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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 177 - 203 (1. August 1901 - 31. August 1901)
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Freitag, 30. August 1901

43. JchMyg. — Hr. 202.



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I Der neue Kulturkampf.
Auf dem Katholikentag in Osnabrück ist der neue
Kulturkampf ausgernfen worden. Man spricht im
Zentrum schon sehr lange von ihm, ans den 70er Jahren
rührt das Wort Windthorsts her: ans den Kampf uni
die Kirche wird der Kampf um die Schule folgen. In
diesem Worte ist das Wesen des neuen Kulturkampfes
schon gekennzeichnet: es ist kein Kampf mit der Staats-
gewalt, denn die Staatsgewalt hat in der Vormacht
Deutschlands in Preußen, längst den Rückzug angetreten
und meidet jeden Kampf mit der katholischen Kirche ge-
flissentlich. Der neue .Kampf ist ein Kampf mit
der Wissenschaft. Die Wissenschaft soll kathost
lisiert, d. h. in die Glaubenssätze der katholischen Kirche
gepreßt werden.
Die Mobilmachung zu diesem Kampfe hat auf katho-
lischer Seite schon vor längerer Zeit begonnen. Wir
erinnern — um ein Beispiel aus Baden zu nehmen —
an die Wiedereinführung der Konvikte, in denen junge
Leute nicht nur für das Studium der Theologie, sondern
auch für andere Studien herangezogen werden. Wir
erinnern all die Sapienz in Freiburg, in der junge be-
gabte Geistliche weltliche Studien betreiben, um sich als
Kämpfer für die katholische Wissenschaft auszubilden.
Nach diesem System nun soll fortan im Großen ver-
fahren werden. Es wird dies in die Worte gekleidet,
daß die Katholiken den ihnen gebührenden Anteil an der
Wissenschaft erringen sollen. Im Hintergrund steht
Pie freie katholische Universität, die als Konkurrenz der
staatlichen Universitäten gedacht ist.
Der deutsche wissenschaftliche Geist, der die Freiheit
der Wissenschaft hoch hält, geht da einem schweren Kampfe
entgegen, darüber darf man sich nicht täuschen. Zwischen
der strengen katholischen Glaubenslehre und der modernen
Wissenschaft, herrscht eine Kluft, das ist zweifellos und
wird allseitig zugestanden. Wenn ein Katholik sich dem

höheren Studium widmete, so war der natürliche
Verlauf meist der, daß je weiter er in der Wissenschaft
vorschritt, desto mehr er sich von den Dogmen losmachte.
Nur die juristische Wissenschaft scheint sich mit einem
starken Dogmenglauben zu vertragen.
Jetzt soll im Verfolg des neuen Kulturkampfes der
umgekehrte Weg eingeschlagen werden: statt daß die
Köpfe wissenschaftlich werden, soll die Wissenschaft ka-
tholisch werden. Was dabei für die Wissenschaft heraus-
kommt, das kann man sich denken, hat man eine solche
Zeit doch schon gehabt, die Jahrhunderte hindurch ge-
dauert hat, die Zeit der Scholastik, in der spitzfindige
Klügelei ohne reale Unterlage den Mangel an wirklichem
Wissen ersetzte und die Welt in Finsteriris erhielt.
So möge die Ankündigung des neuen Kulturkampfes,
des Kampfes um die Wissenschaft, die Geister aufrüt-
teln und alle selbständig Denkenden zur Abwehr verei-
nigen! _'
Sicherung der Forderungen der Bau-
handwerker und Bauarbeiter.
Seit Jahren ist im Reichstage von den verschiedensten
Leiten ein Gesetz zur Sicherung der Ansprüche der
Banyandwerkcr und auch der Bauarbeiter verlangt wor-
den. Insbesondere wurde von dem nation-illi-
beralen Abg. Basse r mann ein bezüglicher Ini-
tiativantrag gestellt. Es wurden dann auch gesetz-
geberische Arbeiten in die Wege geleitet. Im Preußischen
Justizministerium wurde eine Reihe von Gesetzanträgen
aufgestellt, welche die Materie von den verschiedenen ju-
ristischen Gesichtspunkten aus'zu regeln bestrebt waren.
Daran schlossen sich im Preußischen Abgeordnetenhause
längere Erörterungen an. Ein Antrag des national-
liberalen Abg. Wall brecht suchte die Lösung
der Frage nicht auf öem<sf"o!ete' der' dringlichen Siche-
rung der Bauforderungew sondern auf baupolizeilichem
Gebiet und erstrebte Einführung von Kautionen, Bäü-
schöffenämtern re. Für eine Regelung der Materie durch
ein Reichsgesetz wird geltend gemacht, daß die Verhält-
nisse in den größeren Städten so ziemlich im ganzen
Deutschen Reiche gleich liegen. Vielfach besteht die
Meinung, daß eine Lösung der Frage nur gefunden wer-
den könne, wenn man über das Gebiet der Baupolizei,
der Kautionsstellung re. hinaus die Sicherung auf dem
Wege sucht, daß ein dringlicher Rechtsanspruch an das
Grundstück nach dein geschaffenen Mehrwert eingeräumt
wird dem Bauhandwerkcr und auch dem Bauarbeiter.
Zum Stande der Angelegenheit in diesem Frühjahr wies
der Staatssekretär des Reichsjusüzamts darauf hin, daß,
nachdem die vorerwähnten preußischen Gesetzentwürfe
der öffentlichen Kritik zugänglich gemacht worden seien,
diese Kritik in der Litteratur, in der Presse, in den
Interessentenkreisen eine sehr lebhafte geworden sei, und
daß sich ein sehr reichhaltiges Material angesammelt
habe. Dieses ist inzwischen gesichtet worden und es haben
im Frühjahr neuerdings Erwägungen über
die Angelegenheit in einer zu diesem Zwecke zusammen-
berufenen Kommission stattgefunden. Jedenfalls hatte
der Abg. Bassermann Recht, wenn er in der Sitzung des
Reichstags vom 18. März d. I. der Meinung Ausdruck
gab, die 'Materie gehöre zu denen, hei denen man einmal
zu einem Entschluß kommen müsse. Die gesetzgeberische
Lösung ist zweifellos eine sehr schwierige und es werden

sich dabei immer die Gegensätze gegenübsrstehen: die
einen suchen die Lösung der Frage auf dem Wege der
Einräumung eines dinglichen Rechts auf den Mehrwert
der Liegenschaft für Bauhandwerker und Bauarbeiter
und die anderen auf dem baupolizeilichen» dem gewerbe-
polizeilichen Wege._
Deutsches Reich.
— Der Kaiser empfing am Mittwoch im Neuen Pa-
lais den Staatssekretär für Elsaß-Lothringen vonKö ller.
— Der Reichskanzler ist am 28. d. früh aus Nor-
derney in Berlin eingetroffen.
— Das „Armeeverordnungsblatt" veröffentlicht eine
Allerhöchste Kabinetsordre, welche bestimmt, daß um das
Andenken des Generalstabsarztes der Armee Coler zu
ehren, sämtliche Mitglieder des Sanitätsoffizierkorps
eine dreitägige Trauer anlegen sollen.
— Ueber die deutschen Gewerkschaften wird von sozial-
demokratischer Seite der Jahresbericht für 1900 veröffent-
licht. Daraus ist zu ersehen, daß die sozialdemokratischen
Gewerkschaften, die sich jetzt verschämt als „neutrale" be-
zeichnen, um 17,23 pCt. gegen 1899 gestiegen sind. Nicht
weniger als 680 000 Arbeiter gehorchen in diesen Gewerk-
schaften auf das Wort der sozialdemokratischen Führer.
Ihnen stehen nicht ganz 100 000 in den freisinnigen Hirsch-
Duncker'schen und rund 160 000 in den christlichen (evan-
gelischen und katholischen) Gewerkschaften gegenüber. Die
übrige Gewerkschaftsbewegung hat es demnach noch immer
nicht auf die Hälfte der Mitglieder der im Lager der
Sozialdemokratie stehenden gebracht.
Aus Basel, 29. Aug. wird berichtet: Bei der
Ehma-Mrsston ist k e i nerlei Aenderung eingetreten.
Deutsche und Chinesen warten auf ein erlösendes Wort;
ob es aus Berlin oder aus China kommen wird, ist
nicht zu ermitteln. — Aus Berlin wird der „Straßb.
Post" gemeldet, daß die Unterbrechung der Reise des
Prinzen Tschnn sowohl aufgrund des Empfangszere-
moniells als auch darauf zurückzuführsn ist) daß eine
Fortsetzung der Reise so lange unstatthaft ist,
als von chinesischer Seite in Peking dem formellen
Abschluß der Durchführung des FriedensVer-
trages noch immer verzögernde Schwierigkeiten in den
Weg gelegt werden. Auch über den Wortlaut der An-
sprache, die Prinz Tschnn dem Kaiser halten soll, finden
noch Verhandlungen statt, von denen die befriedigende
Beendigung der Weiterfahrt nach Berlin abhängt. —
(Nach den „Baseler Nachrichten" hat die chinesische Ge-
sandtschaft in Basel ganz gegen die Erwartung
der preußischen Offiziere Halt gemacht, die sie dort em-
pfangen und nach Berlin begleiten sollten. Das Blatt
berichtet: Als nämlich am Sonntag Nachmittag der Zug
des Prinzen den badischen Bahnhof zu Basel erreicht
hatte und die deutschen Offiziere der Weiterfahrt ent-
gegensahen, entstieg plötzlich Anngtschang, der neue chine-
sische Gesandte für Berlin, dem Wagen und eröffnete
dem General v. Hopfner, daß der Prinz außer Stand
sei, die Reise fortzusetzen. Daraufhin kurzer Wortwechsel,
dann machte der General klirrend Kehrt, ritz den Helm
vom Kopf und setzte demonstrativ die Mütze auf. Seine
dienstliche Funktion hatte vorläufig ihr Ende erreicht.
Dieser Vorgang beweist nicht minder als die Ueber-

Das Testament der Kaiserin Friedrich.
In dem nun vereinsamten Schloß im Taunus ist in
aller Stille die Eröffnung des Testaments der Kaiserin
Friedrich erfolgt. "Der Staatsakt vollzog sich in Gegen-
wart der Vertreter aller beteiligten Fürstlichkeiten sind
eines Delegirtcn des Justizministeriums, lieber den
Inhalt des Testaments berichtet man dem „Berl. Lok.-
Anz." aus Homburg, den 28. August:
Aus dem Testament der Kaiserin Friedrich, dessen
Eröffnung bereits erfolgte, wird bekannt, daß die hohe
Erblasserin ihre 6 Ki nder, einschließlich des. Kaisers,
gleichmäßig bedacht hat und zwar mit rund je einer
Million Mark. Die Prinzessin Friedrich Karl von
-Hessen, geborene Prinzeß Margarethe, erhielt das Schloß
F r i e d r i ch s h o f. Wohl weil sie allein, bezw. ihr Ge-
mahl in der Lage ist, den ungemein kostspieligen Apparat
zu erhalten. Für den Prinzen Heinrich hätte dieses Ver-
mächtnis nicht gepaßt, weil ihn seine Thätigkeit am Nord-
seestrande fesselt. Ter Besitz der verstorbenen Kaiserin
setzt sich zusammen ans ihrer Mitgift von circa einer
Million Mark, und den Ersparnissen, die durch ein wun-
derbares Talent der Einteilung allein von den Apanagen
möglich waren. Diese Apanagen betrugen aus England
achttausend Pfund, zuzüglich der Einkünfte als Kron-
prinzessin bezw. Kaiserin. Die Erbschaft der italieni-
schen steinreichen Gräfin Galliera, die sich auf etwa drei
Millionen Mark belief, ist für den Bau des Schlosses
Friedrichshof, den einzigen Luxus, den dis Verstorbene
sich selbst znwandte, anfgegangen. Die Robert Tornow-
sche Erbschaft im Werte von einer Million Mark ist voll-
ständig vorhanden und verbleibt im Schloß Friedrichs-

Hof, bezw. im Berliner Kronprinzen-Palais Unter den
Linden.
Der genannte Robert Tor n o w war ein recht wohl-
habender Berliner, der in der Johannisstraße ein Haus
besaß. Er war einer der ersten, die für das Kunstgewerbe
welches später durch das verständnisvolle und thatkräf-
tige Eingreifen der Kaiserin Friedrich zn seiner jetzigeil
Höhe gefördert wurde, Sinn hatte und infolge dessen
sich eine ungemein wertvolleSammlrmg allerlei kunst-
gewerblicher Gegenstände angelegt hatte. Die Kaiserin
hatte davon gehört und besuchte Herrn Tornow, den sie
dann anregte einen Katalog und eine vom kunsthistori-
schsn Standpunkte aus gehaltene Einleitung verfassen
zu lassen. Dies geschah denn auch und zum Danke für
das damals ungemein seltene Interesse mag Wohl Robert
Toronow die verehrte Gönnerin zur Erbin des kostbaren
Kunstschatzes eingesetzt haben. Wenn man in Betracht
zieht, ein wie umfangreicher Apparat zur Haltung eines
Kaiserlichen Hofstaates gehört, wie viele Beamte nötig
sind, wie viel schließlich für Repräsentation rc. ausgegs-
ben werden muß, wie viel Wohlthätigkeit in diesem
Falle geübt würde, so muß als erstaunlich anerkannt
werden, daß, eingerechnet des Wertes der Besitzung
Friedrichshof, etwa elf Millionen vorhanden waren. Es
sei noch erwähnt, daß über das Palais Unter den Linden
nicht verfügt werden konnte, weil dasselbe Eigentum der
Krone ist. Es verdient ferner hervorgchoben zu werden,
daß die Kaiserin Friedrich ihrer Mutter gegenüber ans
jedes Erbteil verzichtet hat, mit der Begründung, daß
die anderen Erben es mehr brauchen können. Es sind
außerdem an langjährige Beamte Legate ansgesetzt, die
sich naturgemäß bei den höheren Hofchargen auf wert-

volle Andenken beschränken: Vor allen anderen stand
Graf Seckendorf der Kaiserin Friedrich nahe.
Nicht nur daß er etwa dreißig Jahre lang ihr erster Ka-
valier gewesen ist, nicht nur hat er der Verstorbenen als
hervorragender Kenner der englischen Sprache und Lit-
teratnr ein Stück Heimat zu ersetzen gewußt, sondern er
harmonierte mit der ausgeprägten Künstlernatur seiner
von ihm verehrten Herrin, da er selbst ein talentvoller,
ausübender Maler ist.
Die Kaiserin, und das ist sehr wichtig, hat nicht ihre
sämtlichen Papiere vernichtet, vielmehr hat die Mo-
narchin durchaus gewußt, welchen Wert dieselben für
die Geschichte besitzen. Nur diejenigen Dokumente sind
nicht vorhanden, die rein privaten Charakters sind. Die
wertvollen Papiere werden dem Archiv bezw. der Biblio-
thek in Friedrichshof einverleibt.

Kleine Zeitung.
— Berlin, 26. Aug. Wegen ungebührlichen Betra-
gens vor dein G s w e r b e g e r i ch t wurde, wie der
„Vorwärts" berichtet, am Samstag eine jnngeDame
auf vier Stunden eingesperrt. Sie hatte
als Vertreterin ihrer Firma einen Vergleichstermin
wahrznnehmen und that das in einer Weise, die dem Vor-
sitzenden mehrfach Anlaß zu Rügen gab. Mit Vorliebe
gebrauchte sie in schnippischer Betonung das Wörtchen
„bitte". Als sie trotz Verwarnung durch den Vorsitzenden
von ihrer Unart nicht abließ, ereilte sie die erwähnte
Strafe.
— Das finanzielle Ergebnis der Bahrcnthcr Auf-
führungen in diesem Jahre soll sich, wie ans Bayreuth
gemeldet wird, folgendermaßen stellen: Die Gesamtaus-
 
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