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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 229 - 255 (1. Oktober 1901 - 31. Oktober 1901)
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Erstes Blatt.

43. Jahrgang. — wr. 244.


Freitag, 18. Oktober Ml.

Erscheinst täglich, Sonntags ausgenommen.

Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bet der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be.
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. auss.hlteßlich Z"st:llgebühr.
^Nzeigenp'reis: 20 Pfg. für die Ifpaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeilc 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
dorgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Chronik.
^ (Vom 29. Sept. bis zum 12. Okt.)
^ept. 2g.: K i t ch euer erläßt eine Proklamation, welche
die Guter der im Fllde stehenden Buren zum Zweck
der Unterhaltung ihrer Angehörigen konfisziert,
^kt. 2.: Der Zentralverband deutscher Industriel-
ler hat eine Resolution angenommen, die sich zwar
für die Getreidezollsätze des Zolllarifentwurfs ausspricht,
aber eine Bindung dieser Zölle nach unten nicht befür-
wortet.
» 3.: Londoner militärische Kreise sehen die Lage in Süd-
afrika als nicht günstig an.
-- 4.: Bei der Landtagswahl in Baden wird Karls-
ruhe von den Ordnungsparleien der Sozialdemokratie
wieder abgenommen.
-> 6.: Der Oberpräsident von Potsdam lehnt es ab, den von
den Berliner Stadtverordneten nochmals zum
Bürgermeister gewähüen Stadtrat Kaufmann zur Be-
stätigung vorzuschlagen.
» 7.: Es verlautet o fiziös, daß die Verwaltung der Main-
Reck a r- B a h n an die preußisch-hessische Gemeinschaft
übergehen soll.
» 7.: Der Emir von Afghanistan ist am 3. Oktober
gestorben.
» 8.: In einer Ansprache an dekorierte Soldaten äußert
Lord Roberts den Wunsch, der Krieg in Süd-
afrika möchte bald beendet sein.
» 8.: In Afghanistan scheint sich der Thronwechsel ruhig
zu vollziehen. Emir ist Habibullah, der älteste Sohn
des verstorbenen Emirs, geworden.
" 9.: England verhängt den Belagerungszustand über
den Rest der Kapkolonie.
» 11.: Der englische Kriegsminister und der Schatzsckretär
sprechen sich für energische Fortführung des Krieges
in S üd a s ri k a aus.
»'12.: Kirchen er bestätigt das Todesurteil gegen den aus
der Kapkolonie stammenden Burenführer Lotter. Durch
ein Schreckeusrcgiment hofft er die Buren zum Nach-
^_geben zu veranlassen.
Aer KriedensjMutz mit Khina.
tz Das Schlußprotokoll der Friedensverhandlungen der
r^Emächtigten der Mächte mit der chinesischen Regie-
soeben arntl. veröffentlicht; es trägt das Datum
' September. Die beiden ersten Artikel In und Ib
^deln über die Deutschland besonders zu er-
p^^de Genugthuung und widerlegen alle jene Mut-
ddA Ungen, die sich an die Vorgeschichte des Empfanges
baur- Krisen Tschun hinsichtlich des Wortlautes seiner
Echen Mission knüpften. Die beiden Artikel lauten:
Artikel la.
^s^urch ein kaiserliches Edikt vom 9. Juni d. I. ist
ch^^.Tsai-fong Prinz erster Klasse, zum Botschafter Se.
tzi"^vät des Kaisers von China ernannt und in dieser
d^chchaft damit beauftragt worden. Seiner Majestät
^oi s Kaiser den Ausdruck des Bedauerns Seiner
Si^-Eist ^ Kaisers von China und der chinesischen Re-
arh, g über die Ermordung des deutschen Gesandten
v. Ketteler zu überbringen.
^b'ein Tschun ist am 12. Juli d. I. von Peking ab-
M um die ihm gegebenen Befehle auszuführen.
Artikel Ib.
chinesische Regierung hat erklärt, sie werde an
.e, wo der Gesandte Frhr. v. Ketteler ermordet
ist, ein dem Range des Verstorbenen würdiges
bhh ^al errichten mit eineir in lateinischer, deutscher
^-llnesischer Sprache abgefaßten Inschrift, die dem S

Kleine Zeitung.
Aschaffenburg, 16. Okt. Die Leiche des seit
l uabgängigen T h e a t e r d i r e k t o r s Iu -
Kes^ G rosser wurde heute bei Kleinostheim im Main
Das Theater wird jetzt von der Gattin des
. ^üenen weitergeführt.
^vs^ Berlin, 16. Okt. Der Besitzer des großen
*vtt? ^r letzten Ziehung der preußischen Klasien-
^ ^ hEe sich bisher bekanntlich nicht gemeldet, wohl
A, dL"iei angebliche Besitzer, von denen jeder behaup-
^ das Los besessen und verloren habe, und die
^sstx„" kinen Prozeß gegen die Lotterieverwaltuug an«
I " zust-^E"' Nun hat sich aber, wie das „Verl. Tagebl."
r.tgpK^"diger Seite erfährt, eine tragikomische Situation
Quellt. Während die beiden Verlustanzeige!: prozes-
p der h z e sich vor wenigen Tagen der rechtmäßige Jn-
/st, h ^ ganzen Loses Nr. 19894 bei der Lotteriedirek-
As r ' Der Glückliche, ein Rentier aus der Provinz
dxx'E? rechtmäßigen Besitz nach und präsentierte das
du Albs Million gezogene Loos. Aber es nutzte
jc" "ichts, er hatte den Termin verpaßt, denn
hd dxrs„„ ' August war auch jeder Gcwinnanspruch für
«»Sk' (Nach der „Franks. Ztg." ist ihm der Ge-
~ ^n-sahlt worden.)
d p„16. Okt. Heute feierte man hier eine
b, Al h„ i l z äh rige. Jiu Kreise ihrer Kinder und
len-r, Frau Ulfs, Tochter des Rittmeisters
st"), der beim hiesigen lithauischen Dragoner-
s,Eand und noch unter Friedrich dem Großen
war xAü, die Feier ihres hundertsten Geburtstags,
orend, die alte Dame noch in ziemlicher geisti-

Qnd


Bedauern Seiner Majestät des Kaisers von China über
den begangenen Mord Ausdruck geben soll.
Ihre Exzellenzen die chinesischen Bevollmächtigten
haben durch ein Schreiben vom 22. Juli d. I. Seine Ex-
zellenz den Bevollmächtigten des deutschen Reiches be-'
nachrichtigt, daß an der besagten Stelle, in der ganzen
Breite der Straße, ein Ehrenbogen errichtet wird und
daß die Arbeiten am 26. Juni d. I. begonnen haben.
Bekanntlich ist der Kaiser von China in seinem'Schrei-
ben an Kaiser Wilhelm noch weit über den Rahmen
jener im Artikel In ausbedungenen und vollzogenen G,e-
nugthuung hinausgegangen und hat den Worten des
Bedauerns den Ausdruck „tiefer Reue und Be-
schämung" hinzugefügt.
Der lange Artikel VI handelt von der Entschä-
digungssumme in der Höhe von 460 000 000
Taels 1 374 760 000 Mark, welche im Laufe von 39
Jahren zu 4 Prozent verzinst zur Abzahlung gelangt,
lieber diese Schuld hat China bereits vor einigen.Tagen
dem Doyen des diplomatischen Korps, dem spanischen
Gesandten, einen Pauschal-Bon ansgehändigt.

DerrLsches Reich.
— Am 24. d. M. wird bei dem bisherigen chine-
sischen Gesandten am Berliner Hofe, dessen Nachfolger
bekanntlich bereits dort anwesend ist, ein größeres A b -
s ch i e d s - D i n e r stattfinden, zu welchem an die Hos-
chargen, den Reichskanzler, die Minister, einige Ver-
treter des diplomatischen Korps u. s. w. Einladungen
exgangen sind.
— In München hat jetzt der Abgeordnete v. Vollmar
Gelegenheit genommen, sich iiber den Verlaus des so-
zialdemokratischen Parteitags in Lübeck zu
äußern, dem beizuwohnen er durch die gleichzeitigen Ver-
handlungen des bayerischen Landtages verhindert war.
Es sei, führte Vollmar aus, allgemeines Mißbehagen
in der Partei über den Ton der Lübecker Verhandlungen
zu Tage getreten. Der „flammende Wunsch", zu siegen,
wie eine Rednerin in Lübeck es bezeichnet habe, könne sich
doch anders äußern als in Grobheiten. Mit der viel
umstrittenen „geschlossenen Sitzung" werde etwas Be-
sonderes einzuführen beabsichtigt, wie Auer in der am
8. Oktober (zu Berlin) abgehaltenen Parteiöersammlung
des 2. Berliner Wahlkreises verraten habe: die „geschlosse-
nen Sitzungen" würden beibehalten werden, obwohl der
erste Anfang nicht sehr verlockend ausgefallen sei. Red-
ner meinte, man würde also künftig Sitzungen für das
Tribünen-Publikum einführen und solche für besondere
Geheimnisse! Man wolle also wohl Ketzergerichte hinter
verschlossenen Thüren einführen, während doch gerade die
Oeffentlichkeit des Verfahrens der beste Schutz und die
wirksamste Kontrolle! für den Angeklagten bilde. In sol-
chem Fall würde er, Redner, sofort an die Oeffentlichkeit
gehen! Einen Teil der Bernsteinschen Ansichten unter-
schreibe er, einen anderen nicht; verkehrt sei es aber je-
denfalls, einen Bernstein vor das Forum eines Partei-
tages zu zerren. In der Wissenschaft gebe es nur eine
absolute Freiheit oder keine. Die Sozialdemokratie, die
doch alles Bestehende kritisiert, dürfe nicht am Dogma
festhalten. Denn das „aber" in der Resolution zum
Falle Bernstein („aber dis Art und Weise, wie Bern-
stein" rc.) unterbinde jede Kritik, denn jedem Kritisierten
mißfalle die „Art und Weise der Kritik", die sich gegen

ger und körperlicher Rüstigkeit zu sehen und sie aus ihrer
Kinderzeit erzählen zu hören. Die Jubilarin wurde
durch vielfache Ehrungen ausgezeichnet. Das Offizier-
korps des Tilsiter Dragonerregiments erfreute sie durch
ein kostbares Blumenarrangement und durch ein Ständ-
chen der Regimentskapellp. Der Oberbürgermeister
überbrachte ihr die vom Kaiser gestiftete Jubiläumsbibel
und Nachmittags fand zu Ehren der Jubilarin ein Fest-
mahl statt.
— Hamburg, 16. Okt. Vier Einbrecher er-
beuteten Uhren im Werte von 30 000 Mk. bei dem Uhr-
macher Qucmdt; einer entkam mit der Beute nach Ber-
lin, wurde aber dort von der Hamburger Polizei verhaf-
tet, die Beute war verschwunden; die andern drei ver-
suchten nachts bei dem Uhrmacher Korff einen Einbruch,
wurden aber verscheucht, sie sind ermittelt und ihre Veri-
hastnng sicht bevor.
— Grimma, 17. Okt. Herste Mittag, ist es gelungen,
den am letzten Samstag verschütteten Brunnembauer
ThielelebendzuTagezubringen. Thiele
befindet sich verhältnismäßig Wohl und war imstande
sich frei zu bewegen. Er wurde zur Pflege aus einer
Bahre ins Krankenhaus gebracht. Vom Samstag bis
Donnerstag war er lebendig begraben.
— In einem Restaurant der Avenue du Maine,
so telegraphiert man aus Paris, fand in der Nacht zum
17. d. eine Explosion statt, durch welche 6 Personen schwer
verletzt wurden.
— Ein einer Menagerie entsprungener Tiger streift
auf dem Gebiet des Grauer Komitats umher. In Par-
kany hat er 30 Schafe des Fleischhauers Krammer zer-

ihn richte. Die Resolution enthalte thatsächlich ein ganz
unmögliches Urteil gegen Bernstein. Nur gegen Bern-
stein sei man so nervös; gegen einen Parvus, eine Rosa
Luxemburg sei man es nicht. Die Resolution gegen
Bernstein sei nach der prinzipiellen Seite hin verfehlt,
weil sie die Freiheit der Kritik unterbinde — aus Er-
wägungen der Nützlichkeit! Ueberhaupt solle man sich
vor dem übertriebenen Resolutionen und Nesolutiönchen-
fassen hüten; obwohl man nicht wisse, ob man nicht
nächstes Jahr einen anderen Standpunkt habe, müsse
man immer ein Resolutiönchm festlegen, statt sich bloß
auszusprechen.
Bade«.
L. 0. Karlsruhe, 17. Okt. Die letzten Nummern
der beiden Schulzeitungen bringen eine Erklärung des
Lehrervereinsvorstandes, worin Stellung genommen wird
zu der die Meersburger Scminarvorkommnisse
betreffenden Kundgebung des engeren Vorstandes.
Es ist gesagt, daß Obmann Grimm mit der Abfassung
jener „Erklärung" betraut worden, daß in jener Vorbe-
sprechung Obmannsstellvertreter Bauer einer Erklärung
nicht beigestimmt u. s. w. Beirat Goldschmitt fügt noch
besonders bei, daß er tie Kundgebung in drei bis vier
kurzen Sätzen gewünscht, den Wortlaut der „Erklärung"
vor der Drucklegung nicht zu Gesicht bekommen habe. Da-
rüber, wer die „Erklärung" verfaßt, deren mutmaßliche
Ueberredaktion in Mannheim u. s. w. schweigt sich die
neueste Kundgebung des Vorstandes aus. Es scheint also
richtig zu sein, daß die Erklärung kein einstimmiger Kol-
legialbeschluß war und nicht statutengemäß zustande kam.
L.O. Karlsruhe. 17. Oktbr. Als Nachfolger des
nach Offenburg versetzten Landgerichtsdirektors Zehn tu er
in Mosbach nennt man in juristischen Kreisen den Land-
gerichtsrat Emil Freiherr Stockhorner von Starein in
Karlsruhe. Wenn sich das Gerücht bestätigen sollte, würde
dadurch eine Neuwahl im 36. Wahlbezirk (Karlsruhe-Land)
erforderlich werden. Herr v. Stockhorner siegte bekannt-
lich bei der letzten Wahl mit winziger Majorität gegen die
Antisemiten und Sozialdemokraten, die sein Mandat be-
drohten.
Preuße«.
— Wie aus Posen gemeldet wird, wurden zahlreiche
russische und österreichische Juden, darunter, der Cafe-
tierHajek, Besitzer des größten und vornehmsten
Posener Cas6s, des Cafe International im Polnischen
Theater, ausgewiesen.

Arrs der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Groß Herzog haben
dem Vorsitzenden des Komitees zur Errichtung des Prinz
Wilhelm-Denkmals, Generalmajor z. D. Wilhelm von Wolfs
in Karlsruhe, den Stern zum innehabenden Kom'mandeur-
kreuz mit Schwertern und dem Bildhauer Professor Her-
mann Bolz daselbst das Kommandeurkreuz zweiter Klasse
mit Eichenlaub des Ordens vom Zähringer Löwen verliehen,
dem Rechtsanwalt Ernst Bassermann in Mannheim die
Erlaubnis zur Annahme und zum Tragen des ihm verliehenen
Königlich Preußischen Kronenordens dritter Klasse erteilt und
dem Landgerichtsassessor Dr. Richard Kurz mann ^n
Mannheim zum Untersuchungsrichter beim Landgericht Mann-
heim ernannt.
— Es wurden die Expeditionsassistenten Heinrich Jun-
ker und Karl Lauer bei der Zentralverwaltung zu Be-

sleischt. Militär wurde zu seiner Verfolgung ent-
sendet.
— In Ungarisch-Altenburg im Komitat Wieselburg
halten zahlreiche Fälle von Tollwut der Hunde die Ein-
wohnerschaft in Aufregung; es sind bereits nicht weniger
als 30 Menschen den wütenden Tieren zum Opfer ge-
fallen und auch an Tollwut erkrankt. Sämtliche Hunde
und Katzen in der Gemeinde sollen jetzt vertilgt werden
mit Ausnahme der wertvollcln Jagdhunde, die unter be-
hördlicher Aufsicht gehalten werden.
— Der Name Virchow. Wir lesen im „Berl. T.":
Eine unrichtige Aussprache des Namens Virchow konnte
man in den letzten Tagen von Hunderten von gelehrten
Zungen hören. Fangen wir mit den Engländern an!
Der würdige Lord Lister brachte etwas wie „Wirtschau"
hervor, die Franzosen sagten „Monsieur Wirschoff", die
Russen „Wirhosf" oder „Wirchoff", ein der südlichen
sarmatischen Steppen entstammender Gelehrter verstieg
sich sogar einmal zu „Wirhoffski". Exzellenz Baccelli
und die übrigen Vertreter der romanischen Idiome spra-
chen ausnahmslos „Wirkofs" und die gesamten deutschen
Vertreter ebenfalls grundfalsch „Wircho". Was ist denn
nun das Richtige? Rudolf Virchow nennt sich selbst „Fir-
cho", auch das Dorf Virchow spricht sich Dorf Fircho und
der große und kleine Virchow-See in Hinterpommern
wird von der Bevölkerung ebenfalls Fircho-See genannt.
Der große Gelehrte hat früher sich öfter gegen die Aus-
sprache seines Namens aufgelghnt und das F energisch
verlangt. Seit geraumer Zeit ist er des Haders darob
müde, er sieht ein, daß mit des Schicksals Mächten kein
ewiger Bund bezüglich der Orthographie zu flechten,
und läßt die Dinge lausen.
 
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