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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

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Nr. 204 - 228 (2. September 1901 - 30. September 1901)
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Lieblingslektüre bildet. Er neigt sehr zu deutschem We-
sen und Treiben. Roosevelt ist impulsiver als Mc Kin-
ley, indessen würde sich diese Eigenschaft mit dem Gefühl
größerer Verantwortung abschleifen.

Johannes v. Miquel
Frankfurt a. M>, 8. Sept. Der ehemalige
Finanzminister Dr. Johannes v. Miquel ist ver-
gangene Nacht plötzlich verstorben. Der Ver-
blichene hatte gestern Nachmittag noch einen Spa-
ziergang gemacht und sich am Abend mit Lesen
beschäftigt. Gegen Mitternacht hatte der Kammer-
diener ihn noch gehört. Als seine Nichte, Fräulein
Miquel, heute früh gegen 7 Uhr sein Schlafkabinet
betrat, lag er entseelt im Bett. Ein Herzschlag
hatte seinem Leben ein Ziel gesetzt.
Herr v. Miquel hat seinen unvermuteten Sturz vom
Ministersessel nicht lange überlebt. Am 3. Mai wurde
das Preußische Abgeordnetenhaus geschlossen, da die Regie-
rung endlich einsehen mußte, daß die Kanalvorlage nicht
durchzubringen sei, und in der gleichen Stunde läutete
auch das Scheideglöcklein für Herrn v. Miquel, den Freund
der Agrarier, der leine Freunde nicht bewegen konnte, für
die Vorlage einzutreten.
Von den drei hervorragenden Hannoveranern Windthorst,
Miquel und Bennigsen ist nun auch der Zweite hinge-
gangen. Sein Charakterbild ist in den Blättern ans An-
laß seines Scheidens aus dem Dienst gezeichnet worden,
worauf hier verwiesen werden darf. Ein geistig sehr be-
gabter und geschäftsgcwandter Mann, aber etwas zu ent-
wicklungsfähig, hat er sich vom jugendlichen Kommu-
nisten bis zur Stütze des konservativen Adels durchgemau-
sert. Seine Verdienste um die Finanzreform in Preußen
sind unbestreitbar. Lange Zeit war v. Miquel ein Führer
der nationalliberalen Partei. Als er aber Minister wurde,
da wußte er nichts mehr von den Nationalliberalen. Die
nationalliberale Partei hat also keine Ursache, seiner be-
sonders liebevoll zu gedenken, v. Miquel hat ein Alter
von 73 Jahren erreicht.

Deutsches Reich.
— Der Kaiser sandte nach dem Empfang des
Prinzen Tschun an die Witwe des ermordeten
Frhrn. v. Kette ler in Neuwied folgendes Tele-
gramm: „Am heutigen Tage, an dem die amtliche Sühne
für das am Vaterlande und an Ihrem Gemahl begangene
Verbrechen erfolgt ist, gedenkt seiner Gattin und Mutter
in besonders herzlicher Teilnahme. Wilhelm."
— Der Kaiser hat, wie eine Korrespondenz er-
fährt, am Tage vor seiner Abreise aus Potsdam Gelegen-
heit genommen, zu erklären, wie schmerzlich er von den
unwahren und taktlosen Veröffentlichungen über die
Kaiserin Friedrich berührt worden sei. (Gemeint ist
offenbar das Gerücht von einer zweiten Heirat. Red.)
Der Kaiser fügte hinzu, es wäre wohl endlich Zeit, seine
Mutter im Grabe ruhen zu lassen und sich lieber des
Dielen Guten zu erinnern, das sie gewollt und gethan
habe. Man scheine noch immer nicht zu erkennen, was
für eine vortreffliche Frau seine Mutter gewesen sei.
— Dem Kaiserist dieser Tage im Neuen Palais
zu Potsdam vom Bildhauer Professor Uphues eine kleine
Skizze für das Moltkc-Denkmal in Berlin vorgelegt
worden, das der Kaiser und die Armee dem großen Feld-
Herrn widmen. Ursprünglich sollte das Denkmal vor der
Ostseite des Generalstabsgebäudes errichtet werden, und
zwar auf dein mit Gartenanlagen geschmückten Platze,
der von der Bismarck-, Moltke- und Älssnstraße umgrenzt
wird. Der Standort liegt etwas abseits. Diese Erwä-
gung und der Wunsch, dem Denkmal auch durch die
Wahl des Platzes eine noch größere Bedeutung zu geben,
hat den Kaiser veranlaßt, zu entscheiden, daß das Stand-
bild Moltkes dem von Bismarck gegenübergestellt und auf
der anderen Seite der Siegessäule vor dem neuen könig-
lichen Operntheater errichtet werden soll. Der Kaiser
hat von jeder größeren architektonischen Umrahmung
des Moltkedenkmals Abstand genommen. Das Ganze
wird auf einem Marmorplatean anfgebant und erhält
eine Höhe von etwa 12 Meter. Auch Postament und Fi-
gur werden aus Marmor hergestellt.
— Das deutsche Kaiserpaar sandte an die
Frau Mc Kinlcys aus Königsberg folgendes Telegramm:
Entsetzt über den Anschlag gegen ihren Gemahl, drücken
wir Ihnen, die Kaiserin und Ich, unsere tiefgefühlte
Sympathie und die Hoffnung aus, daß Gott Mr. Mc
Kinley die Gesrmdheit wiedergeben möge.

genommen wurde. In einer Veröffentlichung über den
Fall erwähnte Dr. Stefan, daß ihm trotzdem die Summe
desStenrpelsteuerbetrages nicht zurückerstattet worden sei.
Das wird inzwischen doch Wohl geschehen sein. Red.)
— Vom Ucbcrbrcttl. In einem Berliner Blatt
stand vor einigen Tagen folgende Anzeige zu lesen: „Ver-
armter Graf oder Baron, der ein wenig dichten kann,
für Ueberbrettk-Tournee gesucht. Fritz Unger, Schilling-
straße 2II." Namentlich das „verarmt" ist köstlich.
Brsttlbaron — Bettelbaron. Wie schmeckt übrigens den
Herren Ueberbrettlmjeistern Freihjerrn v. Wolzogenj
Wedekind, Bierbaum und tutti quanti dieses „ein wenig
dichten" ?
-— Ein Zeichen der Zeit. Welch großer Mangel
an Dienstboten augenblicklich herrscht, geht daraus
hervor, daß ein Dienstmädchen, welches selbständig ko-
chen kann, auf ein im „Frankfurter Generalanzeiger"
erschienenes Inserat nicht weniger als 62 Offertschreiben
erhielt. -_

— Der kleine Protz. — Besuch (an der Wiege des Stamm-
halters): „Nein, wie lieb und herzig Ihr Kleiner ist, kann er
schon „Papa" sagen?" — Herr v. Silberstein: „Papa noch nicht,
aber — Coupon!"
— Sie hat Zeit! — Hausarzt: „Ihre Enkelin soll also
Hermengilde heißen? Wie gedenken Sie diesen langen Namen
' abznkürzen?" — Frau Kommerzienrat: „Warum abkürzen?
Haben wir die Zeit nicht, ihn anszusprechen?" . .

— Das „Armeeverordnungsblatt" veröffentlicht eine
Kaiserliche Kabinetsordre, nach welcher die verheirate,
ten Angehörigen der ostasiatischen Besatznngsbrigade,
die mit Genehmigung des Kommandeurs ihre Familien nach
den Standorten in China heranziehen wollen, dieKosten
für Hin- und Rückbeförderung der Familien, sowie
eine Mietsentschädigung für die verlassene heimatliche Woh-
nung nach Maßgabe der für Versetzung im Frieden gel-
lenken Bestimmungen erhalten.
— Reichskanzler Graf Bülow sandte aus Nor-
derney an den Staatssekretär in Washington nach-
stehendes Telegramm ab: Empfangen Sie den Ausdruck
meiner wärmsten Sympathie mit dem tiefen Leid, das
über die Regierung und das Volk der Vereinigten Staa-
ten durch eine fluchwürdige Unthat gebracht worden ist.
Gott schütze das so schwer gefährdete Leben des Präsiden-
ten.
,— Der „Post" zufolge war der Aufenthalt des
Prinzen Tschun in Basel unfreiwillig. Die
Regierung hatte das Betreten des Reichsgebietes ver-
boten, so lange bis die Forderungen in Bezug auf die
Ansprache des , Prinzen angenommen wurden.
— DerZionistcnkongrcß wurde für den 26. bis
29. Dezenrber nach Basel enrberufen. Max Nordan
wird das Hauptreferat halten und zwar über die körper-
liche, geistige und wirtschaftliche Hebung der Juden.
Kiek, 7. Sept. Der König von England
ist heute hier angekommen und auf dem Bahnhof von
der Prinzessin Heinrich begrüßt worden. In Be-
gleitung der Prinzessin begab er sich alsbald an Bord
der Jacht „Osborne", die kurz nach 10 Uhr den Hafen
verließ. Die Besatzung der im Hafen liegenden Kriegs-
schiffe „Olga", „Mars", „Blücher" und „Friedrich Karl"
nahmen Paradestellnng ein und brachten ein dreifaches
Hurrah aus. Darauf feuerten sie Salut, den die Be-
gleitschiff der „Osborne", die Kreuzer „Anstralia" und
„Severn", erwiderten.
Königsberg i. Pr., 7. Sept. Vormittags ge-
gen 9H^ Uhr begab sich der Kaiser zu Pferde an der
Spitze der Fahnenkompagnie und Standarteneskadron
nach dem Paradefcldc. Gegen 9)/2 Uhr folgte die K a i-
serin in sechsspännigem offenen Wagen, geleitet von
einer Abteilung Kürassiere. Das Kaiserpaar wurde ans
dem ganzen Wege von der überaus zahlreich zusammen-
geströmten Bevölkerung mit lautem Jubel begrüßt.
Kriegervereine, Schulen, Gewerke, Innungen und son-
stige Vereine bildeten Spalier. Die Parade verlief bei
günstigem Wetter. Der Kaiser übergab, vor der Mitte
der Front haltend, zunächst die neuen Fahnen mit einer
Ansprache an den Regimentskommandeur. Sodann ritt
der Kaiser mit der Kaiserin und dem Kronprinzen, sowie
den Prinzen Albrecht und Friedrich Heinrich, dem ältesten
Sohn des Prinzen Albrecht, die Fronten ab. Das Grenä-
dierregimenß,Kronprinz" wurde beim erstenVorbeimarsch
vom Kronprinzen vorgeführt, beim zweiten von dem
Kaiser und dem Kronprinzen, die nebeneinander ritten:
Prinz Albrecht führte sein Dragonerregiment zweimal
vor. Nach Schluß der Parade hielt der Kaiser Kritik
ab und führte dann die Fahnenkompagnie und die Stan-
darteneskadron nach dem Schlosse zurück unter brausen-
den Hochrufen einer zahlreichen Menschenmenge. Die
Kaiserin fuhr im Wagen zurück.
Baden.
Karlsruhe, 7. Sept. Die „Karlsr. Ztg."
schreibt: Die Besprechungen über den Entwurf des
n e n e n Z o I l t a r i f s wurden vorgestern und gestern
unter dem Vorsitz des Ministerialpräsidenten Dr.
Schenkel ini Ministerium des Innern fortgesetzt und
zwar wurden vorgestern diejenigen Teile desAbschnitts I,
welche die Erzeugnisse der Land- und Forstwirtschaft
behandeln, besprochen, soweit dieselben für Handel und
Industrie von Bedeutung sind, und ferner der Abschn. X
bezüglich der Holzwaren, während gestern die Abschn. II,
XIII und XIV „Mineralische und fossile Rohstoffe,
Waren aus Stein und Thonwaren", sowie ferner Ab-
schnitt VI „Leder- und Lederwaren" zur Beratung stan-
den. An diesen Besprechungen nahmen auch der Finanz-
minister Dr. Buchenberger teil und als Regierungskom-
missär waren anwesend seitens des Ministeriums des
Innern Geh. Oberregierungsrat Braun, seitens des
Finanzministeriums Ministerialrat Ballweg, sowie bei
der die Erzeugnisse der Forstwirtschaft betreffenden Be-
ratung als Vertreter der Domänendirektion Oberforst-
rat Schweickhard. Als Sachverständige aus den Krei-
sen der Industrie und des Handels waren beteiligt am
ersten Tage die Herren Mühlenbesitzer Josef Werner von
Neckargemünd, Mühlenbesitzer Hildebrand von Wein-
heim, Getreidehändler L. Hirsch von Mannheim, Direktor
Hagenauer von der Firma Ed. Kaufmann Söhne (Damps-
mühle) in Mannheim, Hofgartendtrektor Gräbner von
hier, der Vorsitzende des Verbandes badischer Gärtner
Kunst- und Handelsgärtner Haßtach von Baden, Direk-
tor Wittmann von der Firma Bassermann und Komp.
(Konservenfabrik) in Schwetzingen, Direktor Wolf in
Firma Daniel Völker (Cichorienfabrik) in Lahr, Malz-
fabrikant Schräg von Bruchsal, Direktor Sauerbeck von
der Badischen Brauerei in Mannheim, Brauereibesitzer
Albert Printz hier und Preßhefenfabrikant Feder in
Großsachsen, ferner Bernh. Fuchs in Firma H. Fuchs
Söhne in Karlsruhe, Barth in Finna Markstahler und
Barth hier, Emmrich in Firma Emmrich und Köhler in
Mannheim, Sig. Heyd in Zizenhausen, sämtlich Besitzer
von Holz- und Sägewerken, Möbelfabrikant Karl Him-
melheber von hier und Mar Gerteis (Bau- und Möbeh-
schreinerei) von Freibnrg. Am zweiten Tage waren er-
schienen die Herren Ernst Reißmann, Granitwerke-Kan-
dern, Hafnermeister Blum von da, Direktor Hoffmann
von der Deutschen Steinzeugfabrik in Friedrichsfeld,
Gypsfabrikant Gebhard von Thiengen, Direktor Dewitz
von der Thonwarenfabrik Kandern, H. Rupp von Firma
Rupp u. Möller — Marmor-, Granit- und Syenitwerk
-— hier und Direktor Schott vom Portland-Zementwerk
Heidelberg in Leimen, sowie ferner aus der Lederbranche
die Fabrikanten Karl Frendenberg und Sig. Hirsch von
Weinheim, H. Hoffmeister von Heidelberg, L. Regens-
burger von Mannheim, H. Burkhardt von Wiesloch, K.
Kuen in Firma Gebr. Knen von Bühl, Dr. Friedrich
Krafft — Leder- und Schuhfabrik — in Fahrnan, Kart
Kriechst, Schuhfabrikant in Bonndorß Emil Weilt in

Firma Lndw. Weill — Handschnhfabrik —- in Karlsruhe
und Heinr. Karoli, Bandagist von Lahr.
— Der „B e o b." meldet in Sperrdruck: Die Zen-
tralleitung der Zentrumspartei Badens hat den
Ausführungen unserer bekannten IV-Artikel bs-
treffs der Karlsruher Wahl einstimmig zugestimmr,
ebenso der Aufstellung der Kandidatur FehrenVäch in
Freiburg.
— Als Wählte r m i n wird jetzt der 6. Oktober
genannt.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Beiriebsassistent Heinrich Rüdinger in Neckarelz wurde
nach Seckach versetzt.

Ausland.
Dänemark.
Kopenhagen, 7. Sept. Der russische Minister
des Auswärtigen Graf Lamsdorff ist heute hier ein-
getrosfen.
Spanien.
San Sebastian, 7. Sept. Der König und die
Königinj-Regentin wohnten an Bord des Schulschisses
„Stei n" der Regatta der deutschen Seeleute in Pasa-
ges bei. Die Regatta nahm einen glänzenden Verlaus.
Asien.
Pek i n g, 7. Sept. Das S ch I u ß p r o t o k o l l
für die Friedensperhandlnngen ist unterzeichnet
worden.
Peking, 7. Sept. Die auswärtigen Gesandten
füllten, wie die „Times" meldet, die bisher im Proto-
koll offen gelassene Tagangabe der Räumung
Pekings und der Provinz Tschili aus. Der erstere
wurde auf den 17., die letztere auf den 22. September
festgesetzt. Li-Hung-Tschang ist wieder erkrankt. Ruß-
land weigert sich, die Ernennung Lo-Feng-Luhs zum
chinesischen Gesandten in London zu genehmigen.
—- Die „Times meldet aus Shanghai: Die
deutsche, achthundert Mann starke Garnison zeigt sich sehr
aktiv und hat eine große Parzelle Land innerhalb der
allgemeinen Niederlassung ans drei Jahre gepachtet, wie
es heißt mit dem Recht auf weitere sechs Jahre Pacht.
Das Grundstück wird umzännt und nivelliert. Die
Deutschen haben jetzt den Ban ihrer Kaserne und eines
Lagerhauses begonnen. Allem Anschein nach für die
Dauer. Die britische Besatzung ist durch Abzug der Rag-
pnts auf ein Regiment reduziert. Die englische Ge-
meinde von Shanghai ist höchst erbittert (!) über die
Lage in anbetracht des großen Vorwiegens der dortigen
britischen Interessen. —- Was die Engländer doch im-
mer gleich so „erbittert" sind. Das ist wirklich znm
Lachen.

Nationalliberale Versammlung.
Heidelberg, den 9. September.
Gestern Nachmittag bielt der nattonalliberale Kandidat für
Heidelberg-Land, Prof. Quenzer, seine 20. Wahlversammlung
ab und zwar in der „Krone" in Dossenheim. Auf dieselbe Zeit
hatten di- Antisemiten eine Versammlung im benachbarten Adler
angesagt, und man konnte in Erinnerung der Wahlkämpfe vor
4 Jahren neugierig sein, wie diese gleichzeitige Tagung ablaufen
werde. Nun, die nationalliberale Versammlung war zahlreich
besucht, während die Antisemiten zunächst überhaupt keine Ver-
sammlung zustande brachten. Ein auswärtiger Antisemit erschien
in der nationalltberalen Versammlung und fragte an, ob er das
Wort erhalten könne. Er wurde abschlägig beschicken auf Grund
eines Beschlusses des uationalliberalen Parteivorstandes. Dieser
Beschluß ist der antisemitischen Parteileitung seiner Zeit offiziell
und schriftlich mitgeteilt worden. Als Prof. Quenzer seinen
Vortrag eben begonnen hatte, kam der antisemitische Abg. Mampel
mit dröhnenden Schritten in die Versammlung und setzte sich
dicht vor dem nationalltberalen Redner nieder. Prof. Quenzer
sprach etwa eine Stunde lang unter großer Aufmerksamkeit der
Zuhörer. Seine Ausführungen wurden oft von Beifall unter»
krochen; sein Programm und die Art, wie er es entwickelte, ge-
fielen augenscheinlich der Versammlung sehr. Als er geendet
hatte, führte Herr Mampel eine Auseinandersetzung herbei, zu
der ihm schließlich das Wort gegeben worden war. Er fragte
Herrn Quenzer an. ob dieser ihn persönlich angegriffen und ins-
besondere behauptet habe, daß er, Mampel, in seiner Heimat
Kirchheim keine Geltungmehr besitze. Herr Quenzer erwiderte, daß er
von Herrn Mampel persönlich nur in sofern gesprochen habe, als
dies zur politischen Aufklärung erforderlich gewesen sei. Da
Herr Mampel sich gerühmt habe, daß er mit seiner Abstimmung
zum Sturze des Ministers Eisenlohr beigetragen habe, so habe
Redner darauf hingewiesen, daß Herr Mampel wegen seinem be-
ständigen Zusammengehen mit dem Zentrum aus dem Kirchen-
gemeinderat in Kirchheim hinausgewählt worden sei. Die That-
sache konnte Herr Mampel nicht bestreiten, nur meinte er, es
könne dergleichen einem jeden passieren. Die beiden Kandidaten
standen einander etwa zehn Minuten lang Auge in Auge und
die Versammlung hatte G lleg-nheit, das Auftreten und die Persön-
lichkeit beider zu vergleichen. Der Vergleich fiel nicht zu Gunsten
des Herrn Mampel aus. Eine weitere Diskusioii fand nicht
statt, nur empfahl Herr Stabhalter Zimmermann vom Grenzhof
die Kandidatur Quenzer mit einigen eindringlichen Worten.
Herr Quenzer gedachte des bevorstehenden Geburtstages des
Großherzogs und brachte ein Hoch auf den Landesfürsten aus.
Dann wurde die Versammlung von dem Vorsitz-nden, Bürger-
meister Apfel, geschloffen.

Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 9. September.
O Die Vorfeier des Geburtstages unseres Großherzogs
verlief programmmäßig, ebenso der heutigeMorgen. Um '/-H Uhr
traten die 4 Kompagnien der hiesigen Feuerwehr unter Vor-
antritt des Orchestervereins znm Abmarsch nach dem Rathause
auf dem Jubiläumsplatze an. Dekoriert wurden mit der staat-
lichen Medaille für 25jährige Dienstzeit von der 1. Kompagnie
Georg Heinstein, Franz Steinwand und Peter
Dieringer. Die städt. Auszeichnung für 20jährige Dienstzeit
erhielten Georg Heiß und Ludwig Frauenfeld. Das
Anerkennungsdiplom der Feuerwehr für 10jährige Dienstzeit
erhielten Emil Edel, Karl Hohmeister, Josef Schüler
und Karl Kisten macher.
O Zm Stadtteil Neuenheim wurde die Feier des Geburts-
tages unseres Landesfürsten unter sehr zahlreicher Beteiligung
der Einwohnerschaft begangen. Die Kirche war bis auf den letz-
ten Platz gefüllt; zwei erhebende Gesangsvorträge des Sänger-
bundes trugen wesentlich zur Erhöhung der Feier bei. Die Pre-
digt beantwortete die Frage, was wir unserm Großherzog schul-
dig geworden seien, und führte aus: wir seien ihm Dankbarkeit,
Vertranen, Liebe und Treue und seinem hohen Vorbilde nachzu-
streben schuldig. Das von Herrn F. Vogel geleitete Festbankett
war ebenfalls sehr besucht. Nachdem der Vorsitzende die Er-
schienenen, insbesondere die Gäste, mit freundlichen Worten be-
grüßt hatte, erteilte er dem Herrn Pfr. Schneider das Wort,
 
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