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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 150 - 176 (1. Juli 1901 - 31. Juli 1901)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37097#0015

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Dienstag, 2. Juli 1901. Zweites Matt. 43. Jahrgang. — Ir. 151.


^scheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be»
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
^Uzeig cnpreiS: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzetle oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate auf den Plakattateln der Heidelberger Zeitung
und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr- 82.

Die Verlegung des Schwerpunktes des wirt-
schaftlichen Lebens in Rußland nach Süden
scheint, darf man den Aenßerungen in der russischen
Messe, die sich fortdauernd geltend machen, trauen, eine
Ichwer abzuleugnende Thatsache zu sein. Wir haben
wiederholt darauf hingewiesen, welche Anstrengungen die
Russische Regierung macht, neue Handelsverbindungen
Rit und in dem Norden zu schaffen und die natürlichen
schätze desselben, namentlich die der Fischerei zu heben.
Dennoch ist es richtig, daß fast zwei Fünftel der Gesamt-
^völkerung des europäischen Rußlands heute südlich
oer Breite von Charkow lebt, daß diese Gouvernements
»>e Getreidemassen liefern, mit denen die russische Land-
wirtschaft West-Europa, namentlich Deutschland, über-
ichwemmt, während andere Teile des Reiches alljährlich
bau Hungersnot heinigesucht werden. Daß die überwie-
gende Mehrzahl der Steinkohlengewinnung des Reiches
T- abgesehen von dem polnischen Gebiete — aus das
Mnez-Gebiet kommt, daß die für das Wirtschaftsleben
'Rußlands so wichtige Naphta-Produktion im Süden,
Rsinentlich im Kaukasus, ihre Heimat hat, ist bekannt.
Me Eisenindustrie gruppiert sich ebenfalls im Süden,
!jdd nur einige andere Gegenden Rußlands nehmen an
M' Teil; die Tabak-, Textil-Jndustrie und andere für
Mißlands Wirtschaftsleben wichtige Crwerbszwseige
gaben dort mächtige Zentren. Durch den Verkehr Ruß-
lands mit Ostasien, die besseren Verbindungen mit den
längere Zeit eisfreien Häfen des Schwarzen und Aso-
Mschen Meeres, welche noch in den Tagen des Krimkrieges
Innern des Reiches durch den ungenügenden Zu-
!>and der Landverbindungen oft abgeschnitten waren,
m der Eisenbahnverkehr der Waren nach den Häfen des
schwarzen Meeres in der Zeit von 1884—1898 um
Ut weniger als 436 Prozent, nach denen des Asowischen
Heeres um 190 Prozent gestiegen, während in dieser
Zeit die Warenzufnhr auf den Eisenbahnen zu den Ost-
Zchäfen nur unr 64 Prozent stieg. Dem regen Handels-
verkehr auf dem Landwege entspricht auch der Seeverkehr.
ZM Raumgehalt nach gehört — fiir die statistischen Mit-
Wungen wichtig — drei Viertel der Handelsflotte den
Men des Südens an, darunter vier Fünftel der Dam-
Ner Rußlands. Die politischen und handelspolitischen
Lagerungen aus dieser Verschiebung des Schwergewichts
Mßlands aus den Gebieten des Groß- in die des Klein-
Msentum

s liegen nahe.

Deutsches Reich.
Bade».
^ — Im Hinblick auf den Ministerwechsel ist es von
Meresse, einen Rückblick auf die Geschichte der Mini-
Mrialorganisotion in Baden zu werfen. Nach der
MeZherrlichen Verordnung vom 8. Juli 1808 hatten wir
^ Baden 5 Ministerial-Departements 1. der Justiz,
O der auswärtigen Verhältnisse, 3. des Innern, 4. der
ganzen, und 5. des Kriegswesens. Daneben bestand
'N „KabmetSrat" und ein „Staatsrat", beide kollegialisch
^Sanistert. Die Landesherrliche Verordnung vom 26.
Member 1809 änderte Klotz die Titel in unwesentlichen
Ziehungen ab. Dagegen wurde durch die Landesherrliche
^rordnung vom 19. April 1860 mit Wirkung vom 9.
M des gleichen Jahres ein eigenes Handelsmini-

8 h

Schwer geprüft.
Roman von Georg Gertz.
(Fortsetzung.)
was war das? Sein sonst so frommes Pferd schnob
Dshg und wich scheu zur Seite. Was mochte das bedeuten,
lohend blickte er den Weg entlang. Schon begann es zu
h-„Rn und nur in geringer Entfernung konnte man die
Zustande deutlich unterscheiden.
^"Allmächtiger Gott, ein menschlicher Körperl" rief er.
hx/bE stjxg er ab und eilte nach der Stelle. Es war Laisas
v,Re, die er fand. In der Brust stak noch Igors Dolch,
^witsch erkannte ihn.
srw"D mein Gott," stöhnte der unglückliche Mann, „konnte
ihr Rache mich nicht treffen, muhte mein unschuldiges Kind
Opfer fallen I Doch der Schurke hat richtig gerechnet,
^wem Stotze hat er drei Herzen gebrochen."
, .kniete nieder und untersuchte den Körper. Aber es
^l„nc " Leben mehr darin, er begann schon zu erstarren.
wm hob er den lieben Leichnam empor und legte ihn
fhT den Sattel, dann nahm er das Rotz beim Zügel und
ys es langsam den Berg hinauf, seinem Hause zu.
"Mer Vater, arme Mutter I Möge Gott euch trösten!
XI.
Auf der Spur.
Pl^Mann Rabe war von seiner Geschäftsreise znrück-
Länger als zwei Monate war er fortgeblieben.
d>it Zvenn er gehofft hatte, dah in dieser Zeit der Vorfall
Mim - * durch andere Ereignisse in den Hintergrund ge-
A sein würde, fand er sich getäuscht. Er wußte ja nicht,
Onkel in Faber seinen Enkel, das Kind seines ver-
„ Sohnes erkannt hatte.
es so oft der Fall ist, dah gerade die herzlosesten
>wen die umsichtigsten, tüchtigsten Kaufleute sind, so war

sterium errichtet, welchem das Eisenbahn-, Post-, Wasser-,
Straßenbau- und Schiffahrtswescn unterstellt wurde.
Infolge Eintritt Badens in das deutsche Reich hob die
Landesherrliche Verordnung vom 29. Juni 1871 das
Ministerium des Großh. Hauses und der auswärtigen An-
gelegenheiten als besonderes Ministerium auf. Dessen
Geschäfte gingen teils auf das Ministerium des Innern,
teils auf das Justizministerium über. Letzteres erhielt
die Bezeichnung Ministerium des Großh. Hauses, der
Justiz und des Auswärtigen und trat am 6. Juli 1871
in dieser Form in Wirksamkeit. Durch die Landesherrliche
Verordnung vom 27. Dezember 1871 wurde mit Wirkung
vom 1. Januar 1872 das Kriegsministerium aufgehoben.
Im Jahre 1876 gingen die auswärtigen Geschäfte an das
Staatsministerium über, weßhalb das Justizministerium
nur noch die Bezeichnung erhielt „Ministerium des Großh.
Hauses und der Justiz". Durch Landesherrliche Ver-
ordnung vom 20. Apkil 1881 endlich wurde eine mit der
Person des derzeitigen Staatsministers Di. Nokk zusammen-
hängende Veränderung getroffen, indem das Handels-
ministerium aufgehoben und dessen Geschäfte teils an das
Finanzministerium (Eisenbahn und Post), teils an das
Ministerium des Innern übertragen wurden, sowie das
Ministerium der Justiz, Kultus und Unterricht vom Innern
erhielt, aber die Geschäfte des Großh. Hauses verlor, welche
wie die auswärtige» Angelegenheiten mit dem Präsidium
des Staatsministeriums verbunden wurden. Das Justiz-
ministerium erhielt seit dieser Zeit den Titel „Ministerium
der Justiz, des Kultus und Unterrichts." Im Jahre
1893 wurde wieder ein viertes Ministerium (verbunden
mit der Ernennung des jetzigen Ministers v. Brauer) er-
richtet, welches die Bezeichnung „Ministerium des Großh.
Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten" erhielt.
Ihm wurde auch das Eisenbahn- und Postwesen unterstellt.
Von dem jetzigen Ministerwechsel ist die Organisation der
Ministerien nicht berührt worden. Insbesondere bleiben
die Eisenbahnen bei dem Ministerium des Großh. Hauses
und des Auswärtigen.

Aus Stadt und Land.
8 Die Handwerkskammer Mannheim versendet an die
Innungen, Fachgenossenschaften und Fachvereine, Handwerker-
vereine und Gewerbevereine des Kammerbezirks folgendes Rund-
schreiben: Die Anmeldungen der Lehrlinge bei der Handwerks-
kammer sind bisher zahlreich eingelaufen; aber immerhin dürften
manche Lehrmeister und Lehrherrn damit noch im Rückstand sein.
Um möglichst genaue Unterlagen zur Aufstellung der Lehrlings-
rolle zu erhalten, nehmen wir unter Hinweisung auf unsere Be-
kanntmachung vom 10. Mai l. I. wiederholt Veranlassung, Sie
ergebenst zu ersuchen, überall da, wo es noch nicht geschehen ist,
auf die sofortige Anmeldung der Lehrlinge hinzuwirken. Zu
diesem Zwecke haben wir Ihnen ein Exemplar der Anmeldungs-
formulare angfschlossen, woraus Sie die Angaben, welche bei der
Anmeldung gefordert werden, ersehen können. Zu Ihrer Infor-
mation teilen jvir Ihnen außerdem mit, daß sämtliche z. Zt.
im Kammerbezirk beschäftigten Lehrlinge, welche eine handwerks-
mäßige Ausbildung erhalten, sei es in einem Handwerks, oder
in einem handwerksmäßigen Großbetrieb, von ihren Lehrherrn
anzumclden sind. Auch kommt dabei nicht inbetracht, ob ein
Lehrling bereits einen Teil feiner Lehrzeit (2 Jahre oder länger?)
hinter sich hat, oder ob er im Geschäfte seines Vaters oder eines
andern lernt.
es auch mit Hermann. Er hatte auf der Reise neue, höchst
vorteilhafte Verbindungen angeknüpft und große, gewinn-
bringende Abschlüsse gemacht. Es befremdete ihn daher nicht
wenig, daß der Onkel seinen Bericht schweigend, fast teil-
nahmslos anhörte, ihm kein Wort der Anerkennung für sein
umsichtiges Wirken sagte, sondern, nachdem er geendet so-
fort ans die Fabersche Angelegenheit zu sprechen kam und
von ihm Auskunft darüber verlangte.
Hermann wollte zuerst Ausflüchte machen, aber er ver-
wickelte sich nur immer mehr in Widersprüche und als er sich
aus dem Lügengewebe nicht mehr herauswinden konnte, spielte
er den Gekränkten.
„Du solltest mir danken, Onkel, daß ich Dich von einem
ehrlosen Menschen, der auf bestem Wege war, sich Dein
Vertrauen zu erwerben und mir Martha abwendig zu machen,
befreit habe. Statt dessen überhäufst Du mich mit Vor-
würfen."
„Schweig," herrschte der Kommerzienrat ihn an, „Dein
ganzes Benehmen in dieser Sache war nicht das eines Ehren-
mannes. Du bist doch kein Wucherer. Hattest Du Leutnant
Faber aus Gefälligkeit Geld geborgt, so hättest Du ihm auch
die Zahlungsfrist verlängern müssen, am allerwenigsten aber
durftest Du in der Kneipe darüber sprechen. Es war ein
ganz gewöhnlicher Eifersnchtsakt, ihm durch Anzeige feine
Stellung zu rauben, denn Dein Geld erhieltest Du dadurch
doch nicht früher. Aber weißt Du auch, an wem Du diese
Heldenthat vollbracht hast? An meinem Enkel. Und dafür
sollte ich Dir danken? Er hatte freilich von dem Verwandt-
schaftsverhältnis so wenig eine Ahnung, wie ich. Durch
Zufall habe ich es erfahren, als er längst fort war. Er weiß
auch heute noch nichts davon. Leider ist es mir bis jetzt nicht
gelungen, seinen Aufenthaltsort zu ermitteln, aber ich gebe
die Hoffnung nicht auf. Daß er aber in: Falle des Wieder-
findens mein Erbe wird, wirst Du begreiflich finden und ich
habe mein Testament in diesem Sinne bereits geändert.
Aber ich habe Dir ebenfalls ein solches Vermöge» zugewandt.

6 Ttrafkammersitzung von: 28. Juni 1901. Vorsitzender:
Landgerichtsdirektor Dr. West. Vertreter der Großh. Stats-
behörde: Staatsanwalt Dr. Sebold und Referendar Holzen-
th aler.
1. In einem Neubau hier stürzte im vorigeil Winter ein
in den Gauben beschäftigter Flaschnerlehrling durch das Gebälk
zweier Stockwerke bis in den Keller herab, wobei er sich einige,
jedoch nicht sehr erhebliche Verletzungen zuzug. Die Schuld an
dem Unfall -wurde dem Meister des Lehrlings, Flaschner Oskar
Langner hier, beigeinessen, der es versäumt habe, für genügende
Abdeckung des Gebälks, den Unfallverhütungsvorschriften ent-
sprechend, Sorge getragen zu haben. Die Verhandlung ergab,
daß bei Anwesenheit Langners ans der Baustelle, kurz bevor der
Unfall sich ereignete, das Gebälk vor der Gaube, wo ein Geselle
und der verunglückte Lehrling beschäftigt waren, genügende Ab-
deckung hatte, daß aber diese Abdeckung, als die Arbeit an der
nächsten Gaube beginnen sollte, weggenommen wurde, anstatt sie
hier zu belassen und an der zweiten Gaube andere genügend
vorhandene Bretter zu benutzen. Da für die Fahrlässigkeit des
Gesellen in diesem Falle der Meister nicht verantwortlich gemacht
werden könne, wurde Langner von der gegen ihn erhobenen An-
klage wegen fahrlässiger Körperverletzung freigesprochen.
2. Dienstknecht Gottlieb Sing von Langert ist angeklagt,
als Bierführer eines Brauers von Mühlbach 200 Mk. von einem
Wirte in Ochsenbach vereinnahmtes Geld unterschlagen und das
Quittungsbuch gefälscht zu haben. Die Beweisaufnahme ergiebt
keinen Anhalt für die Schuld des Angeklagten, läßt jedoch den
Wirt und seine Frau, die dem Bierbrauer eine namhafte Summe
für Bier schuldeten, verdächtig erscheinen, ihre eidlichen Angaben
nicht der Wahrheit entsprechend gemacht zu haben. Sing wird
deshalb freigesprochen.
3. Am 6. Mai wurden vom hiesigen Schöffengericht 6 Wär-
ter der Nervenheilanstalt in Neckargemünd, welche dort unterge-
brachte Geisteskranke bestohlen und von denselben Geschenke an-
genommen hatten, zu Gefängnisstrafen verurteilt. Einer der-
selben, Jakob Christof Ziegler von Neckargemünd, welcher
4 Wochen Gefängnis erhalten hatte, legte gegen das Urteil Be-
rufung ein, mit welcher er heute abgewiesen wird.
4. Dienstknecht Lorenz Kettner von Dossenheim wird unter
Ausschluß der Oeffentüchkeit wegen eines Sittlichkeitsverbrechens
im Sinne des § 173^ R.St.G.B. zu 6 Monaten Gefängnis, ab-
züglich 3 Wochen Untersuchungshaft verurteilt.
5. Der 21 Jahre alte wegen Diebstahls vorbestrafte Bäcker
Heinrich Theodor Haberstroh von Pforzheim stahl seinem
Dienstherr» hier aus einem Schranke den Betrag von 30 M.,
wofür er mit 4 Monaten Gefängnis abzüglich 4 Wochen Unter-
suchungshaft bestraft wird.
6. Philipp Jakob Müller, 18 Jahre alter Landwirt hier,
ist beschuldigt, mit seinem Fuhrwerk einem ihm an der Ecke der
Sophien- und Unteren Neckarstraße begegnenden Karren nicht
genügend ausgewichen zu sein und dadurch dem Führer des
Karrens eine leichte Verletzung zugefügt zu haben. Er wird von
der Anklage der fahrlässigen Körperverletzung freigesprochen, da
nachgewtesen wurde, daß er vorschriftsmäßig gefahren war.
7. Wegen Schnlversäumnis seines Sohnes ergingen gegen
den Schreiner Ludwig Valschauer von hier im vorigen Jahre
mehrere Strafverfügungen; gegen eine derselben, welche auf
6 Mk. Geldstrafe erkannte und vom Schöffengericht bestätigt
wurde, legte er Berufung ein, mit der er heute kostenpflichtig ab-
gewiesen wird.
8. Schuhmacher Fritz Bär und Maurer Karl Nikolaus
von Treschklingen beschuldigten die Witwe LisetteFrcy von dort,
verschiedene dem elfteren gehörige Haushaltungsgegenstände, wie
Mehl, Kartoffeln, Salz rc. gestohlen zu haben, wurden aber
von der gegen sie erhobenen Anklage wegen Beleidigung vom
Schöffengericht Sinsheim freigesprochen. Auf die Berufung der
Klägerin wurde das Urteil, soweit es den Nikolaus betrifft,
aufgehoben und derselbe zu einer Geldstrafe von 5 Mk. verurteilt.
L. 6. Karlsruhe, 28. Juni. (Zur Bahnhofsfrage.) In
der heutigen Stadtratssitzung gelangte eine unter dem Namen
des Herrn O. Dessart herausgegebene Broschüre über die
hiesige Bahnhofsfrage zur Besprechung. Der Stadtrat
hält es für durchaus gerechtfertigt, daß die Meinungen, die im

daß Du imstande bist, damit an jedem Orte Dir ein eigenes
Geschäft zu gründen."
Hermann schwieg, aber innerlich schäumte er vor Wut.
„Das fehlte noch," sprach er, auf seinem Zimmer angelangt,
zu sich selbst, „daß mir dieser Mensch nun auch noch die
Erbschaft entreißt. Das muß verhindert werden, es koste,
was es wolle. Aber vorläufig kann ich ja noch ruhig sein,
denn wie der Alte selbst gesteht, ist jede Spur von ihm ver-
wischt. Erst wenn er eine solche gefunden hat, gilt es, eine
Gegenmine zu legen."
Dabei beruhigte er sich und wenn ihm sein Gewissen
einmal Vorwürfe machte wegen seiner Handlungsweise, dann
suchte er es im Strudel der Vergnügungen zu betäuben. Je
tanger je mehr ergab er sich Spiel und Trunk.
Daß Martha ihm unwiederbringlich verloren, daß ihr
Herz mit unerschütterlicher Treue an Faber hing, hatte er
bald erkannt. Sie hatte es ihm gerade auf den Kopf gesagt,
daß er Fabers Unglück verschuldet, dah dieser aber vollständig
unschuldig sei.
War sie schon früher kalt und abweisend gegen Hermann
gewesen, so hatte ihre Gesinnung gegen ihn sich jetzt in Hatz
und Verachtung verwandelt. Nur wenn sie es nicht umgehen
konnte, sprach sie mit ihm, sonst würdigte sie ihn keines
Blickes. Und das Vertrauen seines Onkels hatte er auch
verloren. Zwar war zwischen ihnen nie mehr über sie
Fabersche Angelegenheit gesprochen worden, aber der stille
Vorwurf der ihn ans des Onkels Augen traf, war ihm un-
erträglich.
Unter solchen Umständen war das Leben im Hause des
Kommerzienrats ein recht trauriges. Alle Fröhlichkeit war
daraus verschwunden, Martha wurde täglich blässer, der
Kommerzienrat immer hinfälliger und Hermann schlich finster
und grollend einher wie ein böser Dämon. Nur die alte
Brigitte that still und ruhig, wie immer, ihre Pflicht und
suchte das geknickte Mädchenherz durch tröstende Worte aust
znrichten und seine Hoffnung neu zu beleben.
(Fortsetzung folgt.)
 
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