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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 150 - 176 (1. Juli 1901 - 31. Juli 1901)
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Freitag 19. Juli 1961

43. JahMyg. — I?. 166.


^icheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 4V Pfg. DurS die Post be.
^ zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
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der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Zum Gumbinner Mordprozetz.
^ Der Verteidiger im Gumb inner Militär-
^ozeß, Rechtsanwalt Horn, antwortet in der
^ationalztg." auf den Artikel des Geheimen Kriegs-
^ ^ Romen, der das Vorgehen des Gerichtsherrn
, 8en den freigesprochenen Sergeanten Hickelzu recht-
^rgen gesucht hatte. Er schreibt u. A.:
tz,.. Bezüglich des Angeklagten Hickel behauptet der Geh.
üwegsrcw kategorisch: „Ein neuer Verdachtsgrnnd, der
Artels Wiederverhaftnng rechtfertigt, liegt vor. Durch
^ Hanptverhandlung erster Instanz war zur Kenntnis
Gerichtsherrn gelangt, daß auf Zeugen in unzu-
ymstser Weise eingewirkt sei, und daß namentlich Unter-
wiziere der v. Krosigk'schen Schwadron das Bestreben
i-^igt haben, die Angeklagten vor Verurteilung zu
Aschen. Diese Thatsache war für den Gerichtsherrn neu
^ naturgemäß auch in hohem Grade geeignet, den ge-
die Angeklagten vorliegenden Verdacht zu ver-
^ken." Den letzten Satz muß man genauer betrachten,
s.ss ist nämlich darin gesagt, die die Verhaftung recht-
^hgende Thatsache sei für den Gerichtsherrn neu ge-
aber wohlgemerkt, die angebliche neue
rchBisache war bereits hem Kriegsge-
sjl ch t nor dem Urteil bekannt. Es handelt
N nämlich, wie nach der Mitteilung des Geheimen
i^Üssmts ^cht,nehr zweifelhaft sein kann, um den Fall
^ V i c e w a ch t m e i st e r s Schneider am letzten
yÄe der Gumbinner Verhandlung. Schneider hatte
Wache i'ald neben Marten, bald neben Hickel gesessen'
so fast der ganzen Hauptverhandlung beigewohnt,
am Nachmittag des letzten Tages wurde dem Kol-
Burchard durch einen Gumbinner Gendarm Mit-
davon gemacht, daß auch Schneider init Skopeck
sti.^'ochen habe und daß Skopeck auch zu Schneider ge-
tz-ll habe, die beiden Leute an der Thüre, durch deren
lywUoch der Schuß fiel, könnten auch Zivilpersonen ge-
sein. Schneider ist sodann sofort vernommen und
M^ücklich befragt worden, ob er mit -einem der Ange-
ft s n sich besprochen oder ob er beeinflußt worden sei:
^.hat dieses verneint und seine Aussagen beei-
^, 8t. Infolge dieses Zwischenfalls scheint sich eine Le-
gebildet zu haben, daß die Unteroffiziere zusain-
iHhhlelten, um die Angeklagten frei zu bekommen. Als
mehr geholfen habe, sei Schneider als Zeuge anf-
weten.
sjmüwgend etwas Thatsächliches außer dem oben Ange-
u liegt dieser Legende nicht zugrunde. Der ganze
hat sich, wie Romen zugibt, vor dem erkennen-
lh! Bericht abgespielt: er ist selbstverständlich bei der
kej^usfindung berücksichtigt und er bildet
" 179 des Mil.-Str.-



sdl

Neue Thatsache im Sinne des
denn eine derartige Thatsache

ist nur dann neu.

M " ße nach Erlaß des ersten Urteils ans Licht kommt.

l h np nun aber He r r Romen? Er spricht
^ckn einer neuen Thatsache, sondern ungemein vs-
^Mend von einer den Gerichtsherren neuen Thatsache.
d st den Gerichtsherren war die Thatsache aller-
- ün, neu, si e mußtet h n e nauch n e u s e i n,
^ dürfen gesetzlich der H a u p t v e r h a n d-
Ul n i ch t beiwohnen und für sie ist alles, was
> '^gsgerichtsrat ihnen nach Erlaß des Urteils über
, st^rhandlung vorträgt, neu.
MkBÜgrnnd solcher neuen Thatsachen, die der erste
schon kannte, könnten die Gerichtsherren natür-

lich jeden freigesprochenen Angeklagten in Untersuchungs-
haft nehmen. Es liegt aber auf der Hand, daß der Ge-
setzgeber unter neuen Thatsachen nur solche meint, dir
nicht bereits der Prüfung des ersten Gerichts unterlegen
haben, und mir scheinen die Anführungen des Herrn
Romen, der statt von neuen Thatsachen, von „den Ge-
richtsherren neuen" Thatsachen spricht, nicht
ganz unbedenklich.

Das chinesische Problem.
In wenigen Wochen wird Feldmarschall Graf
Waldersee wieder deutschen Boden betreten, und da ist es
Wohl angebracht, eine kurze Betrachtung zu widmen dem
gegenwärtigen Stand der Dinge in China. Die wich-
tigste Angelegenheit, die nach dem „Friedensschluß" zu
regeln war, die der K r i e g s e n t s ch ä d i g u n g, ist
in der Hauptsache erledigt, wenn auch bezüglich der Ein-
zelheiten zwischen China und den Mächten noch Differen-
zen schweben. Aber für die Forderungen der beteiligten
Staaten ist von China genügende Sicherheit geleistet
worden, und die Entschädigung wird zweifellos gezahlt
werden. Die zweite wichtige Frage, die der Errichtung
eines eigenen geschützten Gesandtenviertels in
Peking, hat zwar auch zu langwierigen Verhandlungen
mit der chinesischen Regierung Veranlassung gegeben,
scheint aber doch auf dem besten Wege zur zufrieden-
stellenden Lösung zu sein, so hat die chinesische Aktion
zu guterletzt einen Ausgang genommen, der ohne alle
jene Komplikationen geblieben ist, die man während ein-
zelner Stadien des CHLnafeldzuges befürchten mußte.
Der europäische Friede ist bewahrt geblieben und die
Pazifikation der betreffenden Teile Chinas ist, vorläufig
wenigstens, auf eine Reihe von Jahren erreicht worden.
Denn die Meldungen, daß seit der Zurückziehung des
Gros der Truppen wiederum bedrohliche Bewegungen
der Chinesen irr den okkupiert gewesenen Gegenden statt-
gefunden hätten, daß die Missionen von neuem gefähr-
det seien, und daß General Tungfusiang sowie der berüch-
tigte Prinz Tuan ein großes Heer sammeln, um die
Fremden zu vertreiben, sind entweder stark übertrieben,
oder überhaupt unwahr. Vom Kaiserhofe in Singanfu
gehen diese Bewegungen jedenfalls nicht aus, der Hof
wäre vielmehr sehr froh, wenn er so bald wie möglich
nach Peking zurückkehren könnte. Und die Kaiserin-
Witwe, dis noch immer das Heft in den Händen hat,
wird jetzt doch zur Einsicht gekommen sein, daß ihre frem-
denfeindlichen Bestrebungen angesichts der Einigkeit der
Mächte und angesichts der Mittel, die ihnen zur Verfü-
gung stehen, um die Ruhe in China zu erzwingen, keine
Aussicht auf dauernden Erfolg haben. Die einzige Macht,
die einen greifbaren und wesentlichen Vorteil ans den
chinesischen Wirren gezogen hat, scheint vorderhand
R u ßla n d zu sein, das sich in der Mantschurei festsetzte
und von dort nicht mehr fortgehen will. Mit ebensolcher
Geschicklichkeit wie Zähigkeit haben die Russen ihre ost-
asiatischen Pläne verfolgt und England den Rank abzu-
laufen versucht. In welch schroffem Gegensatz die rus-
sische Politik in Ostasien zur englischen steht, das be-
weist schon die Abberufung des bisherigen russischen
Gesandten in Peking v. Giers und seine Ersetzung durch
den bisherigen Botschaftsrat bei der russischen Botschaft
in London, Herrn Lessar, ein als Feind der Engländer
bekannter Diplomat. Lessar ist eine interessante Per-

sönlichkeit, und kein berufsmäßiger Diplomat: er war
früher Ingenieur und hat seinem Vater-
lande besonders in China große Dienste
geleistet. Er ist der ausgesprochene Träger einer anti-
englischen Politik und wird in feiner schwierigen Stel-
lung in Peking Gelegenheit finden, nach dieser Richtung
hin seine Fähigkeiten voll auszunutzen. Die nächsten
Jahre werden daher einen erbitterten diplomatischen
Kampf zwischen Rußland und England auf chinesischem
Boden zeitigen. Ob dieser Kampf auf die papierenen
Waffen der Diplomatie beschränkt bleiben wird, bleibt
abzuwarten. __
Deutsches Reich.
— Nachdem neuerdings von Seiten einer Landwirt-
schaftskammer der Ruf ergangen ist: mehr agrari-
sch e P r o f e s s u r e n, so wird man sich nicht Wundern
dürfen, wenn demnächst aus der sozialdemokra-
tischen Partei die entsprechende Forderung laut wird.
— Die Mitteilungen eines Stuttgarter Blattes über
die Höhe einzelner Zollsätze im künftigen Zolltarif wird
in Berliner unterrichteten Kreisen für eine Kombination
gehalten. Es wird da behauptet, daß alle derartigen An-
gaben nur auf Vermutungen beruhen können, da nach
wie vor strengstes Stillschweigen über die Verhandlungen
in Berlin bewahrt werden und betreffs der Höhe der Zölle
überhaupt noch keine entscheidenden Beschlüsse vorlicgen.
uob. Wie einem Berliner Blatte ans Posen gemeldet
wird, hegte die dortige Polizeibehörde den Verdacht, daß
der Verfasser oder Inspirator der deutschfeindlichen
Artikel in der polnischen Wochenschrift „Praca" der
österreichisch-ungarische Minister des Aeußeren Graf Golrr-
chowski sei. (Ein seltsamer Bedacht! Rd.) Seitens der
Redaktion der „Praca" wurde als Verfasser der in Rede
stehenden Artikel stets der aus Deutschland ausgewiesene,
jetzt in Lemberg weilende Schriftsteller Dr. Rakowski
bezeichnet, welcher nach seiner Ausweisung die Stellung
eines Sekretärs des Landesausschusses für Galizien erhielt.
Baden.
Karlsruhe, 18. Juli. Der Großherzog und
die Großherzogin sind gestern Abend gut in St. Mo-
ritz angekommen.
* Zur Karlsruher Landtagswahl-Frage
bringen die „Münch. N. Nachr." einen Karlsruher Artikel, der
ein blindes Drauflosgehen der Narionalliberalen — anders
kann man es nicht nennen — empfiehlt. Er geht von
der Grundansichl aus, daß Wacker doch die Karlsruber
Zentrumsleuts beherrsche und sie gegen die Nationallibe-
ralen dirigieren werde; daher sei es besser, gar keine Rück-
sicht auf sie zu nehmen. Demgegenüber können wir nur
immer wiederholen, daß es ein sch w erer Fehler wäre,
wollte man den eigenartigen Verhältnissen in Karlsruhe
nicht Rechnung tragen. Es gibt liberale Kandidaturen,
für die ein erheblicher Teil der Karlsruher Zentrumsleute trotz
Wacker stimmen würde. Dian braucht nicht mit dem Zen-
trum zu paktieren. Wan braucht selbstverständlich nicht
ihm irgend welche Versprechungen oder Zugeständnisse zu
machen, es ist nur notwendig, in der Auswahl der Kan-
didaturen einiges Geschick aufzuwenden. Man würde es
im Laude nicht verstehen, wenn in der Residenz gleichsam

Vom SchrLftstellerheim in Jena.
^ e n a , 18. Juli. Als allerneuests Nachrichten vom
Ochen S ch r i f t st e I l e r h e i m in Iena
st'ste" heute zwei hocherfreuliche Mitteilungen vor. Fürs
Mh, bedenkt der Vorstand von den: für dies Heini ur-
isst Wnch geplanten Kassrnensystem abzusehen, und da-
M 'v der herrlichen Umgebung Jenas nach und nach
Ej^Menes freundliches Villenviertel zu
worin das erste, z. Zt. in der Gebäudeanlage
t-sitzu-Ux und fertige Grundstück bereits im nächsten
^lm^B eröffnet werden soll. Dieses vorläufige „Er-
.^g^WHeim" wird mit dem 1. April 1902 alljährlich
M ZO Personen auf je 4—6 Wochen freie Wohnung
silegU^isnung bieten und dazu auch für billigste Ver-
Ä yj.'ch sorgen. Hierdurch wird einstweilen schon vie-
sikd^p^Eeiteten Schriftstellern und Schriftstellerinnen,
usw. eine vorzügliche Gelegenheit zu nicht
vMd^H^hieligen Erholungspausen geboten, wobei die
^ "hr ichöne Lage de-s luftigen Saal-Athens ihre
tzRH "swhungskraft bestens bethätigen dürfte. Damit
^Erdiugs zu einer allgemeinen Heimstätte für die
si-A ^ HchriWeller- und Journalistenwelt endlich ein-
M kräftiger Anfang gemacht, der in erster Linie
» , ^H^higen Vertriebe der „Bausteine" zu verdanken
^ ^ Bit nun aber diesem ersten Grundstück alsbald
ZZiftsiw ein paar andere Gebäude zu dauernder
yAestwhme invalider Dichter und Journalisten hin-
'A t ieu können, gilt es jetzt, rüstig weiter zu
itzmer ' und sich vor allen Dingen vor solchen Zer-
siisteu.K^u zu hüten, wie sie ein gewisses Leipziger
?usitee nenerdinas bereits wieder in Szene

Mn

, --- neuerdings bereits wieder in Szene
beliebt. Solchem Hin- und Herziehen gegen-

über werden wir heute des weiteren recht angenehm
dadurch berührt, daß die bekanntlich sehr leistungsfähige
Firma I. I. Weber (Illustrierte. Zeitung) in Leipzig
Herstellung und Verlag des »zum Besten des Heims dem-
nächst von Dr. Timon Schroeter herauszugeb. Buches
„Deutsche Dichter u.Denker derGegenwart" bereitwilligst
übernommen hat. Dieses iir vornehmster Weise auszu-
stattende Werk, welches neben den Bildnissen unserer
gegenwärtigen ersten Schriftsteller mit Facstmile-Unter-
schrift auch ihre Selbstbiographie und dazu eine kräftige
Probe ihres Schaffens bringen wird, verspricht damit
ein wahres schatzkästlein nicht allein für jeden Literatur-
freund, sondern auch für die deutsche Familie zu wer-
den. Es liegen für dasselbe schon sehr beachtenswerte
Beiträge vor. Ilm aber seine Herausgabe nicht zu ver-
zögern, ergeht hiermit zugleich an alle deutschen Dichter
und Denker, denen diese Zeilen zu Gesicht kommen soll-
ten, die dringende Aufforderung, sich mit ihrer Zuwen-
dung dafür thunlichst zu beiten, und irgend ein bischen
noch ungedrucktes Stück: Gedicht, Erzählung, Beschrei-
bung, Lebensansicht, Heiterkeit u. s. w. nebst Selbstbio-
graphie und Photographie schleunigst nach Jena einzu-
senden. Kürze, i st allerdings ganz befan-
ders für diesen Zweck der Gabe beste
Würze!

Kleiue Zeitung.
— Ucber ein Mardcrncst rmtcrstir Dach berichtet die
„Natnrw. Wo-chenschr." Unter dem Dache des Hildes-
heimer Römermuseums wurde dieser Tage von Hand-
werkern ein Mardernest mit fünf Jungen gefunden. In

den wenigen Augenblicken, während die Entdeckung im
Museum gemeldet wurde, hatten die alten Marder bereits
zwei Jungen in Sicherheit gebracht. Die übrigen drei
Jungen wurden weggenommen und in einem Bürger-
hause einer säugenden Katze untergelegt. Der Versuch
gelang vollkommen. Nachdem die Katzenmutter sich an-
fangs abweisend Verhalten hatte, ließ sie nach Verlauf
von acht bis zehn Stunden die jungen Marder zum Sau-
gen zu. Seitdem lebt die gesamte Katzenfamilie mit den
jungen Mardern im besten Einvernehmen, namentlich
benutzen die kleinen Kätzchen diese als willkommenes
Spielzeug. Die alte Katze behandelt ihre Adoptivkinder
so wie die leiblichen Sprößlinge, und wenn die Katzen-
familie sich in das Wohnzimmer ihres tierfreundlichen
Besitzers begeben hat und die Marder nicht mitgerommen
sind, bringt die Katzenmutter sie sofort herangeschleppch
damit keines von der etwas sonderbar zusammengesetzten
Familie fehle. Man darf gespannt darauf sein, ob ein
weiteres Zusammenleben der Tiere und eine Zähmung
der jungen Marder möglich ist.
— Die Elektrizität im Dienste der Einbrecher. Aus
Newyork wird berichtet: Zwei moderne Einbrecher, die
ganz auf der Höhe der Zeit stehen und mit wissenschaft-
lichen Werkzeugen ausgerüstet sind, wurden am Freitag
von der Newyorker Polizei verhaftet. Sie hatten in
den reichen Vorortsbezirken umfassende Einbruchsdieb-
stähle begangen. Ein Einbrecher trug eine elektrische
Keule, die von einer elektrischen Batterie gespeist wird
und eine Person vollständig betäuben kann. Zum Oefs-
nen von Geldschränken harte er eine elektrische Sägs
und Brechstange. Sein Gefährte trug statt der alt-
modischen Oelläterne eine elektrische Lampe. Beide Ein-
 
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