Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 177 - 203 (1. August 1901 - 31. August 1901)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37097#0301

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Freitag, 23. August Ml.

GMes Blatt.


43. AMMUg. — Lr. 196.

Erscheint tä,lich. Sonntags -uSgrnommm. — Preis mit Kamilicnblüttern monatlich bv Psx. m'S HauS gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be»
zogen vierteljährlich 1.35 M?. ausschließlich Zustellgebühr.
««kkig enpreiS: 2V Psg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 4V Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privataozeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
vorgeschriebcnen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Inserat« auf dnr Plakattafeli, der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschlutz Nr. 82.



Leitung

noch nicht kennt, bestelle für den Monnt Septem-
ber ein
Probe-Abonnement.
Bei der Post kostet die „Heidelberger Zeitung"
45 pfg., unsere Träger liefern das Blatt für 50 pfg.
frei in's Haus. Jetzt hinzutretende Besteller erhallten
das Blatt bis zum s. September kostenlos geliefert.


Chronik.
(Vom 4. bis zum 17. August.)
Ang. 4. :Ter Kaiser hat wegen schlechten Befindens der
Kaiserin Friedrich seine Nordlandreisc abgebrochen.
, tz: Die K ai i er i n Friedrich stirbt in ihrem Schloß
Friedrichshof bei Cronbcrg.
, 7.: Polnische Blätter äußern sich ungemein scharf
über angebliche GermanisierungSbestrebungcn der
deutschen Geistlichkeit in Rheinland und Westphalen
gegenüber den dortigen Polen, namentlich wird Erz-
bischof Simar von Köln von dem polnischen Geistlichen
Liß scharf angegriffen
„ 8.: Gras Waldersee trifft, von China zurückkehrend, in
Hamburg ein und begiebt sich von dort zum Kaiser
nach Homburg,
, 10.: Der Zolltarif-Entwurf hat eine lebhafte Prcßdiskussion
entfesselt. Die Landwirtschaft zeigt sich von ihm nicht
befriedigt.
„ 11.: Das Schiff „Gauß" tritt seine Ausreise zur Er-
forschung deS SüdpolgebieteS an.
, 11.: Der italienische Staatsmann Crispi stirbt.
„ 12.: Die Leiche der Kaiserin Friedrich wird nach
Potsdam überführt.
„ 13.: Die Leiche der Kaiserin Friedrich wird neben
der ihres Gemahls bei gesetzt. Der Trauerfeier
wohnt mit der kaiserlichen Familie auch der König und
die Königin von England bei.
. 15.: Das Kaiserpaar trifft auf Schloß Wilhelmshöhe
ein.
„ 16.: Die europäischen Gesandten in Peking unter-
zeichnen das vorläufige Friedensprotokoll.
„ 17.: Die französische Regierung veröffentlicht die Ver-
ordnungen zur Ausführung des V eret ns g es c tz es,
das die Rechte der Staatsgewalt gegenüber Klöstern
und Orden energisch zur Geltung bringt.

Zum französisch-türkischen Konflikt.
Ueber die Konstaittinopler Streitfrage schreibt der
„Figaro": Es ist eine u u e r h ö r t e T h ä t s a ch e, daß
em Herrscher sörmliche Verpflichtungen gegenüber dem
Botschafter einer Großmacht eingeht und am nächsten

Tage ihnen nicht nachkommt. Wir brauchen nicht nackp
zusorschen, ob diese Handlungsweise feindlichen Einflüssen
entspringt. Wir glauben, daß es keinen Unterschied gibt
zwischen der politischen und der privaten Moral. Das
Wort eines Herrschers, wie das eines Privatmannes,
mutz geheiligt sein, und seine Zurücknahme ist eine Be-
leidigung und gleichzeitig ein Verstoß gegen die Ehre.
Frankreich kann eine solche Beleidigung nicht ertragen.
Das ist die Ansicht der Regierung und die unsere. Wozu
haben wir eines der größten Heere der Welt, das noch
dazu in China sich Achtung und Bewunderung selbst
seiner Nebenbuhler erworben hat, wozu eine Flotte,
die mit ihren ausgezeichneten Cadres und ihren starken
Kampfeinheiten nichts zu fürchten braucht, wozu unser
Bündnis mit dem größten.Reich der Erde, wenn tvir
Entscheidungen wie die, deren Opfer unser Gesandter in
Konstantinopel geworden ist, ungestraft lassen sollen?!
Wir werden vollständige Genugthuung erhalten, und
niemand wird sich zwischen Frankreich und den Sultan
stellen können.
Der „Temps" meldet, der A bbr n ch der diploma-
tischen Beziehungen zur Türkei werde n i ch t o s f i z i e 11
und volIständig erfolgen, außer in dem Falle, daß
der Sultan ans seiner setzt angenommenen Haltung,
beharre; dann werde das gesamte Personal der Botschaft
Konstantinopel verlassen. Der türkische Botschafter
Mnnir Bey sei augenblicklich von Paris abwesend; er sei
benachrichtigt worden, nicht eher nach Paris zurückzu-
kehren, bis die diplomatischen Verhandlungen wieder
ausgenommen seien. Was die Maßnahmen anlange, die
Frankreich ergreifen könne, so seien dieselben verschie-
dener Art, aber für den Augenblick stehe eine FIotten-
d e m o n st r a t i o n nicht in Frage, obwohl es möglich
sei, daß man ans dieselbe zurückkomme. Wie der „Matrn"
meldet, ist der Kreuzer „C assär d" nach den türkischen
Gewässer abgegangen; vier andere Kreuzer,
welche bereit liegen, werden folgen.
Trotz alle diesem saßt man nicht nur außerhalb Frank-
reichs, sondern auch in Frankreich selbst den Streitfall als
ungefährlich aus.

Deutsches Reich.
— Ein O b e r k r i e g s g e r i ch t, wie es im Gum-
biniier Prozeß fungierte, setzt sich aus sieben Richtern
zusammen: zwei Oberkriegsgerichtsräten und fünf Offi-
zieren. Nach den gesetzlichen Bestimmungen müssen es
mindestens fünf von den sieben gewesen sein, die den
Angeklagten schuldig erklärten. Gegen das Urteil des
Oberkriegsgerichts ist Revision an das Reichsinilitär-
gericht zulässig, aber nur in dem Fall durchzuführen,
wenn das Revisionsgericht entscheidet, daß das ange-
fochtene llrteil auf einer G e s e tz e s v e r l e tz u n g be-
ruhe. Ueber die Revision entscheidet ein Senat des
Reichsmilitärgerichts. Je nach der Art, wie die Re-
vision begründet wird, ist der erkennende Senat aus vier
militärischen und drei juristischen Mitgliedern zusammen-
gesetzt. Wird der Revision stattgegeben, so muß eine
abermalige Verhandlung der Sache vor einem anderen
Gerichte stattsinden; wird die Revision verworfen, so
ist das llrteil des Oberkriegsgerichts endgiltig.
— Die „Kieler Ztg." hält die Meldung von einer
Zusammenkunft Kaiser Wilhelms mit
d e m Z aren und dem K ö n i g v o n England

in Kiel am 3. September ausrecht und teilt noch mit, daß
der Zar und König Eduard sich zusammen von Kiel nach
Kopenhagen begeben werden. Bisher wurde Danzig
als Ort der Zusammenkunft angegeben.
— Laut kaiserlicher Anordnung sind den Teil-
nehmern an der Chinaerpedition bei der
Pensionierung ein Jahr Dienstzeit anzurechnen, wenn sie
wenigstens einen Monat Teilnehmer gewesen sind; zwei
Jahre, wenn sic mindestens neun Monate als Teilneh-
mer außerhalb der Neichsgrenze und der heimischen Ge-
wässer zugebracht haben.
— Die Rohciseilproduktion im deutschen Reich hat
im ersten Halbjahr 1901 über 200 000 Tonnen weniger
betragen als in der gleichen Zeit deS Vorjahres. Bei
einer Gesamtproduktion von 4sch Millionen Tonnen,
ist dieses Weniger verhältnismäßig nicht sehr groß,
wenigstens nicht so groß, als man nach sonstigen Angaben
annahm.
H o mb u r g v. d. H., 22. Ang. KönigEduarö
empfing mittags den Besuch des Großherzogs und der
Gvößherzogin von Hessen, des Herzogs von Cambridge,
des Großherzogs von Mecklenbnrg-Strelitz und des Prin-
zen Albert von Schleswig-Holstein, der die Uniform
eines Rittmeisters der LeibgardelHusaren trug. Sämt-
liche Besucher nahmen an: Lunch in den Privatzim-
mern deS Königs teil. Abends findet ein größeres Diner
auf Ritters Terrasse statt.
W i l h e l m s b ö h e, 22. Aug. Gestern Nachmittag
unternahm das Kaiserpaar mit Gefolge einen
längeren Spaziergang durch den Habichtswald und heute
Morgen in gewohnter Weise einen Spazierritt. Später
hörte der Kaiser Vorträge.
Kiel, 22. Ang. Nach neuester Bestimmung ver-
läßt die gesamte U eb u n g s s l o tt e am 3. Septem-
ber Kiel und trifft am 7. September vorDanzig ein.
Die Rückkehr nach Kiel ist für den 20. September fest-
gesetzt.
Baden.
KO. Pforz h e i m, 22. Aug. Von national!. Seite
ist für Pforzheim-Land als Landtagskändidat der seit-
herige Abgeordnete Oekonomierat Frank- Pforzheim
ansgestellt worden. Ob der nationallib. Kandidat für
die Stadt, Herr Fabrikant Wittum, eine Kandidatur an-
nimmt, steht noch nicht fest.
L(1. Karlsr u h e, 22. Aug. Eine Versammlung
von Notaren des Landgerichtsbezirks Osfenburg be-
zeichnete in einer Resolution die jetzige Organisafton des
bad. Notariats als eine gänzlich unhaltbare. Schär-
fer kann die Neueinrichtung des Grundbuchwesens, an
der bekanntlich auch die bad. Ratschreiber auf ihrer letz-
ten Landesversammlnng sehr viel anszusetzen hatten,
kaum verurteilt werden.
— In Karlsruhe hielt der Reichstagsabgeordnete
Raab am 21. d. seinen Vortrag über den „Brot-
Wuchers ch w inde I", den er kürzlich auch in Heidel-
berg gehalten hat. Er stieß in der Residenz aus den
Widerspruch der Sozialdemokratie. Die Herren K o l b,
Burger und Willi sprachen gegen ihn. Letzterer
brachte eine Resolution gegen den neuen Zolltaris-
entwurf ein und diese drang trotz der anwesenden
Freunde der Zollerhöhung bei der Abstimmung durch.
Darüber war Herr Raab sehr ausgebracht. Aus seinem
Munde fiel das Wort „niederträchtig". Weiter aber kam
er infolge des nun entstehenden Lärms nicht und die Ver-

Elektrische Schnellbahn zwischen Liverpool
nnd Manchester.
Wiederholt ist darauf hingewiesen worden, wie die
Frage des elektrischen Schnellverkehrs zwischen großen,
durch vielfache Beziehungen init einander verbundenen
Handelsstädten, durch die Einschienenbahn ihrer Lösung
näher gerückt erscheint. Nachdem, wie mir dem „scien-
tific American" entnehmen, die im Jahre 1897 ans der
Brüsseler Ausstellung im Betrieb gewesene,, e i n s ch i e -
nige elektrische Rundbahn System Behr,
den Nachweis erbracht hat, daß man auf diese Weise bei
voller Betriebssicherheit Geschwindigkeiten bis zn 135
Kilometer in der Stunde entwickeln kann, hat der Er-
finder ein verbessertes Projekt entworfen, die 52 Kilo-
meter von einander entfernten Städte Liverpool und
Manchester durch eine solche Bahn zu verbinden. Da die
ganze Strecke in 18—20 Minuten durchfahren werden
soll, so müßte eine Geschwindigkeit von etwa 160 Kilo-
meter in der Stunde erreicht werden. Die im vorigen
Jahre nachgcsuchte Banertaubnis wurde wegen des Ein-
spruchs der Stadt Salford, die die Bahn nicht ober-
irdisch, sondern in einem Tunnel durch ihr Gebiet geführt
wissen wollte, nicht erteilt. Bei dem letzthin dem Par-
lament vorgelegten Entwurf hat Hr. Behr dies berück-
sichtigt und außerdem eine wesentliche Verbesserung der
Bremse vorgenommen. Durch eine geeignete Kombi-
stalion der Westinghouse und der elektrischen Bremse
ist es ihm gelungen, den mit voller Geschwindigkeit daher-
lansenden Wagen in 37 Sekunden, d. h. auf eine Ent-
kernung von etwa 950 Meter (!) zum Stehen zu bringen.
Den znm Betrieb notwendigen ström soll die Bahn'
bon einem in Warrington, ungefähr aus halber Strecke

gelegenen Elektrizitätswerke erhalten. Die Wagen fassen
bequem 60—90 Personen, so daß bei einer den Ver-
kehrsverhältnissen angepaßten Zugfolge von o—15
Minuten 18 000 Personen täglich befördert werden
können, eine Zahl, die aber erheblich überschritten werden
kann. Tie einzelnen Wagen (nur solche, und keine Züge
werden verkehren) erreichen ihre volle Geschwindigkeit
erst, nachdem sie 3 Kilometer von. der Abgangsstation
entfernt sind, nnd durchlaufen die ganze Strecke ohne
Aufenthalt. Behr hatte diesmal mehr Glück, als bei der
Einreichung des ersten Entwurfs, denn nachdem die
vom Parlament zur Beratung des Gesuchs eingesetzte
Kornmission die Annahme desselben empfohlen, hat das
Oberhaus bereits seine Genehmigung erklärt. Sollte das
Unterhaus diesem Entschluß beitreten, so dürste der Bau
der Bahn bald beginnen und binnen kurzem an der
Stelle, wo einst Stcphenson seine erste Eisenbahn in Be-
trieb setzte, die erste dem Fernverkehr dienende elektrische
Schnellbahn erstehen. _

Kleine Zeitung.
— Berlin, 21. Arig. Mehrere im Staatsdienst
stehende Anhänger des Spiritismus; die auch agi-
tatorisch für die spiritistische Sache thätig waren, sind
nach Mitteilung der „Spiritistischen Rundschau" auf-
grund einer Denunziation von ihrer Vorgesetzten Behörde
zur Rechenschaft gezogen worden. Ein Staatsbeamter,
der in einer spiritistischen Loge ein führendes Amt be-
kleidete, wurde genötigt, darauf zu verzichten und sich
vom öffentlichen Wirken für den Spiritismus znrückzn-
ziehen.

— Bcrftil, 22. Ang. Nach der Statistik des Polizei-
präsidiums kamen im zweiten Quartal im Betriebe der
Pferdebahn, der elektrischen Wagen und im Om-
nibusbetriebe 8 Unfälle niit tätlichem' Ansgange, 71
Ichwere und 404 leichte-Berletznngen vor. Darnach wirkt
dre elektrische m geradezu tätlich.
— Berlin, 21. Aug. Gelegentlich der Vorstellung
der Oper „Tel!" mit dem königlich bayerischen
Kammersänger Otto Brucks in der Titel-
rolle ereignete sich gestern Abend im Berliner Theater
ein Peinliches Vorkommnis, daß schließlich zu einem vor-
zeitigen Schluß der Oper führte. Der „Berl. Lokal.-
Anz." berichtet darüber: Herr Brucks hatte während des
ganzen Abends ein eigenartiges Verhalten zur Schau ge-
tragen. Ter Sänger schien kaum noch imstande, sich auf
der Bühne zu halten. Die Fähigkeit des Künstlers, seine
Stimme zu beherrschen, versagte vollkommen. Dis Lage
wurde immer peinlicher, bis schließlich im dritten Auf-
zug, als das Publikum immer unruhiger geworden war,
während der Tell-Geßler-Szene ein Herr aus dem Par-
qnet sich erhob und mit lauter Stimme den Schluß der
Vorstellung forderte. Schon am Anfang des dritten
Aufzuges, war der Lärm derartig geworden, daß die
Musik zeitweise durch Lachsalven iibertönt wurde. Dem
immer stärker werdenden Drängen des Publikurns nach-
gebend, entschloß sich die Direktion, die Vorstellung aS-
zubrechen. Der Vorhang siel. In sichtlicher Erregung
trat der Leiter der Sommer-Oper vor die Rampe und er-
klärte, daß er „unter diesen Umständen" genötigt sei,
zn seinem Bedauern die Vorstellung abbrechen zu müssen.
Gleichzeitig ersuchte er das Publikum, sich das für die
Karten bezahlte Geld an der Kasse zurückgeben zu lassen.
 
Annotationen