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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 229 - 255 (1. Oktober 1901 - 31. Oktober 1901)
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Samstag, 5. Oktober 1901.

Erstes Blatt.

43. Jahrgang. — ir. 233.






Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Pfg. die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamczeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
vorgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Aus der Karlsruher Rede des Reichstags-
abgeordueten Bassermann.
Am Donnerstag hat der Reichstagsabgeordnete
Basferm ann in Karlsruhe eine energische Rede
gehaltenObgleich die Urwahlen in diesem Augenblick vor-
über sind, verdienen einige Sätze aus seinen Ausführun-
gen doch festgehalten zu werden. Er sagte unter an-
derem :
' Das Zentrum hat morgen vielleicht den Ausschlag zu
geben. Wir wissen sehr wohl, daß uns sehr viel vom
Zentrum trennt und immer trennen wird. Mer vieles
konnte uns auch einigen gegen die Sozialdemokratie.
Beide stehen wir auf monarchischem Boden, beide sind
für ein starkes Kaisertum. In kirchenpolitischer Hin-
sicht treten die liberalen Parteien dafür ein, daß an dem
heutigen Zustand nichts verändert wird, daß die Kirche
auf den Schutz und die finanzielle Unterstützung des
Staates rechnen darf. Die Sozialdemokratie 'aber er-
klärt die Religion für Privatsache.
Auf dem Osnabrücker Parteitag hat inan von einem
neuen Kulturkampf gesprochen; darüber großes Staunen.
Wer will ihn denn, fragte man sich. Der Liberalismus
gewiß nicht. Die wirtschaftlichen Fragen haben so schwere
Gegensätze aufgedeckt, daß man nicht neue aufreißen soll.
Wohl aber wird das Zentrum uns in kräftiger Defen-
sive finden in den Fragen der gemischten Schulen, Un-
abhängigkeit der Lehrer von der kirchlichen Aufsicht,
Freiheit der Wissenschaft und Kunst. Es wäre ein Wi-
derspruch wollte das Zentrum die Sozialdemokratie in
hiesiger Stadt unterstützen.
In der W a h l r e ch t s s r a g e erkennen auch wir
Liberalen den Mangel des herrschenden Systems an.
Das direkte Wahlrecht bringt nur eine formelle Aende-
rung des Wahlrechts. Man muß dabei verlangen, daß
hie Minoritäten in den L-tädten auch eine Vertretung
linden durch Distriktseinteilung und Einführung der
Broportionalwahlen. (Sehr richtig!) Auch die Ne-
gierung wird in dieser Frage nachgeben müssen, sonst
binimt sie eine große Verantwortung auf sich. Sie för-
dert durch ihren Widerstand das Anwachsen des Radi-
kalismus, denn das in die Massen geworfene Schlag-
ivort wirkt, weil ihm ein berechtigtes Verlangen zu-
grunde liegt. Vollmar hat behauptet, daß die National-
liberalen, wenn es im Reichstag in ihrer Macht läge,
das Reichstagswahlrecht abschaffen würden. Diese
Behauptung hat er sich frivol aus den Fingern gesogen.
Als Mitglied der Reichstagsfraktion muß ich ihm ener-
gisch widersprechen. Die Bewegung in der Sozialdemo-
kratie würde dadurch nicht zurückgedämmt, sondern zu
^ner unten gährenden gemacht werden. Es ist ein Se-
gen des Wahlrechts, daß die Arbeiter ihre Vertreter in
den Reichstag entsenden, dadurch kommen ihre Forde-
rungen an den Tag und ihre Abgeordneten werden zu
praktischer Mitarbeit gezwungen, es offenbart sich die
uUdurchführbarkeit des sozialdemokratischen Programms
Auch hat das Reichstagswahlrecht niemals versagt in
großen nationalen Fragen, nicht allein in den Hochflu-
des Patriotismus nach dem großen Kriege, sondern
As in die jüngste Zeit. Es giebt kein Parlament auf
,^r ganzen Welt, das so leistungsfähig in gesetzgeberi-
scher Arbeit wäre als der Reichstag. (Bravo!)
„ Bevor ich zum Schlüsse komme, möchte ich Ihnen die
Mege der badischen Volksschule ans Herz
l^gen. Von der Volksschule hängt das kulturelle Gedei-

hen eines Volkes ab, und die badische Volksschule ist
reformbedürftig. Auch die Mttelschule verlangt,
daß ein kräftiger Luftzug in die dumpfen Kammern des
Oberschulrates Hineinblase. (Stürmischer Beifall.) Die
nationalliberale Partei hat sich bethätigt in der Hand
Werkerorganisation, beim Gesetzentwurf gegen den un
lauteren Wettbewerb u. s. w., Fragen, die auch in die
Landesgesetzgebung hineinragen. In Karlsruhe frägt
es sich, ob das Bürgertum sich gegenüber einer Klassen
Organisation einigen wird, oder ob die trennenden Mo
mente stärker sind. Wir müssen darum ankämpfen gegen
die Flauheit vor Allem auch der nationalliberalen Ju-
gend, die zurücksteht hinter derjenigen der Sozialdemo-
kratie und des Zentrums an politischem Interesse. Auch
viele Beamte stehen bei Seite und warten, wie von oben
der Wind weht. Das ist wider badische Tradition; denn
das badische Beamtentum war von je eine Säule
des Liberalismus. Wir müssen uns an der Opferwilligi-
keit der Sozialdemokratie ein Beispiel nehmen, denn
für das Bürgertum heißt es jetzt: Es handelt sich um die
Sache! Kann es sich nicht einigen, so darf es sich über
den Sieg der Sozialdemokratie nicht wundern. Setzen
Sie morgen Ihre ganze Kraft ein, dann werden Sie
sagen können: das Bürgertum in Karlsruhe hat ge-
siegt über die republikanische, revolutionäre Sozialdemo-
kratie. (Minutenlang dauernder stürmischer Beifall.)

Deutsches Reich.
— Der Gouverneur von Südwestafrika,
Major Leutwein, giebt jetzt in einem Schreiben an die
deutsche Kolonialgesellschaft das Ergebnis der amtlichen
Untersuchung über den Selbstmord zweier Mädchen be-
kannt, der den Abg. Bebel im Reichstage zu Angriffen
auf die Gesellschaft veranlaßt hatte. Hiernach handelte
es sich, wie es in dem in der deutschen „Kolonialztg."
mitgeteilten Schreiben heißt, in dem einen Falle um
ein Frl. Schön, welches seitens der Gesellschaft auf An-
trag des Gouvernements vom 16. Juni 1900 auf Wunsch
ihres Schwagers, des im Gouvernementsdienste befind-
lichen Sekretärs Ender, mit den Mitteln der Ueberfahrt
versehen worden ist. Das Fräulein, ein erst 19jähriges
Mädchen, erlag nach einem Aufenthalt von nur wenigen
Tagen bei ihrem Schwager einem selbst abgegebenen
Revolverschuß, von welchem cs mit Sicherheit nicht hat
festgestellt werden können, ob er einem Unglück oder
einer Absicht zuzuschreiben war. Eine äußere Veran-
lassung zu einem Selbstmord hatte nicht Vor-
gelegen. Der zweite Fall betraf eine
Persönlichkeit, mit welcher weder das Gouvernement
noch die Kolonialgesellschaft irgend etwas zu thun,ge-
habt hatte. Dieselbe war aufgrund einer Heiratsannonce
herausgekommen, hatte anscheinend in der Ehe nicht ge-
funden, was sie gesucht hatte, und sich wenige Tage nach
der Hochzeit mittels Giftes entleibt. — Major Leut-
wein fügt hinzu, daß er einen Antrag auf Einführung
von Mädchen zu Dienstzwecken nicht mehr stellen würde,
und zwar weil der Bedarf gedeckt ist. Dagegen werde
er der Gesellschaft im Namen des Schutzgebietes nach wie
vor zu Dank verpflichtet sein, wenn sie den Frauen, Bräu-
ten und sonstigen Angehörigen ausgedienter Mitglieder
der Schutztruppe die Mittel zur Nebersiedelung nach
Südafrika, trotz aller Angriffe, auch ferner bewilligen
werde.

Stadttheater.
Heidelberg, 4. Oktober.
^ »Auf der Sonnenseite." Lustspiel in 8 Aufzügen 6on
^unrenthal und Kadelburg.
, Wer übernimmt es, eine reiche Familie in die gute Ge-
Q .schaft einzuführen? Offerten unter „Chic" au die „Vossische
Mluug". Diese Annonce hat Frau Karoline Wulckob, die
M von ihrem Gatten Karry nennen läßt, zwar nicht in die
s^nte Votz einrücken lassen, sie hätte es aber sicherlich gethan,
„ ftzn ihr Gatte nicht mit dem Baron Brick bekannt geworden
der sich bereit finden ließ, den Leutchen zu zeigen, wie
sich glänzend und geschmackvoll einrichtct, wie man
P^ndesgemätz" sein Geld ausgibt, wie man den Umgang
ssfEorativer Gäste" gewinnt. Es findet eine völlige Um-
sgf'ppelung der Familie statt. Man zieht aus der Chaussee-
j°?!ie ins Tiergartenviertel. Was das bedeutet, weiß ein
stzpfsi Aber Papa Wulckov von der Firma Wulckov und
ZzW'nger, Kunsttöpferei und Majolikawaren, der sich nach
d^P'iger Thätigkeit zur Ruhe gesetzt hat, vermißt im neuen
Hx. ^vollen Milieu seine Weihbiergemütlichkcit schmerzlich,
dsf-svon Brick, der auf die Frage, was. er eigentlich könne,
dl-s, Antwort hat: Tanzen, reiten, Kartenkunststücke und die
Olsten Anekdoten, imponiert schließlich von der ganzen Fa-
^ nur der Karry; der Papa und das Töchterlein schwär-
ljxü für den jungen Baron Sandorf, der nicht ein ebenso
tz^"swiirdiger Tischnachbar sein kann, wie sein Freund
.dafür aber ernst veranlagt ist. Als seine Gelder zu
lind, verkauft er, da doch nicht jeder verkrachte Edel-
Impresario eines bunten Theaters werden kann, seine
bxZwmnmlung aus, vertraut sich dem Ofcnhändler an und
iviirs auf dessen Rat seine künstlerische Begabung in Ent-
stillvoller Oefen aus. Dieser Schritt des Barons
so. ^Auchtbürgerlichcn Erwerbsthätigkeit imponiert Wulckov
ch er ihm die Tochter zur Frau gibt. Nun braucht Frau
taasx, .Ehr den künstlichen Anschluß an die oberen Zchn-
'u Zn suchen. Sie wird freiherrlich Sandorfsche Schwie-

germutter, und Wulkov darf wieder zu seinen Gewohnheiten
zurückkehren, Klappstulle, Weiße mit Luft, Hammelfleisch mit
Brechbohnen u. s. f. Auf die angenehmste Art wird dann
auch Brick, der Mordsbummler kuriert. Die Vorstellung ging
ganz ausgezeichnet; des Publikums bemächtigte sich die schönste
Heiterkeit. Herr Rudolph war von hinreißender Frische
und Liebenswürdigkeit, sein Brick zeigte bestechende Eleganz.
Es war, als ob er die andern Darsteller anstecke, jeder gab
sich ungezwungen, natürlich, mit dem besten Humor. Ich weiß
nicht, wo ich anfangen soll zu loben; war Herr Schneider
tüchtig als Wulikov, so war Frl. Jelly lustig als Karry;
die anmutige Baronin war Frl. Schönberg , Herr B e r-
nau der liebenswürdige, ernstveranlagte Edelmann. Das
Fräulein Tochter mit der feinen Bildung fand eine angemessene
Darstellerin in Frl. Jungmann. Wer vor 3 Jahren
Stettner als den Diener Jean gesehen hat, wird ihn noch
in guter Erinnerung haben. Von ihr stach das neue Bild,
das Herr Großmann bot, fast gar nicht ab. Kadelburg
und Blumenthal haben manchen Neuen verschenkt, nun dies
Erzeugnis, davon wir heute zu kosten bekamen, scheint mir nicht
auf der Schattenseite ihrer ausgedehnten Besitzungen gewachsen
zu sein. — __ K. W.
Zmn 1. Weingartner-Konzert am 7 Oktbr.
Während uns seit Jahren der Bachverein die Bekannt-
schaft mit den großen Formen der Instrumental- und Vokal-
musik in ausgedehntestem Maße vermittelt, fand hier die
Kammermusik bis vor Kurzem so gut wie keine Pflege. Erst
feit den von Herrn Seelig veranstalteten Aufführungen, die
uns auch in diesem Winter wieder die auserlesensten Genüsse
bringen werden, beginnt hier in weiten Kreisen das Interesse
und das Verständnis für diese intimste musikalische Kunst zu
wachsen und die Beschäftigung mit ihr kann wirklich nicht
dringend genug angeraten werden. Ihre herrlichstenJdeen ha-
ben die Meister der Tonkunst in der Kammermusiklltteratur nie-

Bade«.
L.N. Karlsruhe, 4. Okt., nachts. Noch ehe die
Ergebnisse aus dem ganzen Lande eingelaufen waren, hatte
die Landtagswahl durch die Wiedererobcrung der
Landeshauptstadt ihren Charakter erhalten. Der
Sieg erregte im nationalliberalcn Parteilager ungeheue-
ren Jubel. Der Saal 3 der Brauerei Schrempp, wo
in althergebrachter Weise die Wahlresultate entgegen-
genommcn wurden, erwies sich bald als zu klein, sodaß
die Versammlung gegen 11 Uhr, als der Kolosseums-
saal frei wurde, dorthin umzog. Prof. Dr. Go lö-
sch mit, der wie die beiden anderen Kandidaten bei sei-
nem Erscheinen stürmisch begrüßt wurde, sprach allen, die
zum Siege beigetragen, tiefgefühlten Dank aus. Die
Karlsruher Bürgerschaft habe gezeigt, daß sie sich nicht
fürchtet vor dem Ansturm der Sozialdemokratie. Daraus
ergebe sich die Lehre, daß man nie an sich selbst ver-
zweifeln darf; nur wer sich selbst aufgiebt, ist verloren.
Die Karlsruher Bürgerschaft habe auch ein gutes Bei-
spiel für die anderen Bürger im Lande gegeben,
wo viele die Partei für tot halten. Wir wissen aber
wohl, daß die nationalliberale Partei Tausende von An-
hängern im Lande hat, die nur aufgeweckt zu werden
brauchen. Die beste Errungenschaft des heutigen Tages
sei die, daß wir unserem alten, guten Großher'vg eine
Freude gemacht haben (stürmischer, langanhaltender Bei-
fall !). Im Namen aller drei Kandidaten könne er die
Versicherung abgcben, daß sie im Landtag die Interessen
Aller zu vertreten bestrebt sein werden, auch die Interessen
der politischen Gegner, denn wir fühlen uns als Vertreter
der ganzen Bürgerschaft der guten Stadt Karlsruhe. Die-
ser und ihrem Oberhaupt gelte sein Hoch.

Aus der Karlsruher Zeitung.
Karlsruhe, 4. Olt. Heute Nachmittag trafen der
Prinz Maximilian und seine Schwester die Erbprinzessln
von Anhalt zum Besuch auf Sch'oß Mainau ein. Die
hohen Herrschaften kehrten gegen Abend nach Schloß Salem
zurück. In den letzten Tagen wurden zahlreiche Personen
aus der Umgegend zur Mittagstafel bei den Großherzogli-
chen Herrschaften nach Schloß Mrinau eingeladen.

Ausland
Oesterreich-Ungarn.
Budapest, 4. Okt. Bei den Wahlen siegten in 249
Bezirken die Liberalen, in 19 die Volkspartei, in 70 die
Kossuthpartei, in 9 die Ugronfraktion, in 11 außerhalb
der Parteien stehende Kandidaten und 1 Demokrat. In
21 Bezirken erfolgen Stichwahlen. Die Liberalen ver-
loren 49 Bezirke und gewannen 15. Die Kossuihianer
gewannen 26 Bezirke. Die Niederlage Koloman Tisza's
wird von der Opposition mit Jubel begrüßt, während die
liberale Presse verlangt, daß diese Schorle rasch ausgewctzt
werde.
Frankreich.
Paris, 4. Okt. Gestern Abend um 8 Uhr, also vier
Stunden vor Ablauf der den Kongregationen ge-
stellten Frist für die Einreichung ihrer Genehmigungs-
dergclegt. Wer auch hier liegt das Gold nicht an der Ober-
fläche, erst durch öfteres Hören und liebevolles Versenken
werden Herz und Ohr geöffnet für all die Herrlichkeiten.
Wer aber einmal gelernt hat, die in diesen Tönen redenden
Empfindungen nachzuerleben, dem werden reinste, nie geahnte
Freuden erschlossen. Der leider so weit verbreiteten Aeutzer-
lichkeit unseres heutigen Konzertlebens gegenüber bildet die
Pflege der Kammermusik ein erfreuliches Gegengewicht.
Die erschreckend lange Reihe der diesjährigen Konzerte
wird nächsten Montag ein Kammermusikabend von Wein-
gartner, Rettich (Viol.) und Warnke (Cello), zwei Künstlern
des Kaim-Orchesters, eröffnen. Außer Mozarts bekanntem
2. B-dur-Trio gelangen R. Volkmanns Trio B-moll (Op.
S.) und das Trio D-dur Op. 70 Nr. 1) von Bcethoven'znm
Vortrag. Einige orientierenden Bemerkungen über die beiden
letzteren, hier weniger bekannten Werke dürften vielleicht
nicht unangebracht sein. —
Das B-moll-Trio von Robert Volkmann, eines Geistes-
verwandten Schumanns, gehört zu dem Bedeutendsten, was
nach Beethoven auf dem Gebiet der Kammermusik geschaffen
wurde. Die Grnndstimmung des Werkes ist eine tief düstere,
selbst über seinen freundlichen, hoffnungslichten Bildern liegt
ein Schatten der Wehmut. Mit grausigen, in Seelenpein
förmlich aufknirschenden Akkorden setzt das Anfangslargo ein.
Breite Cantilenen verkünden banges Hoffen auf Erlösung,
aber mit unerbittlichem Schritt schreitet das drohende Ver-
hängnis näher,v ein verzweifeltes Ringen — und zerschmettert
von der ehernen Schicksalsfaust stürzt der Mensch in die
schaurige Tiefe. Mit dem hoffnungslos-grausigen Anfangs-
motiv schließt der Satz. Das Haupthcma des folgenden
Allegro, zu dem ein kurzes Ritornell überleitet, redet Worte
eines Herzens, das bittet und vertraut, das neuen Mut und
neue Kraft für die kommenden Stürme sucht. Aber vergebens!
Mit jähem Schlag versinken die freundlichen Bilder. In neuen
Kampf stürzt das Allegro con brio, aber weder verzweifelter
Widerstand noch verzweifeltes Flehen vermögen die Kata-

Die heutige Nummer besteht aus drei Blättern mit zusammen 12 Seiten.
 
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