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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 229 - 255 (1. Oktober 1901 - 31. Oktober 1901)
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Dienstag, 22. Oktober 1901.

Ir. 247,



43. JatzMW.


Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen- — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg- Durch die Post be-
» zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
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vorgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Inserate auf den Plakattaseln der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Die Merliner ZSürgerrneisterwahk.
^ Der Stadtverordnetenausschutz zur
^orberatung des Erlasses des Oberpräsidenten v. Beth-
^arin-Hollweg in Sachen der wiederholten Wahl des
^tadtrats G. Kauffinann zum zweiten Bnrgermei-
von Berlin trat Samstag Abend unter Vorsitz des
^tadtverordnetenvorstehers Dr. Langerhans zum er-
Male zusammen. Nach länger» Erörterungen
^Urde zunächst einstimmig beschlossen, dsr Stadtver-
^dnetenversaminluug folgende Erklärung zur Annahme
Zuschlägen: „Von der Bestimmung in 8 33 der Städte-
ldnung, welche das Recht der Bestätigung der Bürger-
meister und Beigeorneten in Städten von mehr als
,0 000 Einwohnern ausschließlich dem Könige vorbe-
ist weder in der Städteordnung noch in einem an-
?'ru Gesetze eine Ausnahme für den Fall der Wieder-
eines Nichtbestätigten vorgesehen. Aus dem Schrei-
es des Herrn Oberpräsidenten vom 6. Oktober erhellt,
M eins königliche Entscheidung über die wiederholte
^aksi des Stadtrats G. Kauffmann zum Bürgermeister
M'ch nicht erfolgt ist, daher ist die Stadtvxrordneten-
»^rsaiTMlung an diese Wahl gebunden und lehnt die
-ösincihme einer Neuwahl bis zum Eingang einer Ent-
Mdung des Königs über die Bestätigung ab." Darauf
h ürde mit 11 gegen 4 Stimmen beschlossen, der Stadk-
! i^ordnetenversammlung noch folgenden Satz zur Be-
! w ußsassung vorzuschlagen: „Ferner ersucht die Ver-
M??rnlung den Magistrat, über den Bescheid des Ober-
^chidenten vom 6. Oktober Beschwerde beim Ministe-
! des Innern zu führen."
Deutsches Reich.
> Die Kaisen« vollendet heute (22. Okt.) ihr drei-
! ^vierzigstes Lebensjahr.
Baden.
— In der „Bad. Presse" meldet sich der Artillerist,
^ dem mehrfach im Zusammenhänge mit der Vcr-
I^M^ung des Prinzen Wilhelm bei Nuits in den
> jungen jetzt die Rede war. Es ist der Baufchätzer und
Malige Obcrgefreiter Friedrich Kniehl in Adels-
der dem genannten Blatt folgende interessante Re-
^csnz übermittelt:
!^-?bim Rücktransport des mittels Rettungstau transpor-
> hergestellten Geschützes redete mich Grotzh. Hoheit ca.
Niimwuten vor seiner erfolgten Verwundung an: wohin ich
hx-Geschütz wolle. Als ich die Meldung erstattete, das
fsiMtz sti defekt und unbrauchbar geworden, erwiderte Großh.
Kx t: „B e e i l e n S i e sich nur, daß Sie von diesem
efahrvollen Platze wegkommen." Kaum war ich
schritte weiter gegangen, da brach das Rettungstau aufs
Im gleichen Moment erhielt Grotzh. Hoheit seine Ver-
ladung, wobei ich sofort bemerkte, datz das Blut stark über
'Hj/.. Wange floß. Dem Krankenwagen zutretend, der in
'i,^r Nähe war, sprach Grotzh. Hoheit: „Sie haben mir
hinter die Ohren gejagt; thut aber
nur wacker drauf." Im Krankenwagen an-
VZt, nahm Grotzh. Hoheit händereichend unter Anderem
^von mir Abschied, der uns Alle zu Thränen rührte,
^wistonspfarrer a. D. Schäfer in Karlsruhe ergänzt
Mge Darstellung durch folgende Mitteilung.
Ä dem Wege von Boncourt zur Vergöre steht abseits
X^orfe rechts der Stratze, nur wenige Minuten von ge-
j^rn Meyerhofe entfernt, ein Bauernhaus, dessen Schup-
^5 die Stratze stützt. Bis dahin wurde Grotzh. Hoheit nach

ZUM I. Konzert des Bachvereins am
28. Hktoöer 1901.
^ Von Fr. Stein.
? ^ mehr wie in früheren Jahren eröffnet der Bachverein
sf^lberger Konzertsaison. Bereits liegen mehrere grö-
,Hl?onzerte hinter uns. Eine erschrecklich lange Reihe
f j^Ächer Aufführungen ist uns für den kommenden Win-
«,>>Z Aussicht gestellt und droht die Konzerte des Bachvereins
lAi, ^ den Hintergrund zu rücken. Und doch ist er es ge-
EiP- in langjähriger, zielbewutzter Arbeit das Verständ-
''itz f große Kunst hier in weitesten Kreisen geweckt und so
,, ,, geschaffen hat, auf dem nun ein so üppiges Konzert-
en siechen kann. Eine allzugrotze Konzertflut allerdings
I iblia Vertiefung unseres Musiklebens nicht gerade
V M?? ^^un allzulcicht macht sie zur Gewohnheit,
!«. tznwgstreiben, was Feier und Freude sein sollte. Datz
n>«r,?Averein immer dieser höchsten, feiertäglichen Kunst
„VV, ist nicht nur in Heidelberg allein anerkannt. Und
o Prof. Wolfrum auch manchmal auf Höhen führte,
ek ^ emen oder andern Verständnis nicht mitkam, —
Ernst der hier sich bethätigenden Kunstauffassung,
und unbekümmert um Mode und Geschmack der
achter Höhenkunst erziehen will, muhte jeden
wenden gewinnen und hat dem Bachverein im Laufe
i yh^.eine Gemeinde wahrer Kunstfreunde geschaffen, die
U» 'm kommenden Winter treu bleiben werden.
^ »uu ^^sjährige erste Bachverein s-K onzert
w die konservativsten Ohren befriedigen. Zur Auf
kRÜ's.Lelangt an erster Stelle Mozarts dreisätzige
honte (Kochels Verz. Nr. 604) aus dem
Tw ein Werk, das besonders in seinen beiden ersten
st Ist'K empfundene Seelenstimmungen zum Ausdruck
I in dem Gefühl, datz der Innerlichkeit dieser Mu-
^ hcn ^ gemütliches Tanzstück nur störend wirken
^ Mozart hier auf das konventionelle Menuett bei-

der Verwundung gebracht. Der Prinz hatte seine Umgebung
weggeschickt. Als ich zum Schuppen kam, sah ich, wie er
ganz allein im Schuppen in seinen Mantel gehüllt, mit dem
Rücken an die rechte Schuppcnfeite gelehnt, aufrechtstehend und
blassen Antlitzes stark aus dem Munde blutete. Auf mein
Befragen, womit ich dienen könne, bat mich Grotzh. Hoheit um
frisches Trinkwasser. Mit Hilfe des Trainsoldaten
Hansjakob, jetzt Kaufmann in Villingen, konnte ich ein Trink-
glas aufbringen und in einiger Entfernung auch frisches Wasser.
Als der Prinz das Glas an die Lippen gesetzt, floß ihm das
Blut in das frische Getränk. Er trank aber das Wasser
s a m m t se i n e m V l ut e. Zu seiner weiteren Beförderung
war seine Umgebung auf die Suche nach einem tauglichen Wa-
gen gegangen und machte ich auf die Feldkapellenwagcn auf-
merksam. In dem einen derselben wurde der Prinz und in
dem andern Se. Exzellenz der General v. Glümer bequem nach
Dijon gebracht. General v. Glümer satz am Abend in einem
Zimmer im 2. Stock links vom Haupteingange der Bergöre.
Als ich ihm einen Pferdeteppich um den verwundeten Arm
legte, da es ihn fror, machte er den Scherz, er sei mein Kollege
und zwar als geistliches Mitglied eines evangel. Domkapitels,
aber das hätte er sich nicht träumen lassen, datz er auch noch in
einer katholischen Fcldkapelle gefahren werde.
— Im „Beob." wehrt sich Wacker gegen den
„Oberschwäb. Anz.", ein württenrbergisches Zentrums-
blntt, das über die Wacker'sche Taktik recht abfällig ge-
urteilt hat. Die Hauptstelle des betreffenden Artikels
in dem „Oberschwäb. Anz." enthielt die Aufforderung
an Wacker, der friedlicher gewordenen Lage Rechnung
tragend, von der Parteileitung zurückzutreten. Herr
Wacker fordert nun den Verfasser des Artikels auf, sich
zu nennen; er wolle wissen, ob die Aufforderung ge-
nügende Bedeutung habe. Natürlich wird sich der Ver-
fasser nicht nennen und dann wird Herr Wacker sagen,
die Aufforderung habe keine genügende Bedeutung. Zu
dem Sachlichen in der Behauptung des „Oberschwäb.
Anz." nämlich, daß eine Kampfnatur mit bitteren Er-
innerungen zur Zeit als Parteiführer nicht geeignet sei,
hat Herr Wacker bis jetzt Stellung nicht genommen.
— Anknüpfend an die Ansprachen, die auf der
zwanglosen Wahlmännerversammlung in Heidel-
berg am Tage der Abgeordnetenwahl gehalten wurden,
schreibt der „Schwäb. Merkur": In Dr. Wilckens
würde die liberale Partei einen Führer erhalten, der
über parlamentarische Erfahrung und eindringende
Sachkenntnis verfügt; er ist ein Mann sorgsam erwoge-
ner Entschlüsse, verfügt über konziliante Formen im
Verkehr und würde gewiß der politischen Arbeit inner-
halb der Partei, vor allem der engeren Fühlung der
Parteignossen im Lande und der regeren Propaganda
für die Ideen der liberalen Partei besondere Aufmerk-
famkeit schenken.
Ldl. Karlsruhe, 20. Okt. Die Einnahmen der B ad i-
schen Bahnen im September betrugen nach provisorischer
Feststellung 1901 6 548 600 Mk. (von Januar bis Seht. inkl.
55 387 190 Mk.) gegen 1900 6 820 650, bezw. 66 623 780
Mk., gegen die provis. Einnahmen 1900 weniger 272 050
Mark bezw. 1 286 590 Mk. gegen die definitiven Einnahmen
1900 weniger 497 936 bezw. 2 528 750 Mk.
Preuße«.
Hadersleben, 20. Okt. Gestern sind elf Per-
sonen aus dem Dorfe Kjoebenhoved ausgewiefen
worden, weil sie an einer Hochzeit teilgenommen Hütten,
wo verbotene deutschfeindliche Lieder gesungen wurden
und für die W i e d e r v e r e i n i g u n g Schleswigs mit
Dänemark agitiert wurde.

sichtet, um sofort zu dem Finale, einem Satze von heiterer
Lebhaftigkeit überzugehen. —- Auf Mozart folgt C. Löwe
mit drei seiner bekanntesten und schönsten Balladen: „Der
Nöck", „Erlkönig" und „Hochzeitslied" mit Begleitung des
Orchesters, das im großen Konzertsaal entschieden den Vor-
zug verdient vor der neben Orchesterwerken immer etwas
dürftig klingenden Klavierbegleitung (Solist: Herr Joh. Mes-
schaert aus Amsterdam). Die erste Hälfte des Konzerts be-
schließt Fr. Schuberts unvollendete in ihrer leidenden
Schwermut tief ergreifende H-mc>II-Shmphonie (1822 komp.),
die, obwohl Fragment, ihrer berühmten Schwester in Oäur
an künstlerischer Vollendung ebenbürtig zur Seite steht. —
Den zweiten Teil des Programms bildet Joh. Seb. Bachs
komische Kantate „Schlendrian mitsei nerToch-
ter Li es gen" die sogenannte „K a f f e e k a n t a t e".
(Die Orchesterpartitur bearbeitet von Phil. Wolfrum). Eine
kurze Einführung in das selten gehörte und auch hier nur
in kleinstem Kreise bekannte Werk dürfte vielleicht nicht un-
angebracht erscheinen.
Auf keinem Gebiete seiner Kunst hat Bach, schon rein äu-
ßerlich genommen, eine so ungeheuer reiche Thätigkeit entfal-
tet, wie auf dem der Kantate. 5 Jahrgänge Kantaten —,
auf jeden Sonn- und Feiertag eine — von denen mindestens
266 in Leipzig geschrieben sind, hat er hinterlassen, alles
Werke, soweit wir sie kennen, von höchster Meisterschaft. Aber
nicht nur die kirchlichen Festtage verherrlichte der Meister
durch seine Kunst. Auch wo es im anherkirchlichen Leben
irgend etwas zu feiern gab, sei es ein Geburts- oder Namens-
tag im Fürstenhaus, eine Hochzeit, eine Festlichkeit an der
Universität oder der Thomasschule, — immer fand sich der
Kantor mit einer Komposition ein, und auch da bediente er sich
ausschließlich der bequemen Kantatenform. Bei diesen Ge-
legenheitsmusiken müssen wir unterscheiden zwischen Festkan-
taten, die von vornherein zur Aufführung in der Kirche be-
stimmt waren, und solchen, die nur der Form, nicht dem In-
halte nach, unkirchlich genannt werden können. Zu diesen bei-
den Gattungen kommen dann endlich die Kantaten mit aus-

Nus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Grotzherzog haben
dem Kirchenrcchner Landwirt Friedrich Hering in Woll-
bach die silberne Verdienstmedaille verliehen, dem Vorstand
des Forstamts Forbach I, Oberförster Rudolf 38 oll das
Forstamt Dcmaueschingcn und dem Forstassessor Wilhelm
Friedrich in Gernsbach das Forstamt Forbach I unter
Ernennung desselben zum Oberförster übertragen.
Karlsruhe, 21. Okt. Am Sonntag besuchten die
Höchsten Herrschaften den Gottesdienst in der Schloßkapelle
in Baden, welchen der Prälat v. Helbing abhielt. Heute
Vormittag reisten der Erbgroßherzog und die Erbgroß-
herzogin nach Koblenz, wo der Erbgroßherzog das General-
kommando des 8. Armeekorps wieder übernimmt. Der
Großherzog und die Großhcrzegin begaben sich heute Vor-
mittag nach Koburg zum Besuch der Schwester d:s Groß-
Herzogs, der verwitweten Herzogin Alexandrine von Sachsen-
Koburg und Gotha auf Schloß Kalenberg. Die Ankunft
dort wird heute Abend erfolgen. Die Großherzoglichen
Herrschaften gedenken bis zum Abend des 22. Oktober zu
verweilen und am Mittwoch den 23. vormittags wieder
auf Schloß Baden eintreffcn. Am Mittwoch Nachmittag
erwarten Ihre Königlichen Hoheiten die Ankunft des Kron-
prinzen und der Kronprinzessin von Schweden und Nor-
wegen auf Schloß Baden.

Ausland.
Rußland.
Warf ch a u, 20. Okt. Auf dem Mokotower Felde
meuterten die Soldaten eines ganzen Regi-
ments, weil trotz einer Beschwerde beim Oberst die Be-
köstigung sehr schlecht blieb. Die Soldaten schossen auf
die Offiziere, die Vorgehen wollten; ;ein Offizier wurde
schwer verletzt und ist gestorben. Die Rädelsführer sind
verhaftet.
Türkei.
— Nach einer Konstantinopeler Meldung der „Frkf.
Ztg." hat im Widerspruch mit seiner bisherigen Haltung
R nßland dem Prinzen Georg jetzt inKretafreie
Hand gelassen. Der Prinz und Generalgouverneur
wird gleich nach seiner Rückkehr die Nationalversamm-
lung einberufen, die dann mit seiner Zustimmung die
Annexion an Griechenland beschließen wird.
Was Rußlands Haltung geändert hat, ist unbekannt.
Frankreich und Italien werden keine Schwierigkeiten
machen. Englands Stellung ist noch ungewiß.
Afrika.
— Die „Central News" in Kapstadt bringt folgende
Mitteilung: Vor einigen Tagen wurde gemeldet, ein
kleines B u r e n k o mm an d o sei zwei Stunden weit
von der S a I d a n h a - B a i, 65 englische Meilen von
Kapstadt, an der Westküste an gekommen. Den
Danipfern, die vorbeikamen, wurde signalisiert, nahe
an die Küste zu kommen, und viele erschreckte Einwohner
nahmen auf ihnen Zuflucht. Die Dampfer dampften
dann auf See hinaus und gerade, wie sie um die Land-
zunge herumgefahren waren, kam eine Anzahl Buren
herangaloppiert und feuerte auf sie. Der Dampfer
signalisierte dann einem in der Nähe befindlichen Ka-
nonenboote, das unter Volldampf schnell in Schußweite
kam und das Feuer eröffnete. Sobald der erste Schuß
fiel, zerstreuten sich die Buren und verschwanden.

schließlich weltlichem Inhalt, deren Stoffe und Personen
meist der antiken Mythologie entnommen sind. Die letzteren
Werke gehören fast alle der (sog. „dramatischen Kammer
musik" an. Von einer dramatischen Handlung oder Ent--
Wickelung ist in ihnen aber kaum die Rede. Gewöhnlich liegt
ihnen eine Situation redend auftretender Personen zugrunde,
die ihren Gefühlen in einer Folge von Rccitativen und Arien
Luft, machen, und zwar in der geschraubt-pathetischen, für
uns ganz ungenießbaren Sprache der damaligen Poesie. An
die albernsten Texte hat Bach oft die herrlichste Musik ver-
schwendet. Eine mehr volkstümliche, allerdings oft recht derb-
kräftige Sprache, führen im Gegensatz zu jenen akademischen
Poesicprodukten, die „Kaffee-" und die vom vorigen Winter
her wohlbekannte „Bauernkantate", die beiden einzigen, wirk-
lich komischen Kantaten, denen höchstens noch „der Streit
zwischen Phöbus und Pan" beigezählt werden kann, der jedoch
mehr satirischen Charakter trägt.
Bachs ernster Geist war von Natur dem Großen und Erha-
benen zugewandt. Aber die Töne weltlicher Lust und launigen
Scherzes standen ihm ebenso zu Gebote wie die frommer
Gottesfurcht. Er war fröhlich mit den Fröhlichen und be-
wahrte sich ein offenes Auge für die heiteren und komischen
Seiten des alltäglichen Lebens, wie sie in den beiden komischen
Kantaten persiffliert sind.
Die Verhältnisse des gewöhnlichen Lebens sathrisch zu be-
handeln, war zur Zeit Bachs nichts seltenes. Vor allem war
neben dem „Toback" — ich erinnere an Bachs drolliges Lied:
„Gedanken eines Tabakrauchers" -— der Kaffee, der im 17.
Jahrhundert in den wohlhabenden Kreisen eine rasche Ver-
breitung fand, die bequeme Zielscheibe des allgemeinen Witzes.
Schon 1703 wird in einer in Paris erschienenen Kantaten-
sammlung der Kaffee besungen und fortan werden die Kaffee-
lieder immer zahlreicher, die vor allem die Vorliebe des schö-
nen Geschlechts für den braunen Trank verspotten. Leipzig
zeigte eine besondere Vorliebe für das neue Genuhmittel.
1697 versuchte zwar der Rat, die „ungebührlichen Thee- und
Kaffeeschenken" einzuziehe». Aber bereits 1725 hatte die Stadt
 
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