Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 150 - 176 (1. Juli 1901 - 31. Juli 1901)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37097#0037

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ft«


'st
st-'-


SmsLag, 6. Juli 1901.

Erstes B'lstt.

43. Jahrgang. — 155.

Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 5V Pfg. frei in'S HauS gebrecht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum- Neklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts-und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln
der Heidelberger Zeiturg und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Auschluß Nr. 82.


gs

* Zur Personentarifreform im Eisenbahn-
wesen.
Die 45iägige Giltigkeit der Rückfahrkarten ist
""n von allen deutschen Bohnverwaltungen sowohl im
'"Nein Verkehr als auch im Verkehr mit anderen deutschen
* ..ahnen entweder schon verkündigt, oder es steht die Ver-
eidigung bevor. Der Anstoß, den Preußen-Hessen so
""erwartet und unverhofft gegeben hat, hat sich mit ganz
-"gewöhnlicher Schnelligkeit durch das ganze Reichsgebiet
'"«gepflanzt.
Von Denen, die für die Erweiterung der preußisch-
Affchcn Gemeinschaft über ganz Deutschland schwärmen,
das selbständige plötzliche Vorgehen Preußens und
prompte Nachfolge der andern deutschen Staaten be-
"tzt, um die unwiderstehliche Macht der preußischen Bah-
innerhalb des deutschen Bahnnetzes zu demonstrieren,
habe sich gezeigt, daß, wenn Preußen vorangehe, dann
§?e andern Verwaltungen Nachfolgen müßten, so sei es
schein und Selbsttäuschung, wenn die nichtpreußischen Eisen-
»"hnverwaltungen von ihrer Selbständigkeit sprächen u. s. w.
fte so reden, haben nur die Hälfte der Wahrheit erfaßt,
was Preußen Gutes, ReformatorischeS bringt,
werden die andern Verwaltungen nachmachen, ja nach-
ten müssen, aber es besteht keine Sicherheit, daß
^ußen die Augenblicke des Fortschrittes immer rechtzeitig
"hrnimwt und da können dann die Verwaltungen der
Äderen Bahngebiete sich Verdienste erwerben. Wer glaubt
"hl, daß Preußen die Neuerung mit der langen Dauer
Rückfahrkarten eingeführt Härte, wenn nicht Bayern
später ganz Süddeutschland mit der lOrägigen Rück-
arte vorangegangen wären? Preußen hat hier erst
Süddcmschland lernen müssen und lange genug hat
gedauert, bis es begriff.

>'N)




c»d

d
kka


e.
g',
!h
gS>
-<-l
iF
o
1t
-öE
iß-"


Ziemlich allgemein verbreitet ist schon heute die Ue-
Zeugung, daß die von Preußen getroffene Maßregel
^" die Einleitung zu einer weiteren Reform bildet,
»»bst in einem Eisenbahnbrief des Karlsruher Mit-
tlers des „Schw. Merk." wird das zugegeben und es
i/b darin ein Tarisrcformprogranun aufgestellt, das
>>Z Mit dem des Eisenbahnreform-Vereins schon sehr
""berührt. Es heißt da:
q»^ie Ausdehnung der Giltigkeitsdauer der Rückfahr-
ist noch nicht das letzte Wort: man muß einfache
zum gleichen Preise ausführen können; dann
t das Kilometerheft vollständig wegfallen. Diese
i t'M muß und wird kommen; sie wird im Tarifwescn
- "ie Vereinfachung bringen, die wir seit langer Zeit
erstrebendes Ziel hingestellt haben. Sie wird
keine finanzielle Bedenken mehr erregen. Denn
»t ^tägiger Giltigkeit werden die Rückfahrkarten bald
^Allergrößten Teil der gelösten Karten ausmachen.
^ bei dauernden Ortsveränderungen wird man zu
Uen Karten greifen. Alle sonstigen Reisen (Ge-
und Vergnügungsreisen) müssen immer zum
t llangspunkt zurückführen und werden selten länger
Tage beanspruchen. Diese Beschränkung kann
^ Nennenswerte finanzielle Einbuße wegfallen. Erst
st.- Man die einfache Fahrt zum gleichen Kilometer-
) ^ Machen kann, wie eine Rückfahrt, ist der Gerechtig-
"enüge gethan.


i'

Stadttheater.
Heidelberg, 6. Juli.
^'^ie Dame von Maxim", Schwank in 3 Akten
- Georges Feydeau. Gastspiel des Ha ller-
^ n-bles unter persönlicher Leitung des Direktors
st Freund-Haller.
st? Zeit, da der Heidelberger den Strohbut trägt,
st Wan ihn nur schwer ins Theater. Doch haben die
ststsky-Vorstellungen und gestern auch die erste Vor-
des Haller Ensembles gezeigt, daß außergewöhn«
:h,w>tlässe ihn auch im Hochsommer dahin zu locken
«Dame von Maxim" sollte, so hörte und las
F ft«Äas besonders Verlockendes an sich hoben, und so
H^s gestern stark besetzt, wenn auch nicht aus-

der That etwas sehr eigentümlich, ja bedenklich,
PS ste Sache an. Der Doktor Mongicourt, der mit-
ist12 Uhr seinen Freund und Kollegen, den Doktor
^ st' Duckst, findet ihn im dunkeln .Vorderzimmer mit
st, .-Mee zugedcckt am Boden schlafend. Im Schlaf-

:1- "
ff l

^ sonst so soliden Freundes hält sich ein weib-
?lih,stken, die Tänzerin Krevette, ein Stommgästin der
!>stf.^ble, auf. Beide schnarchen um die Wette. Als
ist ^kckt sind, was bei dem böse verkaterten Petypon
k >i>T^wierigkciten macht, kommt dessen Frau hinzu
st ' begibt eine Groteskkomödie, die man nur mit
ist.^lltigen Vorbehalten genießen kann, die aber im
" Manchen wirklich scherzhaften Zug anfweist. Um


lind daß diese Reform, die Vereinheitlichung der
Personerrtaxen komme, darauf sollten jetzt alle Bestre-
brurgen konzentriert werden. Finanzielle Bedenken spre-
chen jetzt nicht mehr dagegen, wenn (vorbehaltlich späterer
Ermäßigung bei günstigen Ergebnissen) für die 3. Klasse
2,5 oder 2,4 Pfg. zugrunde gelegt werden, für die übri-
gen Klassen entsprechend höhere, bezw. für die 4. Klasse
2 Pfg. beibehalten werden. Dagegen wird die Verein-
fachung des Dienstes sehr erheblich sein; die Abfertigung
an den Schaltern wird rascher vor sich gehen, und es
kann bei gleichem Verkehr eine Minderung der Personal-
kosten in Aussicht genommen werden.
So der „Schwäb. Merkur". Von den Eisenbahn-
reformern wird bekanntlich schon seit Jahren ein Tarif
von 2, 4 und 6 Pfg. für die verschiedenen Klassen ver-
langt bei Gültigkeit für alle Züge und bei Wegfall aller
Sonderfahrkarten mit Ausnahme der Arbeiterzugskarte.
Die Taxe von 2,4 Pfennig für den Kilometer ist von den
Vorschlägen des Eisenbahnreformvereins nicht weit ent-
fernt. Es ließe sich darüber reden, ob man zunächst nicht
2,4 Pfg. pro Kilometer, das ist die Taxe deS Kilometer-
heftes, als Tarif für die einfache Karte dritter Klasse
festsetzen sollte.

Zum Krieg in Südafrika.
Im englischen Unterhause teilte der Kriegsminister
Brodrick am 4. d. mit, daß Botha kürzlich von Kit-
chener die Erlaubnis erhielt, an Krüger ein Chiffre-
telegramm abzusenden. Als die Antwort ein-
getroffen, sei unter dem 20. Juni eine von Burger und
Steijn Unterzeichnete Mitteilung ausgefertigt worden,
welche den Passus enthielt, Krüger erklärte, daß er und
die Burendepntation noch immer der festen
Zu v er sich tseieu, d c r lau g eKam p f wer d e
in befriedigender Weise beendigt wer-
den und daß nach Opfern au Gut und Blut derKrieg
f o r t g e s e tz t w e r d en müsse. Ferner sei in einer
Versammlung, der auch Botha, Dewet, Delarey und an-
dere Führer der Buren beiwohnten, eine Resolution
gefaßt, in der erklärt wird, daß kein Frieds ge-
schlossen oder angenommen werden
soll, um den Preis der Aufgabe der U n a b h än g i g-
keit der Buren oder der Interessen der Kapholländer
und daß der Krieg auf das lebhafteste fortge-
setzt werden solle. — (Auszugsweise ist diese Mitteilung
schon in einem gestrigen Telegramm wiedergegeben wor-
den.)
C a m p b e l l - B a n n c r m a n n erwiderte auf die
Mitteilung Vrodricks: Die Regierung wende nach
Ansicht der großen Mehrheit der Opposition Verkehr-
t e Mittel an. Der einzige Weg zu einer befriedigenden
Beendigung des Krieges sei der, dem Feinde versah n-
l i ch entgegenzukommen. Redner fordert das Haus auf,
gegen den Satz Einspruch zu erheben, daß England die
Buren ohne Gnade und Rücksicht Niederschlagen müsse.
Allerdings müsse der Krieg zu einem erfolgrei-
chen Ende gebracht werden. Die Herbeiführung des
Endes müsse durch eine versö h n l i ch e und freund-
liche Haltung beschleunigt werden.
Balfour bemerkte hierauf, Bannermann
habe sich selbst als auf der Seite der Buren
stehend bezeichnet. Die Buren rühmten sich, daß sie
die Situation zu retten, legt sich die Krevette ein Betttuch
um und qiebt sich für die selige Großmutter der Frau Petypon
aus. Es gelingt in der That, die Frau, die eifrige Spi-
ritistin ist, fortzubringen, dann aber erscheint aus Afrika
der Onkel des Doktors auf der Bildfläche und nun bleibt
diesem nichts übrig, als die Krevette für seine Frau aus-
zugeben. Als solche reist sie mit ihm auf das Schloß des
Onkels und giebt da in der vornehmen Gesellschaft als
echte Pariserin den Ton an. Eine der interessantesten
Partien des Stückes bildet die Seen», in der die aristo-
kratischen Provinzdamen die Tingeltangelmanieren und den
mehr als burschikcsen Ton der Krevette als neueste Pariser
Offenbarung nachahmen. Doch wird sie etwas zu stark
in die Länge gezogen.
Was in der „Hofluft" und in „Madame Sans-Gsne"
in liebenswürdiger Weise gebeten wird, das ist in der
„Dame von Maxim" ins Vergröberte und Kokottenhafte
übertragen.
An den „Schlafwagen-Kontrolleur" erinnert der Geistcr-
auftritt. Die Ueberraschung durch den, Phonographen dort
wird hier durch die Ueberraschung mit einem Einschläfc-
rungSstuhl übcrbotcn, der gelegentlich ganze Serien Ein-
geschlafener in überaus komischen Situationen zeigt.
Am ansprechendsten, ja wirklich poetisch, ist eine Scene,
in der vier kleine Mädchen unter der energischen Leitung
rims fünften, ebenso kleinen, im Gesellschaftszimmer des
Schlosses ein Liedchen vortragen.
Den sehr wirren Knäuel der Handlung der Komödie
hier auseinanderzubreiten, wird man uns erlassen. Das

in England sine große Partei zu ihren Gunsten hätten,
welche schließlich die Geschicke des Reiches bestimmen und
den Buren die Unabhängigkeit gegeben werde.
Wenn man sich erinnert, wie vor einigen Wochen von
der englischen Presse einmütig verkündet wurde, die Unter-
werfung der Buren stünde bevor; sie wollten nicht mehr
kämpfen, Frau Botha komme nach Europa, um Krüger
vorzustellen, daß nicht mehr weiter gekämpft werden könne
— wenn man sich an alles dieses erinnert und dem diese
Szene im englischen Unterhaus entgegenhält, dann muß
man sagen: die englische Presse hat sich furchtbar getäuscht.
Noch nie im Laufe des Krieges erschien die Lage für
England so prekär wie gegenwärtig. Die Buren,
statt kriegsmüde zu sein, wollen den Krieg aufs leb-
hafteste fortsetzen. England zeigt sich nicht imstande,
sie zu unterdrücken und ist mit seinem Truppenmaterial am
Ende; die angckündigten Nachschübe lassen sich nicht aus-
führcn und, was sehr wichtig ist, die Stimmung in Eng-
land selbst wird zusehends schwächer.
Schon weiß die Regierung sich gegen die Angriffe im
Parlament nicht anders zu helfen, als daß sie den Führer
der Opposition verdächtigt, er stehe auf der Seite der
Buren. Das ist ein schlimmes, ein sehr schlimmes Zeichen!

Deutsches Reich.
-— Prinz Eitel Friedrich, dessen Einstellung in das
1. Garde-Regiment z. F. am 8. erfolgt, wird in seiner
Eigenschaft als Fähnrich an dem Unterricht im Pots-
damer Kadettenkorps teilnehmen.
nod. In den „Berl. N. Nachr." wird angeregt, um
der Ueberfüllung der deutschen technischen Hochschulen
mit Ausländern Einhalt zu thun, zunächst von den aus-
ländischen Studenten eine dem deutschen Gymnasialabiturium
entsprechende Vorbildung zu verlangen und dann die
Gebühren für die Ausländer wesentlich zu erhöhen.
nvd. Die Vorbereitungen für die diesjährige General-
versammlung der deutschen Katholiken sind ab-
geschlossen. Die Einladungen werden in den nächsten Tagen
versendet werden.
nab, In der nächsten Zeit wird in Posen von der
Strafkammer eine Verhandlung wegen Gcheimbündelei
gegen polnische Studenten (sieben Russen und sechs Preußen)
stattfindcn.
iwb. Der Chef des Gcneralstabes der preuß. Armee
ermcht alle diejenigen, welche im Besitze von Prioatbriefen
und Berichten von Teilnehmern der Chinacxpedition sind,
diese dem Generalstabe im Original oder in beglaubigten
Abschriften für die Archive behufs späterer geschichtlicher
Darstellung zu überlassen. Die Briefe sollen strengstens
geheim gehalten werden und keinem der Verfasser sollen
vdurch den Inhalt der Briefe oder Berichte irgendwelche
Unbequemlichkeiten entstehen.
— Im Reichstagswahlbezirk M ühIhei in au der
Ruhr wollen die Polen thatsächlich einen eigenen Kandi-
daten aufstellen. Infolge der großen Zuwanderung
schätzt man die Zahl der polnischen Wähler dort auf
6000. Das Zentrum erntet bösen Dank von seinen
Schutzbefohlenen. Die polnischen Agitatoren im Wahl-
kreis erklären, v o in Zentr u m sei ni ch ts z u er-

bisher Angeoeutete genügt, um eine Vorstellung von diesem
modernsten Zugstücke zu geben. Man lacht, man regist-
riert mit einer gewissen Befriedigung manche gute Beob-
achtung des Verfassers, man läßt den tollen Wirrwarr
an sich vorüberbrauseii, aber zu einer eigentlichen inneren
Anteilnahme gelangt man nicht.
Das Personal des Haller'schen Ensembles ist sehr
tüchtig; in schauspielerischer Beziehung blieb die Darstellung
dem Publikum nichts schuldig. Man darf sie als muster-
giltig bczeichen. Die Trägerin der Titelrolle, Frl. Spieler
hatte den Geist ihrer Rolle richtig ersaßt. Wer ihre
Krevette gesehen hat, der hat das Gefühl, wirklich einem
dieser mondaincn Großstadtpflänzchen begegnet zu sein, wenn
auch vielleicht nicht einem Pariser, so einem Berliner oder
Wiener. Die zweite Hauptfigur ist Doktor Petypon. Er ist
der eigentliche sxiritua reetor der zahlreichen Unmöglich-
keiten des Stückes. In der Art, wie Herr H o m m a sich
mit den Aufgaben der Rollen abfand, zeigte er den tüch-
tigen, routinierten Darsteller. , kst Ll.

Kleine Zeitung.
— (Hochschnlnachrichtcn.) An der Berliner Uni-
Vers i t ü t tritt mit dein 1. Oktober eine neue Hono -
rar - Ordnnng in Kraft, welche voraussichtlich mich
auf den übrigen preußischen Universitäten eingeführt
werden dürfte. Bei Gesuchen um Erlaß bezw. Ermäßi-
gung des Honorars soll das Armutszeugnis
künftig nicht mehr gefordert werden, wie denn über-
haupt den Studierenden Erleichterungen in der
Honorar-Zahlung gewährt werden sollen.
 
Annotationen