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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 282 - 305 (2. Dezember 1901 - 31. Dezember 1901)
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GrPes Bl<rLt.



Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließl , . „
Anzeigenpreis: 20 Pfa. die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts-und Privatanzeigen
'ebc. "".'."". - - - . . - ^ ^ -L-

gebracht, !bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post bc.

vorgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln der Heidelberger

ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
eitung und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.



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tzine potnische Kundgebung an der Wertiner
Ztniversttät.
Zu einer lärmenden Poiendemonstration ist
es am Freitag Abend in der Berliner Universität
gekommen. Als Professor Dr. Schiemann, der über
„die Polenfrage im 19. Jahrhundert" liest, sein Audito-
rium betrat, begannen die ungewöhnlich zahlreich anwesen-
den polnischen Studenten zu johlen und zu pfeifen, so daß
an einen Beginn der Vorlesung nicht zu denken war. Sie
schienen mit ihren Protesten der Meinung Ausdruck geben
zu wollen, daß Prof. Schiemann sein Thema nicht un-
parteiisch behandle. Die deutschen Studenten verhielten
sich musterhaft; erst als Prof. Schiewaun mehrfach ver-
gebens zu sprechen versucht hatte, protestierten sie energisch
und drohten mit thätlicher Gegenwehr, falls die Polen
nicht Ruhe hielten. Schließlich zogen die Demonstranten,
30 bis 40 an der Zahl, ab. und die Vorlesung konnte
ihren Anfang nehmen. Die anwesenden Offiziere hatten
sich jeder Kundgebung enthalten. — Im Anschluß an diese
Vorgänge wird weiter berichtet: Gelegentlich seiner Schil-
derung der polnischen Bewegung in den dreißiger Jahren
erwähnte Prof. Schiemann vor einigen Wochen eine Ver-
schwörung, deren Teilnehmer sich eidlich zum politischen
Mord verpflichtet hatten. Diesen Eid bezeichnte er als
„ruchlos". Bald daraus erhielt er ein anonymes Schreiben,
das, wie er beim Beginn seiner nächsten Vorlesung be-
merkte, auf diese Aeußcrung ,/n der anonymen Schreiben
eigenen höflichen Art" Bezug nahm und die Unterschrift
trug: „Ein treuer Bürger des Deutschen Reiches". Prof.
Schiemann meinte, daß dieses Schreiben kein Deutscher
verfaßt haben könnte, und ging dann dazu über, seine
von dem Anonymus beanstandete Auffassung sachlich zu
begründen.

Deutsches Reich.
— Es ist auffallend, daß nicht das Zentrum den
Vorsitzenden in der Zolltarif-Kommission des Reichstages
gestellt hat, sondern daß es dieFrcikonservativen ver-
anlaßt hat, hierzu den Herrn v. Kardorff zu präsentieren,
der denn auch gewählt worden ist. Herr v. Kardorff ist
den in diesem Falle besonders schwierigen Aufgaben
längst nicht mehr gewachsen und mußte bereits im vorigen
Jahre in dem Vorsitz in der Budget-Kommission durch den
konservativen Abgeordneten Grafen Udo Stolberg ersetzt
werden. Entscheidend für die Beurteilung des Vorkomm-
nisses aber ist, daß das Zentrum so wenig Zutrauen zu
dem Zustandekommen des Zolltarifs hat, daß es nicht die
wit dem Vorsitze verbundene Verantwortlichkeit für die Ge-
schäftsführung zu übernehmen gewillt ist. Das entspricht
allerdings durchaus der großen Unklarheit, die das Zentrum
über seine Stellung zur Vorlage verbreitet hat und die
es offenbar auch bis zur dritten Lesung aufrecht zu er-
halten gewillt ist. Man sollte es dem Zentrum nicht
so leicht machen, sich seiner Verantwortung zu entziehen.
— Die vier Linienschiffe der „Brandenburgklasse",
Kelche vor einigen Monaten aus Ostasien zurückgekehrt
sind, sollen in größerem Umfange einem Umbau unterzogen

Stadttheater.
Heidelberg, 15. Dez.
„Ehrliche Arbeit." Posse von H. Willen.
. Der Gedanke an Berlin, wie es war und wurde, verläßt
Ochern nicht, sieht man die Figuren dieses Spieles vorüber-
^chen; die Zeit, da sich im Stillen alles vorbereitete zu der
fotzen Umgestaltung dieser Stadt, da dem alten Handwerk
''och das Prädikat und die Verheißung des goldenen Bodens
?'chaftete, schaut den Personen aus allen Falten ihrer Kleider
?'vaus. Wozu soll man hier halb wehmütig auseinanderse-
Art von gutmsitig-lustig-lehrhaften Unterhal-
fast auf der ganzen Linie der Feerie, dem Aus-
, der Revue hat Platz machen müssen?
> nähme der fleißig einstudierten Darbietung
x''vch das nicht gerade große Priblikum dieser Aufführung war
herzliche. Da ist zunächst eine Adlige mit vier Töchtern,
,so sich, weil der Familie die Pellkartoffeln ohne Margarine
i'Ar länger mehr munden wollen, einen reichen Schwieger-
K: angelt.
^ Frau Jelly und Frl. Schönberg, Schaab, Kull
Milde machten sich um die Darstellung dieser aristokra-
tz'chen Gruppe verdient. Der reiche Schwiegersohn wurde von
ist"on Schneider gespielt; der Mann war Bäckermeister,
iü.swporgckommen, stellt sich als „Schulze von der Aristokra-
ih vor und ist von der glücklichen Mischung des Tempera-
ist VZ, die sich mit den Dingen abzufinden iveih: Aber sonst
Ganzen die Stimmung famos. Herr Schneider
iil der glücklichsten Weise den richtigen Ton. Aus der
Che voii Schulze stammt eine Tochter, ein Ausbund
«ixj Menschenverstand, Gefühl und Naturfilm: „Hinaus aus
Sphäre von Gold und Diamanten, Lüge und Heuchelei."
gefällt ihr nicht mehr, seit sie die kleine Stadt kennen
hat: „Nein, ich danke für das Glück, möcht' nach Ncii-
Nxssi zurück!" Wir wissen von früherer Gelegenheit,
Frische und rüstige Lustigkeit Frl. Müller ihren
wtungen einzuhauchen weiß. Wozu soll ich hier der: Ro-

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tswgskünsten
'Wttrrngsstück

! werden. Die Schiffe sind Ende der achtziger Jahre gebaut
! worden. Die baulichen Verbesserungen sollen sich auf die
1 verschiedensten Gebiete zur Erhöhung des Gefechtswerts er-
strecken. Vor allem soll an den Schiffskörpern eine Ent-
holzung vorgenommen werden, d. h. sämmtliche Holzanlagen
im inneren Ausbau sollen durch Eisen- und Stahlteile er-
setzt werden. Ferner soll eine Verbesserung der Ventilations-
anlagen vorgenommen werden, nachdem sich bei der Ent-
sendung nach China gezeigt habe, wie wenig sie sich zur
Ausführung transoceanischer Aufträge eignen. Ferner soll
die Torpedoarmierung der Schiffe vervollkommnet werden.
Das Bugrohr und die Breitseitenrohre der Torpedoanlage
sollen unter die Wasserlinie verlegt werden. Gleichzeitig
soll das alte Kessclmaterial erneuert werden. Die Kosten
des Umbaues der vier Linienschiffe sind auf drei Millionen
Mark veranschlagt, wozu noch etwa eine Million zur Ver-
besserung der Torpedo-Armierung kommen dürfte.
— Die erfundene Duellrede des Kaisers wird noch
ein gerichtliches Nachspiel haben. Wie eine Korrespodenz
berichtet, hat die Militärbehörde einen Antrag auf Einleitung
eines Gerichtsverfahrens wegen Beleidigung gegen
den Verbreiter der aus der Luft gegriffenen Kaiserrede ge-
stellt.
Hamburg, 14. Dez. Im Hamburger Goethebund
sprach heute der Berliner Historiker Professor Lenz
über „römischen Glauben und freie Wissenschaft." Lenz hatte
Spahn auf dessen Bitte der Berliner Fakultät zur Habi-
litation empfohlen, nachdem Spahn ihm versichert, daß er
aufrichtig und nach bestem Wissen lehren werde. Der Zweck
seiner Ernennung zum Professor in Straßburg sei der, den
Elsässer Klerus für das Deutschtum zu gewinnen. Das
deutsche Professorentum habe die Pflicht, gegendas Pak-
tiren mit dem römischen Geiste auf den Universitäten
zu protestieren, damit Deutschland nicht in seiner wissen-
schaftlichen Stellung zurückgehe.
Bade».
L.O. Karlsruhe, 13. Dezbr. Der Jahres-
aufwand der einzelnen Gymnasien des Landes stellt
sich für Baden auf 57 560 Mk., Bruchsal 71 850 Mk.,
Freiburg 165 430 Mk., Heidelberg 118 530 Mk.. Karls-
ruhe 148 190 Mk., Konstanz 71 630 Mk., Lahr 51 060 Mk.,
Lörrach 55 570 Mk., Mannheim 141110 Mk., Offen-
burg 67 120 Mk.. Pforzheim 57 730 Mk., Rastatt
127 330 Mk., Tauberbischofsheim 51 420 Mk., und Wert-
heim 54 960 Mk., die Progvmnasien Donaueschingen
43 850 Mk. und Durlach 38 730 Mk. Mithin belaufen
sich die Ausgaben von sämtlichen 16 Lehranstalten auf
jährlich 1 322 070 Mk. Das reine Vermögen jeder ein-
zelnen Anstalt beträgt bei Baden 80 168 Mk., Bruchsal
614 331 Mk.. Freiburg 95 963 Mk., Heidelberg 74 862 Mk.,
Karlsruhe 45? 988 Mk., Konstanz 617 804 Mk., Lahr
139 220 Mk.. Lörrach 219 052 Mk., Mannheim 279 920 M.,
Offenburg 330 482 Mk., Pforzheim 156 169 Mk., Rastatt
2 082 528 Mk., Tauberbischofsheim 159 021 Mk. und
Wertheim 133 891 Mk.; die Progymnasien Donaueschingen
418 897 Mk. und Durlach 82 185 Mk.

Wadischer Landtag.
Karlsruhe, 14. Dez.
11. Sitzung der Zweiten Kammer.
Kurz vor 10 Uhr eröffnet Präsident Gönner die
Sitzung mit einigen Mitteilungen.
Es ist ein Schreiben des Finanzministers eingegangen,
die Zweite Kammer wolle die Rechnnngen über die
letzte Sitzungsperiode des Landtags prüfen. Die Ange-
legenheit wird der Geschäftsordmingskommission zugewiesen.
Ferner ging dem Landtag ein Schreiben aus dem Mini-
sterium des Innern zu, worin das Resultat der Erhebungen
über die beanstandete Wahl in Lörrach-Land mitge-
teilt wird. Das Schreiben geht der Kommission für Wahl-
prüsungen zu. — Vom Vorsitzenden des geschäftsführenden
Ausschusses des Verbandes der mittleren Städte Badens
wurden der Kammer Beschlüsse des 7. Städtetages
übermittelt. Endlich wurde ein Schreiben zur Kenntnis
des Hauses gebracht, in welchem der Vorstand des süd-
deutschen Eisenbahn-Reformvereins mitteilt, daß
derselbe am Montag um halb 9 Uhr im Gasthof „zum
Adler" eine öffentliche Versammlung abhalte und die Mit-
glieder der Zweiten Kammer zur Teilnahme einlädt.
Es wird hierauf in die Beratung der Gesetzentwürfe
betreffend die Steuererhebung in den Monaten Januar
bis mit April 1902 und die Ergänzung des Verzeich-
nisses der Landstraßen eingetreten. Dieselbe nimmt
nur wenig Zeit in Anspruch. Nach kurzem Referat der
Abgg. Gießler und Hcrgt werden in namentlicher Ab-
stimmung beide Gesetzentwürfe einstimmig ange-
nommen.
Nächste Sitzung: Dienstag, 17. Dez., vormittags halb
10 Uhr.

Karlsruhe, 14. Dez. In heutiger Sitzung der
Verfassungs-Kommission ergab sich, nach der
Landesztg., die Wahrscheinlichkeit, daß unter dm
Parteien eine Verständigung ans der Grundlage
zu erreichen sein wird, daß für die Zweite Kammer das
direkte Wahlverfahren zur Einführung gelangt, mit der
Maßgabe, daß die Städte, welche mehrere Abgeordnete zu
wählen haben, in Einzelwahldistrikte eingeteilt werden, und
daß alle vier Jahre eine Jntegralerneuerung der Kammer
stattfindet. Die Frage, ob an Stelle der direkten Wahl
der Abgeordneten in den größeren Städten in Einzelwahl-
distrikten unter Umständen auch das proportionale Wahl-
verfahren in den betreffenden Städten treten könne,
wurde seitens der Vertreter der Nationalliberalen Partei
wenigstens für diskutierbar erklärt. Dagegen sprachen sich
dieselben gegen die Einführung der Proportianalwahlen für das
ganze Land aus. Die Reform der Ersten Kammer im
Sinne einer stärkeren Vertretung der Interessen des Han-
dels und Gewerbes, der Industrie, der Landwirtschaft und
der größeren Städte des Landes wurde nicht nur von der
Nationalliberalen, sondern auch von der Zentrumsfraktion

man erzählen, der sie mit einem höchst ehrenhaften Bäckermei-
ster und Biedermann zusamcrmibringt? Genug, daß ich er-
wähne: Herr Bernau fand sich in dies Genre gut hinein
und war mit seinem ganzen Hause von gutmütigen archäolo-
gisch nnd moralisch gebildeten Gesellen -— hier zeichneten sich
besonders die Herren Grotzmann und Lassen aus —
ein exemplarischer Handwerkerhausstand. Bemerke ich noch,
daß HerrBrandt einen Luftikus von Disponenten nich" un-
glücklich kreierte nnd Herr Wiegner in schönster Weise
das moralische Gegenstück zu ihm, den Fabrikanten von Gold-
ammer darstellte, erwähne ich noch lobend Herrn Feldner
als Wucherer und Herrn Rose als Gastwirt, so bin ich fertig
bis auf das lustige Menschenkind, das in dem Orchester dieses
Abends ein Hauptinstrument vertrat: Lottchen, das Berliner
Dienstmädchen, die treue Haut, die nicht aus den Mund ge-
fallen ist nnd die Weltanschauung einer Berliner Köchin aus
der guten alten Zeit, da noch von keiner Dienstbotenbewegung
die Rede war, gefällig und harmlos zum Besten gab. Die
Frische des Frl. Schröter erquickte sehr, sie sang nett und
sprach ein gutes Berlinisch und vor allem man glaubte ihr die
Schwärmerei für Sonntag, Klappstulle, Hascuhaide und man
glaubte ihr die Selbstcharakteristik: „Man ist zwar nur 'ne
Köchin, aber seine Jefühle hat man doch — jenau wie die
Herrschaften." K. W.

Kleine Zeitung.
— Wiesbaden, 13, Dez. Bei der heutigen Stadt-
v e ro rd rieten wähl in der dritten Klasse wurde der
erste Sozialdemokrat in das Stadtverordneten-
kollegiiim gewählt.
— Berlin, 13. Dez. Der Kaiser hatte sich einen
neuen sehr schönen und praktischen Jagdwagen bauen
lassen, den er zum ersten Male in Begleitung des Erz-

herzogs Franz Ferdinand von Oesterreich-Este auf
der jüngsten Hofjagd in der Göhrde benutzt hat. Da der
Wagen den lebhaften Beifall des österreichisch-ungarischen
Thronfolgers fand, der die neuen und bequemen Ein-
richtungen besonders lobte, so hat ihn der deutsche Kaiser
dem Erzherzog sofort zum Geschenk gemacht. Der Wagen
ist gestern von dem königlichen Marstall auf ein Gut des
Erzherzogs nach Böhmen gesandt worden.
— Esel als Weihnachtsgeschenk. Berliner Blätter be-
richten: Ein« Anzahl von „Weihnachtsescln" ist bei dem
Deutschen Tierschutzverein hier eigetroffen. Die Tiere sind
im voraus bestellt worden als Weihnachtsgeschenke für
Kinder und teilweise auch für Händler. Der Verein hat
nur den Ankauf und Transport vermittelt. Außerdem
hat er noch selbst znm Verkauf eine größere Anzahl Esel
kommen lassen.
Fangnetze bei Trahmbahn-Motorwagen. Ans Mün-
chen wird geschrieben: Binnen wenigen Wochen sind hier
drei Fälle vorgckommen, daß Kinder von elektrischen
Trambahn-Motorwagen überfahren worden wären, wenn
sie nicht das an der Stirnseite des Motorwagens nach
der Konstruktion des hiesigen Trambahndirektors Hippe
angebrachte eiserne Fangnctz aufgefangen hätte. Aller-
dings gelang es den Motorführern jedesmal, das Fang-
netz zugleich mit dem Anziehen der Bremse niederzulassen,
bevor das Kind unter das Fangnetz gekommen war. Die
Kinder wurden entweder gar nicht oder nur wenig ver-
letzt. — Mit den Schutzbrettern, wie man sie in
Mannheim hat, machte man in Berlin schon wierderholt
böse Erfahrungen.
 
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