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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150 - 176 (1. Juli 1901 - 31. Juli 1901)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37097#0063

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Donnerstag, II.Jnli 1901.

GrKes Blatt.

43. Jahrgang. — Fr. 159.

Erschein! täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mir FemilienblLttern monatlich 50 Pfg. frei in'S Haus gebracht, bei der Expedition und dm Zweigstellen abgeholt 4g Pfg. Durch die Poft be»
zogm vierteljährlich 1.85 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeilc oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln
der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Auschluß Nr. 82.

Was bestimmt die Reichsverfassung über das
deutsche Eisenbahnwesen.
Die von Bismarck geschaffene Reichsverfassung be-
sagt:
Artikel 41.
Eisenbahnen, welche im Interesse der Verteidigung
Deutschlands oder im Interesse des gemeinsamen Ver-
kehrs für notwendig erachtet werden, können kraft eines
Reichsgesetzes auch gegen den Widerspruch der Bundes-
glieder, deren Gebiet die Eisenbahnen durchschneiden,
unbeschadet der Landcshoheitsrechte, für Rechnung des
Reichs angelegt oder an Privatunternehmer zur Aus-
führung konzessioniert und mit dem Erpropriations-
rechte ausgestattet werden.
Jede bestehende Eisenbahuverwaltung ist verpflichtet,
sich den Anschluß neu angelegter Eisenbahnen auf Kosten
der letzteren gefallen zu lassen.
Die gesetzlichen Bestimmungen, welche bestehenden
Eisenbahn-Unternehmungen ein Widerspruchsrecht gegen
die Anlegung von Parallel- oder Konkurrenzbahnen ein-
räumen, werden, unbeschadet bereits erworbener Rechte,
kür das ganze Reich hierdurch aufgehoben. Ein solches
Widerspruchsrecht kann auch in den künftig zu erteilen-
den Konzessionen nicht weiter verliehen werden.

Artikel 42.
Tie Bundesregierungen verpflichten sich, die Deut-
schen Eisenbahnen im Interesse des allge-
meinen Verkehrs wie ein einheitliches
Retz verwalten und zu diesem Behuf auch die neu
derzustellenden Bahnen nach einheitlichen Normen an-
Mgen und ausrüsten zu lassen.
Artikel 43.
ES sollen demgemäß in thunlichster Beschleunigung
übereinstimmende B e t r i e b s e r n r i ch -
kungen getroffen, insbesondere gleiche Bahnpoli-
zei-Reglements eingeführt werden. Das Reich
dat dafür Sorge zu tragen, daß die Eisenbahnvcrwal-
-ungen die Bahnen jederzeit in einem die nötige Sicher-
est gewährenden baulichen Zustande erhalten und die-
selben mit B e t r i e b s m a t e r i a I so ausrü st e n ,
'Die das V e r k e h r s b e d ü r f n i s es er-
heischt.
Artikel 44.
. Die Eisenbahnverwaltungen sind verpflichtet, dis für
een durchgehenden Verkehr und zur Herstellung inei-
nander greifender Fahrpläne nötigen.Personenzüge mit
^sprechender Fahrgeschwindigkeit, desgleichen die zur
Bewältigung des Güterverkehrs nötigen Güterzüge ein-
»u,führen, auch direkte Expeditionen im Personen- und
Güterverkehr, unter Gestattung des Ueberganges der
Transportmittel von einer Bahn auf die andere, gegen
^ übliche Vergütung einzurichten.
Artikel 43.

D

em Reiche steht
Jp ri f wes en zu.
wirken:

die Kontrolle über das
Dasselbe wird namentlich dahin

1- daß baldigst auf allen deutschen Eisenbahnen
übereinstimmende B e t r i eb s r e g l e -
ments cingefnhrt werden;
2. daß die m öglich ste Gleichmäßigkeit
und Herabsetzung der Tarife er-
zielt, insbesondere, daß bei größeren Ent-
fernungen für den Transport von Kohlen, Koaks,

Kleine Zeitung.
(Hochschnlimchrichtett.) Das Präsidium der Wil-
, der Technischen Hochschule Charlottenburg
r;Mbt:Eine im akademischen Leben ganz neue Ein-
^'chsung ist vom Präsidium der Wildenschaft der
g^Rnischen Hochschule in Charlottenburg mit Genehmi-
hRP^des Rektors getroffen worden. Es ist bekannt, wie
sh: , Studierende während des langwährenden und kost-
Kw Studiums gezwungen sind, sich einen Neben-
zu verschaffen, sei es nun durch Uebernahme litte-
hZ^cher oder stenographischer Arbeiten, sei es durch An-
ti om von Privat- oder Hauslehrerstellen. Das - „st u -
hdi ^ t i s che Arbeitsa m t" will ihnen die Gelegen-
es, dazu vermitteln. Da studentische Arbeitskräfte auch
eins verlangt werden, ohne daß die geeignete Per-
hgii gleich zu finden wäre, so kommt das Arbeits-
8ech,,chstichzeitig einem Bedürfnis des Publikums eut-
Die Vermittlung ist unentgeltlich.
^ . Kaiserslautern, 8. Juli. Beim Fußballspiel von
ThRwrn des hiesigen Gymnasiums auf dem städtischen
s?patz am Samstag wurde infolge Unvorsichtigkeit
bo^Zo^Jcchiw alten Gymnasiasten Ferdinand Die-
' Sohn des Kgl. Forstrats Diepold in Falkenstein,
stetxch^nr spielgenossen so unglücklich auf den Leib ge-
bgd V ^uß der junge Mann innere Verletzungen erlitt
Abends starb/
Koß. «trasibnrg, 9. Juli. In Mntzig wurde vor der
ll'Ug des Bataillonskommandeurs Roeder ein posten-
chi S^dat vom 3. Bataillon des Jnfanterieregi-
DH di '.sch' von einem Zivilisten angeschosse n
"^sttden Schuß lebensgefährlich verletzt. Ein der
verdächtiger Italiener wurde verhaftet.

°8en
Ich

Holz, Erzen, Steinen, Salz, Roheisen, Düngungs-
mitteln und ähnlichen Gegenständen ein dem
Bedürfnis der Landwirtschaft und
Industrie entsprechender ermäßigter Tarif,
und zwar zunächst t h unIich st der Ein-
st f e n n ig - T ar i f eingeführt werde.
Artikel 46.
Bei eintretenden Notständen, insbesondere bei unge-
wöhnlicher Teuerung der Lebensmittel, sind die Eisen-
bahnverwaltungen verpflichtet, für den Transport, na-
mentlich von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten und Kar-
toffeln, zeitweise einen dem Bedürfnis entsprechenden,
von dem Kaiser auf Vorschlag des betreffenden Bundes-
rats-Ausschnsses festzustellenden, niedrigen Spezialtarif
einzuführen, welcher jedoch nicht unter den niedrigsten
auf der betreffenden Bahn für Rohprodukte geltenden
Satz herabgehen darf.
Die vorstehend, sowie die in den Artikeln 42 bis
45 getroffenen Bestimmungen find auf Bayern nicht
anwendbar.
Dem Reichs steht jedoch auch Bayern gegenüber das
Recht zu, im Wege der Gesetzgebung einheitliche Normen
für die Konstruktion und Ausrüstung der für die Landes-
verteidigung wichtigen Eisenbahnen aufzustellen.
Artikel 47.
Den Anforderungen der Behörden des Reichs in-
betreff der Benutzung der Eisenbahnen zum Zweck der
Verteidigung Deutschlands haben sämtliche Eisenbahn-
Verwaltungen unweigerlich Folge zu leisten. Insbeson-
dere ist das Militär und alles Kriegsmaterial zu gleichen
ermäßigten Sätzen zu befördern.
.Es ist gerade kein Ruhm für die deutsche Politik, daß
diese Brsmarck'schen Grundideen noch nach 30 Jahren
mit Verwirklichung warten. Nur die wenigsten Deut-
schen wissen, daß diese eingehenden Bestimmungen über
das Eisenbahnwesen in der Reichsverfassung enthalten
sind. Nun ist es höchste Zeit, sie zur Geltung zu bringen.

Deutsches Reich.
^ Dw „Nationalzeitung" erfährt über den Gum-
bi«ncr Mllitärprozcsi, daß die Verhandlungen der Be-
rufungsinstanz vor dem O b e r k r i e g s g e r i ch t des
1. Armeekorps am 18. d. M. in Gumbinne n be-
ginnen. Verhandlungsführer ist der Oberkriegsgerichts-
rat Meyer aus Königsberg. Es wird eine umfassende
neue Zeugenvernehmung stattfinden, die auf mehrere
Tage berechnet ist. Die alten Verteidiger find, wie schon
gemeldet, für die zweite Instanz zugelassen.
Aus Odde (Norwegen, Bezirk Bergen,) 10. Juli
wird berichtet: Die kaiserliche Dacht „Hohenzollern"
verbleibt bis Samstag vor Odde. An Bord ist alles Wohl
Der Kaiser ging gegen 9 Uhr vormittags mit einem
seiner Begleitung an Land und unternahm einen
tangeren Ausflug im Oddethal aufwärts. Das
Wetter ist prächtig.
— Der übel beleumundete Tim es - Ko rr e s p o n dent
in Paris fabuliert von Aufträgen diplomatisch-politischer
Natur, die er für den Fürsten Hohenlohe, als dieser noch
Botschafter in Paris war, ausgelührt habe. So sei er
mehrmals dem damaligen französischen Minister des Aeußern
auf den Leib gerückt. Auch erwähnt Herr Blowitz, daß

— Berlin, 10. Juli. Der aus der Mörchinger
Affäre bekannte Oberstabsarzt Dr. Rüger ist dem
„Militärwochenblatt" zufolge zum 4. Thüringischen In-
fanterieregiment Nr. 72 versetzt worden.
— Marseille, 10. Juli. Unter den arabischen
Heizern des Dampfers „L a o s" ist ein neuer P e st -
fall vorgekommen. Einer von den Kranken, welcher
auf der Ueberfahrt an der Pest erkrankte, ist heute früh
gestorben, drei andere befinden sich in bedenklichem Zu-
stande. Die übrigen sind auf dem Wege der Besserung.
Der Gesundheitszustand der Passagiere und der Mann-
schaft ist nach wie vor ausgezeichnet.
— Neue weibliche Aerzte. In Halle a. S. promo-
vierten nach bestandener Doktorprüfung, die Heiden
ersten in Deutschland regulär vorgebildeten Medizine-
rinnen/Fräulein Irma Klausner/Tochter des Schrift-
stellers Klausner, und Fräulein Else von der Lehen,
Tochter des Wirklichen Geheimen Ober-Regierungsrats
im Eisenbahn-Ministerium v. d. L. Die beiden Damen
haben in Berlin das Abiturium geim ist, in Halle das
Physikum und jetzt das Staatsexamen bestanden und
find also genau so vorgebildet, wie ihre männlichen Kol-
legen.
— Ein kurzes Verfahren zur Abhilfe der Lcntenot.
Nicht nur die europäischen Landwirte klagen über die
Leutenot, auch die amerikanischen Farmer haben darunter
zu leiden, und alljährlich bleibt auf Tausenden und
Abertausenden von Morgen die Ernte auf dem Halme,
stehen, weil nicht genug Leute zu beschaffen sind, um den
Weizen zu schneiden. Vor einigen Tagen nun sind einige
Farmer in der Grafschaft Osage im «Staate Kansas auf
ein wirksames Mittel verfallen, um sich Erntearbeiter

Fürst Hohenlohe bei seiner Ernennung zum Kanzler ihm
Folgendes über den Kaiser geschrieben habe:
„Ich weiß, was für eine Last ich auf meine Schultern
nehme. Ich hoffe auf nichts und bin zu allem resigniert."
Dem jungen Kaiser Wilhelm war der Fürst sehr
zugethan und er wünschte, daß der Korrespondent ihn sehen
und wahrnehmcn möchte, wie lebhaft und gedankenvoll er sei.
„Sein größter Mangel," soll Fürst Hohenlohe gesagt haben,
„ist, daß er nicht glaubt, seinem Willen seien irgend welche
Grenzen gesteckt. Es ist fast unmöglich, im Voraus zu sagen,
was er thun wird. Ich sehe ihn oft wochenlang nicht und
plötzlich erfahre ich, daß er in Hubertnsstock oder sonstwo ist.
Dann erscheint er vlötzlich und ich bin erstaunt zu bemerken,
wie er alle Einzelheiten dessen was vorgcht kennt."
Das ist natürlich auch nur eine Erfindung des Herrn
v. Blanitz. Er hat sich das Urteil, für das ja Anhalts-
punkte genug gegeben sind, selbst zurecht gebraut.
— Ter Konsistorialrat Reicks, der zur Strafe ver-
setzt werdeu sollte, weil er ein Drama geschrieben hat
und dem Goethebund als Schriftführer angehört, ist,
wie der „Germ." mitgeteilt wird, als Hilfsarbeiter in
das Reichsvcrsicherungsamt berufen worden.
Hamburg, 9. Juli. Die Hamburger Börsenhalle
schreibt: Wie wir von gut unterrichteter Seite erfahren,
hält man es auch in England für ausgeschlossen,
daß die gestern besprochene Vorlage, wonach die Kolonial-
verwaltung in Singapore vorzuschlagen beabsichtigt, daß
die Landung von chinesischen Deckpassagieren nurSch iffen
englischer Nationalität gestattet werde, die Genehmi-
gung der englischen Regierung finde. Eine solche Maß-
regel würde zweifellos die andern seefahrenden Nationen
zu Repressalien herausfordern. Solange die englische
Handelsmarine noch wesentlich größer ist als diejenige der
übrigen Nationen, würde man in England sicherlich eine
derartige Gefährdung der britischen Schiffahrtsinteressen
vermeiden. (Sehr charakteristisch ist der Vorgang auf alle
Fälle, er zeigt, wie stark der deutsche Wettbewerb — denn
um diesen handelt es sich — zur See in den englischen
Kolonien empfunden wird.)
Baden.
uo Lörra ch , 10. Juli. Von glaubwürdiger Seite
wird dem „Oberländer Bote" berichtet, daß Herr
Hagist die Kandidatur ganz entschiedet: abIehnte.
Das Zentrum gibt folgende Parole aus: In allen katho-
lischen Gemeinden des Wahlbezirkes Lörrach-Land dür-
fen nur Zentrumsangehörige als Wahlmänner ausge-
stellt und gewählt werden, durchaus keine Freisinnigen.
Die Entscheidung, wem das Zentrum in diesem Bezirke
seine Stimme zuwendet, kann erst nach dem Ergebnis
der Wahlmännerwahlen getroffen werden.
.Karlsruhe, 10. Juli. Der Groß her zog
läßt sich beim Begräbnis des Altreichskanzlers Fürsten
Hohenlohe durch den Graf v. Verckheim vertreten.
uo Mannheim, 10. Juli. Dreesbach
sprach gestern in einer Versammlung des sozialdem.
Vereins über die politische Lage in Baden: Man thue
gut auf der Hut zu sein und sich vor Ileberraschungen zu
sichern. Der letzte Ministerwechsel gebe zu Bedenken
Anlaß. Das Zentru m sei. allerdings so schlau, nicht
vorzeitig seine Karten aufzudecken, aber allem Anschein
nach stecke hinter diesen: Wechsel eine bestimiute-Ab-
sicht. Er (Redner) stehe persönlich auf dem Stand-
punkt, daß der Ministerwechsel eine tiefere Bedeutung

zu verschaffe::. Mit Gewehren und Revolvern bewaff-
net ritten ihrer zwanzig nach der Eisenbahnstation Pa-
tersoi: und hielten einen dort durchfahrenden Personen-
zug an. Sie zwangen das Zugpersonal, zwei mit Ein-
wanderern besetzte Wagen abzuhängen -und bewogchn
dann die Insassen dieser Wagen, etwa 200 Männer,
Frauen und Kinder, durch Drohungen und Verspre-
chungen, bei ihnen zu bleiben und ihnen die Ernte ein-
bringen zu helfen. Die Männer erhalten einen Lohn
von 2-ßtz Dollars den Tag, Wohnung und Kost, und die
Frauen finden ebenfalls gutbezahlte Arbeit.
—- Prinzeß Basta. Unter diesem Titel veröffent-
licht der „Glas Crogorea", das in Cettinje erscheinende
Leibblatt des Fürsten von Montenegro, folgendes Ge-
schichtchen: „Jüngst war „Cercle" in: Konak, und dabei,
kant das Gespräch auch auf den allzu reichlichen weiblichen
Kindersegen am Hofe von st. Petersburg: „Mir ist es
seinerzeit gerade so gegangen", meinte der Fürs:. „Bei
der ersten Tochter freute ich mich und dachte, für einen
Jungen ist es immer noch Zeit. Bei der zweiten war
ich ein klein bischen enttäuscht. Bei der dritten war mir
schon angst und bange. Bei der vierten aber wars nur
zu viel. „Stani (Halt), sagte ich, jetzt ist's^ genug! Und
zun: Zeichen, daß es wirklich genug-sei, ließ ich sie auch
Stana taufen, obgleich das ein ganz neuer Name war."
„Nun, Hoheit, und hat Ihr Mittel geholfen?" sragre die
neugierige Frau eines der Residenten. „Jawohl!
Wenn's genug ist, ist's genug, und das „Nächste" war ein
Junge, war mein Danilo. Der Zar sollte es ebenso'
machen wie ich: „Stani". In Ron: übrigens habe ich
schon den Rat gegeben. Nur soll man nicht zu lange-
damit warten. Nach der zweiten Tochter schon: Ge-
 
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