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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 150 - 176 (1. Juli 1901 - 31. Juli 1901)
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Samstag, 27. Juli 1901.

Zweites Blatt.

43. Jahrgang. — Ar. 173.

!>






4
HU

scheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post Le-
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
"?ejge,,preis: 20 Pfg. die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln
der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.


Wse-Verug
der
U Heidelberger Zeitung.


ist Unfern verehrlichen Lesern bringen wir zur
M Kenntnis, daß wir auch in diesem Jahre während ^
M ^er Reisezeit ein Reiseabonnement einrichten. ^
NM F Drir senden die „Heidelberger Zeitung" an M
A jede uns aufgegebene Adresse täglich unter Kreuz- A
band nach, wofür wir folgende Gebühren fest- M
setzen: ^
Kr Julaudsseuduugen die Woche 3V Pfg.
^ „ Allslaudssendungeu„ 4L Ug. ^
^ R Aufenthaltsveränderungen, sowie die
Aufhebung des Reisebezugs bitten wir, ^
^ ^ns immer rechtzeitig Mitteilen zu wollen. ^
A E Verlag der Heidelberger Zeitung. A
i!>
§»5
-



Aufsicht bei ländlichen Genossenschaften
und anderen Stellen.

ZV

Ai^'r Artikel: Die Aussichtsräte bei den Kreditgenossen-
, auf dem Lande, enthält viel Zutreffendes, aber
v^Nnt mit den Bankkrachen und geht weiter über
^gleichen zwischen den Anfsichtsräten von Banken
^ tÄda^^nunternehmungen und solchen bei den kleinen
Genossenschaften, während diese beiden Größen gar
r^i. 4)oder nur ganz wenig vergleichbar sind.
> die Aussichtsräte von Banken und Jndustrie-
^ M p„/)mungen jetzt als Schuldige angesehen werden
... ^ JEituten, so ist das begreiflich, aber man
.. lediglich alsSine-

jj^i^^her viefach dieÄussichtsratsposten
^ ^ Dls^Ohgesehen und sich fortgesetzt darül





sich fortgesetzt darüber beklagt,daß die
oder die

, Aachen", die man zu solchen Posten berief,
„Gründer" selbst beriefen oder die sich durch
don einer größeren Anzahl von Aktien vor den
si ^, ^orsammlungen Aufsichtsratsstellen erkämpften,
einige, oder vielleicht nur eine Sitzung im Jahre
Äli^L Tantiemen einstreichen. An ihre Verant-
!> s,V oit hat man im großen Publikum nicht gedacht
^Ibst hatten auch nicht daran gedacht. Eine
7, Direktion, die sich entweder selbst ergänzt,
A tzj? vötig war, oder die der einflußreichste Aufsichts-
v 0; ? ^r Vorsitzende, ergänzte, machte ja fortgesetzt
^M?jchäfte und die Mehrheiten sind allemal in guten
Seiten so optimistisch, daß sie glauben, diese
vAren ewig und man kann dies ja beobachten
^ Steigerung der Miete für Geschäftslokale, an


Die Brieftasche.
Roman von F. von Kapff-Essenther.
(Fortsetzung.)

hatte einen Losantcil zugleich mit Elbe
er dachte gar nicht daran, das; er gewinnen
!>sijsid r- wollte nicht ohne Verdienst, nicht ohne Mühe
?A tzxs?rnmen. Heute morgen allerdings hatte er das Los
ohne auch nur an die gestrige Ziehung zu denken.
M ^ ^hen, ^ ir^nd einem Kollegen anzuhängen, weil

stieben in der letzten Zeit, unter anderem der gestrige
Barschaft erschöpft hatten. Eben ertönte der
kt ^»rtzi?owPfpfeife, der Arbeitstag begann. Die großen
l freilich rühren sich noch nicht; aber die Wellen
^/os^iii^die Transmissionsricmen gespannt sind, kommen


llj>


r > .swegung. An der zweiten Maschine sind die Lehr
khjsitz vt dem Waschen der Farbewalzen beschäftig:; km
.Aag, Ee jene große Form, welche in diesem Augenblick
Vi>klc».r t aus dem Setzersaale hereintragcn.

, aus dem Setzersaale hereintragcn. Nun ertönt
ff 'V »lst I des Schlägels, welcher die etwa hervortretcnden
oen anderen gleichstellt, ein Zeichen, daß die Form
^ ^chtÄ^^osaal glaubten alle, ihr Meister sei noch nicht
6"nz verändert, blaß und zerstreut war er.
!li^ÜcUn. drütcre Möhring über dem einem: würde Elbe

»Ä,? i,si zurückgeben, wenn er sie gefunden hätte? Auch
iV solchen Falle offenbar einer großen Ver-
>> i Er war ein fleißiger tadelloser Arbeiter,

-U

ech^^els leichtfertiger Natur. Seit zwei Jahren
kk ^ cB.'kerhältnis mit einer hübschen Putzmacherin, die
tz>.Sll "e-

/fern wohnte. Aber keines von ihnen kam dazu,
kr^üumlbaren. Kläre putzle sich gar zu gerne, und
Äri^vlle ^ gar gevn. Vor einiger Zeit hatten die
Visiert" ^ ^er Druckerei Losanteile gekauft und seit-
"e Elbe vom „Heranskommen", von einem großen

der reichereu Ausstattung solcher und demzufolge sier
Steigerung der Grundstückspreise.
Schwächere Existenzen stolpern dann über alle diese
Dinge, die der optimistischen Auffassung über Gegen-
wart und Zukunft ihren Ursprung verdanken und sie
werden dann als leichtfertig, als unfähig, aber zuweilen
auch als unredlich bezeichnet, die Stärkergewordenen,
die einen Rückschlag aushalten, gelten als die Klügeren,
Vorsichtigeren und selbstverständlich Redlichen. So geht
es und so ging es nun wieder einmal in fetten Jahren
auch den Banken und Jndustrieunternehmungen stetig
aufwärts, man vergrößerte Aktienkapital und Betrieb,
und wenn man auch bei einer oder der anderen Unter-
nehmung etwa Uebertriebenes sah, von manchen Seiten
als Schwindelhaftes bezeichnet, es gab doch Viele, die
ihren Glauben an das stete Vorwärts nicht aufgaben
und solche sind nun auch in Dresden oder in Kassel in
Leipzig oder in Mülheim a. d. Ruhr die Hereingefallenen,
dis Geschädigten.
Sie sind nicht dümmer und nicht schlechter als Tau-
sende, die nicht hereinfielen, weil sie zufällig auf andere
Kartei: setzten, in anderen Aktien spekulierten, bei anderen
Banken ihre Gelder anlegten oder auch ihre Kreditverbin-
dung suchten.
So nachlässig wie die Aufsichtsräte bei den verkrachten
Instituten waren, sind auch Tausende bei anderen ge-
wesen, sie hatten bei der Genehmigung, vielleicht still-
schweigender Genehmigung fauler Geschäfte, keine böse
Absicht, sie glaubten es ginge alles weiter gut und sie
verdienten an den Aktien und streichen fette Tantiemen
ein.
Mit solchen Aufsichtsräten sollte allerdings aus der
Macht der Aktionäre heraus möglichst aufgeräumt wer-
den, aber wir glauben nicht daran, daß es geschieht, «so-
bald wieder eine Aufwärtsbswegung in der Industrie
und im Handel kommt, ist alles vergessen, was man sich
jetzt vornimmt, und auf gesetzlichem Wege ist allen solchen
Nachlässigkeiten nur zeitweilig beizukommen.
Aber mit diesen Aktienunternehmungen nnd Banken
sind unsere S p a r - u n d D a r l e h n s k a s s e n , diese
kleinen durchsichtigen Institute, denn doch nicht ver-
gleichbar.
Gewiß ist schon mancher Verlust bei kleinen oder
größeren Kreditgenossenschaften vorzugsweise dem Um-
stand zuznschreiben gewesen, daß man einen untreuen
Kassierer nicht beaufsichtigte, auch nicht zu kontrollieren
verstand, oder anch dadurch, daß man leichtfertig bei
Kreditgewährung verfuhr; solche etwa nur in Hände
eines Vorstandes legte, anstatt sie mit Umsicht und Ein-
sicht vom Aufsichtsrat vornehmen zu lassen.
Darin stimmen wir dem ll-Einsender des Artikels
in Nr. 170 vollkommen bei, daß man bei Berufung von
Vorständen und Aufsichtsräten falsche Wegs geht, daß
man Geschäftsunkundige zur Geschäftsführung und eben-
solche zur Kontrolle beruft.
Es kann jemand ein recht lieber Wirtshauskymerad,
ein guter Kamerad aus dein Regiment oder vom Kriege
her, ein Sangesbruder oder was sonst etwa sein, aber
deshalb braucht er inein Vertrauen nicht zu haben, daß
er die Aufsicht bei der Kreditgenossenschaft richtig führen
kann.
Daß durch die vielen kleinen Kassen in allen mittleren
und größeren Gemeinden Mangel an geeigneten Vor-
ständen und Aufsichtsräten eintreten muß, haben wir von
Heute hatte er wieder einmal nichts gewonnen. Wenn
nun heute die Versuchung an ihn herantrete —
Während des ganzen Vormittags wütete ein furchtbarer
Kampf in Möhrin'gs Innern, ein Kampf zwischen Gewissen
und Begierde. Jeden Augenblick wollte er aufspringen, sich
für eine halbe Stunde entschuldigen und die Brieftasche zur
Polizei tragen.
Dennoch that er cs nicht, der Dämon in ihm war
mächtiger! —
„Ist der Vater hier?" Mit diesen Worten war ein
schönes junges Mädchen in den Maschinensaal getreten, Ottilie
Bohnemann, die Tochter des Prinzipals. In ihrem dunkel-
blauen, pelzverbrämren Kostüme sah sie aus wie eine Dame der
großen Welt. Freundlich lächelnd und nach allen Seiten
grüßend, wie eine kleine Königin, schritt sie zwischen den
schwirrenden, sausenden Maschinen hindurch.
Möhring wurde ihrer nicht gewahr, bevor sie nicht dicht
vor ihm stand und nochmals sagte: „Ist der Vater nicht
hier?"
Nun schnellte der Maschinenmeister empor, stotterte ver-
wirrt eine Antwort und wurde ganz rot dabei; doch hatte er
die Frage noch immer nicht verstanden.
„Sie träumen ja, Möhring, Sie träumen ja mit offenen
Augen," rief Elbe, der eben einer letzten kleinen Korrektur
halber hereingekommen war.
„Lassen Sie ihn träumen," sagte Ottilie freundlich.
Das kleine Bürgermädchen hatte wirklich die Manieren
eitwr großen Dame.
„Aus ihm wird noch etwas Großes — passen Sie auf!"
Und mit anmutigem Kopfnicken ging sie weiter, nach dem
Setzersaäle, um ihren Vater zu suchen.
Wie ein elektrischer Schlag hatten die Worte des jungen
Mädchens Möhring getroffen. Ottilie glaubte an ihn . . .
Vielleicht hatte sie gar eine Ahnung, daß ihr Vater ihn wie
einen Narren, wie einen dummen Jungen behandelt hatte,
und nun wollte sie ihn trösten, erheben! Wenn sie Recht hatte
— wenn noch etwas Großes aus ihm werden sollte! . . .

jeher angenommen nnd ausgesprochen, aber wo nun ein-
mal Kassen sind, da müssen auch Aufsichtsräte ausge-
bildet und heraugezogeu werden. Möglich ist das, denn
die redlichen Männer sind noch nicht ausgestorben und
soviel Intelligenz findet man aus jedem mittleren Dorf
wohl, daß man eine rechte Auswahl treffen kann.
Aber man trifft die Wahl nicht, ja man kümmert
sich gar nicht mn die Genossenschaft, — außer wenn man
ihrer bedarf — geht entweder in keine Versammlung
oder stimmt dem zu, was ein Leithammel vorschlägt,
wählt die Alten, die tlnfähigen, wieder, anch wenn über
ihre Lässigkeit oder ihre mangelnde Befähigung geklagt
wurde.
Da muß es anders werden, daun wird man keine
Besorgnis zu haben brauchet;, daß bei den ländlichen Ge-
nossenschaften auch nur im Kleinsten etwas vorkommt,
was dem gleicht, was heute bei Großbanken beklagt
wird. Es sind übrigens nicht nur die ländlichen Ge-
nossenschaften, wo man das Regiment nach Herkommen
einigen Personen überläßt und dann etwa klagt, wenn
etwas schief geht, es ist auch bei Sparkassen, ja in der
Gemeideverwaltung, bei Krankenkassen u. s. w. ganz
äbnlich. Wie oft lesen wir von Veruntreuungen, Unter-
schlagungen bei allen solchen Stellen und deutlich zeigt
uns das, wie die Kontrolle so schlecht und vielleicht auch
unfähig ist.
Wir haben durch Gerichtsverhandlungen schon oft er-
kannt, wie schlecht bei Gemeinden und Sparkassen kon-
trolliert wird und man fällt zuweilen denn doch recht
hart über einen Krankenkassenvorstand her, der etliche
untreue Rechner und Kassier zu spät erkannte. „Wir
sind allzumal Sünder" heißt es in der Bibel und so
mögen die an ihre Brust schlagen, die berufen sind,
Kontrolle irgendwo zu üben, aber auch die, welche ver-
kehrte Wahlen treffen und solche so lang bestätigen bis
einmal ein Unglück passierte, dann aber, wenn die Kuh:
hinaus ist, den Stall schließen.
Die meisten Unregelmäßigkeiten würden vermieden,
wenn richtige Aufsicht geübt, richtige Aufsicht bestellt
würde. Mar May.

Deutsches Reich.
Baden.
-— Zu der Landtagswahl in Karlsruhe schreibt
die „BreiSg. Ztg.": Dian soll, mit den Verhältnissen
klüglich rechnend, als nationalliberalen Kandidaten in
Karlsruhe nicht einen Mann ausstellen, der als sogenann-
ter „Knlturkämpfer" den zu berücksichtigenden Parteien
vor den Kopf stößt. Es war zuerst von Prof. Gold -
sch mit die Rede. Nicht als ob wir seine Verdienste
mn unsere Partei, sein mannhaftes Eintreten für die
Prinzipien derselben unter oft recht schwierigen Ver-
hältnissen anders als anerkennend beurteilen wollten.
Aber wir sind der Ansicht, daß eine Aufstellung dieses
eifrigen Parteimannes bei der gegenwärtigen Sachlage
einen taktischen Fehler bedeuten würde. Nun
sind aber von unserer Partei die Kandidaten thatsäch-
lich noch nicht aufgestellt (wie dies Prof. Golds-chmit selbst
in einer in der „Lcmdesztg." veröffentlichten Erklärung
bestätigt) nnd so bleibt dem: der nationalliberalen Par-
teileitung Gelegenheit, der Rufe aus dem eigenen Lager
zu achten, bezw. Ratschläge sorgsam zu prüfen.
Harte er dann nicht ein moralisches Recht, das Geld zu be-
halten, nm seine Ideen zu verwirklichen?
Und von diesem Augenblick an zweifelte keiner mehr an
seiner Nüchternheit; er war ganz ruhig geworden.
Aber schon Mittag, als er mit Elbe in das Speisehaus
ging, kamen die nagenden Zweifel wieder. Da ging er
neben einem ehrlichen Menschen, unter ehrlichen Menschen,
denn die Vorübergehenden sahen ja alle so ruhig und zu-
frieden aus; und er selbst stammte aus einer tadellos ehren-
haften aamilie. Andererseits — wer weiß, wie viele sonst
ehrenwerte Menschen Funde zurückbehielten, weil sie dieselbe
als eilte Art von Glücksfall betrachteten.
Also — er wollte es auf eine Probe, wirklich auf eine
Probe ailkommen lassen.
Während er mit Elbe das einfache Mittagsmahl ver-
zehrte, und jener in kindischer Weise von dem möglichen
Gewinn in der nächsten Ziehung plauderte, entwarf Möhring
seinen Plan. Er hatte sein eigenes Lotterielos nur flüchtig
in die Westentasche gesteckt. Das Lokal war bereits halb ge-
leert, da stand Möhring auf, um sich aus einem entfernten
Winkel desselben eine Zeitung zu holen. Bei dieser Gelegenheit
verlor er in unauffälliger Weise, während er die Uhr zog,
absichtlich das Los; dann setzte er sich mit völlig unbefangener
Miene nieder, um seine Zeitung zu lesen. Sein Kollege
trommelte eine Weile gclan'gweilt auf den Tisch, dann ging
auch er, um sich nach einer Zeitung umziisehen. Anscheinend
ohne von seiner Lektüre aufzublicken, gewahrte Möhring,
wie jener das Papier bemerkte, sich darnach muckte und es
aufhob.
„Haben Sie noch Ihr Los?" frug Elbe nach einer
Weile.
„Jawohl, ich habe es zu Hause," entgegnetc Möhring.
„Da sehen Sie nur," fuhr Elbe fori, „da lag eines hier
auf dem Fußboden. Ich dachte, es wäre das Ihre."
„Nein, ganz bestimmt nicht," versicherte Möhring.
„Nun, so hat es irgend jemand verloren, der hier in der
Nähe saß," meinte jener; „es wird noch mehr Leute geben»
 
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