolle spiele. Die übrigen Mitglieder
unterhielten sich leise flüsternd gelegentlich miteinander.
Gabel und Messer machen noch da und dort gelegentlich
Schwierigkeiten. Die moderne Gabel mit den stark ge-
krümmten Zinken Paßte nicht recht in jede Hand. So
kommt es denn, daß gelegentlich noch dieses Instrument
verkehrt in der Hand erscheint und der Mann mit dem
schmalen Ende seinen Reis sucht, wenn ihm nicht vorher
ein Nebenkollege leise zuwinkt. Das Umdrehen geht
dann freilich flugs und unbemerkt in den weiten Rock-
ärmeln. Das Trinken ist, wie das Rauchen interna-
tional. Ich sah keinen einzigen Abstinenten unter den
18 Herren — sie alle hatten ihr Fläschlein „Hallauer"
oder Bier, ein ziemlich ergrauter Abgesandter sogar das
Kognakfläschchen vor sich stehen. Die Wasserkarasfen wa-
ren am Schluß noch ziemlich alle voll, die Wein-- und
Baugläser aber leer. Mit unserem Schweizerkäse mach-
ten freilich die Herren ziemlich kurzen Prozeß. Er scheint
ihnen noch zu unbekannt und so sind vorläufig die Ex-
portaussichten für Emmenthaler an die Hoftafel zu

übergab er sie mir wieder mit den Worten: „Hier ha-
ben Sie Ihr faules Gut wieder, aber Sie dürfen nie
vergessen, daß Sie der Herr sind, und daß ein Kaffer
ein Kaffer ist!" Von da ab waren die Kerle wie um-
gewandelt, ich natürlich auch, und wenn es mir auch
manchmal gegen das 'Gefühl ging, war ich immer un-
freundlich streng, habe dann aber nie mehr nötig gehabt,
sie zu strafen, ja sie hatten etwas wie Verehrung für
ihren „alten Herrn"; nur eins konnte ich in die Kerls
nicht hineinbekommen, daß sie auch andern gehorchten
wie mir. Nur ihrem „Baas" gehorchten sie unbedingt,
den Kameraden nur, wenn sie gerade Lust dazu hatten,
und diese mußten sich meistens immer erst an mich wen-
den, damit ich ihnen befehle.

Kleine Zeitung.
— Aachen, 27. Aug. Eine e i g e n a r t i g e F rei-
he i t s b e r a u b u n g brachte, nach den Berichten der
Blätter, die Ehefrau eines hiesigen Uhrmachers ins Ge-
fängnis. Die Frau war mit ihrem Manne, den sie erst
im vorigen Herbste geheiratet hatte, nicht zufrieden, weil
er ihr die Beteiligung an den gewünschten Vergnügungen
nicht immer gestatten wollte. Um nun doch ihren Nei-
gungen nachgehen zu können, griff sie zu dem Mittel
des Schlaspulvers. Wenn sie ausgehen wollte, „ließ"
sie ihren Mann einfach „schlafen". Als sie ihrem Manne
schließlich ganz ausriß, klärte eine Magd den Mann über
die von seiner Frau angewandten Mittel auf, worauf
dieser Anzeige wegen Freiheitsberaubung erstattete. Die
Strafkammer erkannte gegen die Frau auf 14 Tage Ge-
fängnis.
 
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