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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177 - 203 (1. August 1901 - 31. August 1901)
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Erstes Blatt.

43. Jahrgang. — Ir. 198.

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Montag, 26. August 1901.

Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in'S HauS gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen »bgcholt 46 Pfx. Durch die Post be.
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Zur Reise des Zaren.

Wie die „Nordd. Allg. Ztg." gegenüber anderweiti-
gen Blättermeldungen hört, wird der Reichskanzler-
Graf v. Bülow der Begegnung Seiner Majestät des
Kaisers mit dem Z a r e n beiwohnen, was nach den
der „Nordd. Allg. Ztg." Angehenden Nachrichten, dem
Wunsche auch des Kaisers von Rußland entspricht.
Graf Bülow hat sich immer bemüht, die Beziehungen
Deutschlands zu Rußland in gutem Gang zu erhalten.
Das soll in den letzten Monaten nicht immer ganz leicht
gewesen sein, sei der Besuch des Zaren doch vor einiger
Zeit noch zweifelhaft gewesen.WsnnBülow jetzt ausWunsch
des Zaren mit nach Danzig geht, so darf man darin Wohl
ein Zeichen dafür erblicken, daß der Zar seine Bemühun-
gen zu würdigen versteht.
Auch mit dem König von England wird der Zar
Zusammentreffen und zwar in Kopenhagen. Von dort
geht er dann nach Frankreich.
In Frankreich will man den Besuch des russischen
Selbstherrschers durch einen Gnadenakt der Regierung
feiern. Der „Figaro" fordert in einem offenen Brief
Len Präsidenten Loubet auf, angesichts der bevorstehenden
Ankunft des Zaren von seinem Begnadigungsrechte Ge-
brauch zu mullln und den Verschwörern D 6 rouItzde,
Habert, Buffet, de Lur-Salncds und
Guärin, deren Patriotismus über allen Zweifel er-
haben sei, die Rückkehr nach Frankreich zu erlauben. Der
Zar werde über diesen Gnadenakt mehr erfreut sein als
über ein Festmahl und ein Prunkschauspiel. Der „Gau-
lois" will wissen, daß Herr Loubet den Gedanken einer
Begnadigung schon seit mehreren Tagen e r w ä ge und
auch das Einverständnis Waldeck-Rousseans dafür ge-
wonnen habe. Die nationalistische Presse, auch der
„Figaro" hält das Verbleiben des Handelsministeirs
M illerandim Ministerium nach der gestrigen zaren-
feindlichen Kundgebung der sozialistischen Partei für u n-
möglich und stellt ihn vor die Wahl, entweder seine

Frankreichs übergroßer Weinsegen.
Frankreich in Gefahr des Ertrinkens. Der Mensch
kann alles ertragen — nur keine Reihe schöner Tage
— Frankreich alles, nur keine lange Folge guter Wein-
jahre. „Gut" kann eigentlich nicht gesagt werden. Denn
erstens ist der Wein nicht besonders gut, zweitens sind die
Winzer im Elend, da sie ihr Gewächs incht los werden.
Schon vor mehrereir Jahren, so wird der „Voss. Ztg."
aus Paris geschrieben, wurde gestritten und geraten,
Versammlungen gehalten, um dein Wein Absatz zu ver!-
fchaffen. Dazu brachte 1900 eine Weinlese, wie sie
Frankreich nie erlebt hat, denn der Ertrag bezifferte sich
auf 65 Millionen Hektoliter, das Doppelte eures Mittel-
jahres Dieses Jahr wird der Herbst auf 50 bis 55
Millionen geschätzt, lind die Winzer haben nicht ver-
mocht, ihre'Keller einigermaßen zu leeren, obgleich sie
Las Gewächs der letzten Jahre selbst zu 2 Fr. den Hekto-
liter losschluqen. Die Mittelweine, welche immer 110
bis 130 Fr bas Stücksatz (220 bis 230 Liter) verkauft
wurden, sind auf 50 und 60 Fr. gefallen. Manche Weine
der letzten Jahre sind so schwach, daß sie jetzt schon zu ver-
derben anfanqen. Die letzten Jahre wollten die Herbster
auch nicht mehr mit Wein bezahlt werden, weil darin
ihr Lohn zu gering war, und sie nichs mit dem Wein an-
Zufangen wußten. Wegen des baren Lohnes, den sie
Zahlen müßten, dürfte dieses Jahr manche Winzer ihre
Trauben lieber hängen lassen. In Algier sind die Ver-
hältnisse fast noch schlimmer, da der dortige Wein sich noch
leinen ordentlichen Platz auf dem Markte zu erobern
vermochte, auch wenig haltbar ist. Also Frankreich wird
im Wein ertrinken. — Dieser Ueberfluß hat seine be-
sonderen Ursachen. Um den Wein zum Volkstrunk zu

Entlassung zu nehmen oder seine Zugehörigkeit zur so-
zialistischen Partei zu verleugnen. Er könne nicht gleich-
zeitig der Politik der internationalen Revolutionäre
dienen und der einer Regierung, die den Zaren zu natio-
nalen und militärischen Festen einlade.
Wie man sieht, ergeben sich aus dein Zarenbesuch
Konsequenzen für die innere Politik Frankreichs. Natür-
lich regt die Zusammenkunft des Zaren mit drei euro-
päischen Staatsoberhäuptern auch zu allerlei Mutmaß-
ungen in Bezug auf Angelegenheiten der äußeren Poli-
tik an. Namentlich denkt man dabei an den Burenkrieg.
Einen Wert besitzen derartige Vermutungen indessen
nicht. Hat sich bisher keine Macht in die südafrikanische
Angelegenheit eingemischt, so wird das auch in Zukunft
nicht geschehen, am wenigsten von Rußland, das von
seinem L-tandpunkt ans nur wünschen kann, England
möge noch recht lange mit dem größten Teile seiner
Heeresmacht in Südafrika gefesselt sein. Denn inzwischen
schafft Rußland sich ungehindert in der Mantschurei eine
unangreifbare Stellung.

Deutsches Reich.
— Die „Ostdeutsche Volkszeitung" in Insterburg
meldet: Eine Kommission des Divisionsgerichts begab
sich heute morgen nach Gumbinnen, um wegen der E r-
mordnng v. Krosigks eine neue Untersuchung
anzustellen. Zeuge Skopek ist telegraphisch von Allen-
stein geladen. (Das Wolffbureau fügt hinzu, es habe
über diese Meldung weder in Allenstein, noch in Gum-
binnen Authentisches erfahren können.)
— Das Revisivusgcsuch Marten's Wider das gegen
ihn gefällte Todesurteil stützt sich u. a., wie aus
Gumbinnen gemeldet wird, ans den Paragraphen 68
der MUitärstrafgesetz-Ordnung, wonach die Offiziers-
nutgltsoer des Oberiniegsg'richis von: Gerichts-Herrn all-
jährlich vor Beginn des Geschäftsjahres für das Gericht
zu bestellen sind. Es soll dies bei einem militärischen
Beisitzer, und zwar durch denjenigen, der durch Fragen
am meisten in die Verhandlungen eingegriffen hat, nicht
zutreffen.
— Mehrere Blätter wenden sich dagegen, daß
Deutschland die astronomische» Instrumente, die bis zur
Besetzung Pekings durch die fremden Truppen in der
berühmten Sternwarte auf der Stadtmauer ihren Platz
hatten und die jetzt an Bord der „Palatia" in Deutsch-
land eingetroffen sein sollen, als Kriegsbeute be-
halte. „Sind sie als Kriegsbeute nach Deutschland ge-
schafft worden, so kann man nur die Ansicht aussprechen,
daß ihre Wegnahine n i ch t g e r e ch t f e r t i g t erscheine
und zu m ißbiIligen wäre. Ist der Fehler einmal
gemacht, so wäre er am bestell dadurch auszngleichen,
daß man dein Beispiel der Franzosen folgte und den
Chinesen „mit wendender Post" ihr Eigentum zurück-
schickte."
W i l h e l in s h ö h e, 24. Aug. Unter eigentümli-
chen Umständen wurde ein angeblicher Bergmann verhaf-
tet. Dieser^ ein Zivilist, hätte sich eine Feldwebelsuni-
forin m-t Seitengewehr zu wrschaffen gewußt und sich
innerhalb des Schlosses in der großen Allee aufgestellt,
durch die der Kaiser und König Eduard zum Schlosse
fahren mußten. Die Uniform aber paßte ihm nicht, der
Helm fiel rhm über die Ohren und überhaupt fiel die
ganze unvorschriftsmäßige Haltung des Mannes sofort

machen, wurde Jahrzehnte hindurch, ja, seit mehr als
einem Jahrhundert, dahin gearbeitet, recht viel davon
zu ernten. Die ergiebigen Rebsorten liefern meist ge-
ringen Wein, leiden aber viel weniger durch ungünstige
Jahre. Deshalb blieb ihr Altbau vorteilhaft. Als wegen
der Verheerung durch die Reblaus große Massen (bis
300 Millionen Fr.) eingeführt werden mußten, strengte
inan sich wiederum an, die Weinberge mit solchen ergie-
bigen Rebsorten neu zu bebaueu. Deshalb mahnte auch
vorigen Winter der Ackerbauminister auf dem in Paris
gehaltenen Winzertag, fortan mehr auf Güte, denn auf
Menge des Weines zu sehen. Die meisten Winzer ver-
stehen es indessen gar nicht, besseren, feinen Wein zu be-
handeln. Besonders im Süden ist der gewöhnliche Wein
sehr schätz hat weder Geschmack noch Kraft, lind wird
daher selbst in den dortigen Städren „verarbeitet", mit
Alkohol ii. s. w. „verbessert".

Kleine Zeitung.
Hcilbronn, 23. Aug. Vor der Strafkammer kam
heute das E i s e n b a h n u u g l ü ck zur Verhandlung,
von dem der Personenzng Heilb ron »-Heidel-
berg bei der Einfahrt in die Station. Iagstfeld am
7. Mai betroffen worden ist. Tie Beweisaufnahme er-
gab, daß der Stationsbeamte, Eisenbahnsekretär Wai-
hel, entblockt hat, bevor der «»gekommene Zug in die
Station eingefahren war. Dadurch wurde der Stell-
werkwärter Bauer veranlaßt, die Weiche am Einfahrt!-
geleise zu ziehen, in dem Augenblick, als der Zug da»
rüberfuhr. Die Folge war, daß die fünf letzten Wagen,
in eine andere Richtung gedrängt, aus dem Gelepe

auf. Die Polizei holte ihn aus der Menge heraus. Er
ist ein Bergmann aus Gelsenkirchen und gab an, er habe
dem Kaiser ein Gnadengesuch überreichen wollen, weil er
zu einer halbjährigen Gefängnisstrafe zu Unrecht ver-
urteilt sei.
Bade».
L6 Meßkirch, 26. Aug. Eine Vertrauensmänner-
versammlung der natlib. Partei stellte einstimmig
Herrn Bürgermeister Hauser von Meßkirch als Kan-
didaten für den Wahlbezirk Meßkirch-Stockach auf.
Hauser war bei der letzten Reichstagswahl Kandidat der
natlib. Partei für den 1. bad. Reichstagswahlkreis und
erhielt als solcher im Bezirk Meßkirch-Stockach die über-
wiegende Mehrheit der Stimmen.
Frei bürg 24. Aug. In einer zahlreichen Versamm-
lung des liberalen Vereins erklärte unter großen Beifalls-
stürmen Herr Direktor Keller sich bereit, sich als Land-
tagskandidaten aufstellcn zu lassen.
Karlsruhe, 23. Aug. Dem nächsten Landtag wird
nach Mitteilun; der „Bad. LandeSztg." ein Gesetzentwurf
über die Fortsetzung der Murgthalbahn von
Weiscnbach bis an die württembergische Landesgrenze
(Schönmünzacb) vorgclegt werden.
LO Karlsruhe, 25. Aug. (Zur Wahlbewegung.)
Tie natlib. Partei des 6. badischen Wahlbezirks (Bonn-
dorf) hat die Kandidatur für die bevorstehende Land-
tagswahl dem bisherigen verdienten Abgeordneten Ferd.
Kriechle in Bonndorf angetragen. Letzterer hat die-
selbe trotz vielfacher in seinen schwankenden Gesundheits-
Verhältnissen begründeten Bedenken in dankenswerter
Weise angenommen. — Für den Bezirk Donau-
e s ch i n g e n stellte die Zentrnmspartei einstimmig den
Ratschreiber Mathias Will m a n n in Hochemmingen
auf. Derselbe hat die Kandidatur angenommen.
Preuße«.
— Am. 1. Oktober werden die R n n d r e i s e h e f t e
von der preußisch-hessischen Eisenbahngemeinschaft in fol-
genden Verkehren aufgehoben: Rheinisch-süddeutsöch
österreichischer Rundreiseverkehr; südwestdeutscher Rund-
reiseverkehr; deutsch-schweizerischer Rundreiseverkehr; in-
ternationaler Rundreiseverkehr mit Frankreich und Eng-
land, desgleichen mit Italien; franZösisch-belgisch-deutsch-
skandinavisch-finländischer Rundreiseverkehr; Cooks
Rundreisen; norddeutsch-rheinischer Rundreiseverkehr und
schließlich rheinisch-belgischer Rundreiseverkehr.

Ausland.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 24. Ang. Wie ein Olmützer Tschechenblatt
meldet, wurde dem Olmützer E r z b i s ch o f Ko h n für
die Veranstaltung der Katholikentags in Olmütz
und Kremsier aus Rom eine Mißbilligung zu
Teil, in der betont wird, daß durch Veranstaltungen sol-
cher politischer Versammlungen ebenso das tschechische,
wie das deutsche Volk der katholischen Kirche entfremdet
und die Los von Rom ^-Bewegung unter-
st ü tz t wird. Diese Kundgebung des Vatikans soll auf
eine Beschwerde der Olmützer Deutschen bei der Wiener
Nuntiatur erfolgt sein.
Schweiz.
— Die Prote st anten und die Katholiken
in Weinfelden (Thurgau) haben beschlossen, gemein^

sprangen, wobei ein Personenwagen, in dem zehn Rei-
sende saßen, umstürzte; sie erlitten znmteil schwere Ver-
letzungen. Drei der Verunglückten sind heute uoch leii-
dend, bei einem vierten ist es fraglich, ob er jemals wie-
der seine volle Gesundheit erlangt. Der Materialschaden
beträgt 15 000 Mk. Die Strafkammer erkannte bei
Waibel ans Mk. 300, bei Bauer ans Mk. 100 Geld-
strafe.
— Straßbnrg. Die „Straßburger Post" schreibt:
Der Fall Stietencron will noch immer nicht
zur Ruhe kommen, und sowohl klerikale wie demokrati-
sche Blätter fahren fort, ihn für sich auszuschlachten. Dis
klerikale Agitation erklärt sich, wir möchten das nach-
träglich feststellen, zum guten Teil aus dem Umstand,
daß Stietencron Protestant ist. Darüber ist uns vor der
Gerichtsverhandlung eine Zuschrift zugegangen, die wir
damals nicht veröffentlichen wollten, weil der strittige
Thatbestand noch nicht aufgehellt war, die aber jetzt
mitgeteilt sei, weil sie zugleich das Verhalte,: der bezüg-
lichen Gemeindeverwaltungen, die die eigentlichen Schul-
digen in der ganzen Sache sind, in eine neue Beleuchtung
rückt. Die entscheidende Stelle der Zuschrift, der wir
nichts hinzuzufügen haben, lautet: „Beim Antritt seiner
Besitzung wurde die Familie v. Stietencron von der
durchweg katholischen Bevölkerung mit offenem Miß-
trauen betrachtet. Als dann Herr und Frau v. Stieten-
cron im Erdgeschoß ihres Schlosses für die Sonntags
einen kleinen Betsaal errichteten und die wenigen Pro-
testanten aus der Umgegend zum Gottesdienst um sich
versammelten, da ertönten öffentlich die schlimmsten
Schmähungen über diese Kstzerbrut. Die Landarbeiter
wurden gegen die Familie anfgehetzt und es kam soweit,
 
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