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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 150 - 176 (1. Juli 1901 - 31. Juli 1901)
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Dienstag, 23. Juli 1901.

Grstes Blatt.

43. Jahrgang. — Ik. 169.

«r schrillt täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich SV Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 4V Pfg. Durch die Post be»
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 2V Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln
der Heidelberger Zeitune und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Der Wechsel im reichsländischen Staats-
Sekretariat.
Es ist immer noch nicht bekannt geworden, aus
welchem Grunde der Staatssekretär der Reichslande, Herr
^ Puttkamer, den Abschied genommen oder vielmehr er-
"0lren hat. Auch dieser hochverdiente Staatsmann, dem
Es Parteien im Reichsland Hochachtung und Anerkennung
AEen, sieht sich am Ende einer langjährigen verdienstvollen
^Hörigkeit plötzlich kaltgestellt. Als Nachfolger ist der
uühere Minister, jetzige Oberpräsident in Schleswig,
^ Köller, in Aussicht genommen, der vnter Hohenlohe I. im
Aichsland thätig gewesen ist. In seiner Stellung als
^berpräsident von Schleswig Holstein unterstand Herrn
Möller eine Grenzprovinz, die im Norden, zumteil infolge
dänischen Treibciei, gar nicht leichte und einfache Ver>
Mtnisse anfwies. Das Eintreten des Herrn v. Koller hat
^"e nicht unwesentliche Besserung herbeigeführt, d e in den
Asschiedenen politischen Lagern Anerkennung gefunden hat.
^Ese Sicherheit und Zuverlässigkeit in allen nationalen
^sagen könnte nach der „Köln. Ztg." nicht wenig dazu
Egeiragcn haben, ihn dem Reichskanzler a!s den geeigne-
E Mann für das eisaß-lothringische Staatssekretäramt er-
scheinen zu lassen. In Schleswig-Holstein hat sich Herr v.
^Eer bei aller persönlichen Liebenswürdigkeit als ein
d^ann der scharfen Tonart gezeigt. Durch rücksichtslose
Ausweisungen hat er die dänische Agitation unterdrückt.
T^ern gerade er jetzt nach dem Reichsland geschickt wird,
^ liegt darin der Hinweis, daß das Reichsland auch heute
Ech als schwieriges Grenzland anzusehcn sei. Herr von
Mtkamer war anderer Ansicht; er hat u. a. die Aus-
übung des Diktalurparagraphen — wenn auch in sehr
^sichtigen Worten — in Aussicht gestellt. Wenn nun
Möller sein Nachfolger ist, so läßt sich daraus schließen,
Jener weichen wußte, weck man ihn für zu milde hielt.
^ Reichslande sieht mau der Ernennung v. Kollers mit
Ätzern Unbehagen entgegen.

Deutsches Reich.
z, . Bezüglich des vom Grafen Klinckowström im
. krchstage eingebrachten Antrages, wonach im Schlutz-
ftEokoll znm deutsch-russischen Handelsvertrag die für
s"?üschcs Getreide zugestandenen Frachtvergün-
"lgungen bei dem Abschluß des neuen Handelsver-
u?gs an die Bedingung geknüpft werden sollen, daß die-
, 5 Getreide zur Ausfuhr über see nach dem Zollaus-
hchve bestimmt sei, meldet die „Nordd. Allg. Ztg.": Da
^ Erörterungen im Reichstage und iir der Butgetkom-
hDwn zu einem abschließenden Ergebnis nicht geführt
^veu, insbesondere die beiden entgegengesetzten Behaup-
v"sgen nicht klar gestellt worden sind, einerseits, daß
die Bestimmung des jetzt giltigen Handelsvertrages
ft. . schwere Schädigung der ostpreutzischen Landwirt-
jftsilt und Binnenmüllerei eingetreten sei, andererseits,
die Annahme des Antrages Klinckowström eine
hEere Schädigung der Handelsinteressen von Königs-
Danzig mrd Memel herbeiführen würde, soll eine
^ Erstellung demnächst, eventuell im kontradiktorischen
y. ftahrcn, durch eine Enquete angestrebt werden, die
Borschlaa der beteiligten preußischen Ressorts vom

Kleine Zeitung.

ss

Nd.

München, 22. Juli. Am hiesigen Standesamt I
l ss"' wie die „Münch. N. Nachr." Mitteilen, als Ver-
°te ansgeboten: der approbierte Arzt Dr. Ali Bey
Ibrahim ans Kairo, zurzeit in: London,
llq, des Präsidenten der medizinischen Hochschnle^in
dssj ° Tr. Hassan Ibrahim Pascha, mit Fräulein So-
' D Los' ' ' ' ' " " " '


Isen, Tochter des hier verstorbenen Akademie-
-s und Professors Dr. Max Lossen. Zur Ermog-
i^Eg dieser Verbindung war vorher die Einwilligung
^bersten muhamedanischen Kultusbehörde einznholew,
Einmehr auch erfolgt ist!
M.-Gladbach tritt epidemisch eine Haarkranb-
lsh!'.Trichophyton, auf, die Haarausfall verursacht. Bis
30 Knaben daran erkrankt. Die Behörde traf

ft^hrimgsmaßregeln und
lrche Knabenklassen.
^tz^>Lripzig, 21. Juli. Die beiden Leipziger elektri-
Straßenbahnen haben dein stadtrat er-
acht dem 1 0-P f e n n ig - E i n h e i t s t a r i f
Mh,. Efhr auskommen zu können. Die von Jahr zu
linkenden Einnahmen Per Wagenkilometer ent-
nach der betr. Eingabe nicht mehr den stets stei-
E Ausgaben für die Rohmaterialien, die Löhne der
>>. sEellton, den fortgesetzten Ausbau des Bahnnetzes
I- Bei Beibehaltung eines Einheitstarifes ans den
bd? Dnrchgangslinien (Maxi.mnm 12,8 und 14 Km.)
Seh,.w kaum noch die erhöhten Betriebskosten durch die
Lahmen gedeckt werden. Der Entscheidung des
^tvird mit Interesse entgegengesehen.
-von«, 21. Juli. Heute Nachmittag ereignete sich

schloß in einer Volksschule


Reichskanzler angeordnet und mit deren Leitung der
Präsident des Reichseisenbahnamtes beauftragt ist. Zu
dieser Enquete, in der auch alle sonstigen in Betracht kom-
menden Verhältnisse untersucht werden, sollen die Ver-
treter der Landwirtschaftskammern, der Kaufmannschaft
und des Müllereigewerbes in den beteiligten Gegenden
zugezogen und soweit es erforderlich ist, Sachverständige
gehört werden.
neb. Dem deutschen Gesandten in Brasilien war der
Vorwurf geinacht worden, den deutschen Reichsange-
hörigen Schrappe und Tietgens in der Verfolgung von
Ansprüchen an die brasilianische Regier u n g
nicht den genügenden Beistand geleistet
zu haben. Die „Nordd. Allg. Ztg." führt mm des län-
geren aus, daß jener Vorwurf ungerechtfertigt sei und
alle zu seiner Begründung angeführten Darstellungen
den Thatsachen nicht entsprechen. Die von Schrappe
und Tietgens geforderte Entschädigungssumme sei ganz
übertrieben hoch gewesen, und deshalb habe der
Kaiserliche Gesandte die Vertretung des augenscheinlich
ungerechtfertigten Anspruchs ablehnen und die Geschä-
digten auf den Rechtsweg verweisen müssen.
nc-b. Nach einer Meldung cnis Hamburg treffen
dort der Kaise r und Graf Waldersee zusammen
am 10. August mittags ans der „Hohenzollern" ein.
Es findet Empfang durch den Senat statt, woran sich ein
Frühstück im Nathaussaale und ein Festessen ans der
„Hohenzollern" schließen. Abends ist Beleuchtung und
Feuerwerk am Elbuser geplant.
rwd. Zu der letzten M i nister kr isis in Japan
wird aus Berlin mitgeteilt, daß der neue japanische
Premierminister Vicomte Katsura fließend deutsch spricht,
da er sich Jahre lang bei der japanischen Gesandtschaft in
Berlin aufgehalten hat. Er ist ein guter Freund von
Deutschland und der Deutschen. Auch der Handcls-
und Landwirtschaftsminister Dr. Hirata spricht deutsch; er
wurde auf der Universität Heidelberg zum Or. zur.
promoviert. Der Marineminister Jamamoto verdankt seine
Ausbildung der deutschen Marine; als Unterleutnant hat
er Dienste auf einem deutschen Kriegsschiffe gethan.
uvb. Nach langer Unterbrechung ist die von der chine-
sischen Gesandtschaft in Berlin inspirierte „Ostasiatische
Korrespondenz" wieder erschienen. Der darin enthaltene
Artikel über die Reise des Prinzen Tschun nach
Deutschland sieht den „Büßgang" des Prinzen lediglich
als eine Erwiederung des Besuchs des Prinzen
Heinrich von Preußen in Peking an.
nod. Die Pariser Anthropologische Gesellschaft beschloß,
zur Feier des 80. Geburtstages Professor Virchows
Delegierte nach Berlin zu entsenden, um dem Jubilar
eine besonders für diesen Zweck geprägte Medaill" zu über-
reichen.
Baden.
UO Lör r a ch , 22. Juls. Eine sozialdemo-
kratische Vertrauensmänner-Konferenz beschloß in
den inbetracht kommenden Jndnstrieorten des Bezirks
Lörrach-Land eigene Wahlmänner aufzustellen.
— Dem Bund der Landwirte widmet der
„Beob." wiederholt spaltenlange Artikel, um sozusagen
kein gutes Haar an dem Bund zu lassen. Das hätte
man kürzer sagen können: der Bund der Landwirte taugt
nichts, weil er nicht unter Zentrumseinfluß steht. Da

in dem wegen seiner Löwenzucht bekannten Bonner
Tiergarten bei Gelegenheit einer großen Schau-
stellung ein aufregender Vorfall. Einer der Wärter ging
. bei den einzelnen Raubtieren herum, um mit ihnen zur
Belustigung des Publikums zu spielen. Eine Löwin
wollte sich indessen ans den Spaß nicht einlassen und
biß mit voller Macht in die ausgestreckte Linke des Wär-
ters hinein, weit über das Handgelenk hinaus. Zum
Glück beschränkte sich das wütende Tier daraus, den Mann
zu sich herüber zu zerren, sodatz er nach qualvollen drei
Minuten aus seiner schrecklichen Lage befreit werden
konnte. Trotz sehr starken Blutverlustes wird seine
linke Hand erhalten bleiben.
— Berlin, 22. Juli. Der Banquier Salo Rawiez
vergiftete sich in seiner Wohnung, nach einein hin-
terlassenen Briefe wegen seiner geschäftlichen Verluste
beim Zusammenbruch der Leipziger Bank.
— Berlin, 20. Juli. Die brasilianische Regierung
stellt dem brasilianischen Staatsbürger Santos-
D u m ont die Mittel zur Verfügung, um ein Luftschiff
seines Systems im großen Stil zn bauen.
— Gumbinnen, 21. Juli. Auf dem Kasernenhof in
Gumbinnen stürzte Dragonerleutnant Rathien mit dem
Pferde und zog sich einen !Schädelbruch zu. Der Tod
trat sofort ein.
— Davos, 22. Juli. Am Scalettapaß verunglückte
der Kanzleibcamte M ülle r aus Zürich, der schon seit
Dienstag vermißt wurde. Seine Leiche wurde noch nicht
gefunden.
— Ncwyork, 22. Juli. Ein besonderer Bericht des
Wetterbureaus in Washington meldet, daß beinahe das
gamze Land von einer Hitzwelle bedeckt

lobt sich der „Beob." die Bauernvereine! In einem der
„Beob."-Artikel heißt es am Schlüsse: „Nebenbei be-
merkt, scheint es sich immer mehr herausznstellen, daß
der „Vorwärts" recht hatte, wenn er von Subven-
tionen des Bundes der Landwirte sprach, die auch
Zentriimsjonrnalisten bekommen sollen, um für
den Bund der Landwirte thätig zu sein. Solche Leuts
werden indes vom Zentrum für Verräter angesehen, mit
denen wir nicht zn^thun haben wollen."
— Die bad. Staatsbahnen nahmen nach
Provisorischer Feststellung im Juni 6,4 Mill. M. (im
Juni 1900 dagegen 6,6 Mill.) ein; der Personenverkehr
ergab 166 700 Mk. weniger und der Güterverkehr
'98 680 Mk. weniger, während aus sonstigen Quellen
73 980 Mk. mehr eingingen. Von Januar bis Juni
(1. Halbjahr) ergab sich eine Mindereinnahme von
948 580 Mk. gegenüber dem gleichen Zeitraum im
Vorjahr.
— In der „Bad. Landesztg." gibt Professor Gold-
schnitt folgende Erklärung ab:
Seitdem der Wahlkampf eröffnet ist, nennen der „Badi-
sche Beobachter" und der „Badische Landes-
bote" abwechselnd mich als Verfasser von Artikeln in der
„Badischen Landeszeitung". Der „Beobachter deutete auch ein-
mal au, daß ich einen auf die Karlsruher Wahl bezüglichen
Artikel in der „Koustanzer Ztg." geschrieben oder veranlaßt
habe. Ich habe bis jetzt auf alle diese, aus der Luft gegriffenen
Behauptungen geschwiegen, weil ich nach früheren Erfahrungen
und bei der Art, ivie jctzr schon der Kampf geführt wird, noch
ehe von unserer Partei ein Kandidat auf-
gestellt ist, nicht annehmen könnte, daß eine Erklärung
meinerseits bei den genannten Blättern etwas helfen wird.
Da ich nun aber auch heute wieder im „Landesboten" als Ver-
fasser eines Artikels der „Landeszeitung" bezeichnet werde,
sehe ich mich, um bei meinen eigenen Parteifreunden keinen
Irrtum anfkommen zu lassen, zu folgender Erklärung veran-
laßt: In die „Koustanzer Zerrung" habe ich überhaupt in mei-
nem ganzen Leben noch nicht geschrieben, auch niemand dorthin
zu schreiben veranlaßt. In die „Bad. Landeszeitnng" habe ich
von sämtlichen Artikeln, die „Beobachter" und „Landesbote"
mir zuschrciben, keinen einzigen verfaßt, auch niemand
zur Abfassung veranlaßt.
Karlsruhe, 22. Juli 1901.
Dr. Robert Goldschmit, Professor.
Man geht wohl nicht fehl, wenn man annimmt, daß
Prof. Goldschmit insbesondere die Verfasserschaft jenes Ar-
tikels in der „Bad. Landeszeitnng" abzulehnen wünschte,
in dem mit Bezug auf dst Karlsruher Kaudidatenfrage be-
hauptet wurde, cs gäbe keine Nationalliberalen, die dem
Zentrum annehmbar seien.
Württemberg.
Stuttgart, 19. Juli. Die Schlußsitzung
des Landtags, die in herkömmlicher Weise der Er-
ledigung geschäftlicher Angelegenheiten gewidmet zu.
sein pflegt, gewann heute durch die Besprechung der
G r a ß m a n n ' scheu Broschüre über die Moral-
theologie Liguoris noch ein besonderes Interesse. In
der Kammer der Standesherren hatte bekanntlich vor
einiger Zeit Graf Neipperg sich in mißbilligender Weise
über die Einverleibung dieser Broschüre in die ständische
Bibliothek ausgesprochen, was dem ritterschastlichen Abg.
Frhrn. v. G e m m ingen, der nebenbei Präsident des
evangelischen Konsistoriums ist, heute Veranlassung gab,
in seiner Eigenschaft als Mitglied der ständischen Biblio-
thekkommission sich gegen die Ausführungen des Grasen

werde mit Ausnahme der in nächster Nähe des Stillen
Ozeans gelegenen Bezirke. In Iowa, Missouri und
Illinois sei die Hitze fast durchweg größer, als sie bisher
je verzeichnet wurde.
— Wildgewordcncr Bienenschwarm. Entsetzen ver-
breitete über ein ganzes Gehöft in Hochstätt (Ober-
bayern) ein wildgewordener Bienenschwarm. Alles mußte
fluchten, denn Jeden nmsummten sofort Hunderte von
Bienen. Fünf Hühner und zwei Hunde wurden ge-
tötet. Die beiden Tiere lagen an der Kette und konn-
ten nicht schnell genug losgemacht werden. Der Schwarm
war fremd und hatte sich im Hofe niedergelassen, wo er
ans irgend eine Weise gestört wurde.
—- Tragisches Ende zweier Londoner Schanspiclc-
riunc». Gemeinsam sind in London zwei Schauspiele-
rinnen, die Schwestern Edith und Jda Aealand, in den
Tod gegangen. Sie waren schon seit Monaten ohne
Engagement, und als sich jetzt auch noch Unterhand-
lungen wegen eines Engagements in Amerika, auf das
sie sicher gerechnet hatten, zerschlugen, nahmen sie zu-
sammen Gift. Gegen 11 Uhr morgens kam Edith in
das Zimmer ihrer Hauswirtin gestürzt und rief ihr zu,
sie und ihre Schwester hätten sich vergiftet, und in dem-
selben Augenblicke fiel sie entseelt zu Boden. Das andere
der bedauernswerten Mädchen starb bei der Einliefe-
rnng im Hospitale.
— Ter Natnrgeiinsk des Automobilisten. Ein Witz-
bold schildert den Naturgennß eines Automobilisten in
folgender Weise: .Keine Kanonenkugel kann mehr Genuß
haben von einer Gegend als ich. Sie sieht nichts, sie
hört nichts, nur auf das Ziel gerichtet fliegt sie dahin.
Glücklicherweise verhindert mich außerdem der Staub,
 
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