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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177 - 203 (1. August 1901 - 31. August 1901)
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Dienstag, 27. August 1901.

GrKes Blatt.

43. Jahrgang. — 8r. 199


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Herr v. Miquel über den Reichseisenbahn-
gedanken.

Ein Freund des „Berl. Lokalanz." hat den früheren
Preußischen Finanzminister V.Mquel in Frankfurt aufgs-
sucht und mit ihm ein Politisches Gespräch geführt, das
sich hauptsächlich um die Reichsfinanzreform und die
Reichseisenbahnidee drehte.
In Bezug auf das Zustandekommen der ersteren
Zieht v. Miguel sehr pessimistisch in die Zukunft und
was Rcichseisenbahnen anbetrifft, so ist Miquel im Ruhe-
stände ein ebenso eifriger Gegner derselben, wie er es als
.aktiver preußischer Minister war. Miquel meinte:
^ Die Frage der R e i ch s e is enb a h n en sei ein
üahezu überwundener Standpunkt; jetzt
wieder darauf zurückzukommen, bedeute fast einen R ü ck-
schritt. Eine kurze Zeit hat Fürst Bismarck es
allerdings für möglich gehalten, eins Umwandlung von
so riesigem Umfange, wie es die Uebertragnng sämtlicher
deutscher staatsbahnen auf das Reich sein würde, vor-
zunehmen. Damals, uni die Mitte der siebziger Jahre,
waren cs Maybach und Miquel, die dem Reichs-
kanzler davon ab rieten, indem sie einmal die
A b g en s i g t h e i t der süddeutschen Staaten
gegen einen solchen Schritt betonten, dann aber darauf
hinwiesen, daß es vorläufig noch ganz an den Organen
fehlte, durch die solche Umwandlung vorgenommen wer-
den könnte. Sie schlugen vor, durch Ankauf der preußi-
schen Privateisenbahnen durch den L-taat erst einmal
Preußens Eisenbahnpositionen zu stärkeu und dann
das weitere abzuwarten. Darauf ging Bismarck ein,
die Verstaatlichung in Preußen machte rasche
Fortschritte und hatte den besten Erfolg.
Nur ein Staat oder eine Gemeinschaft von Staaten
mit weit ausgedehntem Eisenbahnnetz kann rationelle Ei-
senbahnpolitik treiben. Der wesentlichste Faktor dabei
ist die T a r i f h o h e i t; auf sie kann und darf Preußen

Einer, der sich zu helfen weiß.
Berliner Gerichtsszene.
Der Schneidermeister Karl Planer bediente sich, um
einen säumigen Mieter zur Zahlung des Mietspreises
zu veranlassen, eines ebenso originellen wie bedenklichen
Mittels. Pl. hatte von seiner Wohnung ein leeres Zim-
mer an einen Privatbeamten Z. abvermietet. Z. war mit
mehreren Mietsraten im Rückstände und wußte den auf
Zahlung drängenden Schneider van Woche zu Woche
zu vertrösten. Endlich wurde Planer, der sich selbst
in Not befand und verklagt worden war, gegen seinen
Untermieter klagbar. Da es jedoch mit dem Prozeß
nicht so rasch vorwärts ging, als er gehofft, glaubte er
dem Schuldner auch noch auf andere Art, wie er sich aus-
drückte, „Feier untern Frack machen zu müssen". Nach
längerem Nachdenken fand sein erfindungsreicher Geist
ciuch wirklich ein Mittel, um dem Säumigen die Hölle
recht heiß zu machen, und dieses Mittel wirkte so vor-
trefflich, daß umgehend Zahlung erfolgte. Leider war
der Schneidermeister dabei mit dem Strafgesetzbuch in
Konflikt geraten und mußte nun vor dem Strafrichter
sein ganz neues Verfahren, säumige Schuldner zur Er-
füllung ihrer Verbindlichkeiten anzuregen, eingehend
klarlegen.
Vorsitzender: Es muß Ihnen doch bekannt sein, daß
es strafbar ist, die Pfändungsmarke des Gerichtsvoll-
ziehers von dem gepfändeten Gegenstände abzulösen,
bevor die Befriedigung des Gläubigers erfolgt ist. Wie
konnten Sie sich erlauben, die Pfändungsmarke von
Ihrem Wandspiegel abzulösen und heimlich auf den
Wandspiegel Ihres Untermieters zu kleben?
Angekl.: Ick will mir dadruff fern verdessendieren.

nicht verzichten, ohne seine Machtstellung
in wirtschaftlicher Hinsicht einzubüßen. Schlie-
ßen sich andere Staaten mit ihrer Eisenbahnverwaltung
der preußischen an, so wird auch ihnen ein Einfluß in
Tariffragen eingeräumt, aber die ganze Sache
bleibt in den Händen der Regierungen. Sobald
aber durch Uebergaug der Staatsbahnen auf das Reich
in Tarifangelegenheiten erst der Reichstag mitzureden
hat, wird durch die Mitwirkung in der Mehrzahl
nicht sachkundiger und durch die mannigfachsten loka-
len und Privaten Interessen in ihren Wün-
schen und Entschlüssen beeinflußter Männer eine allmäh-
liche, aber stetige Abbröckelung des gesamten
Tarif es eintreten; die Folgen davon lassen sich nur
insofern übersehen, als sie sicherlich so nachteilig wie mög-
lich sein werden.
Preußen kann und darf aber auch wegen der hohen
Einnahme auf seine Staatseisenbahnen nicht mehr,
verzichten. Die Entwickelung des Staaatsbahnwesens
gleicht ganz genau der des Z o l l v e r e i n s. Auch da-
mals war es Preußen, das unter allgemeinem Wi-
derspruch eine zollpolitische Zusammenschließung der Ein-
zelstaaten verlangte. Auch damals ist es Hessen gewesen,
das als erster Staat richtig seinen Vorteil erkannte, auf
Preußens Anerbieten einging und glänzend seine Rech-
nung dabei fand, wie jetzt in der E i s e n b a h n ge-
meinschast mit Preußen. Oder woher sonst
kommt denn die großartige Industrie Offenbachs unmit-
telbar an der Hessisch-Frankfurter Grenze? Aus hessi-
schem Gebiete waren ihre Lebensbedingungen durch den
Zollanschluß an Preußen vorhanden, nicht aber aus dem
Frankfurter, das außerhalb der Zollgemeinschaft blieb.
Man kann es auch Preußen nicht verarge n, wenn
es auf benachbarte Staatsbahnsysteme,
die sich gegen den Anschluß an die preußisch-hessische Ge-
meinschaft wehren, einen gewissen Druck ausübt;
es kann dabei doch hundesfreundljch bleiben und bleibt
es auch. D e n n ohneZ w e i sielköuntees den
Staatsbahnen Badens und Sachsens
durch Umgehung auf Preußischen und
hessischen Linien noch viel mehr Fracht-
Verkehr entziehen, als es bisher thut.
Trotzdem bleibt die Frage offen, ob es nichtno ch b u n-
d e s f r e u n d I i ch e r sein könnte. Denn kommen müs-
sen ja mit der Zeit die anderen Bundesstaaten, wenig-
stens die mittleren. Sie können auf die Dauer die
Selbständigkeit ihres Betriebes vhne schwäre
finanzielle Schädigung ihrer Länder nicht aufrecht
erhalten. Die Landesregierungen sind eben
ihren Landtagen gegenüber z u s ch w a ch gewesen,
indem sie jedem in den Landtag gewählten Dorfschulzen
eine Eisenbahn nach seinem Dorfe hin bauten. Daher
jetzt die vielen kleinen Linien, die sich nicht rentieren
und im Verhältnis zu der mäßigen Ausdehnung des
Landeseisenbahnnetzes dessen Etat zu schwer belasten.
Die Bedenken wegen Beschränkung der Landeshoheit
und der Souverainetät werden dem materiellen Ernst
der Lage gegenüber nicht lange stichhalten. — Hessen hat
von solcher Beschränkung nichts gespürt.
Aber auch das f i n a n z i e l l e -E r g e b n i s würde
bei den Reichsbahnen ein recht Problematisches
sein. Von den Reinerträgnissen würden an erster Stelle
die Kapitalzinsen an die Staaten und Staatengemein-
schaften, die ihre Bahnen dem Reiche überlassen haben.

in Abzug zu bringen sein. Ferner würden die schon er-
wähnten ganz unaushleiblichen Abbröckelungen an den
Tarifen niit nicht zu geringen Beträgen in Rechnung
gestellt werden müssen. Unter keinen Umständen würden
also die Einnahmen aus den Reichseisen-
bahnen auch nur entfernt aus reichen, um die
Matrikularbeiträge entbehrlich zu machen. Im Gegen-
teil, wenn die Netto-Einnahmen aus den Reichseisen-
bahneu auf alle möglichen Bedürfnisse des Reiches ver-
wandt werden, dann rückt die Möglichkeit, daß sich der
Reichstag zur Eröffnung anderer, vieleicht näher liegen-
der neuer Einnahmequellen für das Reich entschließt,
m immer weitere Entfernung. Es wird daher dann
nicht nur fraglich, ob die Matrikularbeiträge durch die
Einführung von Reichseisenbahnen überhaupt auf die
Dauer eine Verminderung erfahren, sondern es steht
außerdem fest, daß die Länder, die eigene Staatsbahnen
hatten, in ihren Einnahmen durch Ueberlassung ihrer
Bahnen an das Reich eine von Jahr zu Jahr steigende
Einbuße erleiden.
Das schwerste Bedenken gegen Reichs-
ersenbahnen ist aber ein sittliches: Der
ersteTag,andemdiedeutschenEisenbah-
nenderKompetenzdesdeutschen Reichs-
tages verfallen, wird der Anfang ei-
ne r u n g e h e u r e n K o r r u P t i o n. Unser Wähl-
st, st e m in Verbindung mit der oben erwähntenSchwächs
unseres Volkscharakters bringt es mit sich, daß der
Reichstag viele Mitglieder zählt, die nicht
fragen: Was komnrt dem Ganzen zu Gute? sondern nur
die eine Frage kennen: Was fällt für uns, f ü r u n s e r n
Wahlkreis dabei ab? Das würde zusammen mit
dem von unten immer mächtiger werdenden Drängen
auf Herabminderung des Tarifes von den
unheilvollsten Folgen für die innere Entwickelung
werden. Bei Frankreich und England lassen sich in dieser
Hinsicht keine Vergleiche anstellen, weil diese ein so aus-
gedehntes Netz von Staatsbahnen nicht besitzen wie
Deutschland. Warum aber init einer Sache Experimente
anstellen, die keine materiellen Vorteile verspricht, aber
Gefahren materieller und' ideeller Art in sich birgt?"
Soweit der Bericht des „Berl. Lokol-Anz.". Man
findet durch denselben die schon oft aufgestellte Behauptung
bestätigt, daß nirgends im Reich mehr Partikularismus
herrscht, als in Preußen. Von sachlicher Bedeutung ist
nur das eine Argument, das Miquel gegen Reichseisen-
bahnen ins Feld führte: Preußen traut dem Reichstage
nicht. Wenn man bedenkt, welche schwere Kämpfe die
Hcercsvermehrung im Reichstage gekostet hat und wie
glatt die Sache gegangen wäre, wenn das preußische Ab-
geordnetenhaus die Kontrolle über das preußische Heer-
wesen behalten hätte, dann kann man der preußischen
Regierung die Scheu vor Reichsbahnen nachsühlen. Allein
es ist doch nicht zu übersehen, daß Eisenbahnwesen und
Heerwesen zwei verschiedene Dinge sind. Beim ersteren
wird die Regierung immer zu bremsen haben, während
beim Heerwesen der Reichstag gern die Rolle des Brems-
klotzes spielt. Was die Tarifhoheit anbetrifft, so würde
sich das Verlangen, die Volksvertretung bei den Tarifen
mitsprechen zu lassen, garnicht geregt haben, wenn die
Eisenbahnverwaltungen mit zeitgemäßen Tarifrcformen nicht
o sehr zurückhalten würden. Der Einwand wegen der

Herr Rat, und bitte um Ihr jeneigtes Ohr. Jewrß
habe ick sozusajeu 'n bisken in den Jang dm Gesetzge-
bungsmaschinerie rinjejriffen und in det langsame Ver-
fahren eenen janz unjeahnten Schwung rinjebracht, wo
et doch sonst noch langsamer zum Ziele seht wie uff'n
Sechser-Omnibus. Im Jrunde kann et aber dein hohen
Jericht janz tnttmähmschooß sind, wo die Pfändungs-
marke jeklebt hat. Kleben lassen un selber kleben is nu
mal mein Jrundsatz, und dabei bleibe ick. Daß det
Vöjerl ins Haus geflattert kam und sich uff meinen
Wandspiegel niederließ, jsschah doch bloß, damit det der
Jläubiger sein Geld kriegen sollt. Det Jeld könnt ick
aber erst haben, wenn ooch mein Schuldner endlich mit
de Pinke rausrickte. Nu nahm ick det Vöjerl, löste et
vorsichtig von meinem Wandspiegel los, uni ihm nischt
zu Leede zu thun, und drug et sorjsam nach dem Mieter
seinen Zimmer, wo ick ihm een neies Nestchen uff'n
Wandspiegel zurecht machte. Sie hätte mal sehen sollen,
Wat der Musjöh for Oojen machte, wie er nach Hause
kam un det kleene, runde Ding nff'n Spiejel kleben sah.
Er ließ mir jleich rufen und frajte, Wat. det Heeßen
sollte. „Det soll Heeßen, der Jerichtsverzieher war da,
und Weil Sie nicht zu haben waren, hat er seine
Fisitenkarte dajelassen und jleich an den Spiejel feste
jeklebt, damit se ooch ja nich verloren jehn dicht. Und
wenn Se nu uich schleinigst de Miete abschippen, dann
flattert det kleene Vöjerl, so winzig wie det anssehn dicht,
mit Ihren Spiejel in det Freie und Sie sind det Mo-
bilemaugsticke een for alle Mal los!" — L-chon an'n
nächsten Daje hatte ick mein Jeld. Ick Hab ooch her-
nacher det Jeld an meinen Jläubiger geschickt, der so'ne
jroße Sehnsucht nach meinem. Spiejel an den Dag je-
legt hatte. Und nu war alles jlatt. Ick bejreife nich,

wie det Jericht jetzt noch kommen und mir so beese mit
eenen janz verzwickten Podajrafen unter de Neese stuckern
kann.
Vorsitzender: Vielleicht wäre Ihnen das Strafver-
fahren erspart geblieben, wenn Sie das Geld sofort nach
Empfang des Mietszinses abgeschickt hätten, und zwar
nicht an Ihren Gläubiger, sondern an den Gerichts-
vollzieher.
Angekl.: Da könnt' ick keenen Unterschied bei finden
und habe eenen Dodssschreck jekriejt, wie'der Jesichts-
verzieher noch mal bei mich rankommt, sich den Spiejel
bekiekt und mit eenen jräßlichen Oojenuffschlag meent,
ick hätte det Siejel jelöst und det werde mir deiher zu
stehen kommen. „Sie werden det Vöjerl nich jeniegend
feste anjemacht haben," saje ick, „und da is et vielleicht
wejjeflattert. Wat kann ick dafor?"
Der als Zeuge vernommene Privatbeamte Z. er-
zählt, er sei sehr erstaunt gewesen, daß kaum, nachdem
ihm die Klage des Schneidermeisters zugestellt worden
war, schon eine Pfändungsmarke an seinem Spiegel
klebte. Er habe sich dis Sache nicht erklären können
und umgehend seine Mietsschuld bezahlt, hinterher aber
den wahren Sachverhalt durch die Tochter seines Wirtes
erfahren. — Das Gericht erkennt gegen den Angeklagten
wegen Vergehens gegen Paragr. 136 Strafgesetzbuchs
auf eine Gefängnisstrafe von 3 Tagen.

Kleine Zeitung.
— Snnitätsrat gewesen — nun nur noch Dr. Der
„Reichsanzeiger" enthielt in einer der letzten Nummern
die Anzeige, der König habe das dem praktischen Arzt
Dr. med. Philipp Jakob Stesfan, früher in Frankfurt
 
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