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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 177 - 203 (1. August 1901 - 31. August 1901)
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Dienstag, 6. August IM

43. Jahrgang. — §k. 181.










E

«rscheink täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättcrn monatlich SO Pfg. in's HauS gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 4V Pfg. Durch die Post be.
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Psg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Rcklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate aus den Plakattaseln
der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen- — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Kaiserin Friedrich -s-.
Cronberg, 5. August. Die Kaiserin
Friedrich ist um '/^7 Uhr gestorben.
, Tie fürstliche Dulderin hat ausgelitten! Wie einst
chr unvergeßlicher Gemahl, so hat auch Kaiserin Friedrich
Qualvolles Leiden ertragen müssen, ehe der Erlöser Tod
un sie herantrat. Und so wie der verewigte Kaiser er-
^'ug auch sie ihre Leiden mit heldenhaftem Mut, ohne zu
isageu. Deutschland verliert in ihr eine hochgesinnte
mirstin, die sich durch ihre Persönlichkeit ein dauerndes
Andenken gesichert hat. Kaiserin Friedrich ist, darüber
wnn kein Zweifel bestehen, eine Individualität
^wesen, eine Frau von hoher Klugheit, von starkem
Mllen und größer Energie, mit welchen Eigenschaften
dch ein stark ausgeprägter Ehrgeiz verband. Die heim-
begangene Kaiserin hat zu verschiedenen Zeiten Gelegen-
heit gehabt, diese ihre Eigenschaften zu bethätigen, und
"er Geschichte wird es Vorbehalten bleiben, den Einfluß
^stzustellen, den sie aus die innere und äußere Politik
Deutschlands, besonders während der 99 Tage der Ne-
uerung Kaiser Friedrichs ausgeübt hat. Daß dieser
chMfluß kein geringer gewesen ist, das läßt sich schon heute
Erschwer Nachweisen. Als geborene Engländerin hatte
Ze Kaiserin naturgemäß starke englische Sympathieen,
Ze sie als Kronprinzessin des deutschen Reichs und von
Preußen und später als Kaiserin zu gewisser Geltung
bringen suchte. Man weiß aus den Veröffentlichungen
"s Fürsten Bismarck, daß dieser gewaltige Staats-
mann häufig Ursache hatte, über den Einfluß der Frauen
^ Hofe, die seine Pläne zu durchkreuzen suchten, zu
^.agen. Zu diesen Frauen gehörte auch die verewigte
stauerin, die der machtvollen Persönlichkeit Bismarcks
.sw seiner dominierenden Stellung ihre eigene Jndi-
wrialität entgegensetzte. Daraus mögen sich Konflikte
jöeben haben, von denen die große Oeffentlichkeit zwar
Nhts erfuhr, die aber auf den Gang der Ereignisse nicht
Ale tiefe Einwirkung geblieben sind. Durch ihre aus-
Äbrochenen englischen Sympathieen geriet die Kaiserin
mhrend der kurzen Regierungszeit ihres Gemahls zu
wen: Teile des deutschen Volkes in einen gewissen Ge-
Mjsatz, der sich zu heftigeil und ungualifizierbaren An-
rufen gegen das kaiserliche Paar richtete und dem Kaiser
usiodrich manche trübe Stunde bereitet haben mag. Un-
u'welbar nach dem Tode ihres Gemahls entstand zwischen
^ s Kaiserin und ihrem Sohne, dem jetzigen Kaiser, ein
lwanntes Verhältnis, das, wie man sagt, teilweise
^.ß'ch die aus Veranlassung der Kaiserin erfolgte Be-
^I"Ug des englischen Arztes Sir Morrel Mackenzie an
Krankenlager Kaiser Friedrichs hervorgerufen sein
dim- Ulrich die damaligen Vorgänge sind noch nicht
z,/Kg aufgeklärt. Thatsache ist es, daß die Spannung
Mutter und Sohn mehrere Jahre andauerte
MM erst in der letzten Zeit wieder einem herzlichen Vev-
Mstnis gewichen ist. Nach dem Tode des Kaisers Fried-
sj5s her ihrem Herzen unheilbare Wunden schlug, zog
die Kaiserin vom Hofe fast völlig zurück und ver-
Mj chte den größten Teil ihrer Zeit teils in England
ßvZhrer Mutter, teils im sonnigen Süden oder in dem
d»a"schsn Taunusschlosse, dein sie den Namen ihres un-
siM^Uichen Gatten gegeben hatte. Nach Berlin kam
^ ^jur seiteil und immer nur zu kurzem Aufenthalte,
i,^, ^esto eifriger widmete sie sich aber der Förderung
I'v,^nitärer und gemeinnütziger Bestrebungen. Jnsbe-

ziZ"A'e waren es die Vereine und Anstalten zur Er-
st,,^Ug der weiblichen Jugend und diejenigen Einrich-
k^bAl, welche der Frau den Kamps um das Dasein
Estttn sollten, die sich ihres stetigen, thatkräftigen
ihMAsses zn erfreuen hatten. Nicht minder galt ihre
ds/stchätige Fürsorge den armen kranken Kindern, und
^nHegensreiches hat sie in dieser Beziehung im Stillen
h, achtet. Aber auch dis Künste und Wissenschaften fanden
ietzM immer eine rege und verständnisvolle Förderin. Sie
^ar auf verschiedenen Gebieten der Kunst weit
>>ly,M"lls Dilettantin. Ihre Malereien z. B. haben aus
tzj "Mn Ausstellungen ungeteilte Anerkennung gefunden.
Uebte es, in schönem Gleichklang mit ihrem
dex A..Künstler und Schriftsteller von Ruf sowie Männer
liim-sFUsenschaft zu anregendem Cercle um sich zu ver-
stx -sleln und, um nur einen von vielen zu erwähnen,
der Gunst der Kaiserin erfreuten, sei Rudolph
st, ^oiv genannt, der nebst Gustav Freytag und Anderen
>0" Intimen des Kronprinzlichen Harstes gehörte,
'hm Est letzten Jahren war ihr die Freude vergönnt,
^r-t^°Ä>ter glücklich verheiratet zu sehen und im trauten
mit ihrer Familie fand sie Ersatz für das, was ihr
svtst sterbe Schicksalsschläge verloren gegangen war. Der
M ihrer Mutter und ihres Bruders, des Herzogs
'd von Sachsen-Koburg-Gotha, hatte sie von Neuem
K'Übnis versetzt. Sie konnte persönlich der Be-
"vng Beider nicht beiwohnen, da sie schon damals

voll dem schleichenden Leiden befallen war, dem sie jetzt
erlegen ist.
Das Leben der Kaiserin Friedrich hat, wie das so
mancher anderen gekrönten Persönlichkeit unserer Zeit,
gezeigt, daß auch den Mächtigen dieser Erde bittere
Enttäuschungen nicht erspart bleiben. Aber das trübe
Geschick, das den Kaiser Friedrich traf, hat die verewigte
Fürstin denr deutschen Volke menschlich näher gebracht,
und in seinem Herzen wird immer die dankbare Erinne-
rung fortleben an die Zeit, da Kaiserin Friedrich in fast
übermenschlicher Aufopferung die Qualen zu mildem
suchte, an denen der deutsche Frühlingskaiser langsam
dahin siechte.
Die Kaiserin Friedrich war am 21. November 1840
geboren, hat also ein Alter von nicht ganz 61 Jahren er-
reicht. Kaum den Kindesjahren entwachsen, verlobte sie
sich mit dem damaligen Kronprinzen von Preußen. Am
25. Januar 1858, als die Braut erst das 17. Lebensjahr
zurückgelegt hatte, fand die Hochzeit in London statt. Der
Kronprinz hat sehr glücklich mit seiner Gattin gelebt, sie
jederzeit hochgeschätzt und von Herzen geliebt. Das deutsche
Volk wird und darf dieses der Verstorbenen nie vergessen.
Auch eine ausgezeichnete Mutter ist die Kaiserin Friedrich
stets gewesen. Sie hat also die höchsten Aufgaben, die
einer Frau — auch einer Fürstin — gestellt werden kön-
nen, die Aufgabe, eine beglückende Gattin und eine rechte
Mutter zu sein, in hervorragender Weise erfüllt. Darum
soll ihr Andenken stets in Ehren bleib.n.

Zum Ableben der Kaiserin Friedrich
^ Cronberg, 6. Aug. Das Befinden der Kaiserin
Friedrich war nachmittags unverändert. Sie war bei
vollem Bewußtsein und verlangte den englischen Pfarrer
aus Homburg, der eine stunde bei ihr verweilte. Alle
Kinder außer dem Prinzen Heinrich waren im Kranken-
zimmer versammelt.
Cronberg, 5. Aug. Die Kaiserin Friedrich ist
ruhig entschlafen. Am Sterbebett waren dis Mitglieder
der kaiserlichen Familie anwesend. Wenige Minuten
nach Eintritt des Todes sank die Standarte des Schlosses
aus Halbmast.
C r o n b e r g, 5. Aug. Die schnelle Entwickelung die
die Vorgänge auf Schloß Friedrichshof seit Samstag
genommen, kam der Bevölkerung gerade in Cronberg
selbst vollkommen überrn s ch e n d. Wenn man auch
wußte, daß die Kaiserin Friedrich seit einem Monat etwa
die Spazierfahrten hatte aufgeben müssen, und wenn auch
hie und da ernste Gerüchte auftauchten, so glaubte mau
doch den auf Schloß Friedrichshof noch bis in die letzten
Tage hinein ausgegeöeuen verhältnismäßig günstigen
Nachrichten und hoffte sicher, daß es der Kaiserin noch ver-
gönnt sein werde, am 18. Oktober die Einweihung des
Cronberger Kaiser Friedrich-Denkmals zu erleben. Ent-,
sprechend dem bekannten Willen der Kaiserin Friedrich
selbst bestrebte man sich, möglichst wenig und dann stets
optimistisch Gefärbtes an die Öffentlichkeit zu bringen,
so lange die Kaiserin selbst noch eine Kontrole ausüben
konnte, und die Verhältnisse es noch irgendwie gestatte-
ten. Erst am Sonntag entschloß man sich, die Oeffent-
lichkeit, die durch die Depesche des Kaisers bereits alar-
miert war, über die wahre Lage der Dinge zu unterrich-
ten, nachdem das Ergebnis der von den eiligst zurück-
berufenen Professoren Dr. Renvers und Dr. Spielhagen
gemeinsam vorgenommencn erneuten Prüfung des Zu-
standes Hoffnung auf Besserung nicht mehr zuließ, und
gab ein Bulletin heraus. Aber auch jetzt noch beobachtete
inan der Presse und noch mehr dem Publikum gegen-
über die größte Zurückhaltung. Die Absperruugsmaß-
regeln wurden noch energischer gehandhabt wie vordem,
und der Dienerschaft, die zudem in den letzten Tagen das
Schloß kaum mehr verlassen konnte, wurde noch strenger
als zuvor die äußerste Verschwiegenheit zur Pflicht ge-
macht. So kam es, daß man in Cronberg noch am Sonn-
tag Nachmittag in den breiteren Massen keine rechte
Ahnung von dem Ernste der Situation hatte und unbe-
denklich mit Konzert und Gesang Feste feierte. Erst ge-
gen Abend, als die unerwartete Ankunft der Kaiserin
und des Kronprinzen bekannt wurde, erriet man, daß
oben auf dem Schlosse die Entscheidung nahe bevorstehe.
' L onö'o n, 5- Aug. „Daily Telegraph" sagt in ei-
nem Artikel über die Krankheit der Kaiserin Friedrich:
Das britische Reich ist mit ganzem Herzen Leim deut-
schen Kaiser. Es bringe ihm Zuneigung und Mitgefühl
entgegen in einem Grade, wie es vielleicht niemals vor-
her von einer großen Nation einem fremden Herrscher
gegenüber geschehen sei. n- .
London, 5. Aug. König Eduard, der sich ans
seiner Nacht bei Cowes befand, kehrte nach London zu-
rück.

Deutsches Reich.
, — Im „Reichsanzeiger" bringt der Kriegs-
m i n isteü erneut zur allgemeinen Kenntnis, daß den
Unteroffizieren und Mannschaften dienstlich verboten ist:
Jede Beteiligung an Vereinigungen, Versammlungen,
Festlichkeiten und Geldsammlungen, wozu nicht vorher
besondere dienstliche Erlaubnis erteilt wurde, ferner jede
Dritten erkennbar gemachte Bethätigung revolutionärer
oder sozialdemokratischer Gesinnung, desgleichen das
Halten und die Verbreitung revolutionärer oder sozial-
demokratischer Schriften, sowie jede Einführung solcher
Schriften in Kasernen oder sonstige Dienstlokale. Ferner
ist sämtlichen Angehörigen des aktiven Heeres dienstlich
besohlen worden, von jedem zu ihrer Kenntnis gelangen-
den Vorhandensein revolutionärer oder sozialdemokra-
tischer Schriften in Kasernen oder anderen Dienstlokalen
sofort dienstlich Anzeige zu erstatten. Dieses Verbot und
die Befehle gelten auch für die zu Hebungen und Kon-
trolversammlungen einbernfenen Personen des Be-
urlanbtenstandes.
— Wegen Beleidigung des deutschen Kaisers soll ein
amerikanischer Journalist ausgewicsc» werden. Der
„Hamb. Korr." berichtet darüber: Wolf v. Schierbrand
wird demnächst aus dein Gebiet des deutschen Reiches
ausgewiesen werden. Den Anlaß zu dieser Maßregel
hat nicht seine Thätigkeit für die „Associated Preß" ge-
geben, sondern die, von verleumderischen Beleidigungen
des deutschen Kaisers strotzenden Artikel in der New-
yorker „Eveniug Post", die eine scharfe Ahndung erheisch-
ten. Herr Wolf v. Schierbrand hat zwar an amtlicher
Stelle und auch uns gegenüber in Abrede gestellt, daß
die Schmähartikel von ihm hsrrührten; seine Autor-
schaft ist aber nunmehr außer allen Zweifel gestellt,
v. Schierb rau d ist ein ehemaliger sächsischer Offizier.
— Der Lchrerberuf ist noch lange nicht der unge-
sundeste, wie vielfach behauptet wird, lieber die Sterblich-
keitsverhältnisse des höheren Lehrerstandes liegt jetzt der
Bericht der mit der Untersuchung betrauten besonderen
Kommission vor. Einem auszugsweisen Bericht der Berl.
Korr, entnehmen wir darüber: Es beträgt die durch-
schnittliche Lebenserwartung der Oberlehrer und Direktoren
verglichen mit der männlichen Bevölkerung in Preußen: im
Alter von
25 Jahren noch 41,07 gegen 36,69 Jahre
„ 36,63
„ 32,11
„ 27,91
24,00
20.20
„ 16,56
„ 13.49
„ 10.94
„ 8 27
„ 5.99
„ 4,29
Aug.

30
35
40
45
50
55
60
65
70
75
80
Emde n,

Wer

32,85
29,25 „
25,55 „
22,14 „
18.87
15.73 „
12.83 „
10,17 „
7.85 .,
5.88 „
4.31 ,.
Magistrat bittet alle Be-


hörden und eingeladenen Persönlichkeiten, statt, besonderer
Absage davon Kenntnis zu nehmen, daß die Einweih-
ung des Hafens und die Denkmalsent hül-
luug infolge Verschlimmerung des Befindens der
Kaiserin Friedrich auf unbestimmte Zeit vertagt
worden ist.
Bremen, 4. Aug. Die zum Studium der Kanal-
bauten und der Hasenanlagen hier weilenden Mitglieder
der französischen D e p u ti e r t e n k a m m e r
besichtigten vormittags die Hasenanlagen und fuhren
dann mittels Dampfers nach Bremerhaven. An Bord
wurde während der Fahrt ein vom Senat gegebenes
Frühstück eingenommen, wobei der Präsident des Nord-
deutschen Lloyd, Plate, die Kommission namens des
Norddeutschen Lloyd begrüßte. In Bremerhaven wur-
den die Anlagen der Modellversuchsstation des Lloyd
besichtigt. Die Kommission nahm ein Mahl des Lloyd
an Bord des Dampfers „Mark" ein und kehrte gegen
8 Uhr nach Bremerhaven zurück. Um 8j^s Uhr fuhr die
Kommission nach Hamburg weiter.
Hamburg, 5. Aug. Die franzostlche Kanalkom-
ittission, welche gestern Abend von Bremen hier emge-
trofsen ist, besichtigte am Vormittag die Schiffswerft
von Blohm u. Voß und die Reiherstiegwerft. Mm Nach-
mittag begab sich die Kommission, durch den Kaiser Wil-
helmKaiial nach Kiel.
Baden.
ch Neckar gemünd, 5. August. Gestern Nachmittag
fand hier im „Prinz Carl" eine Versammlung der Ver-
trauensmänner des Bundes der Landwirte statt,
zwecks Stellungnahme zu den bevorstehenden Landtags-
wählen im Bezirk Heidelberg-Land; es wurde mit allen
Stimmen gegen 2° die Unterstützung des Kandidaten der
 
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