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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177 - 203 (1. August 1901 - 31. August 1901)
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das Ministerium der republikamschen Verteidigung g e-
tadelt wird, weil es den Zaren nach der unmensch-
lichen Unterdrückung des Proletariats in Rußland sin-
geladen habe zu einer Truppenschau, die doch für ein
künftiges Blutvergießen vorbereiten solle. ,Der Zar habe
sein Versprechen, das er im Haag gegeben, schamlos'ver-
gessen und wohne einer Verherrlichung des Krieges bei.
In dem Augenblicke, wo diese Schmach dem republi-
kanischen Frankreich bedorstehe, erhebe der Ausschuß
Einspruch und bekräftige das Gefühl der Gemeinbürg-
schaft gegenüber den Opfern der schmählichen cäsaristischen
Tyrannei. Alle Genossen möchten sich von der bevor-
stehenden Demütigung Frankreichs fernhalten und gegen
alle darauf bezüglichen Kredite stimmen. Der General-
rat der sozialistischen revolutionären Vereinigung. Die
antiministerielle Gruppe, der Sozialisten will einen
ähnlichen Einspruch gegen den „Mörder eines Volkes"
am 28. August veröffentlichen.
Rußland.
— Der Kaiser von Rußland hat angeordnet ,daß die
Einweihung der neuen, den Namen Felix Faure's
tragenden Newabrück e, welche im November erfol-
gen sollte, auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben werde.
Der Zar wünscht, daß diese Einweihung anläßlich des
zu erwartenden Gegenbesuches des Präsiden-
tenLoubet erfolge.
Asien.
Peking, 23. Ang. Prinz Tsching äußerte, er
habe beim Kaiser telegraphisch die Ermächtigung zur
Unterzeichnung des Protokolls nachge-
sucht, habe aber keine Antwort erhalten. Er habe nun-
mehr nochmals in nachdrücklichen Worten angefragt und
erwarte umgehend Antwort.
Afrika.
Queenstown (Kapland), 23. Aug. Aufgrund
des Kriegsrechtes erging am 20. August ein Befehl,
wodurch die Schließung aller Geschäfte des
Bezirks Queenstown angeordnet und bestimmt wird,
daß alle Güter, welche für den Feind möglicherweise von
Nutzen sein könnten, in bestimmte, genau bezeichnete
Stätten zu schaffen sind. In einem anderen Befehle
wird den Bewohnern des Landes verboten, mehr Lebens-
mittel zu besitzen als für eine Woche erforderlich sind.
— Es ist doch sehr bezeichnend, daß die Engländer auf
ihrem eigenen Gebiet solche drückende Maßnahmen tref-
fen müssen, um sich der Buren zu erwehren, die doch ei-
gentlich schon längst niedergezwungen sein sollen. Die
Mitteilung, daß zahlreiche Kapburen ihren kämpfenden
Stammesgenossen sich angeschlossen haben, gewinnt durch
die Maßnahine der Engländer in gewissem Grade eine
Bestätigung.

Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 24. August.
O „Die Königskiuder" Auf das P oh l-P r an tl'sche
Märchenschauspiel „Die Königskiuder", das morgen Nachmittag
3 Uhr und abends 8 Uhr im große» Saale des „Prinz Max"
zur Aufführung kommt, und über das wir gestern schon aus-
führlich berichtet haben, machen wir nochmals aufmerksam. Nach
den vorliegenden Zeugnissen ist der Besuch nicht nur Kindern,
sondern auch Erwachsenen sehr zu empfehlen.
** Vom Obst- und Gemüsemarkt. Eine seltene Fülle von
Obstfrüchtcn und Küchengewächsen wird z. Zt. ans den Markt-
plätzen seilgebolen. Von elfteren beherrschen die Zwetschgen den
Markt, sodaß Freunden und Freundinnen von Zwetschgrnkuchen
die Möglichkeit geboten ist, ihre Gelüste leicht zu befriedigen.
Prächtige Exemplare inländischer Weintrauben, zum größtenteil
aus HandschuhSheimer Weinlanben geschnitten, Birnen sowie die
vielen Steinobstsorten veranlassen besonders die liebe Jugend
zum Geldansgeben. Von Kücherigewächsen sind besonders Bohnen,
Endiviensalat und Gurken in größeren Mengen anzuireffen. Auch
Weiß-, Rot- und Wirschingkraut, Blumenkohl und vieles Andere
beweisen, daß unsere Hausfrauen, vorausgesetzt, daß ihnen die
nök'gen Mittel zur Verfügung stehen, rücksichtlich einer an-
genehmen Abwechslung bei Bereitung der Mahlzeiten nicht in
Verlegenheit kommen.
O Kirchweihfest in Edingen und Schriesheim- Anläßlich der
Kirchweihfeste in Edingen und Schriesheim verkehren auf der
Nebenbahn Mannheim—Heidelberg—-Weinheim am Sonntag den
25. August nach diesen Stationen und zurück nach Heidelberg
mehrere Sonderzüge. Die Abfahrt des letzten Zuges von Schries-
heim und von Edingen nach Heidelberg an diesem Tage findet
11.30 nachts statt.
L Strafkammersttzung vom 23. August. Vorsitzender: Land-
gerichtspräsident Schember. Vertreter der Großh. Staatsanw alt-
schaft: Referendär H o lz enth aler
1. Hermann Hagenbuch, 41 Jahre alter, verwitweter Heizer
von Fürfeld, wohnhaft in Rohrbach, ist des Verbrechens iin
Sinne der ZZ 173 und 176 R.-St.-G.-B. angeklagt, dessen Opfer
seine 22jährige Tochter war, und wird zu 2 Jahren Zuchthaus
und öjährigem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt.
Die Verhandlung fand unter Ausschluß der Oeffentlichkeit statt.
2. Der 18jährige bereits vorbestrafte Schlosser Adolf Schwab
von Almenshofen stahl im Juli d. I. im städtischen Freibad
hier ein Paar Stiefel im Werte von 8 Mk. Wegen Diebstahls
im wiederholten Rückfall erhält er 6 Monate Gefängnis.
3. Sebastian Lamade Ehefrau, Anna Barbara geb.
Schneider in Kirchheim wurde vom Schöffengericht schuldig be-
funden, als Verklebcrin in einer hiesigen Zigarrcnfabrtk einige
hundert Zigarren entwendet zu haben uno deshalb zu 4 Tagen Gefäng-
nis verurteilt. Nach der heutigen Verhandlung konnte das Gericht
sich von der Schuld der Angeklagten nicht überzeugen und sprach
dieselbe unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils frei.
4. Nach einem alten Gebrauch, der in Sulzfeld seit Generationen
geübt und geduldet wurde, verschaffen sich die Söhne dortiger
Landwirte ihr Taschengeld dadurch, daß sie ihren Eltern heim-
lich Getreide wegnehmen und verkaufen. Einen solchen Handel
mit dem Getreide seines Vaters Johann Krüger trieb auch der
20jährige Friedrich Krüger, wobei ihm eine Anzahl gleichaltriger
Burschen behilflich waren. Diese nun und die Käufer der ent-
wendeten Frucht erschienen heute zwölf Mann stark auf der An-
klagebank um sich wegen Beihilfe zum Diebstahl und Hehlerei zu
verantworten. Die Genossen des Friedrich Krüger, der als Zeuge
erscheint, da ein Stafantrag seines Vaters zurückgezogen worden
war, wollen sich einer Gesetzwidrigkeit nicht bewußt gewesen sein,
als sie das Getreide fortschaffen halfen, ebenso die Käufer die
dasselbe zu Tagespreisen gekauft haben wollen. Die umfang-
reiche Beweisaufnahme, ans der u. a. hervorging, daß auch der
alte Johann Krüger früher selbst ans solche Weise entwendetes
Getreide gekauft und von dem Treiben seines Sohnes Kemitnis
hatte, konnte nach der Lage der Umstände das Gericht zu keiner
Verurteilung bestimmen und so wurden sämtliche Angeklagte frei-
gesprochen bis auf Schmiedelehrling Jakob Friedrich Weigel und
Steinhaner Jakob Ziegler, welche in die Scheuer des Johann
Krüger nachts eingestiegen waren und 7 Säcke Frucht entwendeten.
Weigel wurde zu 2 Monaten Gefängnis, die durch die Unter-
suchungshaft als verbüßt zu betrachten sind, und Ziegler zu, 4
Monaten Gefängnis, von denen 2 Monate Untersuchungshaft ab-
gehen, verurteilt.

5 Die Berufung des Landwirts Johannes Bentz IV. von
Kirchhardt gegen ein auf 1 Monat Gefängnis erkennendes schöffen-
gerichtliches Urteil wegen Körperverletzung, die er sich dadurch zu
schulden kommen ließ, daß er gelegentlich eines Wirtshausstreits
seinen mit ihm verfeindeten Schwager durch einen Stich in den
Hals verletzte, wird als unbegründet zurückgewiesen.
6 Einen erbitterten Komps führt der Königl. Preußische
Hauptmann a. D. O elz e-Lo be nth al in Neckargemünd seit
Monaten gegen die dortigen städtischen Behörden wegen anaeblich
bestehender Mtßstände. wobei das Hauptziel seiner Angriffe der
Polizeidiener Georg Stumpf zu sein scheint. Mehrmals baben
die Gerichte mit diesen Angelegenheiten sich schon zu befassen
gehabt. Stumpf erblickt in dem Hauptmann einen Feind, der
ihn vernichten will, und hat nun in seiner begreiflichen Erregung
eine beleidigende Drohung gegen denselben geäußert. Wegen
Beleidigung wurde er deshalb vom Schöffengericht zu 30 Mk.
Geldstrafe verurteilt, die in der heutigen Berusungsverhandlung
beftätiot Wird.
— Polizeibericht. Verhaftet wurden ein Hausbursche und
ein Schlosser wegen Hausfriedensbruchs und ein von einer aus-
wärtigcn Behörde wegen Forstdiebstahls verfolgter Taglöbrer.
Panorama Mannheim. Nur noch wenige Wochen
bleibt das treffliche Kolossalrundgemälde „Schlacht bei Or-
leans" im hiesigen Panorama ausgestellt, um sodann dem nicht
minder berühmten Rundgemälde „Erstürmung von Bazeilles"
(Sedan) 1. September 1870 Platz zn machen. Während der
Aufstellung des letzteren Bildes, welche in Folge äußerst rei-
cher plastischer Szenerie Wohl bolle sechs Wochen beanspruchen
wird, bleibt das Panorama geschlossen. Der genauere Zeit-
punkt des Schlusses, sowie die Wiedereröffnung wird demnächst
durch die Tageszeitungen bekannt gegeben. Wer es bisher
versäumte, dem Mannheimer Panorama einen Besuch abzu-
statten, sollte nunmehr die Besichtigung nicht mehr länger
hinansziehen, sondern solche so bald als möglich ausführen,
zumal bekanntlich kurz vor Thorschlnß größerer Andrang be-
vörsteht. Auch haben noch zahlreiche Vereine, Lehranstalten
u. s. w. ihre Besuche in Aussicht gestellt, da die Schlacht bei
Orleans nie wieder im Mannheimer Panorama ausgestellt
wird.
Ll. Heiligkreuzsteinach, 24. Anguß. (Bürgermeister
Jmhoff st.) Heute Vormittag halb 10 Uhr wurde d'e Leiche
des so un rwartet ans dem Leben geschiedenen Bürgermeisters
und Löwenwirts Front I m h o ff zu Grabe getragen. Die
Beteiligung an der Bestattung war sehr zahlreich, ein Beweis,
wie beliebt der Verstorbene in Nah und Fern war. Der hiesige
Gesangverein und der Militärverei» mit ihren Fahnen, der
Krankenvsrein, der Wirievecein von Heidelberg, alle Bürger-
meister der näheren Umgebung,, sowie verschiedene Geist-
liche aus den Nachbargemeinden hatten sich eingefunden.
Zahlreiche Kränze wurden am Grabe niederaelegt. Der amtierende
Pfarrer rühmte in seiner Grabrede die Pflichttreue, mit der der
Verstorbene seiner Familie und seinem Berufe vorgestanden —
Die zahlreichen Besucher unseres Ortes, die Hrn. Jmhoff kann-
ten, werden seiner so plötzlich ihres Oberhauptes beraubten Fa-
milie die Teilnahme nicht versagen, den Verstorbenen aber in
ehrendem Andenken bebalten.
Wiesloch, 22. Ang. (E i s e n b a h n u n f a l l.) Heute
Morgen 10 Uhr stießen laut „Wies!. Ztg." auf der Nebenbahn
Wiesloch-Meckesheim bei der Tuchbleiche ein Motorwagen und
ein Materialzug aufeinander, wobei der Motorwagen entgleiste.
Von den Passagieren wurde glücklicherweise Niemand verletzt,
auch das Zugpersonal kam mit dem Schrecken davon. Der
Materialschaden ist bedeutend. Einer der neuen Motorwagen,
mit welchem seit gestern Abend der Lokalverkehr zwischen
Wiesloch-Oberstadt und dem Staatsbahnhof aufrecht erhalten
wird, ist stark beschädigt, aber auch die Lokomotive des Ma-
tcrialzugs erlitt bei dem heftigen Zusammenstoß erheblichen
Schaden. Der Verkehr an der Unfallstelle wird durch Um-
steigen aufrecht erhalten. Die Schuld an dem Zusammen-
stoß trägt der Führer des Materialzugs, der in Dielheim die
Weisung erhielt, an der Haltestelle Oberstadt nicht über die
Weiche hinauszufahren. Statt zu halten, fuhr der Material-
zug jedoch durch und verursachte somit den Zusammenstoß.
* Sinsheim, 23. August. (Ein schwerer Fall.) Zn
der unter dieser Spitzmarke dem „Pfälzer Boten" entnommenen
Notiz erfahren wir, daß der schwere Schrank bei dem Fall
völlig intakt geblieben ist. Es ward eine andere Kette herbei-
geschafft, der Schrank in die Höhe gezogen und an dem für ihn
bestimmten Ort ausgestellt. So hat er eine unvermutete Sturz-
probe aufs beste bestanden.
Lift Eberbach, 23. Aug. (Bezirksspital, Neckar-
brücke.) Die schon seit einigen Jahren schwebende Frage
wegen Errichtung eines B e z i r k s s p i t a l s in hiesiger Stadt
hat gestern insofern ihre Lösung gesunden, als der Verband,
dem die meisten Gemeinden des Amtsbezirks angchören, sich
gestern konstituierte und gleichzeitig die Stadtgemeinde Eber-
bach ermächtigte, mit dem Bau des Krankenhauses nach den:
Projekt der Großh. Bauinspektion Heidelberg sofort zu be-
ginnen. — Die Eisenkonstruktion unserer Neckarbrücke
dürfte nach dem derzeitigen Stande der Arbeiten bis Mitte
Oktober fertig gestellt sein, und da die Herstellung der Fahr-
bahn, die alsdann noch zu erfolgen hat, nur kurze Zeit in An-
spruch nehmen dürfte, wird die Brücke, wie vorgesehen war,
vor Eintritt des Winters noch dem Verkehr übergeben werden
können.
Lift Pforzheim, 23. Aug. Gärtnerkrieg.) Ein
heftiger Zeitungskrieg, der in gegenseitigem Geschäftsneide seine
Ursache hat, ist zum Gaudium des Pforzheimer Publikums
zwischen den Pforzheimern und den Dnrlacher Gärtnern ent-
brannt. Erstere, die schon lange die wachsenden Geschäfts-
erfolge ihrer Dnrlacher Kollegen ans dem hiesigen Wochen-
markte mit scheelen Blicken beobachtet hatten, versuchten in
einem jüngst in einem hiesigen Blatte erschienenen Eingesandt
die Waren derselben beim Pforzheimer Publikum in Miß-
kredit zu bringen. Sie behaupteten, die Dnrlacher würden
nur diejenigen Produkte hierherbringen, die sie tagszuvor auf
dem Markte in Karlsruhe nicht hätten absetzen können. Die
Durlacher wehrten sich im „Durlacher Wochenblatt" ganz
energisch dagegen, sie sagten, das Pforzheimer Publikum kaufe
deshalb so gerne bei ihnen, weil sie den Käufern mit Höf-
lichkeit entgegenkämen, und überhaupt die Gärtnerei viel
besser verständen, da sie geborene Lätschen (Gärtner) seien.
Die Antwort der anderen ließ nicht lange auf sich warten.
Diesmal fuhren sie mit groben Geschützen auf. Sie seien
allerdings nicht in der angenehmen Lage gewesen, als Kraut-
köpfe auf die Welt zn kommen, wie die Durlacher Kraut-
bauern. Was Höflichkeit und Bildung anbelangt, darüber
wollten sie das Urteil dahingestellt sein lassen. Was der
Krautbauer nicht kenne, das fresse er auch nicht.
LE Baden-Baden, 23. Ang. (Die Pferderennen
in Iffezheim) nehmen am nächsten Sonntag ihren
Anfang. An 6 Tagen kommen insgesamt 420 000 DU. an
Geldpreisen und 5 Ehrenpreise zur Verteilung. Die Be-
teiligung des Auslandes ist nicht so stark, wie in früheren
Jahren, immerhin werden in den meisten Hauptnummern
fremdländische Farben vertreten sein.
80 Freilmrg, 23. Aug. (A u s g e l i e f e r t.) Der
Bankangestellte Dold, welcher s. Zt. dem Wiesenthäler Bank-
verein 10 000 Mk. entwendet und sich nach London geflüch-
tet hatte, ist nunmehr^ von England ausgeliefert und hier ein-
gebracht worden. Die veruntreute Summe soll von Dolds
Eltern ersetzt worden sein.
SL Donaueschingcn, 23. Aug. (Der Hagelscha-
den), den das Unwetter vom 11. August in der Gemarkung
Hüfingen anrichtete, wird auf ea. 150 000 Mk. geschätzt. Lei-
der sind nur wenige Landwirte versichert (von 180 Landwirten
nur 44). In Bräunlingen beträgt der Schaden ca. 30 000

Mk. Seit 1352 wurde kein solch schwerer Hagelschlag dort'
mehr beobachtet.
Ans Baden. Am Dienstag starb in Karlsruhe nach
langem und schwerem Leiden im Alter von 50 Jahren der
Architekt und Professor a D. Julius Pecher. In den letzten
Jahren war er kaum mehr sichtbar, und doch ist er der Schöpfer
einer der bekanntesten humoristischen Figuren der Residenz, des
Privatiers und Rentners Biermaier. Als solcher schrieb er in
Karlsruher Mundart köstliche Briefe, in denen kleinbürgerliche
Anschauungen und kleinbürgerlicher Haushalt sich unvergleichlich
spiegelten, in die seitdem eingegangenen „Karlsr. Nachrichten",
mit deren Verleger Gutsch er befreundet war. Pecher besaß ein
bedeutendes humoristisches Talent, obwohl er selbst sehr ernst
war. In der Krtegszett von 1870/71 wirkte er in der Leitung
des internationalen Auskunftsbureaus für verwundete und kranke
Krieger mit. Sein Tod wird von vielen Freunden und Ver-
ehrern betrauert werden.
Eingesandt.
Nachdem mit Befriedigung wahrgenommen werden konnte,
daß mit Wiederaufnahme des Pferdebahnbetriebs in der Rohr-
bacherstraße den vom Bahnhof dahin fahrenden Wagen bis zur
Kreuzung ein Schaffner beigegeben ist, wodurch der Willkür
der Kutscher einiger»,aßen gesteuert wird, scheint man nun doch
in gewissem Sinne vom Regen in die Traufe gekommen zu
sein, denn offenbar ist die Maßregel auf fiskalische Interessen
zurückzuführen und schädigt wieder den Betrieb. Am Donners-
tag Abend 8 Uhr z. B. stand der Rohrbacher Wagen am Bahn-
hof zur Abfahrt bereit, aber der Kutscher wartete vergeblich auf
das Signal des Schaffners, welcher auf der Hinteren Platt-
form die Kolonnen seiner Eintragsliste ausfüllte. Auf die
Frage eines Passagiers, ob denn der Wagen nicht abfähre,
erfolgte der Bescheid, daß während des Fahrens das Einträgen
der Liste unmöglich sei. Als dann der Passagier den Wagen
verließ, um seinen Weg zu Fuß fortzusetzen, bremste her
Schaffner seinen Bleistift und gab das Signal zur Abfahrt.
Daraufhin bestieg der Passagier den Wagen wieder, jedoch nur,
um ihn vor der inzwischen herabgelaffenen Gleisschranke an,
Bahn-Uebergang wiederum zu verlassen und dann endgiltig
Fürbaß zu wandern. Der Schaffner behauptete dabei in ent-
schuldigendem Tone (im Gegensatz zur Wirklichkeit), daß auch
ohne sein Schreiben der Wagen doch nicht mehr rechtzeitig
vor der Sperrung über das Gleis hätte gelangen können. Sehr
eigenartige Wahrnehmungen macht man, wenn man dem Ver-
kehr der Pferdebahn an der Rohrbacherstrahe einige Beachtung
schenkt, z. B. wenn die umzuwechselnden Pferde ihrer Ohren-
kappen beraubt werden; denn der Kutscher ist verantwortlich
für die Ohrenkappen, und er setzt sie nur dem vor seinem
Wagen gehenden Pferde auf. Der entsprechende fiskalisch-
bureaukratische Ohrenkappen-Umtausch findet natürlich auch auf
Kosten der Zeit der Passagiere statt. Man wäre dem ver-
ehr!. Stadtrat zu Dank verpflichtet, wenn angesichts des
städtischen Besitzes von der Aktien bei dem Betriebe der
Pferdebahn ein regulierendes Wort gesprochen würde, kftlft.
Handel «nd Verkehr.
Mannheim, 23. August. (Aktien.) Die Börse verlief W
stiller Haltung. Kleinere Umsätze erfolgten in 4" g Mannbeiwer
Stadt-Obligationen vom Jahre 1901 zu 102.40"/, und in Pfälz-
Bankaktien zu 113.50"/,. Sonstiges unverändert.
Frankfurt, 23. Aug. EffekIensozrelät. Abends Oft. Uhr-
Krrditoktten 199.60 b.. Disconro-Kommandit 175.20 b., National*
ban? f. D. 98 60 b. Anatol. Eisenbahn (60"/,) 5proz. amoN-
Mcxikancr 41.40 b, 35proz. Portugiesen 25.90 B. 80 G. cssi-
2590 b. ult. Laura 186.50 -70 b.. Lockmmer 167.75 b., Har-
pener 154.80 B. 70 G., Gelsenkirchener 168 B. 165.90 B.. Bad.
Zuckerfabrik 82.L0 b. G., Elektr. Allgem. (Edison) 181 b-
Eleklrizitäts-Ges. Schuckert 169.70 b. G., Elekir. Helios 43 b- O-
Elektr.-Anl. Köln 37 b. G.
6'/,-8Vz Uhr:
Di« große Geschäfisslille verhinderte die Bildung einer aus-
gesprochenen Tendenz. Doch waren besonders Montniwerte etwa-
fester und wurden Portugiesen auf Pariser Impuls Bruchism
höher bezahl'.
Heidelberg, 24. August. (Marktpreise.) Heu der Zent::«'
4.20 bis 4.30, Korn-Stroh der Ztr. „Ä. 3 50 bis 3.80. geus
2.80 bis 3 00, gelbe Kartoffeln der Zentner ^4 2.50 bis 2.30-
Salatkartoffeln .4L 0. bis 0.—, neue Kartoffeln 0— bis
Butter in Ballen ^ 105 bis 1.10, in Pfund ^ 1.20 bis 1.2»-
Johannisbeeren 12 bis 15 Stachelbeeren 60 bis 00
Zwiebeln 8 bis 9 Knoblauch 35^. Bohnen 3 bis 5 Erbs^
60 bis 00 Gebund Gelbrüden 2 bis 3 Heidelbeeren da?
Pfund 12 bis 15 das Liter 18 bis 20 Eier sas StÜ»
6 bis 7 das Hnnderl 6.50 bis 6.8o, Zwetschgen va»
Hundert 18 bis 20 Mirabellen 15 bis 13 Reineclaude",
40 bis SO ^ Blumenkohl das Stück 50 bis 60 RotkE
15 bis 20 Weißkraut 10 bis 15 Wirsing 6 bis 8 F
Kohlrabi 2 drs 3 Sellerie 5 bis 8 Lauch 2 bis 3 -4'
Rettich 4 bis 5 Meerrerrtch 15 Gurken 3 bis 4 M.
mach-Gurken das Hundert 60 bis 80 Role Rüben 2 bis 3 «
Kopfsalat 5 bis 6 Endivien 3 bis 4 Aepfel das Sitz;
4 bis o das Pso. 18 bis 20 Brrnen das Stück 2 bft
3 das Pfund 12 bis 15 Gebund Petersilie 1 bis 2
Gebund Schnittlauch 1 Pceißelbeeren das Liter 30 ^
Eppiugen, 23. August. Der yenttge Schweine markt u"--
gut besucht, und waren 291 Stück Milchschwetne und 15 SM
Läufer zugeführt. Das Paar Milchschweine kostete 24—43 <-
Läufer 44 bis 93 ^_ _
WasserstanSSnachrtchrsn.
Neckar.
Heidelberg, 24., 1,32. gef. 0.03 »
Hetibron«, 23., 0,80. gef. 0,05m
Mannheim, 23,4,40 gef. 0.10m

Rhein.
Lauterbur«, 23., 4,67, qef. 0,ov,
Maxau, 23.. 4,73. gef.
Mannheim, 23., 4,43, gef.


Neueste Nachrichten.
Berlin, 23. Aug. Das Wolff'sche Bureau mel
nunmehr halbamtlich : Seine Majestät derKaiserv
Rußland leistete der Einladung Seiner Majestät ",
deutschen Kaisers zu den Danzig er Fl",
ten-M an ädern Folge und teilte dies dem
durch eigenhändiges Schreiben mit.
Berlin, 23. August. Die ehemaligen Dragoner,
denen der Handelsmann Lid sch über den Gum bi nt
Mord gesprochen haben will, befanden sich angeblich
dem Wege nach Südwestafrika.
Berlin, 23. Aug. Wie den „Neuesten Nachr.
Petersburg geschrieben wird, hat der russische
nanzminister das Qdessaer Börsenkomitee b
tragt, Vorarbeiten für den deutsch-russischen Han
Vertrag in Angriff zn nehmen und zwar soll das
komitee erstens die Bedeutung des deutsch-russischen A
delsvertrages für den Qdessaer Handel und die südnji
sche Industrie klarstellen und zweitens die Folgen ^
kern und feststellen, die eine etwaige Nichterneueruüöch
bestehenden Vertrages für Industrie und Handel vH
würde. Dabei soll das Börsenkomitee (d. h. bei de"?
antwortung der zweiten Frage) den Fall setzen, dav§
neue deutsche Zolltarifgesetzentwurf Gesetz werde.
Antworten der Qdessaer Börse müssen Anfang Dez"'
dem Finanzministerium zugehen. ,,
Paris, 23. Aug. (Frkf. Ztg.) - Der heutige Nst
sterrat, der drei Stunden währte, beschäftigte

-- b

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