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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150 - 176 (1. Juli 1901 - 31. Juli 1901)
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Freitag, 26. Juli 1901.


43. Jahrgang. — Ir. 172.


^scheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 5V Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post bk»
^ zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
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^ der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. — Fernsprcch-Anschluß Nr. 82.

Chronik.
> , (Vom 7. bis zum 20. Juli.)
^ulj tz,. Prinz Eitel Fritz wild zum aktiven Dienst in das
1. Gardercgimcut zu Fuß eingestellt. Der Kaiser
übergibt den Prinzen dem Regiment mit einer An-
sprache.
» 7.: Die N i ch t b e st ä t i g u n g des zum Bürgermeister
von Berlin erwähl!cn StadtratesKauffmann erregt
einiges Aufsehen.
» 0-: Eine marokkanische Gesandtschaft ist in
Berlin eingciroffcn und hat eine Audienz beim
Kaiser.
- 11.: Die Leiche des früheren Reichskanzlers, Fürsten
Hohenlohe, wird in Schillingsfürst beigesctzt.
- 12.: Prinz Chun, der chinesische Sühnegesandte, tritt von
Peking aus die Reise nach Deutschland an.
» 14.: In G o t h a ist ein sozialdemokratisches Arbeitersekre-
tariat staatlich subveotirniert worden.
» 15.: Aus dem zur Türkei gehörigen Altserbien kommen
Nachrichten über eine dort herrschende bedenkliche Wäh-
rung.
" 16.: Ans den französischen Arbcitsminister Baud in wird
von einer Frau Olszewski ein Revolver schuß
abgegeben. Der Münster bleibt unverletzt. Die Allen»
lälerin behauptet, daß die Regierung ihrem Mann er-
hebliche Summen schulde.
' 17.: Der „Sluttg. Beob." veröffentlicht die Zollsätze
für Getreide und Bieh in dem Zolltarifentwnrf. Man
hält sie für authentisch Es ist ein Doppeltarif, der
bei Getreide eine wesentliche, beim Vieh eine starke
Zollcrhöhung zeigt.
-- 17.: Ein po l n i s ch e s Blatt bezeichnet das Zentrum
als den Haushund, den man prügelt, wenn er
unnütz ist, den man aber nicht forijagt, solange man
keinen bessern hat.
" 17.; In S a ra g o s sa findet ein starker Zusammenstoß
zwischen Klerikalen und Freidenkern anläßlich einer
Prozession statt.
" 18.: Die Vorbereitungen zu den L andtag s w a h l cn in
Baden kommen allmählich in Gang. Eine drastische
Illustration der indirekten Wahl ist es, daß die Notizen
in d.n Blättern fast ausschließlich sich um die Namen
der Landtagskandidaten drehen.
" 19.: Die Engländer haben mit der provisorischen B u-
renregicrung des Oranjcfceistaates zugleich amt-
liche Korrespondenzen abgcfaugen, aus denen hervor-
geht, daß vor Monaten die Transvoalregierung stark
entmutigt war. Inzwischen haben die Buren wieder
mancherlei kleine Erfolge erzielt und die Engländer
des Krieges schon sehr überdrüssig.
Deutsches Reich.
Zur Vorgeschichte des Rücktritts des staats-
sis^ärs des Reichslandes v. Pnttkamer teilen die „B.
hlM." dM zwischen Puttkamer^und dem Berliner
schon seit längerer Zeit eine Spannung bestand,
iihp nrrsacht wurde durch eine s. Zt. vom elsaß-lothringii-
M ^ Landesausschuß abgelehnte Forderung von 60 000
für die Erbauung eines kaiserlichen Jagdschlosses
ivx^^aß. Ob auch Statthalter Fürst Hohenlohe gehen
>,i!p müsse abgewartet werden. Die „B. N. N." mei-
' Zqß eine Kandidatur des Grafen W.a Übersee
^en Statthalterposten viel für sich habe, während
xmndidatur des F ü r st e n E n l e n b u r g weniger
"M)ast erscheine.
ih-Die rheinischen Bauernvereine bereiten eine Pe-
an den Bundesrat und den Reichstag vor, in
sie für die landwirtschaftlichen Produkte den
^^ltarif und erhöhte Zölle fordern.

Kleine Zeitung.
st« Z Speyer, 25. Juli. E i s e n b a h n u n f a l l.
A^Mte Nacht 1 llhr 38 Min. der aus drei Wagen
Lnxuszug nach der Riviera die Station
dp,. Ar passierte, entgleiste der Schlafwagen,

^hauptsächlich mit Damen besetzt war. Die Reisenden

mit dem Schrecken davon, doch ist der Mate-
^aden bedeutend. Der Luxuszug, der neu zu-
M:^Ugefttzt werden mußte, setzte seine Fahrt mit er-
Verspätung fort. Uni drei Uhr traf in Speyer
^h^mazug mit Arbeitern aus Ludwigshafen zur Vor-
Aufräumungsarbeiten ein. —^ Wie von
A dp^Sinte gemeldet wird, entgleiste der Schlafwagen
tflst ^.Kreuzung bei der Baumwollspinnerei. Er wurde
noch 200 Meter weiter geschleppt,
^Z'IAe zum stehen gebracht werden konnte.
Strasibnrg, 24. Juli, lieber eine seltene
Mh^chtssitznng berichten hiesige Blätter aus
In' Mosel. Auf dem Armsünderbänkchen erschien
)?>g^mnn von exotischem Aussehen: breites, fast vier-
.Besicht, vorstehende Backenknochen, enggeschlitzte
Ngem' rin wirklicher Indianer, wenn auch nicht
ß"ck mit indianischem Federschmuck, sondern mit
ch Hose wie ein Europäer. „Wie alt sind Sie?"
."er Richter. „Ich weiß nicht, Herr Richter, ich
chder Vater noch Mutter gekannt, weiß auch nicht,
Äpp.. geboren bin." „Welche Religion haben Sie?"
„Was für ein Geschäft haben Sie?" „Ich
z^eich^das die Leute mich heißen, und wenn ich keine

e,

je trotte."
werden.

Die Verhandlung mußte fran-
„Sprechen Sie auch deutsch?"

—- Amtliche Berichte stellen die überaus günstige
Entwickelung im Süden von Dcutsch-Ostafrika, besonders
in Ktlwar und Lindi fest.
— Nach Mitteilungen der „Tägl. Rundschau" ist Dr.
Karl Peters, der am Sambesi Forschungsreisen unternom-
men hat, sicher, in dem von ihm bereisten Land Punt das
alte Ophir entdeckt zu haben, auch soll er einige wichtige
cgyptische Funde gemacht haben.
Baden.
— In Sasb ach bei Achern besteht seit Jahren
eine von dem Geistlichen Rat Lender errichtete und
geleitete Privatschule, in der Knaben zum Ein-
tritt in ein Gymnasium vorbereitet werden. Der dies-
jährige Jahresbericht kündigt eine Erweiterung an, in-
dem mit Beginn des neuen Schuljahres von den be-
stehenden Klassen mit Gymnasiallehrplan eine Real-
abteilung abgezweigt wird. Der „Bad. Beob." be-
grüßt diesen Schritt mit großer Genugthuung, denn er
erwartet, der Zugang von Katholiken zu den Berufsarten
mit realistischer Vorbildung werde sich dadurch heben.
Insbesondere sei dies nötig bei den Abiturienten, die sich
dem Bau- und Jngenieurfach oder der Chemie zu-
wandten; hier standen (in Baden) 54 Protestanten nur
22 Katholiken gegenüber. Man möge daher brave, ta-
lentvolle Knaben, die zu Hause eine entsprechende Aus-
bildung nicht erhalten können, nach Sasbach senden.
LO P f o r z h e i m, 24. Juli. In den beiden Wahl-
bezirken Pforzheim-Stadt und Pforzheim-Land entfaltet
die sozialdemokratische Partei eine außerordentlich rüh-
rige Thätigkeit. Zahlreiche Arbeiter erwerben, um wahl-
fähig zu werden, das badische Staatsbürgerrecht und der
sozialdemokratische Kandidat sür Pforzheim-Land, Re-
dakteur Eichhorn aus Mannheim hat bereits in mehreren
Orten des Bezirks Wahlversammlungen abgehalten. Es
bedarf seitens der natlib. Partei der größten An-
strengung, um den sozialdemokratischen Ansturm abzu-
wehren. Bei der letzten Landtagswahl im Jahre 1897
erhielt in Pforzheim der natlib. Kandidat Wittum 91,
der Sozialist Geck73 Stimmen. Im Landbezirk erhielt
Frank (natlib.) 105, der Sozialdemokrat Länder 56
Stimmen. Ter bedeutende Stimmenzuwachs, aus den
die Sozialdemokratie bei der bevorstehenden Wahl zwei-
fellos rechnen darf, wird für die Nationalliberalen eini-
germaßen dadurch ausgeglichen, daß diesmal die kon-
servative und freisinnige Partei geschlossen für sie ein-
treten.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Expeditionsassistent Ludwig Knth in Radolfzell wurde
nach Offenburg, Expeditionsassistent Adam Ruprecht in
Mannheim nach Graben-Neudorf versetzt.
— Die mit Verfügung vom 28. Juni d. I. ausgesprochene
Versetzung des Expeditionsassistenten David Bechtold in Mann-
heim nach Graben-Neudorf wurde wieder zurückgenommcn.
— Staatliche F i s ch b r u t a n st a I t e n am
Vodenssc. Aus den staatlichen Fischbrutanstalten
Ueberlingen und Radolfzell gelangten in den drei letzten
Jahren insgesamt ?i/2 Millionen Stück erbrüteter Fische
zum Einsatz in den See, und zwar: 5 000 000 Sand-
und Weißselchen, 1 600 000 Gangfische, 640 000 Blan-
felchen, 130 000 Seiblinge und Aeschen, sowie 130 000
Hechte.

fragte der Richter. „Ein klein bisken", entgegnete der
Angeklagte, und dann: „Herr Richter, sprechen Sie in-
dianisch?" Großes Gelächter. Dem Indianer wird
Bettelei zur Last gelegt, wogegen er sich jedoch mit stolz
verwahrt. Das Gericht gibt dem armen Vagabunden
zwei Tage Haft, die aber durch die Untersuchungshaft
verbüßt sind. „Was machen Sie jetzt?" fragte der
Richter noch. „Je trotte, monsieur le juge", ist die Ant-
wort des freien Sohnes' der amerikanischen Erde.
— Bayreuth, 24. Juli. Auf Veranlassung der Frau
Wagner waren an alle noch lebenden Künstler und
Künstlerinnen, welche an den ersten Festspielen im
Jahre 1876 beteiligt waren, Einladungen ergangen.
Die meisten sind diesen Einladungen gefolgt und hierher
gekommen. Heute Mittag fand ein Iub il ä um s b a n k et t
statt. An demselben nahmen u. A. Albert Niemann, Eugen
Gura, Frau Matcrna sow''e sieben Orchcstermitglüdcr mit
Hans Richter an der Spitze, teil. Bei dem Festessen, zu
dem auch zahlreiche andere Sängerinnen und Sänger er-
schienen waren, hielten Siegfried Wagner und Haus Richter
Ansprachen.
— Die vom Deutschen Geographentag eingesetzte
Kommission hat gelegentlich der Breslauer Tagung
des letzteren einen Preis von mindestens 600 Mark be-
stimmt für die beste, nicht bloß auf gedrucktem Ouellen-
stoff fußende Beantwortung der Frage: Welche Strom-
laufverändernngen hat der Niederrhein zwischen Bonn
und Kleve in geschichtlichen Zeiten erfahren, und wie ha-
ben dieselben ans die Siedelnngen eingewirkt? Die
Bearbeitungen sind bis spätestens ausgangs des Jahres
1902 air den derzeitigen Vorsitzenden der Kommission,
Prof. Kirchhofs in Halle a. d. S., einzusenden.

Ausland.
Rußland.
St. Petersburg, 25. Juli. Gestern entstand
hier aus der Gutujew-Jnsel Großfeuer, welches
ein großes Lager von Harz, Sandelholz und anderen
Waren von sehr bedeutendem Werte zerstörte. — Der
Kommandant der „Charlotte" entsandte gestern sofort
nach Ausbruch des Feuers bevor ausreichende Löschhilfe
durch Feuerwehren zur Stelle war, ein Feuerlösch-
kommando von 120 Mann. Dasselbe arbeitete un-
unterbrochen von halb 12 Uhr mittags bis 6 Uhr
abends. Nach einer amtlichen Erklärung ist es in
erster Linie der Wirksamkeit des deutschen Lösch-
kommandos zu danken, daß das Feuer auf
seinen Herd beschränkt blieb und zahlreiche Zoll-
niederlagengebände gerettet wurden. — Das Groß-
sürstenpaar Wladimir stattete gestern gegen 6 Uhr
abends mit den Großfürsten Kyrill, Boris und Andrew
dem Prinzen Adalbert an Bord der „Charlotte"
einen Besuch ab. Später folgten der deutsche Botschafter
mit Gemahlin, die Mitglieder der deutschen Botschaft,
derbayerischeGesandte, der deutsche Generalkonsul und die
Spitzen der deutschen Kolonie einer Einladung des Kom-
mandanten der „Charlotte" znm Diner. — Nachdem
Prinz Adalbert sich heute Vormittag bei dem Kaiser
als mit dem Andreasorden dekoriert gemeldet und dem
deutschen Botschafter einen Besuch abgestattet hatte, lich-
tete die „Charlotte" um 11 Uhr unter den Klängen der
russischen Nationalhymne und den lebhaften Zu-
rufen der ans dem Newaqnai versammelten Menge
die Anker.
Afrika.
— Das von der englischen Presse angekündigte
neue system in der Kriegfüh r n n g gegen die
Buren besteht darin, daß Kitchener das schon von Lord
Roberts versuchte System der dauernden Be-
in a ch u n g in verbesserter Gestalt wieder ausnehmen
will. Er teilt den ganzen Kriegsschauplatz in kleine
Militärbezirke unter je einem energischen 'Of-
fizier und errichtet durch diese Bezirke hinBlockhän -
s e r mit kleinen Posten, die untereinander Verbindung
halten und einen ihnen Angewiesenen Geländeabschnitt
abpatronillieren. Begonnen hat er mit dieser Methode
zuerst an den Eisenbahnen. Es ist jetzt zum Beispiel an
der Delagoaeijsenbahn eine Kette kleiner Blockhäussr
in Zwischenräumen von etwa 3 Kilometer ausgeführt,
die den Buren das Ueberschreiten der Linie höchstens
noch bei Nacht gestattet. Man hat alles mögliche gethan
um die Blockhäuser zu sichern. Man hat sie mit Draht
eingezäunt und die Drähte mit teeren Blechbüchsen be-
hängt, die im Falle eines nächtlichen Ueberfalls beim Zer-
schneiden der Drähte den Posten automatisch alamieren.
Außerdem hat man in den Zwischenräumen zwischen den
Blockhäusern in Khaki gekleidete Strohmänner ausge-
stellt, die bei Nacht von wirklichen Posten ans größerer
Entfernung kaum zu unterscheiden sind und daher ge-
eignet sind, die Buren zu täuschen. Auch im Innern
des Landes ist mit der Durchführung des Blockhaus-
systems bereits begonnen worden. Nach einer Times-
meldnng ist der Commandonek in den Magaliesbergen
mit dem südlich gelegenen Krügersdorp durch eine solche
Blockhänserkette verbunden, lind eine andere Kette ist
von Middelburg nach standerton, also quer durch das

— Basel, 25. Juli. Der e l s ä s s e r P e r s o n e n -
zng 216, der 2 llhr 43 Min, von Basel abgeht, ent-
gleiste beim Güterbahnhof von St. Johann. 2 Per-
sonen sind tot, 3 verwundet.
— Zürich, 24 Juli. Der junge Opernsänger Wur-
ter aus Trient verirrte sich am Sonntag Abend beim Ab-
stieg vom Faulhorn über Schynige Platte-Breitlanenen,
wobei er aus schmalen Felsbändern hinab bis auf
Schwendisluh gelangte. Hier stürzte er etwa 15
Meter tief ab und blieb ans einer Terrasse liegen, da er
an einer kleinen Tanne Halt fand. Ein Wciterkommen
war unmöglich. Wurter zündete daher ein Notsener an,
das in Gsteigwy'ler bemerkt wurde. Noch in der Nacht
brach eine Rettungskolonne von 19 Mann auf, der nach
schwieriger Arbeit das Rettungswerk gelang. Zwei
Männer mußten an Seiten tief herabgelassen werden.
Der Verunglückte, der merkwürdigerweise keine gefähr-
lichen Verletzungen davongetragen hatte, wurde ins Kur-
haus Breitlanenen gebracht.
— Wien, 20. Juli. „Verliebt — verlobt —
verhaftet — verziehen!", könnte man einen kleinen,
unglaublich klingenden, Roman kapitelweise übcrschreiben,
den Wiener Blätter nach dem Leben zeichnen. Ein In-
genieur aus Berlin lernte ein Mädchen auf einer Eiscn-
bahrttahrt kennen ; mit Schnellzugsgcschwindigkeit verliebten
sich die Beiden ineinander, mit Blitzzugschnelligkcit Verlobten
sie sich auch. Kaum verlobt, übergab das Blitzmädel dem
Verlobten drcizehntausend Mark. In Wien angekommen,
mietete das Paar eine Privatwohnung. Die wilden Rosen-
fesseln aber drückten den Ingenieur, und er verließ die Huldin,
um sich im Prater zu amüsieren. Die verlassene Ariadne
meldete den Bräutigam als „abgängig" bei der Polizei,
 
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