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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150 - 176 (1. Juli 1901 - 31. Juli 1901)
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Dienstag, 2. Juli 1901.

Erstes Blatt.

43. Jahrgang. — Ir. 151.

Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblüttern monatlich SV Pfg. frei in'S Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be.
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile -der deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. - Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung
- _ und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Auschluß Nr. 82.

Weitere Prestäutzerungen über den Minister-
wechsel in Baden.
, Die demokratische „Neue Bad. Landesztg." stellt noch
irrige Betrachtungen über den badischen Ministerwechsel
M und sagt dabei u. a.: Wer Herrn v. Brauer nach sei-
ner amtlichen Thätigkeit im Eisenbahnwesen beurteilt,
u>wd zugeben müssen, daß ihn seine konservativeil Ueber-
^Ugungen durchaus nicht gehindert haben, einem be-
Mnenen Fortschritt die Wege zu ebnen. Konservative
Minister, wie die Herren v. Marschall und v. Brauer
wnn sich das freigesinnte Bürgertum schon gefallen lassen,
Mnal wenn es nicht die geringste Aussicht hat, Staats-
männer aus seiner Mitte in jene hohen Aemter ein-
Mcken zu sehen Eineil eigentlichen System-Wechsel d.
b eine wesentliche Aenderung der leitenden Regierungs-
Zündsätze glauben wir von den neuen Minister-
Nnennungen nicht erwarten zu sollen. Man darf bei der
Würdigung ihrer Tragweite nicht außer acht lassen, daß
M. Baden verfassungsgemäß und thatsächlich nicht das
Ministerium, sondern der Großherzog regiert. — Des
fiteren führt das genannte Blatt aus, daß vermutlich
nne Aenderung in der Organisation der Ministerien
'chütreten werde.
>> .Der „Beobachter", das Hauptorgan des Zentrums,
Ußert sich zurückhaltend, ja ein wenig matt. Seine
Auffassung wird durch folgende Sätze charakterisiert:
Ebenfalls ist aber festzuhalten, daß ein Systemwechsel
Mt beabsichtigt war, wenn auch die Gangart des neuen
""nisteriums wohl eine etwas sanftere werden wird.
. Der von der „Bad. Landesztg." avisierte Katholik
" nicht gekommen. Es sind nunmehr nur^Protesianten
Mentliche Minister, was übrigens die Stellung des
Wgen Ministeriums gegenüber dem früheren, was uns
Mtholiken und unsere kirchenpolitischen Forderungen
Nswht, durchaus nicht beeinflußt. Domänendirektor
Muhard, der zum stimmführenden Mitglied des
Maatsministeriums würbe, ist Wohl der Katholi'k, der
Mch der „Bad. Landesztg." in Aussicht genommen war.
^uühard gehört politisch der gemäßigtliberalen Richtung
l, Die Ansicht der „Karlsruher Ztg." „politische Rück-
Mwn komme« dabei nicht inbetracht", scheint die all-
^Meine zu sein. Die Konstellation ist also diedie
UMpsesminister und diejenigen, welche durch ihre Thä-
Meit im Ministerium für eine bestimmte Richtung
Logiert waren, sind nicht mehr; wenn daher das System
M gleiche bleiben wird, darf man doch begierig sein
u den Modus, wie das alte System weitergeführt wird.

Deutsches Keich.
s. -- Die Einführung der 45tägigen Rückfahr-
Mie m der preußisch-hessischen Eisenbahngemeinschaft
^ ganzen Reich aufs freudigste begrüßt. Es be-
tzMt sich Mch hier wieder die Erfahrung, daß über einen
hMex der Buße thut, mehr Freude ist als über 99 Ge-
tzM- Die bureaukratische Engherzigkeit und der fiskalische
Irrsinn, die heute noch durchaus nicht verbannt sind,
ih whrelangen Klagen über das pedantische Regiment
i>j, Eisenbahnwesen werden vergessen, da Minister Thielen
^tägige Giltigkeit der Rückfahrkarten dekretiert. So
Well! Uebrigens sind zu dem Lob der „Nordd.
Ztg.", daß man nun in Preußen am billigsten reise,

Noch eine Bobbe'sche Menschenfalle.
das unheimliche Treiben des Mörders Bobbe
MMn immer neue Schlaglichter geworfen. Jetzt er-
M M „Tag" aus Kreuz an der Ostbahn die Mitteilung,
Mobbe während eines längeren Aufenthalts auch
seiner berüchtigten „M e n s ch e n s a I l en"
Mia ^at, um auch dort ahnungslose Menschen unauf-
khM von der Welt verschwinden zu lassen. Diese
iMMnieldete Episode des Bobbeschen Verbrecherlebens
« Jahre 1898. Der Bericht lautet wie folgt:
de,- Nähe von Kreuz, dem bekannten Eisenbahn-
ck hMdrinkt, hatte sich Bobbe von dem Gelbe, welches
^ den Schwiegereltern nach seiner Heirat erhalten
M c-M kleines Häuschen gebaut, weil er angeblich in
M^yriat seiner Frau bleiben wollte. Dies Haus
MtyMgelegen von den anderen Häusern, hart an der
Mlttp- Kreuz nach Hochzeit, unmittelbar am sogen.
iMbM.chen Berge. Die Einrichtung dieses Hauses, die
M ^Ibst leitete, war ausfallend für jedermann, der
RbyM lim das von außen hübsche Häuschen ist ein
hoher, dichter Bretterzaun, errichtet, dessen
Mit der Wohnung durch einen Klingelzug ver-
siege/ geschlossen war, anch nur aus vorheriges
Möffnet wurde. Auch die gesamte innere Ein-
M des Hauses war etwas konfus, aber genau nach
MlcMueu Bobbes hergestellt. Dort hauste er eine
allein. Tie merkwürdige Bauart und die Ein-
si-> des Häuschens motivierte er damit, daß er
tz/isis Morbrutanstalt errichten wolle. Jedenfalls hat
Mc>Moer schon damals nüt verbrecherischen Gedanken
. Cs ist nicht unmöglich, daß Bobbe, nachdem
^cht gelungen ist, Menschen zur Ausräubung

doch einschränkende Bemerkungen zu machen. Die Tarife
werden ja durch die Verordnung gar nicht berührt. In
Preußen kostet nach wie vor bei einfacher Fahrt in 3.
Klasse das Kilometer 4 Pf., bei Hin- und Rückfahrt 3 Pf.,
in Baden dagegen stellt sich das Kilometer bei Benützung
des Kilometerheftes auf 2,4 Pf. In Preußen wie
in Baden (beim Kilometerheft) gilt dieser Preis auch für
Schnellzüge. Wer Gepäck mit erheblichem Umfange mit
sich führt, hat in Preußen den Vorteil, daß er 25 Kilo
als Freigepäck aufgeben kann. Das ist sehr wesentlich.
In Süddeutschland wird man gut thun, das preußische
Beispiel in diesem Punkt nachzuahmen; auch in der Ver-
längerung der Giltigkeitsdauer der Rückfahrkarten wird
man hinter Preußen nicht Zurückbleiben dürfen.
— Aus den kürzen Mitteilungen aus den Sitzungen
des Bundesrats geht hervor, daß dieser die Gewcrbc-
gerichts-Novelle am 24. Juni angenommen hat. Jede
Agitation in der Presse nach diesem Datum — und
daran hat es nicht gefehlt — war also verspätet.
— Wie die Berliner Blätter melden, brachte
Bayernim Bundesrat den Antrag ein, die Zulassung
zur Prüfung der Tierärzte von dem Nachweis des
Reifezeugnisses eines deutschen humanistischen Real-
gymnasiums abhängig zu machen.
— Die dem Zolltarifgcsctz beigegebene Begründung
umfaßt 500 gedruckte Ouartseiten, außerdem ist dem
Gesetze ein Band mit statistischen Angaben beigegeben.
Chemnitz, 1 Juli. Zu der Meldung, daß in
Preußen und Hessen die Giltigkeitsdauer sämtlicher Rück-
fahrkarten auf allen Stationen der preußisch-hessischen
Staatsbahnen ohne Aenderung der Fahrpreise und ohne
Unterschied der Entfernung auf 45 Tage festgesetzt ist,
erfährt das „Chemnitzer Tageblatt" aus zuverlässiger
Quelle, daß von der preußischen Eisenbahnverwaltung
jetzt V er h a n d l un g en mit den sächsische n und
übrigen beteiligten Eisenbahnverwaltungen eingeleitet
sind, um dieglei ch e n Maßnahmen auch für den direk-
ten Personenverkehr auf den sächsischen und süd-
deutschen Stationen auszudehnen.
Travemünde, 1. Juli. Der Kaiser besuchte
gestern noch die Jacht „Clara" und verweilte abends
längere Zeit an Bord der amerikanischen Jacht „Namka".
Heute wohnte der Kaiser an Bord des kleinen Kreuzers
„Nymphe" Schießübungen bei, zu denen das Hasenschifs
„Friedrich Karl" hier eingetrossen ist. Die „Nymphe"
wird heute Nachmittag durch die „Niobe" abgelöst. Heute
traf hier der Chef des Militärkabinets, Generalmajor
Gras v. H ü I s en - H a e s e l e r zum Vortrage ein. Tie
vom Kaiser zu der alljährlich aus der Jacht „Hohen-
zollern" stattfindenden Sommerfahrt geladenen Herren
sind gestern hier angekommeu und nahmen an Bord
der Jacht „Hohenzollern" Wohnung.
Baden.
L.6. Karlsruhe, 30. Juni. Der katholische Männer-
verein Constantia, der katholische Männervercin der West-
stadt, der katholische Männerverein Badenia im Stadtteil
Mühlburg und der katholische Männerverein der Oststadt
teilten in einem gemeinsamen Schreiben an den Ober-
bürgermeister mit, daß die genannten, dem Zentrum un-
gehörigen Vereine einen Ortsausschuß zur Vertretung
der Interessen der Zentrumspkartei in hiesiger Stadt

gebildet haben. (Eine derartige Mitteilung an den Ober-
bürgermeister ist ein eigentümlicher Vorgang. Red.)
** Eppingen, 30. Juni. Im Saale des Gasthofes
zur Krone (Post) fand heute eine Landesvecsammlung des
Bundes der Landwirte, Abteil. Baden statt. Der Landes-
vorsitzende, Graf W. von Douglas, eröffnet- sie. An
Stelle des durch Unwohlsein verhinderten Dr. Röstcke-Görs-
dorf» sprach Reichstagsabgeordneter Dr. Hahn. Er ver-
breitete sich in etwa IM stündiger Rede über die wirt-
schaftliche Politik Deutschlands, wobei er, wie das ja auch
von anderen Parteien geschieht, für die Erhöhung des
Schutzzolles auf ausländisches Getreide und andere land-
wirtschaftliche Produkte eintrat. Der Reichstagsabgeordnete
Lucke-Paiershansen legte die Entwickelung des Bundes
der Landwirte in Südwestdeutschland dar. Darnach sind
in diesem Teile über 19 000 Mitglieder des Bundes vor-
handen.
Wieblingen, 1. Juli. Gestern Nachmittag fand
im „Pflng" hier unter dem Vorsitze des Landwirts I.
Treiber von hier eine konservative Versamm-
ln n g statt, auf welcher Freiherr E. A. v. GöIer dis
Grundzüge der Parteianschauung darlegte unter be-
sonderer Hervorhebung der Notwendigkeit hoher Ge-
treidezölle. Landwirt Hermann Merd es forderte
nach dem Bericht der „Bad. Post" zu einem engen Zu-
sammenschlüsse der Gesinnungsgenossen auf. OLer-
amtsrichter Frhr. v. la Roche schloß mit einem Hoch
auf den Großherzog.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Brauereibesitzer Friedrich Printz in Karlsruhe das Ritterkreuz
zweiter Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen und
dem Kassendiener a. D. Martin Hauswirt in Karlsruhe die
große goldene Verdienstmedaille verliehen.
— Die Uebertragung der Stelle eines Ober-Postkassen-Ren-
danten bei der Kaiserlichen Ober-Postkasse in Konstanz an den
Ober-Postkassen-Kassierer Gnerich daselbst hat die landesherrliche
Bestätigung erhalten.
— Es wurden Finanzassistent Karl Keller bei der Kataster-
kontrolle als Revident und die Finanzassistenten August Haller
beim Großh. Steucrkommissär für den Bezirk Karlsruhe-Stadt,
Felix Chappnis beim Großb. Steuerkommissär für den Bezirk
Rastatt, Eduard Kunz beim Großh. Steuerkommissär für den
Bezirk Ettlingen, Rudolf Schübel beim Großh. Steuerkommissär
für den Bezirk Mannheim-Stadt und Eugen Stang beim Großh.
Steuerkommissär für den Bezirk Bühl als Steuerkommissär-
assistenten etatmäßig angestellt.
— Buchhalter Heinrich Hottenroth beim Großh. Finanz-
amt Bruchsal wurde in gleicher Eigenschaft zu jenem in Mosbach
versetzt.
— Der Süddeutschen Versicherungsgesellschaft in Stuttgart
und der Hessischen Versicherungsbank „Adler" in Darmstadt ist
in § 134 ä P.St.G.B. die fernere Ausübung ihres Geschäfts-
betriebs im Großherzogtnm Baden untersagt worden.
Karlsruhe,^. Juli. Am Sonntag den 30,
Juni, fand in der Schloßkapelle in Baden ein Gottes-
dienst statt, wobei Hofprediger Fischer die Predigt hielt.
Der Großherzog und die Grotzherzogin nahmen mit ihren
Hausgenossen und mehreren eingeladenen Personen da-
ran teil. Abends 6 Uhr fuhren Ihre Königlichen Ho-
heiten mit den Damen und Herren der Umgebung, einer
Einladung Ihrer Großherzoglichen Hoheit der Fürstin
zur Lippe zum Nachmittagsthee folgend, nach Schloß
Nothenfels. Die höchsten Herrschaften verweilten vom

dorthin zu locken, in dem einsamen Hause Falschmünzerei
getrieben hat. Soviel steht aber fest, daß Bobbe öfter auf
dem Bahnhof weilte. Er hat wohl den Plan gehabt,
den zahlreichen Reisenden, die in Kreuz verkehren, dort
nmsteigen bezw übernachten müssen, sein Haus als
Quartier anzuvwlen. Wenn reiche Leute dies gethan
hätten, würden sie sicher ganz spurlos dort verschwun-
den sein. Denn jetzt hat man in dem. Gebäude, das
bereits im Jahre 1899 an einen gewissen Jaeck verkauft
worden ist, eine mit großer Raffiniertheit angelegte
Menschenfalle entdeckt. Es spottet jeder Beschreibung,
mit welcher Zähigkeit und Ausdauer Bobbe hier gear-
beitet haben muß. In dem Hause wohnen gegenwärtig
Arbeitsleute des jetzigen Besitzers. Vor kurzem, als das
Gespräch unter diesen Leuten aus Bobbe kan: und u. a.
auch erwähnt wurde, daß dies der Mann sei, der das
sonderbare Haus hat erbauen lassen, äußerte die Frau,
welche in der Bobbeschen-Wohnung jetzt haust, daß wo-
möglich in ihrer Stube auch eine Menschenfalle angelegt
sein könnte. Sie habe sich schon mehrmals darüber ge-
wundert, daß vor dem Ofen ein so überaus großes Ofen-
blech festgenagelt sei. Sie bewog schließlich ihren Mann,
das Blech auszunehmcn. lind richtig, unter dem Blech
war eine Klappe in der Dielung, die sorgfältig eingepaßt
war und in Chargieren hing. Als inan die Klapps
aufhob, gähnte den Beschauern ein tiefes, finsteres Loch
entgegen^ Zugleich kam ein eisiger Lusthauch und man
hörte Wasser rauschen. Nunmehr wurden die Polizei
und das Gericht benachrichtigt. Eine erste Untersuchung
ergab, daß sich unter der Klappe ein Raum von etwa
2 Meter Höhe und 3 Meter Breite im Quadrat befand,
also groß genug, um einem Viertelhundert Leichen Raum

zu gewähren. Auf der westlichen Seite entdeckte man
einen Gang, der nach dem kleinen Flüßchen Drage führte,
das unweit von Kreuz in die Netze mündet. Der unter-
irdische Gang ist aber mit Steinen vollgestopft. Am
letzten Samstag war eine Gerichtskommission aus Filehne
in Kreuz, um die Menschenfalle in Augenschein zu neh-
men. Es sollen auch die Steine entfernt werden. Mög-
licherweise kommt man einem Verbrechen auf die Spur.

Kleine Zeitung.
— Ein Opfer der Leipziger Bankkatastrophe. Der
Inhaber des Krohmannschen Bankgeschäftes, Planerische
Straße 2 in Leipzig, verübte einen Selbstmordversuch in-
folge seiner Verluste bei der Leipziger Bank. Er wurde
schwer verletzt ins Leipziger Diakonissenhaus verbracht.
Petersburg, 28. Juni. Den Absolventen der
Realschulen ist gestattet, vom Herbst 1902 ab in die
hiesige militärmedizinischc Akademie einzutreten,
sie müssen sich aber vorher einer Prüfung in der lateini-
schen Sprache unterziehen. Die russischen Realschulen find
lateinlos.
Konstantins p el, 1. Juli. Der bisherige
türkische General v. Grumbckow ist auf der Reise
nach Deutschland unterwegs gestorben.
— New-Iork, 1. Juli. Infolge der Hitze sind
60 Hitz schlage vorgekommeu, von denen 20 tötlich.
Das Thermometer zeigt 97 Gr. Fahrenheit (36 Eck. Cels.)-
 
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