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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177 - 203 (1. August 1901 - 31. August 1901)
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Donnerstag, 22. August IM.

GrKes

43- JschrgMß» — Ik. 195.

Lrschtivt käxlich, SormtagS ««rgmopimen. — Preis mit FamilienMttern monatlich SV Pfg. m'S Heus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt Lv Pfg. Durch die Post de«
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* Zum Gumbinner Mordprozeß.
Der Fall, daß ein Gerichtshof wegen Mordes ein
Todesurteil ausspricht, während der Staatsanwalt, davor
zurückscheuend, nur für Totschlag und Zuchthaus
Plaidiert, dürfte noch sehr selten vorgekommen sein.
Das Urteil des Gumbinner Kriegsgerichts erregt denn
auch in weiten Kreisen Befremden und vielfach kann man
schon heute hören und lesen, daß es nicht vollstreckt wer-
den wird. Nur ganz wenige Blätter, z. B. die Demo-
kratische „Neue Badische Landeszeitnng", finden ,daß
das auf Mord lantetende Verdikt durch die Beweisauf-
nahme gerechtfertigt sei. Aber auch dieses Blatt fügt
hinzu:Es wäre jedoch zu wünschen,daß dasUrteilnichtvoll-
streckt wird, sondern die Begnadigung Martens zu einer-
längeren Zuchthausstrafe erfolgt. Der überzeugendste
Indizienbeweis kann eben möglicherweise trügen. Ist
aber der Verurteilte einmal hingerichtet, dann kann ein
etwaiger Justizirrtum nicht mehr gut gemacht werden.
Weshalb der Staatsanwalt Mord nicht als vorliegend
erachtete, das hat er in seinem Plaidoyer folgendermaßen
begründet: Es sei zu bezweifeln, daß Marten den Tod
des Rittmeisters von langer Hand geplant habe. Dazu
fehle die positive GrundIage. Der Ent-
schluß sei Plötzlich infolge des Ausrufes: der Hund muß
heute noch Farbe bekennen! entstanden. (Marten be-
hauptet, dieser Ausspruch beziehe sich nicht auf den
Rittmeister, sondern auf ein Pferd.) Beim Anblicke
Stumbries, der den Gaul zugsritten, habe sich das Ge-
fühl der erlittenen Kränkung erneuert. Jähzornig von
Natur, wie er war, und aufgeregt durch den Schnaps-
genuß, hat er schon den Entschluß ohne Ueberlegung
gefaßt und noch mehr die That ohne Ueberlegung aus-
geführt. Marten sei die ganzen sechs Minuten bis zum
Schüsse aus demJähzorn und derAufregung nicht heraüs-
gekommen. Deshalb sei nicht Mord a uz u neh-
men, sondern vorsätzliche Tötung. (Zum Mord gehört
außer Vorsatz auch Ueberlegung.)

Bemerkenswert ist aus den Ausführungen des
Staatsanwalts noch folgende Stelle: Nach dem alten
Verfahren hatten wir eine strenge Beweisführung. Das
Kriegsgericht durfte nur verurteilen, wenn zwei
klassische Zeugen für jede Frage vor-
handen Ware n. Das neue Verfahren überläßt es
den Richtern, eine Ueberzeuguug zu gewinnen aus dem
Inbegriffe der ganzen Verhandlung. Ich halte für
notwendig, hierauf hinzuweisen, weil wir uns noch im-
mer nicht aus dem alten Verfahren heransrecken
können.
Nun, dasOberkriegsgericht hat sich aus dem altenVer-
fahren auffallend leicht herausgereckt. Die beiden Zeu-
gen, die hier als Hauptbelastungszeugen auftraten,
waren so wenig klassisch, daß sie ursprünglich selbst im
Verdacht standen, und ihre Aussage war -so wenig klas-
sisch, daß sie mit der Beschränktheit der Zeugen erklärt
wurde. Vor allem aber bot sich inhaltlich so wenig Po-
sitives, daß man unscrers Erachtens darauf ein Todes-
urteil nicht gründen kann.
Wir sind weit davon entfernt zu sagen: Marten ist
unschuldig. Von den Personen, die man sich auf die
Thäterschaft hin angesehen hat, ist er der am meisten
verdächtige. Wir können noch weitergehen und sagen:
wahrscheinlich ist er der Thäter, wenn auch der Mangel
eines wirklich treibenden Motivs dagegen spricht. Allein
sicher ist seine Thäterschaft nicht. Es ist nicht einmal mit
absoluter Sicherheit zu sagen, daß der Thäter ein Mili-
tär ist. In der Kaserne verkehreil außer dem Militär
anch sonstnoch allerlei Leute; wann derKarabiner aus dein
der «chnß abgegeben wurde, voll seinem stand fort-
genommen wurde, das weiß niemand zu sagen. Der
Möglichkeiten, die sich hier ergeben sind so viele, daß man
sagen muß: Marten ist vielleicht nnschnl-
d i g. Wenn aber der Fall so liegt, dann hätte Marten
nicht verurteilt werden dürfen. Die zweite Verhandlung
hat den Indizienbeweis gegen-ihn durchaus nicht ver-
stärkt. Das erste Gericht aber sprach ihn frei; das zweite
nun verurteilt ihn znm Tode!

Polen und Zentrum.
Tie Polen haben den Vorrat an Liebenswü r -
digkeiten, die sie für ihre geduldigen Anwälte, die
Herren vom Zent r u m , in petto haben, noch lange
nicht erschöpft. Bereits wird das Benehmen von Größen
der katholischeil Welt mit dein voll „belrunkenen Unter-
offizieren" verglichen. TaS Polenblatt „Praza" schreibt:
„Wenn Bischof Simar in seiner Aeußerung über die
Polen mit dem Grafen Ballestrem, dem Führer des ka-
tholischen Zentrums, der Ansicht war, mail müsse die
Polen aufs Maul schlagen, um den Vorzug streitet, so ist
das keine vereinzelte Erscheinung. Im Gegenteil, das
Beispiel ist besonders dann, wenn es voll oben her ge-
geben wird, ansteckend. Am Rhein gibt es Geistliche und
zwar Seelsorger der Polen, die, ohne sich zu genieren,
den Polen gegenüber u n f l ä t i g e S ch i m P f w o r t e
gebrauchen. Damit Bischof Dr. Simar nicht vereinzelt
dastehe, geben wir ihm als Kumpan (!) den Franziskaner-
Pater aus Dortmund, der am 6. Juli 1901, als.er in
Herne in Westfalen Polen die Beichte abnahm, aus dem
Beichtstuhl heraus bei voller Kirche Polen mit den Wor-
ten „Polnisches Schwein" anschrie. Uns liegen darüber
Berichte von Leuten vor, die bereit sind, das zu beeiden.
Allgemein ist in Westfalen die Meinung verbreitet, daß

die Geistlichen auf diese Weise vom Beichten in pol-
nischer Sprache abschrecken wollen. Hier also „verkom-
mene Subjekte", da „aufs Maul schlagen", dort „Pol-
nisches Schwein", man könnte denken, das seien Schstnpf-
worte irgend eines betrunkenen Unteroffi-
ziers, und da zeigt sich, daß es lauter Creme der
deutsch-katholischen Welt ist: der Graf Ballestrem, der
Erzbischof Simar und sin frommer Franziskanerpater."
Zum Freiheitskampf der Buren.
„Daily Mail" erfährt aus Brüssel, der Sekretär
der Transvaalgesandtschaft Jonkhecr van der
Hoevcn sei kürzlich vom Zartlp in Gatschina empfangen
worden. Derselbe hatte auch mehrere wichtige Konferenzen
mit Gras Lamsdorf. Doktor Lcyds habe eine längere
Konferenz mit dem holländischen Minister des Aeußern
Baron Melville über Kitcheners jüngste Proklamation ge-
habt. Es sei nicht unmöglich, daß die holländische Regie-
rung die Initiative zu einer Protestbewegung gegen
die neue Südafrika-Politik der britischen Regierung ergrei-
fen werde.
Von anderer Seite wird aus Brüssel in Uebcreinstim-
mung hiermit berichtet, die Thatsache, daß Kaiser Nikolaus
den Präsidenten Krüger cinlnd, sich bei der Hochzeit der
Großfürstin Olga vertreten zu lassen, sowie der freundliche
Empfang von Krügers Vertreter Jonkhecr van der Hoeven
durch den Zaren und den Grafen Lamsdorf mache in den
Brüsseler Burenkreiscn den günstigsten Eindruck, da sie be-
weise, daß der Zar Krüger noch immer als Oberhaupt
eines selbständigen Staates betrachte.
Einige Optimisten aus der Burcnseite hoffen auch von
der bevorstehenden Zusammenkunft des Zaren mit dem
Präsidenten Loubet Gutes für die Burensache. Bis jetzt
haben sich indessen alle derartigen Hoffnungen als eitel er-
wiesen, von der Reise der Burcnkommission durch Europa
und Amerika bis auf die letzten Tage. Es ist deshalb
sehr kühn, im jetzigen Augenblick Hoffnungsbäume zu
pflanzen. Auch sie müssen verdorren, und es ist eigentlich
grausam, das Burenvolk und seine vielen privaten Freunde
immer wieder mit der Hoffnung auf die endliche Interven-
tion der Mächte zu täuschen. Ans Hilfe von außen haben
die Buren in Wirklichkeit nicht zu hoffen. AÜer sie haben
bisher der definitiven Unterdrückung durch die Engländer
widcrstMtzn und, wie es scheint, besitzen sie die Kraft, das
auch noch weiter zu thun. Gerade die Nachrichten aus
letztes Zeit lassen erkennen, daß ihre Widerstandskraft noch
nicht gebrochen ist, während man in England den Krieg
nachgerade sehr satt hat.

Ein türkisch-französischer Konflikt.
Konstantmopel, 21. Aug. Meldung der
„Agerice Havas". Da der Sultan das
dem Botschafter Constans gegebene Wort
bezüglich der Qnaiangelegenheit und seiner
sonstigen Versprechen zurückzog, benach-
richtigte Constans den ersten Sekretär des

Kleine Zeitung.
— Fulda, 20. Aug. Als heute früh die Land-
grafen von H esse n vor dem Dom anfuhr, empfing
sie der Bischof von Fulda am Portal und geleitete sie zum
Grab des Bonifazius, wo die Bischöfe, die gegenwärtig
chre Jahreskonferenz abhalten ,z::r Erösfnungsandacht
versammelt waren. Die Landgrafen hat, wie vor kurzem
gemeldet wurde, die Absicht, zur katholischen Kirche über-
Zvtreten.
— Der Freiknrten-Doktor. Eine ergötzliche Ge-
schichte erzählen französische Blätter. Vor einigen Tagen
Hürde eine der bedeutendsten Schauspielerinnen an
sistem der Pariser subventionierten Theater ans der
Huhne von einem plötzlichen Unwohlsein befallen. Man
feilte sich, die Künstlerin in ihren Ankleideraum zu
Hingen und dann ging's ans die Suche nach einem der
^Heater-Äerzte. Mit Hilfe des Kontrolleurs findet man
Hach richtig einen im Zuschauerraum. Er erscheint und
^stehlt energisch kurzer Hand, ihn niit der Patientin
Allein zu lassen. Kaum ist das Zimmer geräumt, so
festst dem Jünger Aescnlaps die Energie zu vergehen,
Hrlegen dreht er seinen Schnurrbart und nach langen!
Zögern bringt er stotternd hervor: „Was soll ich machen?
M) bin gar kein Arzt, ich bin ein Kurzwarenhändler,
Herr Dr. X. für diesen Abend sein Theaterbillet
Zerließ. Vielleicht können Sie mir sagen, wie ich Ihnen
Men kann?" Angesichts der tragikomischen Handlung
ibd der de- und wehmütigen Haltung des PsendMrztes
^gann die Künstlerin zu lachen und meinte: „Nun, eine
Mse Eis werden Sie mir wohl bringen können?" Der
chll-zwarenhändler verbeugte sich, stürzte hinaus und rief
^ Kollegen der Künstlerin zu: „Unbedeutendes Un-

wohlsein — natürlich die Hitze! — Ein wenig Eis genügt
zur Besserung!" sprachs und verschwand.
— Was ans einem Offizier alles werden kan«. In
der „Kreuzztg." erzählt Hanptmain: a. D. A. von
Lattorff über die merkwürdigen Schicksale eines jungen
Offiziers, der im Jahre 1869 in ein brandenburgisches
Infanterie-Regiment auf Avancement cintrat, nachdem
er zuvor die Ober-Sekunda einer Oberrealschnle besucht
hatte. In der Schlacht bei Vionville wurde er durch
eine.Kugel, die ihm in die rechte Brustfelle drang, und
unter Zerstörung eines Rückenwirbels den Körper links-
seitig wieder verließ, schwer verletzt. Nach mehrmona-
tiger Behandlung in der Heinint kehrte er notdürftig ge-
heilt ans den Kriegsschauplatz zurück, brach aber bei Le
Maus infolge Entkräftung zusammen, so daß er wieder
heim befördert werden mußte. Mittlerweile war er
znm Leutnant ernannt und niit dem eisernen Kreuz aus-
gezeichnet worden, doch war es infolge seines Zustandes
mit der Militärlaufbahn für ihn für immer vorbei.
Infolge Lährnnngserscheinnngen an den Fahrstuhl ge-
bunden, warf er sich energisch aus das Weiterstndinm und
ohne Lehrer gelang es ihm nach kurzer Frist das Abi-
turientemExamen in Nen-Rupin zu bestehen. Während
eines Badestlrlaubes in Teplitz hatte er aber eine junge
Dame kennen gelernt, der zu Liebe er die Stelle eines
Zuchthaus-Inspektors annahm. Die jungen Leute hei-
rateten und der Ehe entsprossen zwei Kinder. Unter-
dessen war ein ehemaliger Untergebener, ein Unteroffi-
zier, der unmittelbare Vorgesetzte des Inspektors gewor-
den. Kleine Chikanen, die diesem Verhältnis entsprangen,
bewogen den Helden unserer Skizze, seinen Abschied zu
nehmen und — Theologie zu studieren, eine Idee, die
er schon seinerzeit, als er schwer verwundet auf dem

Schlachtfeld lag, gefaßt hatte. Während seiner Studien-
zeit in Halle wurden ihm noch zwei weitere Kinder ge-
boren. Bald legte er auch hier das erforderliche Exa-
men imt Auszerchnung ab und heute ist der Ex-Lentnant
wohlbestallter Pfarrer ans einen: größeren branden-
burgstchen Dorfe.
— Eine Vergnügungsreise. Am letzten Samstag,
w berichtet das „Luzerner Tagblatt", entstand beim
Bahnhof in St. Gallen ein wahrer Volksauflauf. Eine
Touristin verlangte vor dem dort stationierten Polizei-
mann Schutz gegen ihren Ehemann. Dieser hatte sich
in den Kopf gesetzt, von nun an allein zu reisen und
seine bessere Hälfte in St. Gallen sitzen zn lassen. Ev
verbot ihr, ihm ans der Lllraße zu folgen, und als die
Frau nicht von ihn: lassen konnte und wollte, versetzte
er ihr sogar Schläge ins Gesicht. Der Polizist machte
der fatalen Szene dadurch ein Ende daß er das entzweite
Pärchen mit ans die Polizeiwache nahm. Hier wurden
den beiden Vergnügungsreisenden in wohlgesetzter Rede
die Pflichten der Ehegatten warm ans Herz gelegt und-
zwar mit solchen: Erfolg, daß die entzweiten Leutchen
friedlich miteinander abzogen und selbander die Heimreise
nach dem Elsaß antraten.
Vor 150 Jahren. Die „St. Petersb. Ztg."
veröffentlicht täglich in ihren Spalten an den Jahres-
tagen gewisser Ereignisse bezügliche Notizen aus ihren
alten Jahrgängen. Sie erscheint bekanntlich im 175.
Jahrgang. Für den Bildungsstand in: Königreich Ne-
apel um das Jahr 1751 herum spricht folgende Notix
ans.dem 25. Jahrgang: Aus Italien vom 6. Juli. In
dein Königreich Neapvlis hat sich Folgendes zugetragen r
Der König ließ sich von Prag in Böhmen, Maschinen
kommen, welche zum Elektrisieren dienen. Wie nun.
 
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