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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 177 - 203 (1. August 1901 - 31. August 1901)
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Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 5V Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be»
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeilc oder deren Raum. Reklamczcile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln
der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Smstli«, 3. August Ml.

43. Jahrgang. — str. 179.


Für die Monate
August und September
kostet die
„Heidelberger Zeitung"
durch die Post bezogen ohne Zustellung
bei Zustellung durch den Briefträger frei ins
Haus Mk. 1.18.
An allen Orten,- an denen wir Träger unter-
halten, kann die „Heidelberger Zeitung" durch
diese zum Preise von SV Pfg. im Monat frei
ins Haus bezogen werden.

Erzbischof Simar von Köln.
. Ein katholischer Pfarrer namens List, der früher
Bochum ein Polnisches Blatt, den „Wiacus Polski"
Aft'ansgab, jetzt aber in Westpreußen amtiert, veröffent-
in der Polnischen „Thorner Zeitung" eine linter-
sdung mit den: Erzbischof Simar von Köln. Der Be-
acht fängt sogleich sehr charakteristisch an: „Als ich
>us Volksmarsen in Hessen nach Bochum znrnckkshrte,
suchte ich Paderborn, um mich mit dem Herrn Bischof
-Mgiltig über den „Wiarus Polski" auseinanderzn-
PMN. Am Morgen traf ich in Paderborn ein und begab
Wch an das bischöfliche Palais. Man sagte mir, ich
M'de wohl bis um 0 llhr abends warten müssen, da
M Bischof beschäftigt sei. Der Offizial, den ich inzwischen
-suchte, empfing mich herzlich, doch fiel mir auf, daß er
MM Sie gehen zum Bischof, mir lassen «sie sich nicht
kriegen! Ich erwiderte lachend: Was sollte mich
Mnkriegen? Wovor sollte ich mich fürchten!" Der Herr
^,'swrer scheint anzunehmen, der Erzbischof von Köln,
M doch auch sonst noch etwas zu thun hat, hätte eigent-
keine Minute zögern dürfen, ihn zu empfangen,
geschah aber erst um 6 Uhr abends und dann
kwickelte sich, nach des Pfarrers eigenem Bericht, sol-
ide Zwiesprache:
tz. Ich: „Gelobt sei Jesus Christus!" — Bischof: „In
xchAkejt, Amen! Was wollen Sie, Herr Pfarrer hier?"
"Ich bin zu Ew. bischöflichen Gnaden gekom-
tzisf zwecks Rücksprache wegen des Wiarus Polski." —
ftMof: „Sie wissen seit Langem, was Sie zu th'un
MM Ich habe Ihnen das schon in Bochum gesagt."
ft Ich: „Verzeihung, in Bochum haben sie, Herr Vi-
eh"!- mir nichts befohlen. Sie haben mich nur gefragt,
MM.eine polnische Zeitung gegründet habe. Als ich
Me., ich hätte zwei gegründet, eine Politische und eine
sttz^.öse, da haben bischöfliche Gnaden bemerkt, es wäre
reicht besser gewesen, nur ein religiöses Blatt zu

Kleine Zeitung
MM München, 2. Aug. Den „Münch. N. N." zufolge
«Munglückte in der vergangenen Nacht bei dein
jksmchbarten Dorfe Gauting der älteste Sohn des Pro-
Friedrich Hirth, der Kunsthistoriker Dr. Hirth,
MWWnen Sturz ans dein Fenster eines Hotels. Hirth
lofort tot.
M 7" Berlin, 1. Aug. Von einer „stark medizi n i-
Familie" liest man in der „Nordd. Allg.
Ätz folgendes: Gestern hat an der Universität wieder
Ärn .Me vor der medizinischen Fakultät die ärztliche
chv Aung bestanden. Es ist eins Berlinerin, Frau Dr.
ftjü Jenny Bornstein. Sie war vom Minister zur
zngelassen, nachdem sie bereits vor etwa sieben
in Zürich den Doktorgrad und die Approbation
hatte. Die Dame erhielt, wie wir hören, beim
V, mtstim" das Prädikat „gut". Bemerkenswert ist,
Uhgg ch ihr Sohn Kandidat der Medizin ist und im ver-
Mu Jahre gleichfalls das Physikum bestanden hat.
2>, Mer Gatte von Frau Dr. Bornstein soll Arzt sein.
Erkenntliche Badegäste. Wie es in vielen See-
M Min guter, alter Brauch ist, den Wogen, denen
AMMundheit und neue Kräftigung verdankt, beim
einen duftenden Kranz zu opfern/gehört es
M>l>w nicht zu den Seltenheiten, daß den Badever-
> namhafte Zuwendungen von Personen ge-
Mg Mrden, die ihr oder der ihrigen Lebensglück in
Me Mdeort gefunden haben. So ist kürzlich die Be-
biM? reizenden New England in den Vereinigten
jF EMnrch ein Legat in Höhe von 30 000 Mk. freu-
^ ihMAcht worden, das ihr von einer Witwe zuging,
fünf heiratsfähigen Töchter dort nach und nach

gründen. Ich erwiderte, dies sei unmöglich, weil ein
solches Blatt allein sich nicht halten werde; bischöfliche
Gnaden haben darauf nichts gesagt." —- Bischof: „Was
wollen Sie mit diesem politischen Blatt? Wenn Sie nur
die Zeitung hier belassen, werden sich hier Verhältnisse
herausbilden wie im Osten. Woher soll ich so viel pol-
nische Geistliche nehmen? Sie werden dafür vor Gott
die Verantwortung nicht übernehmen!" — Ich: „Ich
glaube, daß ich das kann; denn nicht ich habe die Polen
hierher gebracht. Die jetzigen Verhältnisse werden
übrigens auch ohne Zeitung hier solange bleiben, als
das Zu und Abströmen der Polen andauern wird,
llebrigens befasse ich mich mit den polnischen Kindern
überhaupt nicht, da ich keine Zeit dazu habe. Diese
germanisieren sich also, und die älteren werden wahr-
scheinlich so bleiben, wie sie ausgewachsen sind. Einst-
weilen reichen drei Geistliche für die Diözese Paderborn
hin, in Bochum, Gelsenkirchen und Dortmund. Mögen
hier einige Kleriker polnisch lernen, wir Polen lernen ja
doch alle deutsch. Ich weiß übrigens, welche Verhält-
nisse unter den Polen vor Gründung des Wiarus Polski
herrschten. Wenn ich das Blatt also kassiere, wird die-
selbe Finsternis wiederkehren. Ich werde Sie und Sie
werden mich in der ganzen Mark besuchen." — Bischof:
„Gott sei Dank, daß sie mir sagen, das
zweite oder dritte Geschlecht wenig-
stens werde sich verdeutschen, eine Polnische
Zeitung aber ist hier überflüssig, und ich bitte, sie zu kas-
sieren."
Im weiteren Verlauf des Gesprächs warf der Bischof
dem Pfarrer vor, er schreibe Hetzartikel. Nachdem Dr.
Liß aus Paderborn nach Bochum zurückgekehrt war, so
schiebt hier das Thorner Polenblatt ergänzend ein, er-
zählte er, der Bischof habe zu ihm direkt gesagt: „Als
deutscher Mann sollten Sie dafür sorgen, daß die Po-
len sobald wie möglich sich verdeutschen." Der Pfarrer
erzählt die Unterredung wie folgt weiter:
Ich: „Ich verstehe nicht und kann nicht begreifen,
weshalb ich meine Landsleute mit Gewalt germanisieren
soll, und ich weiß nicht, wie ich das thun soll!" Bischof:
„Weil die Polen ein ganz verkommenes Volk sind, je
eher sie sich germanisieren, desto besser für sie." Ich:
„Ob die Polen ein ganz verkommenes Volk sind, das
können bischöfliche Gnaden nicht wissen, Sie müßten denn
Stola anlegen und den Polen die Beichte abnehmen.
Auf meinen Reisen von Ort zu Ort habe ich mit Polen
und mit Deutschen zu thun. Ich sage also, daß in der
Mark viel Verderbnis herrscht, die einen und die andern
sündigen, nur mit dem Unterschiede, daß die Polen noch
kräftig glauben, während bei dem Deutschen der Glaube
im Wanken ist. Ich bin übrigens zu sehr aufgeregt,
um beurteilen zu können, ob ich den „Wiarus" kassieren
soll oder nicht. Gestatten also bischöfliche Gnaden, daß
ich nach Bochum fahre und mir alles ruhig überlege.
Was ich thun und wie ich handeln werde, werde ich nach
Paderborn schreiben. Uebrigens erkläre ich sofort, daß
ich Bochum in kurzem verlassen will, und ich bitte, mich
von meiner Pflicht zu entbinden!" Bischof: „Ich habe
nichts gegen Sie. Ich danke herzlich für Ihren Beistand
und Eifer in der Seelsorge, aber Ihre Politik gefällt
mir durchaus nicht."
Der Pfarrer Liß schließt seinen Bericht also: „Ich
verabschiedete mich und verließ das Palais, Blut und
Thränen schossen mir in die Augen. Ich wandte mich

aufs vorteilhafteste unter die Haube gebracht hat. --
Ein Menschen- und tierfreundlicher Fabrikbesitzer wie-
derum, der sich in Southend-on-Sea (England) Jahr
für Jahr von seinen geschäftlichen Sorgen frei zu machen
pflegte, hat den Stadtvätern des Ortes die Summe von
100 000 Mk. mit der Bedingung hinterlassen, daß das
leidige Eselreiten am Strande, das ihm der grausam
gequälten Tiere wegen so oft die güte Laune verdorben,
in Zukunft gänzlich abgeschafft werden solle. Leider
muß gesagt werden, daß das Municipium das Geld zwar
bereitwilligst annahm, die gerügte Unsitte aber ruhig
fortbestehen ließ. Ein anderer Gentleman endlich, dem
die schlechten Uniformen, in denen die Mitglieder der
Badekapelle anfspielten, mißfielen, hat zur besseren
Equipierung der Musici den Betrag von 7000 Mark
ausgeworfen.
— Von der schlagenden Antwort eines Kellners er-
zählt die Zeitschrift für Hotclindustrie folgendes amü-
sante Geschichtchen: Dein morgens 3 Uhr in Kassel an-
kommenden Schnellzuge entstieg ein feingekleideter Herr,
der sich, nachdem er sein Gepäck abgefertigt hatte, in den
Spcisesaal erster Klasse begab, um einen Imbiß zu
nehmen. Er setzte sich gleich an einen der ersten Tische,
um weiter kein Aufsehen zu machen, und bestellte die
Speisekarte. Der Kellner brachte ihm dieselbe und be-
diente unterdessen seine anderen Gäste, während der
Herr die Karte studierte. Nach einigen Minuten kam der
Kellner wieder und wollte die Bestellung aufnehmen,
jedoch hatte der Herr nichts seinen! Gaumen Passendes
gefunden und fragte den Kellner, ob er ihm etwas Be-
sonderes empfehlen könnte. Der Kellner, welcher sah,
daß er es mit einem sehr seinen Herrn zu thun hatte,

auf der Straße um und sagte, auf das bischöfliche Pa-
lais blickend: Dies Haus betritt mein Fuß nicht mehr l
Jetzt verstehst du, weshalb der h. Methodius von einem
deutschen Bischof drei Jahre lang gefangen gehalten wor-
den ist. — Nach einer Stunde trug mich der Zug nach
Bochum, und was ich gethan, ist den Lesern bekannt.
(Der „Wiarus" wurde dem damaligen Redakteur ver-
kauft, nicht kassiert). Von jetzt an sagte ich manchmal:
Wenn nur irgend ein Landrat oder Präsident etwas
Derartiges gesagt hätte, würde ich ihm verzeihen, aber
daß ein katholischer Bischof solches von mir verlangt hat,
werde ich Wohl nie vergessen." — Dem Erzbischof Simar
wird diese Veröffentlichung nicht gerade angenehm sein.
In den Augen aller Deutschen — die deutschen Katholiken
eingeschlossen — kann sie ihm aber nur Ehre machen.

Das aus China zurückkehrende deutsche
Panzergeschwader.
Cadiz, 1. Aug.
Mittags 12 Uhr kam die aus China zurückkehrende
zweite Division des ersten Geschwaders in Sicht. Im
Aufträge des Chefs des ersten Geschwaders, Prinzen
Heinri ch, fuhr die „Gazelle" mit der Post, sowie den
Lootsen und dem Chef des Stabes an Bord, dem aitkom-
menden Geschwader entgegen.
Ditz „Gazelle" signalisierte dem Geschwader den
Befehl, eine Desinfizierung vorzunehmen, da Suez be-
rührt worden ist. Um 2 Uhr tauchte die zweite Division
unter Führung der „Gazelle" hinter der.Stadt auf und
näherte sich in tadellos ausgerichteter Formation dem
Hafen, in welchem das Linienschiff „Kaiser Wilhelm der
Große" zuerst liegt. Der Heintatswimpel wehte stolz im
starken Winde. Nach dem Wechsel des Saluts wurde
zwischen dem Linienschiff „Kurfürst Friedrich Wilhelm"
und den: Flaggschiff „Kaiser Wilhelm der Große" das
Signal „Herzlich Willkommen" ansgetauscht. Jedes
Schiff der ersten Division wechselte beim Passieren der
zweiten Division drei Hurras. Der zweite Admiral,
Kontreadmiral Geißler, und alle Kommandanten
wurden alsbald zum Prinzen Heinrich befohlen, dem die
Meldung erstattet werden konnte, daß die Rückreise bis
dahin günstig verlaufen war und die Durchfahrt durch
die heißen Gegenden von den Besatzungen gut Über-
stunden sei. Es folgte eine Besprechung der Aufgaben
für die Rückreise und ein kameradschaftliches Willkom-
men, daran anschließend eine Besichtigung der einzelnen
Schiffe der zweiten Division durch den Prinzen Heinrich.
Aus Sevilla sind zahlreiche Mitglieder der deutschen
Kolonie zur Besichtigung des deutschen Geschwaders hier
ein getroffen. _

Deutsches Reich.
— Generalleutnant v. Les s e l meldet aus Tientsin:
Der von uns besetzte Teil des K a i s e r p a l a st e s zu
Peking wurde am 23. Juli dem chinesischen Palast-
minister zurückgegeben.
— Das „Kolonialblatt" meldet: Der kaiserliche Be-
zirksamtmann zu A a p (Station ans den Westkarolinen)
senf ft, nahm am 12. April im Aufträge der Regie-
rung die Inseln Tobi und Helen-Riff, beide zu
den Westkarolinen gehörig, für das deutsche Rerch
in Besi tz.

zählte ihm noch verschiedene Delikatessen vor und bot
alle seine Beredsamkeit ans, um den Herrn zu bewegen,
etwas zu genießen. Trotzdem meinte der Herr, als der
Kellner geendet hatte: „Weiter nichts?" Der Kellner,
welcher erst etwas verblüfft dreinschante, sagte: „Erlau-
ben Sie, gnädiger Herr, ich habe hier schon hohe Herr-
schaften bedient, dieselben waren stets mit unserer Speise-
karte zufrieden, und dürfen Sie es ebenfalls sein." Der
-z-remde erwiderte darauf: „Wissen Sie denn überhaupt,
wer ich bin und mit wem Sie es zu thun haben?"
Mcein," erwiderte der Kellner. „Nun denn, ich bin der
Fürst von Bulgarien!" „Weiter nichts?" war die schla-
gende Antwort des Kellners. Der Fürst soll sich so da-
rüber amüsiert haben, daß er den Kellner in seine Dienste
nahm.

— Gatten Bosheit. Gattin: „ . . wir Frauen sind
nun einmal Rätsel." Gatte (dessen Fran falsche Haare, Zähne
u. s. w. hat): „Na, Du bist jedenfalls eines, das sick jeden
Abend selbst auf löst."-Sie: „Weiht Du noch, hier
in diesem Garten haben wir uns kennen gelernt?' Er (unge-
duldig): „Ja, ja, daran ist aberdochjetzt nichts mehr zu ändern."
— Auch ein Heiratsantrag. Fräulein: „Ich habe jeden
Tag zehn Mark zu verzehren!" Herr (schüchtern)^ „Sollten
davon nicht zwei Personen leben können, gnädiges Fräulein?"
— Ein lust'ger Musikant. (Auf der Straße.) Schutzmann:
„Haben Sie Erlaubniß zum Spielen?" — Musikant: „Nein!"
— Schutzmann: „Dann begleiten Sie mich: — Musikant!"
„Js reckt — was wollen's denn singen?"
— Ein guter Kaffee. Mann (zu seiner Frau, nachdem er
fast die Hälfte seiner Tasse geleert hat): „Du Klara, ilt das
vielleicht Kaffee?" — Frau (ansgebracht): „Was soll'S denn
sein?" — Mann (einlenkend): „Na, siehst Du, ich hab's auch
gleich errathen!"
 
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