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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 177 - 203 (1. August 1901 - 31. August 1901)
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Samstag, 17. August 1W1.

rrres


L 191.

Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in'S Haus gebracht, bet der Expedition und den Zweigstellen abgehvlt 40 Pfg. Durch die Post be»
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
«nzei, enpreiS: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzcile sd-r deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
vorgeschriebeuen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnierate auf den Plakattafsln der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Vom Antisemitismus.
„Von einem, der dabei war," geht jetzt ein U rteil
über die antisemitische Partei dnrch die
Tagespresse, das recht interessant ist. In einem Flugblatt
äußert sich der antisemitische -Schriftsteller Wilberg
über den antisemitischen Parteiklüngel:
Seit 16 Jahren stehe ich in der Berliner antisemiti-
schen Bewegung und bin als Redner unserer Sache in
Berlin wohl der einzige, der die Zeit von Henrici bis
heute nicht nur mit gesehen, sondern auch mit durchlebt
hat. Von Henrici bis heute! Jeden ehrlichen Antise-
miten packt ein ingrimmiger Zorn, wenn er an diese Zeit
zurückdenkt, und wer nun gar 18 Jahre hindurch seine
Lunge, seine Gesundheit, seine Existenz und einen nicht
unbeträchtlichen Teil seines Geldes geopfert hat, der
möchte verzweifeln, wenn er sieht, wie bisher Alles um-
sonst war und wie wenig wir in so langer Zeit erreicht
haben. . . . Hätten wir nur stets eine Sache im Auge
gehabt, so wären wir heute Wohl die mächtigste und ein-
flußreichste Partei im ganzen Lande. Aber leider haben
wir gar zu oft die Personenfrage statt der Sache in den
Vordergrund gestellt, lind gerade daran mußten wir
immer und immer wieder scheitern. Keine einzige
Partei hat so viel Gaukler und Schaum-
schläger in ihren Reihen gezählt, wie
die unserige, und keine Partei hat sich
vonPhrasenheldenundelendenSpeku-
l a n t en n a s s ü h r e n,l a s s e n, wie die anti-
semitische. '
Der Ausbau der Häfen von Dar-es-Salaam
und Tanga.
Die Lmtschc .Kolonialgdscllschäst hatte aus ihrer Lü-
becker Tagung beschlossen, bei dem Reichskanzler wegen
Beschaffung geeigneter Lösch- und Ladevorrichtungen für
die Häfen von Dar-cs-Salaam und Tonga vorstellig zu
werden. Die „Deutsche Kolonialzeitung" veröffentlicht
nunmehr die unter dem 27. Juli ergangene Antwort
des Kolonialdirektors. Darnach bildet diese Angelegen-
heit schon seit längerer Zeit den Gegenstand eingehender
Erwägungen und praktischer Vorarbeiten für die Kolo-
nialabteilung des Auswärtigen Amts und das Gouver-
nement von Deutsch-Ostafrika. Zurzeit sind zwei beson-
ders zu diesem Zweck nach Dar-es-Salaam entsandte
Sachverständige an Ort und Stelle thätig, um nach
sorgfältigen Ausnahmen der Wasser- und klserverhält-
nisse die Unterlagen zu liefern, ans Grund deren Mn
allen Erfordernissen Rechnung tragender einheitlicher
Bauplan für die Ausgestaltung des Hafens ausgearbed-
tst werden kann. Insbesondere wird angestrebt, durch
den Bau von Staden- und Landeanlagen sowie zweck-
mäßiger Einrichtungen fiir Kohlen- und Wassereinnah-
men den an einen brauchbaren Seehafen zu stellenden
Ansprüchen zu genügen. Entsprechende Verbesserungen
in Tanga werden aus Sparsamkeitsrücksichten erst nach
Beendigung der Arbeiten für Dap-es-Salaam in Aus-
sicht genommen werden können. Der Bau einer eisernen
Landebrücke im Anschluß an die Bahnanlagen ist auch im
Hasen von Tanga bereits in Angriff genommen. Nach
den letzten Berichten sind die Arbeiten soweit gefördert,
daß die Fertigstellung nahe bevorsteht.

Kleine Zeitung.
— Neustadt (Pfalz), 16. Äug. Ein Mordansall am
Hellen Tage wurde gestern aus freiem Felde unweit der
Stadt verübt. Ein 18jähriger Winzer namens Günther,
sah aus dem Wege zur Feldarbeit, daß einige Burschen die
Mirabellenbäume seines Herrn plünderten. Als er nun
die Obstdiebe zur Rede stellte, fielen sie über ihn her,
mißhandelten ihn jämmerlich, knebelten ihn und warfen
ihn dann auf das Schienengeleise, doch der bald darauf
heranbrausende Zug fuhr auf dem Geleise nebenan vor-
bei. Als dies die Burschen sahen, eilten sie wieder her-
bei, schleppten den Bedauernswerten eine Strecke weit
aus dem Bahnkörper weiter und wollten ihn dann in
einen benachbarten Weiher werfen, woran sie durch hinzu-
kommende Feldarbeiter verhindert wurden. Den jungen
Mann fand man bewußtlos am Boden liegen.
— Ans dem Rcichslandc, 15. Aug. Nach und nach
treffen unsere „C hinese n", glücklicherweise fast voll-
zählig, aus dem himmlischen Reiche in der elsässischen
Heimat ein. Zu Ehren der zurückkehrenden Leute hat
man in einzelnen Dörfern bei allen Honoratioren einen
klmtrunk veranstaltet, kleberall heißt es Abenteuer er-
zählen und die Kriegsbeute vorweisen. Schrecklich kön-
nen unsere Soldaten gewiß nicht geplündert haben, denn
außer kleinen Gegenständen, Porzellanfäßchen, seiden-
taschen, Schuhen, sieht man gar keine Wertsachen, wich-
rend man in gar manchem Bauernhause noch wunder-
volle chinesische Seidenmäntel, silberbeschlagenes Rauch-
zeug. Satteldecken, geschnitzte Kasten von höchstem Werte,
aus der Expedition unter Palikao herrührend, bewundern
kann. Geradezu köstlich ist es, wie die „alten" Chinesen,

Deutsches Reich.
—- Nach einer offiziösen Berliner Zuschrift der „Süd-
deutschen Reichskorresp." ist (trotz dem kürzlich eingetre-
tenen Trauersall) eine Zusammenkunft des
dcntschcn mit dem russischen Kaiser zu erwarten.
H o ni burgv. d. H., 16. Aug. Die Königin von
England und Prinzessin Victoria sind heute!
Morgen halb 6 Uhr mittels Sonderzuges über Ham-
burg nach Kopenhagen abgereist.
Bade«.
86. Karlsruhe, 16. Aug. Die Wahldistrikts-
einteilung für die Wahlmännerwahlen in Karlsruhe,
die vom hiesigen Stadtrat entworfen und vom Großh.
Wahlkommissär genehmigt wurde, wird nunmehr vom
Bezirksamt bekannt gegeben. Dannach ist die Stadt
Karlsruhe in 66 Wahldistrikte mit insgesamt 420 Wahl-
männer eingeteilt. Bei der Wahl im Jahre 1897 waren
es 66 Wahldistrikte mit 420 Wahlmännern.
— Der „Ettl. Landsmann", der dis demokrati-
s ch e Richtung im Zentru m vertritt, erklärt sich gegen
die Schulerschen Vorschläge in der Wahlrechtsfrage. Die
vom „Landsmann" angeführten Gründe lassen in der
naivsten Weise durchschimmern, daß in diesen Kreisen die
Spekulation auf die Volksgunst das oberste Prinzip ist.
* Mit Bezug auf unsere Notiz betreffend Stellung-
nahme des Bundes der Landwirte im Wahlkreise
Heidelberg-Land erbalten wir folgende Zuschrift:
1. Es ist richtig, daß aufgrund des Antrages der
deutsch-sozialen Partei Wahlhilfe für den seitherigen
Abgeordneten Herrn Landwirt Fr. Mampel aus Kirch-
heim vom Bund der Landwirte zu leisten, in der Ver-
trauensmänner-Versammlung am 4. August mit allen
gegen zwei Stimmenthaltungen, für Herrn Mampel sei-
tens des Bundes der Landwirte Wahlhilfe geleistet wer-
den soll.
2. Da weder von der nationalliberalen Partei noch
von dem Kanditaten der Partei, Herr Professor Ouen-
zer-Heidelberg, Wahlhilse vom Bunde der Landwirte
verlangt wurde, so war die Vertranensmännervsrsamm-
lung des Bundes der Landwirte gar nicht in der Lage,
sich mit diesem Kandidaten zu beschäftigen.
Der Bund der Landwirte erachtet sich nicht für ver-
pflichtet noch berechtigt, den Kandidaten irgend einer
Partei zu fragen, wie er sich zum Programm des Bundes
der Landwirte stellt, noch ist er geneigt, bedingungsweise
seine Wahlhilse irgend einer Partei oder Kandidaten an-
zubieten, das entspricht weder seiner Machtstellung noch
seiner Würde.
Es ist nicht wahr, daß der Bund der Landwirte aus
irgend welcher Rücksicht auf irgend eine politische Partei
oder parteipolitischen Mache sein Votum für den Kandi-
daten Mampel abgegeben hat und weise derartige Behaup-
tungen aus das schärfste zurück.
Bund der Landwirte.
Der Wahlkreis-Vorsitzende:
Reh m, Gauangelloch.
Anmerkung der Redaktion. Der Bund der
Landwirte zieht sich also aus den rein formalen Stand-
punkt zurück, daß er von dem Kandidaten der national-
liberalen Partei nicht um „Wahlhülfe" angegangen wor-
den sei und sich deshalb mit demselben garnicht beschäftigt
Hobe. Ohne Zweifel ist dies nur eine Ausrede und diese

daß heißt die französischen Kriegsveteranen, beim An-
blick der geringfügigen Andenken an China unter sar-
kastischen Bemerkungen die Nasen rümpfen. „Do sieht
m'rs emol wieder", bemerkte neulich sehr tiefsinnig einer
dieser Veteranen, „ils ont travaills pour le roi de
Prnsse". -s
— Berlin, 16. Aug. In der heutigen Sitzung des
Zoologenkongresses wurde Bern als Ort
des nächsten Kongresses gewählt und Professor Studer-
Bern als Präsident gewählt. — Nachdem Kultusminister
Dr. Studt namens der Regierung die besten Wünsche für
weitere erfolgreiche Thätigkcit ausgesprochen, wurde der
Kongreß geschlossen.
— Gumbinnen, 16. Aug. Im Prozesse Kro-
sigk wurden im Laufe der heutigen Verhandlung die
Angeklagten ans Antrag des Staatsanwaltes darauf
aufmerksam gemacht, daß eventuell nur wegen Totschlags
bezw. Beihilfe erkannt werden könnte.
— Tic Znhl.dcr Fremden, die im Jahre 1900 I a -
pan bereist haben, betrug 20900; sie war, vermutlich
wegen der Wirren in China, um 20 Proz. niedriger,
als im Jahre vorher. Man berechnet, daß der Tourist
im Durchschnitt etwa 1000 Uen im Lande ansgibt, so-
daß also iin vorigen Jahre durch den Besuch der Frem-
den mehr als 20 Millionen schen nach Japan geflossen
sind.
— Eine chinesische Kanone als Patcngcschcnk. Ein
interessantes Patengeschenk wurde dem im Januar 1898
geborenen Sohn des Chefs der Marinestation der Nord-
see, Admirals Thomsen, zu teil. Bei der Taufe des
Kleinen hatte seiner Zeit das Offizierskorps und die ge-
samte Besatzung des Panzers „Kurfürst Friedrich Wil-

Ausrede ist doch recht kindisch. Man hat im Bunde doch
sehr gut gewußt, wer für die nationalliberale Partei kan-
didiert und man kennt dort auch das Programm, das
Herr Qilenzer vertritt. Es ist in der Neckargemünder Ver-
traucnsmänner-Versammlnng des Bundes auch sehr wohl
die Kandidatur Quenzer in Betracht gezogen worden. Denn
zwei Vertrauensmänner haben nicht für die Kandidatur
Mampel gestimmt, was nach Lage der Dinge doch nur
heißen kann, sie haben für Quenzer gestimmt. Ebenso
hätten die anderen Vertrauensmänner sich auch Verhalten
können; sie haben cs aber nicht gethan, weil sie poli-
tische Gegner der Nationalliberalcn — Zentrumsleute '
und Andere — sind. Der Bund der Landwirte wird von
ihnen nur vorgeschoben, um dahint-r ihre politischen Zwecke
zu verfolgen. Deshalb bleiben wir dabei» daß es sich hier
nm eine politische Mache handelt. Wenn einzelne unserer
bisherigen politischen Parteifreunde dies nicht durchschaut
haben, so thut uns das ihretwegen sehr leid. Insbeson-
dere bedauern wir, daß ein so alter Parteifreund und
langjähriger Vertrauensmann, wie Herr Bürgermeister
Rchm in Gauangelloch, sich jetzt dazu hergibt, das Auf-
treten des Bundes der Landwirte gegen den national-
liberalen Kandidaten mit seinem Namen zu decken. Der
natioualliberale Kandidat wird, so hoffen wir, trotz dieser
Machenschaft siegen. Wenn sich der Bund der Landwirte
auf ein hohes Pferd setzt und von seiner Machtstellung
spricht, so ist das Schaumschlägcrei, denn Jedermann weiß,
daß der Bund im Bezirk Heidelberg-Land durchaus keine
Machtstellung besitzt. Außerdem werden die nationallibe-
ralen Mitglieder des Bundes, so hoffen wir zuversichtlich,
trotz des Neckargemünder Beschlusses der Vertrauensmänner,
in ihrer großen Mehrheit keinen Verrat an der bisher von
ihnen vertretenen Sache begehen.
Elsaß-Lothringen.
— Aus Mitteilungen, die Herr v. KölIer einem
Vertreter der Presse machte, geht hervor, daß der Statt-
halter Fürst H o h e n l o h e - L a n g e n b u r g die-
jenige Persönlichkeit war, die ihn, (v. Köller) eingeladen
hat, das erledigte Staatssekretariat zu übernehmen.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Bezirksarzt Geheimen Hofrat Julius Schenck in Rastatt das
Ritterkreuz des Ordens Berthold des Ersten verliehen und den-
selben auf sein Ansuchen unter Anerkennung seiner langjährigen
und treugeleistetcn Dienste wegen vorgerückten Alters und leidender
Gesundheit auf den 1. Oktober d. I. in den Ruhestand versetzt
— Die Eröffnung des Betriebes auf den neuen Bahn-,
strecken Waldkirch—Elz ach und Neustadt—
Hüfinge n—D onaueschingen ist endgiltig auf
den 20. August festgesetzt. Der Fahrplan findet sich im
Sommerfahrplan der badischen Skaatseisenbahnen für
1901.

Ausland.
England.
London, 16. Aug. Der deutsche Kron-
prinz ist heute früh ans Viktoriastation eingetroffen.
Zuin Empfang auf dein Bahnhofe waren die Mitglieder
der deutschen Botschaft erschienen.

Helm" Patenstelle übernommen, weil sich nämlich der Va-
ter des Neugeborenen damals an Bord dieses Schiffes
befand. Für den Knaben war es nun eine große Freude,
als erlich dieser Tage zur Begrüßung der mit dem „Kur-
fürst Friedrich Wilhelm" aus China Heimgekehrten und
zur ^Überweisung von Blumenspenden an diese auf sein
Patenschifs begeben konnte. Noch größer aber war seine
Freude', als ihm vom Kommandanten des Schiffes eine
in China erbeutete Kanone in „Lebensgröße" und von
den Deckoffizieren ein großer, in Holzschnitzerei sauber ge-
arbeiteter Elephant als nachträgliches Patengeschenk des
Panzers überreicht wurde.
— Der Todcsritt der Sioux-Häuptlinge. Den Sol-
daten Uncle Sams ist der Sinn für Romantik noch nicht
abhanden gekommen, nicht die Achtung vor dem Helden-
tum des Feindes. Jüngst hatte sich der Stamm der
Sioux empört, der Aufstand war aber niedergedrückt
worden, und drei der Siourhäuptlinge wurden zum Tode
verurteilt. Die Delinquenten erbaten es sich als Gnade,
einen ehrlichen Jndianertod erleiden zu dürfen, das
heißt, zu Pferde, in Waffen, in vollem Kriegs- und
Farbenschmnck zu sterben. Ihre Bitte wurde ihnen vom
Kommandeur der Exekutionstruppe gewährt. Auf der
Ebene war eine Kompagnie Soldaten in Reih .und
Glied ausmarschiert, Karabiner in Hand, schußbereit.
Ans den Hügeln vor ihnen bereiteten sich die drei Häupt-
linge zum Todesritt. Sie tragen ihren prächtigsten
Kricgsschmuck, Adlersedern wallten ans ihrem Haar
empor, ihre Gesichter waren gräßlich bemalt. Noch saßen
die drei .Krieger auf der Erde und summten den Totengv-
sang. Dann Plötzlich sprangen sie empor, mit einem
Satz warm sie im Sattel ihrer Renner. Sie schwangen
 
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