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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 229 - 255 (1. Oktober 1901 - 31. Oktober 1901)
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Donnerstag, 1V. Oktober 1901.

Erstes Blatt.

43. Jahrgang. — k. 237.



Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen- — Preis mit Familienblättern monatlich SV Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-
zogen vierteljährlich 1.3S Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Pfg. die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
vorgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Oberbürgermeister Kirschner und Stadtbaurat
Hoffmann beim Kaiser.
Die Fahrt der beiden Herren nach Hubertusstock ist
«er eigensten Initiative des Kaisers zu danken. Von
Herrn Kirschner war nicht der geringste Versuch mehr
gemacht worden, eine Audienz beim Kaiser zu erlangen.
Zöllig unvermutet traf nun Montag Nachmittag im
Berliner Rathause ein an den Oberbürgermeister gerich-
tetes Telegramm ein, in welchem Herr von Lukanus
vn Auftrags des Kaisers Herrn Kirschner und Stadt-
baurat Hoffmann ersucht, „in Angelegenheit der städti-
schen Bauten" Dienstag Vormittag nach Hubertusstock zu
kommen. Es kann als ein seltsamer Zufall betrachtet
werden, daß die Depesche dem Oberbürgermeister wenige
Dkinuten nach der außerordentlichen Konferenz zugestellt
kvurde, dis Kirschner zusammenberufen hatte, um die
abermalige Nichtbestätigung Kauffmanns dem Magistrat
bekannt zu geben. Der Empfang selbst gestaltete sich,
b>ie schon erwähnt, überaus gnädig, und nach dem
Empfang zog der Kaiser die beiden Herren zur Tafel.
Wenn auch die aktuelle Frage des Märchenbrunnens
sn der Unterredung einen breiten Raum einnahm, so
beschränkte sich der Monarch keineswegs auf dieses Werk,
sämtliche große Bauten, die von der Stadt teils bereits
jn Angriff genommen, teils in den Projekten fertig
kknd, wurden besprochen. Dabei zeigte der Monarch,
?aß er den Modellen, die er auf der Architektur-Aus-
Üellung der Stadt Berlin gesehen, sein vollstes Anteresse
^gewandt hatte. Aber die Unterhaltung beschränkte sich
^icht nur auf die weitere bauliche Entwickelung der Reichs-
bauptstadt. Wie aus bester Quelle mitgeteilt werden kann,
Wurden alle Fragen berührt, die seit einiger Zeit die
Gemüter der Berliner Bevölkerung wegen ihrer außer-
ordentlichen lokalen Bedeutung beschäftigen, so Laß so-
wohl die Bürgermeisterwahl wie die Angelegenheit der
^inden-Ueberführung in den Kreis der Erörterungen
bezogen wurden.
. Sobald Oberbürgermeister Kirschner dem Magistrats-
Kollegium über die Audienz Mitteilung gemacht haben
Mrd, ist ein amtlicher Bericht hierüber auch für die
^effentlichkeit zu erwarten, dem allseitig mit Spannung
^Utgegengesehen werden dürfte.
T>er König von Italien als Friedenssreund.
^ Mailand, 8. Okt. Hier empfing König
Wiktor Emanuel den Chefredakteur des Mai-
Mder „Secolo", Moneta, in dessen Eigenschaft als
Erstand der lombardischen Friedens-Gesell-
ch a s t. Moneta überreichte dem Könige eine Petition,
Mlche die Herabsetzung der Militär-Dienstzeit und die
Umwandlung der ständigen Armee in ein Volksheer fom
A.rt. Im Laufe des Gesprächs drückte der König
!Anen Abscheu vor dem Kriege und rühmte
Ae Verdienste des Zaren um die Haager Friedens-Kon-
Arenz. Er hob ferner hervor, daß an Stelle des Kriel
immer mehr die Tendenz zur Regelung von Diffe-
^Nzen durch internationale Vereinbarungen trete, wie
beispielsweise bei der Kretafrage geschehen sei. An-
Aßlich der China-Frage erwähnte der König namentlich
"os versöhnliche Vorgehen des Grafen Waldersee
Ach bemerkte nebenbei, er sei überzeugt, daß China die
lchtschädigung bezahlen werde. Zum Schluß gab er zu,
^ sei allerdings wünschenswert, daß die militärische
Ziehung der Jugend früher einsetze, was dann auch

Kleir-e Zeitung.
— Leipzig, 8. Okt. Der bisherige Vorsitzende des
Amtlichen Bezirksvereins Leipzig, Sanitätsrat Dr.
r- i nze, hat, der „Leipz. Ztg." zufolge, die vom d eutj-
Lben Aerztevereinsbunde neugeschafsene
^kellmig eines besoldeten B u n d e s s e k r e t ä r s mit
dM Wohnsitze in Berlin angenommen.
Berlin, 7. Okt. Nach hier eingegangenen Näch-
sten hat ein Offizier des Schulschiffs „Moltke", Ka-
,'mnlentnant Jacobi, bei den Capverdischen Inseln sei-
Leben freiwillig ein Ende gemacht.
H — Ein Ketten- und Handschcllcnkvnig, namens
A°ftdini aus Amerika ist ausgetaucht und leistet ganz
tzAaunliches als Fesselkünstler. In allen größeren
nchdten, wo derselbe sich zeigte, hat er das größte Auf-
Mn erregt, insbesondere bei dem Polizeipräsidium in
Msin, sowie bei den Kriminal-Behörden anderer Städte.
Ichselben haben alle möglichen Fesselungen mit Fuß-
jAA Handschellen, sowie mit Schlössern und Zwangs-
sMn vorgenommsn und Houdini hat sich aller Fesseln
A kürzester Zeit entledigt, ohne dabei Gewalt anzüwen-
oder die Fessel zu verletzen. Alle Behörden stehen
heute vor einem Rätsel.
ty ^ Budapest, 9. Okt. Wie der „Pesti Naplo" meldet,
s>s"Ae in der Nähe von Hatszeg ein P ostwagen auf
^ zur Eisenbahn führenden Landstraße ausge-«
kn bt. Geraubt wurden 18 000 Mk. Bargeld und 30
ih beschriebene Briese. Der Kutscher des Postwagens
'Ae als mitverdächtig verhaftet.
H Innsbruck, 8. Okt. Zwei hiesige ausgezeichnete
HgAmiiristen, in den zwanziger Jahren stehend, der
"oesbeamte Melzer und der Bauzeichner Spoetl.

eine Verkürzung der späteren Dienstzeit gestatten würde.
In der That hätten die Buren wegen ihrer Tapferkeit
und Thätigkeit als früh geübte Schützen seine Bewun-
derung.
Deutsches Reich.
— Die Klagen über — man könnte fast sagen
die Mißstimmung gegen — die Gerichte, manchmal über-
trieben, manchmal mißverständlich, jedenfalls aber in
den letzten Jahren häufiger zum Ausdruck gelangend,
als jemals früher, sind von der Presse oft aus ihren
Ursprung hin geprüft worden. Noch unlängst bep
zeichnete ein richterlicher Mitarbeiter der „Straßb. Post"
in einer ebenso gründlichen als sachverständigen
Abhandlung die „Thatsache, daß so viele Ur-
teile der gelehrten Gerichte dem gesun-
den Volksempfinden nicht entspreche n",
als den Urgrund des Uebels. Hieran mußten wir heute
lebhaft denken, als wir — in der „Köln. Ztg." — den
nachstehenden Bericht aus Weißenfels in der Provinz
Sachsen lasen: „Wegen Zigarrendiebstahls
stand ein hiesiger Rentner, ein 8 3 j ä h r i g e r mehr-
facher Millionär, vor dem Schöffenge-
richt. Man hatte beobachtet, wie er in einer hiesigen
Wirtschaft sein Glas Bier stets mit einem Zwanzigmark-
stück bezahlte und wenn der Wirt sich entfernte, um
Kleingeld zum Wechseln zu holen, aus einer offen aus
dem Schänktisch stehenden Zigarrenkiste mehrere Zigarren
nahm, um sie rasch in der Rocktasche verschwinden zu
lassen. Das Urteil sagt, auf Grund der eidlichen Zeu-
genaussagen stehe fest, daß der Angeklagte Zigarren
entwendet habe, doch habe die Anklage wegen Dieb-
stahls fallen gelassen werden müssen, da nicht genau er-
mittelt werden konnte, wie viele Zigarren aus der Kiste
genommen worden waren; möglich sei, daß es nur soviel
gewesen, wie zum sofortigen Genuß verbraucht werden
konnten. Aber auch 8 370 des Reichsstrafgesetzbuches,
der wegen Mundraubs mit Geldstrafe bis zu 150 Mk>
denjenigen bedroht, der Genußmittel von geringem
Werte entwendet, konnte nicht in Anwendung kommen,
da kein entsprechender Strafantrag gestellt war. Nur
diesem Umstande verdankt es der Angeklagte, daß das
Gericht auf Freisprechung erkennen mußte, was
der Vorsitzende denn auch ausdrücklich hervorhob." Wir
haben selten ein Urteil gelesen, das uns so unbegreiflich
vorgekommen ist, wie dieses, denn es ist doch klar, daß
der Angeklagte das Einverständnis des Wirtes voraus-
setzen mußte, wenn er für 20 Mark zu einem Glas Bier
auch noch ein Par Zigarren nahm.
— Fürst L e o p o l d von Hohenzollern-
Sigmaringen, dessen spanische Thronkandidatur
im Jahre 1870 den Anlaß zur Entfachung der fran-
zösischen Kriegsgelüste gab, begeht, den „Berl. Neuest.
Nachr." zufolge, am 18. d. M. sein fünfzig-
jährigesmilitärischesDienstjnbiläum.
— Nachdem der bisherige Unterstaatssekrctär im Reichs-
postamte, Flitsch, der bereits seit Anfang Mai beurlaubt
war, unter Verleihung des Charakters als wirklicher Geh.
Rat in den Ruhestand versetzt worden ist, ist der Direktor
der zweiten Abteilung des Reichspostamts, Sydow, zum
Unter st aatssekretär, und der Geh. Oberpostrat Pres-
se! zum Direktor im Rcichspostamt ernannt worden.
— Der Streit zwischen den Polen und dem Zen-

trum in Oberschlesien dauert trotz der Beschwichti-
gungsversuche der besonneren Elementein beiden Lagern in
unverminderter Schärfe fort. Von polnischen Heißspornen
ist, wie erinnerlich, die Drohung ausgesprochen worden,
daß man dem Zentrum 16 Mandate entreißen
werde. Das Zentrum gab sich nun den Anschein, als
könne es an den Ernst dieser Drohung nicht recht glauben;
in einigen Zentrumsblättern macht sich aber doch jetzt un-
verkennbar eine gewisse Nervosität bemerkbar. Ein west-
preußisches Zentrumsblatt hält den Polen entgegen, daß
das Zentrum schon bei der letzten Wahl „leider — des
lieben Friedens halber — im mancher Hinsicht schon viel
zu viel nachgegeben hat, sogar mehr, als es eigentlich
seinen deutschen Wählern gegenüber verantworten kann",
und fährt alsdann fort: „Das Zentrum darf sich aber
keineswegs von den Polen majorisieren und zu deren
Vasall Herabdrücken lassen.
Baden.
— Eigenartig liegt nach dem „Beob." ein Fall, der
ber der Wahl m Frerburg vorgekommen ist. Zur nicht
geringen Ueberraschung der Wahlkommission eines Dist-
riktes kam der erste Wähler, der nach EmPfÜng der amt-
lich abgestempelten Wahl-Kouverte den Jsolierraum be-
treten hatte, sofort wieder heraus und eröffnete der
Kommission: „Da steckt ja schon ein Zettel
d'rin." Die Sache verhielt sich richtig so. Es war
em Wahlvorschlag von Grötzingen (Durlach).
Nunmehr sah die Kommission sämtliche Kouverten durch
und fand zehn, in welchen Grötzinger Wahlzettel lagen.
Wie sind diese Wahlzettel in die Kouverten gekommen?!
Bekanntlich werden die Wahlkouverten vom Ministerium
des Innern auf Kosten der Staatskasse gestellt. Die
übrig gebliebenen Kouverten müssen wieder abgeliefert
werden. Nach Freiburg kamen nun offenbar Kouverten,
die vor vier Jahren in Grötzingen waren. So viel
dürste absolut sicher sein. Damit ist nun aber die Frage
noch nicht beantwortet, wie die Wahlzelle! in die Kou-
verten kamen. Eine ganz sichere Beantwortung ist
Wohl nur auf Grund einer amtlichen Untersuchung mög-
lich- „ ^
Karlsruhe, 9. Okt. Dem Vernehmen nach wird
der Landtag in der zweiten Hälfte des November zu-
sammentretcn. — Ker Badisch eLandwirtschaftsrat
wird zum 14. November berufen werden. Bis jetzt sind, wie
wir erfahren, für die diesjährige Tagung des Landwirt-
schastsrats folgende Beratungsgcgenstände in Aussicht ge-
nommen : Der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Land-
wirtschastskammer, Denkschriften über die Förderung der
Pferde , Schweine- und Geflügelzucht, Vorschläge des
Ministeriums des Innern zur Förderung des Molkerei-
wesens, die Veranstaltung von Hopfen- und Braugerste-
ausstellungen, die zur Förderung des genossenschaftlichen
Getreidcabsatzes in Aussicht genommenen Maßnahmen,
Grundbcstimmungen für die Gewährung staatlicher Beihilfen
zur Abhaltung von Gauausstcllungen, Viehhandcl nach
Lebendgewicht, eine Denkschrift über den Verkehr mit Milch,
der Entwurf einer Verordnung über den zweckmäßigen Handel
mit Pferden und Rindvieh, der Antrag der Direktion des
Landwirtschaftlichen Vereins Schönau: „Die zwangsweise
Verbesserung der Schwarzwaidweiden betreffend."

unternahmen am Sonntag, wo es im Hochgebirge stürmte
nnd schneite, die Erstbesteigung der Ostwand der Jäger-
karspitze im Karwendlgebirg östlich von Scharnitz. Da
sie nicht zurückkehrten, gingen von hier drei Rettungs-
expeditionen aus. Heute Nachmittag meldet ein Tele-
gramm, daß Melzer tot aufgesunden wurde. Nach der
Leiche Spoetls wird noch gesucht.
— Der neue Beobachter ans der ZngspiHc. Als
Nachfolger des Herrn Enzensperger wurde Herr Va-
lentin Heinrich aus Garmisch ernannt. Derselbe wird
in den nächsten Tagen seinen hohen Posten antreten und
den Winter hindurch, wie sein Vorgänger, die wissen-
schaftlichen Beobachtungen im Observatorium machen.
Der ncuernannte Beobacher hat sich vorläufig bis 1.
Oktober nächsten Jahres verpflichtet.
— Nansen nnd Patzer. Einen Gegenstand der eif-
rigen Diskussion bildete seinerzeit die Erklärung Nan-
sens, daß die von Payer ans der österreichischen Nord-
polexpedition entworfene Karte in manchen Teilen un-
richtig sei, da er manche Angaben von Landstrecken nicht
habe auffinden können. Jetzt hat, wie das „W. F." mel-
det, der Astronom Geelmuyden aufgrund umfassender
Berechnungen festgestellt, daß die höchste von Nansen
erreichte Breite nicht 86 Grad 14 Minuten betragen habe,
wie Nansen angenommen, sondern nur 86 Grad 4 Mi- .
nuten, also zehn Seemeilen weniger. Der Engländer
Plumsteed hat kürzlich unabhängig hievon nachgewie-
sen, daß Nansen betreffs der geographischen Länge einem
noch beträchtlicheren Irrtum nämlich um 7 Grad unter-
legen ist. Die Ursache dieser falschen Berechnung Nan-
sens beruht darauf, wie Plumsteed bemerkt, daß Nan-
sens Chronometer stehen blieb und er hiedurch in der

Zeitberechnung Fehlschüsse machte. Nansen konnte die
von Payer bezeichneten Orte deshalb nicht finden, weil
er sie an falscher Stelle suchte. Immerhin ist es wichtig,
festzustellen, meint Plumsteed, daß bis heute kein Grund
vorliegt, an der Richtigkeit der von Payer skizzierten
Karte zu zweifeln.
— Znm Sammeln von Vogelfntter für den Winter
wird geschrieben: Kürbis!- und Gurkenkerne werden
häufig als wertlos weggeworfen; Hollunder- und Vo-
gelbeeren fallen ab und werden zertreten, Sonnenrosen-
kerne werden von den Meisen jetzt schon in der Zeit des
Ueberflusses aus den Blütenkörben gepickt. Wer daher
im nächsten Winter einen Futterplatz für Vögel ein-
richten will, der sammle jetzt Kürbis- und Gurkenkerne,
trockene Hollunder- und Vogelbeeren und bedecke die
Blütenkörbe der Sonnenrosen mit einem Stück alter
Gardine oder bestecke sie mit Federn. Aus dem Futter-
platz werden auch in Stückchen geschnittene Hagebutten
gern genommen.

Für andre fürchten und für andre sorgen,
Statt andrer leiden nnd unglücklich sein,
Den bittern Kelch, den ihren Lieben strafend
Das Schicksal vollgegossen, heimlich leeren
Und schweigen, — ja statt andrer selber sterben:
Das kann ein edieS, zartgesinntes Weib!
Leopold Schefer-
H *
-i«
Der Schneeball und das böse Wort,
Sie wachsen, wie sie rollen fort.
Ein' Handvoll wirf znr Tbür hinaus:
Ein Berg wird's vor des Nachbars Hans.
W. Müller.
 
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