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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

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Nr. 256 - 281 (1. November 1901 - 30. November 1901)
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Erstes Blatt.

43. Jahrgang. — Ist. 274.

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Freitag, 22. November IM.


Erscheint täglich. Sonntags ausgenommen. — Preis mit Fawilienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post bc,
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Psg. die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
vorgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.


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Deutsches Reich.
— In Berlin ist im Alter von 76 Jahren Geheimer
Lcgationsrat a. D. Prof. Dr. Ludwig Karl Aegidi ge-
storben. Er war ein geborener Tilsiter. Nachdem er sich
dem akademischen Studium der Rechts- und Staatswissen-
schaft sowie der Geschichte gewidmet hatte, war er zuerst
kurze Zeit als Privatsckretär der preußischen Minister
v. Auerswald und Graf Dönhoff und sodann journalistisch
thätig. 1853 habilitierte er sich zu Güttingen und erhielt
1857 eine außerordentliche Professur bei der Erlanger
Fakultät, die er bis 1859 inne hatte. Während des
italienischen Krieges von 1859 veröffentlichte er zum Teil
anonym bemerkenswerte politische Schriften zur Tages-
geschichte und förderte auch die Gründung des National-
vereins. 1859 übernahm er die Professur der Geschichte
und'Staatswissenschaften am akademischen Gymnasium zu
Hamburg und 1868 eine ordentliche Professur in der
juristischen Fakultät der Universität Bonn. 1871 wurde
er in das Auswärtige Amt des deutschen Reiches berufen
und zum Wirkl. Lcgationsrat und Vortragenden Rat er-
nannt. Als er 1877 aus dieser Stellung ausschied, wurde
er zum Geh. Lcgationsrat und ordentlichen Honorar-
professor bei der juristischen Fakultät in Berlin ernannt.
Zur Zeitgeschichte hat Aegidi eine Anzahl wichtiger Schrif-
ten veröffentlicht. Von 1867 bis 1870 gehörte er dem
norddeutschen Reichstag, von 1867 bis 1868 und darauf
seit 1873 längere Zeit als Mitglied der freikonservativen
Fraktion dem preuß. Aügcordnctenhause an.
— Ein Berliner Gewährsmann des „Schw. Merk."
hat guten Grund zu der Annahme, daß diejenigen deut-
schen Zeitungen und Kreise, ivelche die Kundgebungen
des Unwillens gegen die bekannte Auslassung
Chamberlains bekämpft und herabgesetzt haben,
durch den Grafen Bülow im Reichstag eine Enttäu-
schung erfahren werden. Danach wird also Graf Bülow
kräftig ins Zerrg gehen. Das wäre sachlich begründet
und würde der Volksstimmung entsprechen. — Die
Protestkundgebungen dauern immer noch an. So wird
Ws München, 21. Nov., berichtet: Die Protestver-
sammlung der Münchener Studentenschaft
gegen Chamberlains Ausführungen, welche
gestern Abend stattfand, war von 3000 Studenten, sowie
von vielen Professoren besucht. Unter großem Beifall
sprachen die Professoren Frhr. v. Stengel und Graf du
Moulin-Eckart, welche beide energisch gegen jeden Ver-
gleich der deutschen Kriegführung im Jahre 1870 mit
den Vorgängen in Südafrika protestierten. Mit dem
Gesang „Deutschland, Deutschland über alles" schloß
die Protestversammlung.
Hamburg, 20. Nov. Man wird nachgerade sehr
gespannt, so wird der „Frkf. Ztg." geschrieben, auf
welch« Art die Sozialdemokraten es anfangen
werden, die Akkordmaurer kleinzukriegen. Bis
letzt ist dazu noch nicht die geringste Aussicht. Es wurde
weulich schon berichtet, daß dis Akkordmaurer für ihren
Wiedereintritt in den Zentralverband Bedingungen stel-
len, die ihren vollen Sieg zum Ausdruck bringen wür-
den. Sie fordern nämlich Anerkennung der Akkord-
arbeit und Rücktritt des Verbandsvorstands. Natürlich
ist dieser Modus für die Gewerkschafter ganz unannehm-
bar. Der Zentralverband ist der „Freien Vereinigung"

Kleü?e Zetrrmg.
^ — Gießen, 21. Nov. Me Hinrichtung des
Aarrbmörders Ermer wurde heute Morgen durch den
Scharfrichter Brand mittelst Fallbeiles ohne Zwischenfall
vollzogen. Der Vorgang dauerte einschließlich des Ge-
betes des Geistlichen drei Minuten.
- -— Berlin, 21. Nov. Der Stadtverordnetenaus-
Iwuß zur Vorbereitung der Magistratsvorlage betreffs
w Umgestaltung der Straße „Unter denLinden"
^hrn mit 9 gegen 2 Stimmen das vom Kaiser ge-
whmigte Projekt an.
. — Eine Episode ans dem Kncißl-Prozcß, die von
Plem gewissen Psychologischen Interesse ist, sei nach-
Aglich noch erwähnt. Bei der Vernehmung der Kran-
Aschwester Adelgunde (Maria Pittero) fragte der
^watsanwalt die Zeugin: Ist Ihnen bekannt, daß eine
Ali ge Sch we st er versetzt werden, mußte, weil der-
Aen von Kneißl ein unzüchtiger Antrag gemacht wurde?
A^Ugin: Davon ist mir nichts bekannt. Verteidiger
^chtsanwalt Dr. v. Pannwitz: Ich habe von dieser
Ache noch niemals etwas gehört, ich muß daher den
Arn Staatsanwalt bitten, nähere Angaben hierüber
2-.. wachen. Staatsanwalt: Herr Kriminalwachtmeister
dem E E München hat mir dies mitgeteilt, ich bin bereit,
dm - E>en M laden. Verteidiger: Ich kann mich leider
remm Echt begnügen, sondern bin zu meinem Bedauern
jAErgt,, die Ladung der Schwester zu beantragen, der
Hi-; hwztichtige Antrag gemacht sein soll. Der Herr
^ .wiaatwachtmeister ist doch jedenfalls nicht dabeige-
A sondern hat es nur gehört. Staatsanwalt: Der
WUalwachtmeister hat es von Kneißl selbst gehört.
WI erzählt: Eines Tages, als gerade der Pfarrer

aber doch soweit entgegengekommen, daß er ihnen un-
ter der Voraussetzung, daß sie den Lohntarif für künftig
anerkennen, gestatten will, die von ihnen abgeschlossenen
Akkorde erst zu vollenden. Wie man sieht, wäre so den
Akkordmaurern ein ehrenvoller Rückzug geschaffen wor-
den. Sie haben indessen diesen Ausweg kn ihrer Mit-
gliederversammlung gestern mit 182 gegen nur 5 Stim-
men abgelehnt.
Bade«.
Karlsruhe, 21. Nov. (Vom Landtag.)
Die erste Kammer hält unmittelbar nach Beendigung
der Landtagseröffnung ihre erste Sitzung ab mit der
Tagesordnung: Mitteilung der Großh. Regierung, An-
zeige neuer Eingaben, Wahl der Sekretäre und Kom-
missionen. Das Archivariat der zweiten Kammer hat
die Vertreter der hiesigen Zeitungen auf heute Abend
6 Uhr zu einer Besichtigung der Tribünen eingeladen,
wobei auch die neuen Lichtverhältnisse einer Probe unter-
zogen werden sollen.
LO. Karlsruhe, 21. Nov. Eine Kanal-
vorlage wird aller Voraussicht nach dem badischen
Landtag unterbreitet werden: Die Regulierung des
Oberrheins soll, nachdem jahrelange Verhandlungen
vorausgegangen sind, endlich in Angriff genommen
werden. Die zwischen den beteiligten Staaten gepflo-
genen Verhandlungen haben zu dem Resultat geführt,
daß Baden von den insgesamt 13 Millionen betragen-
den Kosten 5,5 Millionen zu tragen hat. Das ist gü-
wiß eine große Summe, allein man darf nicht außeracht
lassen, daß Baden von der Schiffbarmachung des Ober-
rheins auch große Vorteile zu erwarten hat. Man sollte
daher annehmen dürfen, daß allezeit mit freudiger Ge-
nugthuung davon Kenntnis genommen wird, daß end-
lich dieser Plan seiner Verwirklichung entgegenreift.
Aber weit gefehlt! Ebenso wie in Preußen machen auch
bei uns die Agrarier bezw. ihre Helfershelfer gegen den
Plan mobil. Der „Bad. Beob." zetert schon über die
„große Gefahr", die unserer heinrischen Landwirtschaft
durch die Schiffbarmachung des Oberrheins drohe, wäh-
rend doch gerade die Landwirtschaft von einer Verbil-
ligung und Verbesserung des Verkehrs den größten Vor-
teil zu erwarten hat.
Bayern.
München, 21. Nov. Die Kammer der A8-
geordnöten nahm einen Antrag an, worin die
Regierung ersucht wird, den Weiterbau von Lokalbahnen
thunlichst zu beschleunigen. In der Beratung erklärte
der Ministerpräsident bezüglich der von den Abgeordne-
ten zur Sprache gebrachten süddeutschen Eisen-
bahn g e m e i n s ch a f t, es seien allerdings Verhand-
lungen im Gange, die eine weitere Vereinheitlichung
und Vereinfachung der Tarife bezwecken; es würden da-
rüber auch in nicht allzu ferner Zeit weitere Besprechun-
gen stattfinden. Allein eine größere Verbilli-
gung des Personentarifs sei nur zu Zeiten guter Fi-
nanzen möglich. Die bayerische Regierung werde jede
Vereinbarung ablehnen, die die Selbständigkeit der baye-
rischen Staatsbahnen irgendwie beeinträchtige.
— Gegen den Mommsenbrtef erklären sich von Mün-
chener Hochschullehrern Prof. v. Hertling und der ehe-
malige reichsländische Unterstaatsselretär v. Mayr. Die
voraussetzungslose Forschung ist etwas, was sie
nicht anzuerkennen vermögen.
zu ihm ins Zimmer trat, hatte er seinen A r m um eine
junge schwarze Schwester geschlungen.
Der Pfarrer sagte: „Das sind ja schöne Geschichten!"
Letzterer habe dies sofort angezei-gt, deshalb sei die
junge Schwester sofort versetzt worden. Die Hausoberin,
Ladislaus (Magdalena Lösel), bekundet, daß ihr von
diesem Vorkommnis Mitbnlun,: gemacht worden ser,
die betreffende Schwester sei sofort in ein anderes.Kran-
kenhaus versetzt worden. Verteidiger: Ich will mich da-
mit begnügen und auf weitere Zeugen hierüber verzich-
ten. Ich will auch auf die vielen f ch w ä r m e r i s ch c n
Liebesbriefe nicht zurückkommen, die Kneißl von
einer ganzen Anzahl selbst hochstehender Da-
men erhalten hat. . . . Dieser Beitrag zur „Psy-
chologie desWeibes" bedarf keines weiterenKommentars.
— Poiticrs, 21, Nov. Das Appellationsgericht
sprach den ehemaligen llnterpräfekten M onier frei,
den das Zuchtpolizeigericht wegen Freiheitsberaubung
begangen an seiner Schwester, zu 16 Monaten Gefängnis
verurteilt hattb. In dein Urteil wird erklärt, daß
Monier zwar wegen seiner passiven Haltung Tadel ver-
diene, daß aber sein Vergehen nicht unter das Strafge-
setz falle.
— Tuberkulose in Frankreich. Aus einer vom
Abg. Amodru gefertigten Uebersicht geht hervor, daß
in Frankreich keine Abnahme der tückischen Krankheit
festzustellen ist, während Deutschland und England
großartige Ergebnisse infolge der wirksamen Maßnah-
men der Behörden auszuweisen haben. Wie schlimm es
in Frankreich in dieser Hinsicht bestellt ist, geht besonders
aus den Ziffern der.Stellungspflichtigen hervor, die
wegen tuberkulöser Veranlagung nicht zum Militärdienst

Arrs der Karlsruher Zeitung.
— Personenverkehr über die B o dense egürt el-
bahn. Es wird uns miigeteilt, daß die über Radolfzell—Kon-
stanz—-Bodenice lautenden direkten Fahrkarten und Rundretse-
kartcn ohne Weiteres auch über die Bahnlinie Radolfzell—Ueber-
lingen—Markdorf—Friedrichshafen Giltigkeit besitzen.
Karlsruhe, 21. Nov. Heute früh traf der Prä-
sident des Evangelischen Oberkirchenrats Geheime-
rat Dr. Wielandt in Schloß Baden ein und erstattete
dem Großherzog von halb 11 Uhr an bis nach 1 Uhr
Vortrag. Der Präsident kehrte im Laufe des Nachmit-
tags zurück.

. Ausland.
Frankreich. »
— Was den gegenwärtig in der Kammer zur
Beratung stehenden Kredit für die Chinaexpedi-
tion anbetrifft, so ist im Prinzip die Kammer damit
einverstanden, daß Frankreich eine Anleihe aufnimmt,
um daraus sowohl die Kosten der Expedition wie die
Entschädigungen zu decken; China soll die Anleihe in
Annuitäten zurückzahlen. Die Kommission hat den Vor-
schlag der Regierung im Prinzip angenommen, aber be-
züglich der Entschädigungen einen Unterschied gemacht
zwischen denjenigen Gesellschaften, die eine juristische
Persönlichkeit besitzen und denjenigen, die vom Staats
nicht anerkannt sind. Es liegt auf der Hand, -wohin
diese Unterscheidung zielt, nämlich zum Ausschluß der
Missionsanstalten, und insbesondere der Jesuiten; sie
sollen sehen, wie sie zu ihren Entschädigungen kommen,,
der französische Staat soll ihnen dabei nicht helfen. Dem-
gemäß schlägt die Kommission vor, die Anleihe nur auf
210 Millionen statt aus 265 zu bemessen. In einer
sehr eindrucksvollen Rede hat der Ministerpräsident
Waldeck-Rousseau hervorgehoben, daß Frankreich nach
außen keinen Unterschied zwischen seinen Angehörigen
machen dürfe. Es ist anzunehmen, daß die Kammer
die Sache im Sinne der Regierung erledigen wird.
England.
— Lord Wolselcy, der bisherige Höchstkommän-
dierende der britischen Armee, hat begonnen, die Denk-
würdigkeiten seines Lebens aufzuzeichnen. Wolseley
hat schon durch frühere Werke sich als ein geschickter und
interessanter Schriftsteller erwiesen.
London, 20. Nov. Das Kabinet hat endgiltig
den Zusammentritt des Parlaments auf den 16. Ja-
nuar festgesetzt.
London, 21. Nov. Sir Frederick Trever, der Leib-
arzt des Königs, bemerkte in einer gestern Abend von ihm
gehaltenen Rede, daß der König sich noch niemals einer
so ausgezeichneten Gesundheit erfreute, als gegen-
wärtig.
Rußland.
— Nach der Meldung czechischer Blätter sammeln
die in Rußland wohnenden Czechen Unterschrif-
ten zu einer Petition an den heiligen Synod in Peters-
burg, dieser möge Johannes Huß heilig
sprechen. Pobjedonosszew soll der Frage günstig
gesinnt sein.

herangezogen werden konnten. Während nämlich 1888
auf je 1000 Stellungspflichtige nur 4,9 Tuberkulöse
entfielen, ist dieses Verhältnis 1898 auf 7,13 ge-
stiegen.
— Newyork, 21. Nov. Das Grubenunglück in der
Colorado Telluride Goldmine ist schlimmer als anfangs
angenommen wurde. Angeblich sind hundert Personen
erstickt und zwar durch Rauch, der von einem Brande im
Tunnelgebäuds herstammte.
— Preise leiblicher nnd geistiger Nahrung in alter Zeit.
Nach Kopp, „Geschichte des deutschen Buchhandels"
(Leipzig 1886), erhielt man im Jahre 1514 für einen
Pfennig (gemeint ist der silberne „Weißpfennig", Osuarius
albus, - ca. 6 jetzige deutsche Reichspfennige) eine Henne,
für zwei Pfennige aber bereits ein Pfund Rinds- oder
Kalbfleisch. Dagegen kostete eine gute Abschrift des Oorxus
juris im 13. Jahrhundert 1000 Goldgulden (etwa 10 000
Mark), so daß der berühmte italienische Rechtsgelehrte
Accursins (1180—1260) auf den Besitz eines solchen ver-
zichten mußte. Die Gräfin von BloiS, die Gattin eines
Barons von Kastellane, vermachte 1392 ihrer Tochter ein
Manuskript des Oorpus juris auf Pergament unter der
Bedingung, daß sic einen Juristen heirate, damit diese kost-
bare Mitgift in die richtigen Hände käme. — Die Preise
sanken allerdings schnell, denn durchschnittlich betrug im
14. Jahrhundert der Preis für ein vollständiges Eorxus
juris nur noch 480 Mark, und 1451 brachte ein solches
in Florenz nur noch 14'/, Dukaten (nach dem Münzfuß
von 1464 etwa 90 Mark).
 
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