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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 150 - 176 (1. Juli 1901 - 31. Juli 1901)
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Freitag, 5. IM 1901.

43. Jahrgang. — Ir. 154


Grstes Blsrtt.

^'!ch cinr täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 5V Pfg. frei in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
^Seigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Pctitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln
der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Die weimarische Regierung und Leipziger
Bank.
Weimar, 2. Juli
Es ist allgemein aufgefallen, daß in den Gläubiger-
Schutz der falliteu LettpzigerBank auch ein Ver-
irr der weimarischeu Staatsregieruug entsandt wor-
jA ist und zwar der Chef des Finanzdepartements des
ijMteriums selbst. Dies läßt darauf schließen, daß
iveirnarifche Staatskasse bei dem Institut stark interes-
ist, und so liegt in der That die Sache, lieber die
EAogenheit wird die folgende Darlegung gegeben: Die
^bindung der weimarischen Regierung mit der genann-
-,5 Bank datiert bereits seit dem Anfang der 90er Fahre
jagten Aufhören der (von Sternberg ausgeschlachte-
^ Deimarischen Bank und ist stets recht umfangreich
ij^sen. Nach dem Anfangs des laufenden Jahres
xMstErn, dem Landtag unterbreiteten und von die-
genehmigten Etat für die nächste Finauzveriode
das Großherzägtum damals bei der Leipziger Bank
Guthaben von rund 1 100 000 Mark und zwar zum
;?men Teil in laufender Rechnung, während der Rest
kündbare Schuldscheine hergegeben war. Zinn
S ober von dieser Gesamtsumme während des letzten
i,^cn Jahres Zur Bestreitung laufender B^ürfnisse
die Hälfte abgehoben worden sein, so daß das dies-
Guthaben nur noch 550 000 Mark bis 600 000
sch betrüge. Angeblich ist der Status der, daß die
ch?Mtforderung für die Staatskasse gerettet werden
ichiw. Dagegen wird von anderer Seite behauptet,
ich eiu Verlust von mindestens 10 Prozent nicht zu ver-
ch den fein werde. Das Endergebnis ist also fraglich.
chTogen bleibt es nur zu bedauern, daß die Regie-
ich8. trotz der ihr zugegangenen beachtenswerten War-
ten nicht schon längst jede Verbindung mit dem Leip-
Institut abgebrochen hatte.

Brand im sMldiz-Kiosk ein Attentat.
h ^aß es mit der persönlichen Sicherheit des Sul-
cht trotz der erdenklichsten Vorsichtsmaßregeln nicht
Nach Wunsch bestellt ist, haben bereits wiederholte
^Bungen bewiesen. Auch der mysteriöse Brand, der
in einem der Privatzimmer des Sultans aus-.
ij/°chen ist, scheint, wie schon angedeutet worden ist,
^weniger als ein harmloses Ereignis gewesen zu
Der „Berl. Lok.-Anz." erhält darüber folgendes
(j^ttelegramm aus K o n st a n t i n o p e 1, 3. Juli.
^Untersuchung st^ Mdiz-Palast wegen des neben dem
«kistPgemach des Sultans ausgebrochenen Feuers wer-
Estrig fortgeführt. Trotz strengster Geheimhaltung
sch aus bester Quelle, daß thatsächlich ein
st^strtat auf den Sultan geplant war: eine
^tz^nr aus/dem Harem des Sultans hat gestanden,
den Brand vorbereitet und angezündet
sie habe im Aufträge anderer gehandelt. Bisher
Ek>;P. die -Sklavin ihre Auftraggeber, die zweifellos im
^ suchen sind, noch nicht genannt zu haben. Das
Jigemach des sultans ist nur durch das Zimmer,
das Feuer auskam, vom Harem getrennt, und
kst.J außer vom Sultanszimmer n u r vom Harem aus
werden. Das Feuer war derart vorbereitet,
f ur ch t b a r e K a t a st rophe unvermeidlich
märe, wenn das Feuer nicht rechtzeitig entdeckt

^ Preßkohlen aus Kehricht.
HstE^llend der Kanalinhalt der Großstädte schon längst
h ^. schönen Beruf entgegengeführt wird, indem er
KN ^ Hilfe der Pumpstationen über Rieselfelder er-
stb^stuid hier eine Vegetation von wahrhaft tropischer
Hifi« oit.hervorzaubert, bildet der Straßenkehricht
das Schmerzenskind der Stadtväter. Noch
^ih^stlt es nicht gelungen, den Kehricht in befriedigen-
dst üe der Vielt zu schaffen,, geschweige denn nutz-
Wachen. Ein schwedischer Fachmann, K. Ting-
stk von der stadt Stockholm auf eine studien-
K e^st'ch Europa und Amerika geschickt wurde, bezeich-
!, har als unbestreitbare Thatsache,

daß das städti-

Ax^lligungswesen, obgleich es jetzt als einer der wich-
Zjy? Zweige der Wirksamkeit der Stadtgemeinden
^ wl werde, fast in der ganzen zivilisierten Welt
verhältnismäßig niederen Standpunkt stehe,
>!ch llös s betreffs der Frage, was am letzten Ende mit
st^ies». icht zu geschehen habe. Nun leuchtet aber auch
i,,kih.,v Beziehung ein Hosfnungsstern. In Frankreich
das Verfahren ausgetaucht, den Kehricht
st? tzst-t vtzu P r e ß k o h l e n- z u verwende n,
j?st>is?st'vdung' die nach langwierigen Erperimenteir
Mj,. ?wd in allen Ländern patentiert worden ist. Dem
^i»z,zblschen Fachblatte „Norden" zufolge besteht das
N ? .darin, daß der Kehricht, der Abfall der
und Fischmärkte und sonstige Ileberbleib-
d^>'?uchler Torfgrus, stroh, Papier u. f. w. zcr-
' buivcrisiert und diese Masse mit verschiedenen
st?' Holzstoff, Theer und Naphtalin, versehen
Ganze rvird dann in Knetappararen bearbeitet
' i einem Trocknungsprozeß zu Brikett-Z gepreßt,

Deutsches Rei ch._ ^
— Die Gewerbegerichtsnovelle tritt am
1. Juni 1902 in Kraft.
Kiel, 4. Juli. Das Schulschiff „Charlotte" hat
heute bei herrlichstem Wetter seine Ausl an drei je
angetreten. Prinz Adalbert, der dritte Sohn des
Kaisers, der sich bekanntlich der Marinelaufbahn widmet,
begibt sich von Swinemünde nach Berlin zur Verab-
schiedung vom Kaiser. Nach feiner Rückkehr setzd die
„Charlotte" die Reise fort. Am 20. Juli wird das Schiff
in Flensburg eintreffen.
Norderney, 4. Juli. Der Reichskanzler
ist in Begleitung mehrerer Beamten hier eingetroffen und
in der Villa Wedel abgestiegen.
Saßnitz (Rügen), 4. Juli. Der Kaiser unter-
nahm heute Vormittag an Bord der „Iduna", die vom
Torpedoboot „Sleipner" begleitet war, eine Segelfahrt
in der hiesigen Bucht. Außer der Nacht „Hohenzollern"
ankert auch die „Niobe" auf der hiesigen Rhede.
Baden.
— Aus Bonudorf wird gemeldet, daß Sparkassen-
verwalter Kriechle , der den Landtagswahlkreis Bonn-
dorf-Waldshut seit 1885 vertritt, aus Gesundheitsrück-
sichten eine Kandidatur für den nächsten Landtag nicht
mehr annehmen werde. An seiner Stelle werde wahr-
scheinlich der Reichstagsabgeordnete Posthalter Faller
kandidieren.
— Karlsruhe, 4. Juli. Gutem Vernehmen
nach wird demnächst auch Geh. Rat Arnsperger
aus seiner Stellung als Referent für Unterrichts-
insbesondere Hochschulwesen im Justizministerium a u s-
scheide n und sich auf die Thätigkeit als Direktor des
Oberschulrats beschränken. Man bringt diese Verän-
derung, die übrigens mit Rücksicht auf die aus der Ver-
einigung der ministeriellen und oberschulratlichen Thä-
tigkeit entstandene Geschästsüberlastung schon längst er-
wartet wurde, mit dem jüngsten Wechsel im Präsidium
des Ilnterichtsministeriums in Verbinduna.
— Die „Badische Korrespondenz" nimmt aus
eigener Machtvollkommenheit eine Ncminteilung der Mini-
sterien vor. Kultus und Unterricht weist sie dem Mini-
sterium des Innern zu und stellt an die Spitze desselben
den jetzigen Minister ohne Portefeuille, Herrn Reinhard.
Die Justiz, so schreibt die Korrespondenz weiter, wäre in
guten Händen, Herr Schenkel wäre mit Landwirtschaft
Handel und Verkehr in seinem bisher schon vorzüglich
behandelten Arbeitsgebiet (man denke nur an seinen an-
erkannt guten Gewerbegerichts-Kommentar), wenn von
ihm die rein politische Seite des Innern abgegeben würde,
wäre es im Hinblick auf die anläßlich der Wahlrechts-
frage aufgeregten Wogen offenbar kein Nachteil für eine
ruhige und unbefangene Behandlung dieser Frage. Rein-
hard als Minister des Innern mit Kultus und Unter-
richt hätte sodann die Mittel, um die Ziele zu erreichen,
derentwegen er anscheinend in das Staatsministerium
berufen wurde, und schließlich, wer hätte etwas einzuwen-
den, wenn Herr von Brauer durch Abgabe des Eisenbahn-
ressorts an den Minister für Landwirtschaft, Handel und
Verkehr bekunden würde, daß die Karlsruher Bahnhof-
frage thatsächlich ohne Voreingenommenheit der freien
Prüfung der Landstände unterbreitet werde? — Wir
meinen, daß diese Ausführungen doch nicht haltbar sind.
Reinhard mit der Aufgabe, das Zentrum zu versöhnen,

was die Feuchtigkeit noch mehr verringert, lieber das
derart inParis aus demKehricht gewonneneProdnkthattder
Direktor des dortigen Munizipal-Laboratoriums, der den
Brennversuchen beiwohnte, ein Urteil abgegeben, in dem
es heißt: „Die fertigen Briketts haben einen schwachen
Gasgeruch, brennen leicht und geben langsam Wärme ab.
Bei vollkommenerer Herstellung werden sie weniger Asche
und mehr Wärme liefern. Die Analyse zeigt deutlich,
daß ihre Heizkraft sehr groß ist, und wenn die Asche zur
Hälfte verringert wird, was leicht bewirkt werden kann,
so wird die Heizkraft dieser Briketts derjenigen der ge-
wöhnIichenKohlen gleich sein,wobei sie noch denVorzug ha-
ben, daß sie weniger schnell verbrennen, keinen Rattch ent-
wickeln und die Wärme, die beim Verbrennen entsteht,
langsam abgeben." Somit würde also den Städten
die erfreuliche Aussicht blühen, den Kehricht, statt ihn zu
verbrennen, was übrigens bis jetzt trotz verschiedener
Verbrennungsöfen auch noch nicht völlig gelingt, in einer
Weise nutzbar zu machen, mit der allen Seiten gedient
wäre. Die Stadtverwaltungen würden auf billige Weise
ihren Kehricht los oder kämen noch gar Geld zu, und den
Gesellschaften, die sich etwa einbilden, um
aus Kehricht Briketts herzustcllen, -wird es nie
an billigem, reichlichem und leicht zugänglichem Roh-
material fehlen.

Kleine Zeitung.
— Hochschnlnachrichtcn. Lector Dr. Francis
Curtis an der Universität Wien hat dieselbe doppelte
Berufung an die Akademie, für Sozial- und Handels-
wissenschaften in Frankfurt a. M. und an die Handels-

Kultusminister, das liegt denn doch nicht in der Situa-
tion.
— In der O rdensfra g e haben die badischen Demo-
kraten sich in den letzten Jahren auf den Gedanken zurück-
gezogen, daß die Orden zu behandeln seien, wie „ander«
Vereine" auch behandelt werden. Das Zentrum hat
sich den Gedanken in sofern zu eigen gemacht, als es
hervorzuheben liebte, daß Vereine aller Art ihre Freiheit
hätten, nur die Orden nicht. Von nationalliberalcr Seite
ist demgegenüber immer darauf hingewiescn worden, daß
man die Orden mit anderen Vereinen nicht in einen Topf
werfen dürfe. Nun hat Frankreich ein Vereins-
gesetz gemacht, das auch die Orden mitumfaßt. Es be-
stimmt, daß alle Vereine, Genossenschaften vom Staate
anerkannt sein müssen und alle Vereine (auch Klöster,
Orden), welche nicht vom Staate als Körperschaften aner-
kannt und gestattet werden, dürfen nicht weiterbestehen und
nicht neugegründet werden. Was sagt nun der Kleri-
kalismus zu diesem Vereingesctz? Hören wir den Pfälzer
Boten, der da klagt:
Um dem kirchen- und ordensfeindlich en Gesetze ein
friedliches Mäntelchen umzuhängen, nannte man eS
„Ver e in s g e s etz", das aus alle Vereine, z. B. Turnvereine,,
Gesangvereine, Freimaurervereimgungen, sich erstreckt, den reli-
giösen Orden aber hauptsächlich gilt. Bei der freimauerisch-
svzialdemokratischen Mehrheit der Abgeordneten wurde dies
Vereinsgesctz sowohl in der Abgeordnetenkammer als auch im
Senate angenommen.
Sehr lehrreich I
— In Mönch zell haben die Deutschsozialerr
am letzten Sonntag eine Versammlung abgehalten. Nach
dem „Pfälzer Boten" fand der bisherige Abgeordnete Herr
Mampel, der als Redner auftrat, besonders lebhaften
Beifall mit seinen Ausführungen „über das unduldsame
Verhalten der Liberalen in der Erziehungsfrage des katho-
lischen Klerus und über das unpatriotische Liebäugeln der-
selben mit den landesverräterischen Los von-Rom-Brüdern
in Oesterreich." Wenn das richtig ist, dann hat Herr
Mamvel nicht wie ein Deutsch-sozialer, sondern wie ein
Zentrumsmann gesprochen. Wer den Verzweiflungskampf
unserer von der katholischen Kirche verlassenen deutschen
Brüder in Oesterreich für ihr vom klerikal-slavischen An-
sturm bedrohtes Deutschtum so verurteilt, der handelt damit
nicht im deutsch-sozialen Sinne.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Groß her zog haben dem
K. und K. Regierungsrat und Universitäts-Professor Dr. Julius
Glax. dirigierenden Arzt der Kurkommission und der Kuran-
stalten in Abbazia, das Kommandeurkreuz des Ordens vom
Zähringer Löwen verliehen.
— Revident Karl Manger (nicht Karl Monger) bei der
Landesversicherungsanstalt Baden wurde zum Bezirksamt Karlsruh e
versetzt.
Karlsruhe, 4. Juli. Der Groß her Zog und
die G r o ß h er z o g im sind Dienstag Nacht halb 1 Uhr
aus Badenweiler im Schloß Baden wieder eingetroffen.
Am Mittwoch erteilten Ihre Königlichen Hoheiten ver-
fchiedene Audienzen. Heute Vormittag besuchten dis
Großherzoglichen Herrschaften die in dem ehemaligen
Palais Hamilton- ausgestellte Gemäldesammlung, welche
der nun verstorbene Privatmann Jüncke dein Großherzog
mit dem Wunsche zum Geschenk gemacht hat, daß dieselbe

Hochschule in Köln erhalten, die vor ihm Professor Jo-
hannes Hops (Heidelberg) und Professor Mar För-
ster (Bonn) ausgefchlagen hatten. Dr. Curtis hat/der
„Allg. Ztg." zufolge, den Ruf nach Frankfurt ange-
nommen.
—- Verdächtig. Es ist ein Mord begangen worden.
Zur Ermittelung des schuldigen wird in der Vorunter-
suchung eine Anzahl von Männern mit der Leiche kon-
frontiert. Der erste wird blaß, als er die Leiche erblickt.
Warum wird er blaß? — Verdächtig! Der zweite wird
rott Noch verdächtiger! Der dritte wird abwechselnd
blaß und rot. So pflegt es bei Missethätern zu fein.
Der vierte bewahrt seine natürliche Farbe. Ein Ver-
stellungskünstler! Ter fünfte beginnt zu zittern. Das
macht das böse Gewissen. Der sechste verrät keinerlei Be-
wegung. Verstockter Sünder. Der siebente zeigt eine
Thräne im Auge. Ter kanns gewesen sein. Der achte
zeigt keine Thräne im Auge. Der kanns erst recht gewe-
sen fein. Der neunte beginnt etwas zu stammeln. Na
ja, da haben wir ihn! Der zehnte wendet den Blick ab.
Also der!
—- Ein Bismarck-Denkmal in Moskau. Ans Mos-
kau kommt die Nachricht, daß dort in den Parkanlagen
des Friedrich Wjlhelm-Viktoria-Stiftes Freitag Abend
ein Bismarck-Denkmal, das von Freunden des Vereins
znr Unterstützung hilfsbedürftiger deutscher Reichsange-
höriger gestiftet wurde, feierlich enthüllt worden ist.
— Konstantinopel, 4. Juli. Die dritte Gema h-
lin des Sultans ist gestorben.
— Ncwyork, 4. Juli. Trotzdem in verschiedenen
Gegenden Gewitter niedergegangen sind, hält die H itz e
an. Tie Kirche der heiligen Agnes in Brooklyn wurde
durch Blitzschlag zerstört. Man schätzt, daß in Groß-
 
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